
Von José Antonio Ureta*
In etwas mehr als zwei Wochen hat die Kirche, die im Todeskampf zu versinken schien, eine unerwartete Vitalität gezeigt, die ihren göttlichen Ursprung und den ständigen Beistand des Heiligen Geistes beweist.
Die liberalen Medien haben mit Vergnügen hervorgehoben, daß trotz des populistischen und modernisierenden Pontifikats des verstorbenen Papstes Franziskus das Ausbluten der religiösen Praxis innerhalb der katholischen Kirche nicht aufgehört hat, sich auszubreiten, ebenso wenig wie die Schließung von Kirchen aufgrund des anhaltenden Rückgangs der Priesterweihen, eines entsprechenden Rückgangs der Einnahmen für die Aufrechterhaltung ihrer liturgischen und karitativen Aktivitäten und, was noch schlimmer ist, der aufgrund der „Offenheit“ des argentinischen Pontifex provozierten internen Kämpfe. Diese Analysten sagten voraus, daß die große Institution, die die westliche Kultur und Zivilisation geprägt und die ganze Welt mit ihrem Denken beeinflußt hat, bald in der Bedeutungslosigkeit verschwinden würde …
Dem ist nicht so! Das Zusammentreffen von mehr als hundert Staatsoberhäuptern zur Beerdigung von Franziskus und die Anwesenheit von mehr als 1.500 Journalisten in Rom, die über die Generalversammlung des Kardinalskollegiums, das Konklave und die Wahl des neuen Papstes berichteten, zogen die Aufmerksamkeit von Millionen von Katholiken und Nichtkatholiken auf allen fünf Kontinenten auf sich. In ihren Augen erschien die von Jesus Christus gegründete tausendjährige Institution im Glanz ihrer besten Tage. Und sie waren fasziniert.
Der bolivianische Schriftsteller José Andrés Rojo hat es in der linken Madrider Tageszeitung El País treffend ausgedrückt:
„Jeder Laie, der sich diesem Prozeß nähert, ist fasziniert von den Protokollen, die ihn bestimmen. Der minutiöse Umgang mit der Zeit, die sorgfältige Anordnung von Figuren, Räumen und Farben, die Gewänder der Protagonisten, die Informationen, die genau dosiert weitergegeben werden, das Spektakel. … Die Führer der neuen Ordnung eilten in den Vatikan, um von der katholischen Kirche zu lernen. Sie interessieren sich nicht für ihre Predigten oder theologischen Überlegungen, auch nicht für ihre Gebote; sie wollen verstehen, wie ihre prächtigen Zeremonien funktionieren. So lernen sie, wie sie sich die Zuneigung der Herde sichern und ihre Emotionen wecken können, um sie zu jenem neuen goldenen Zeitalter zu führen, das sie so nachdrücklich versprechen.“1
Tatsächlich richteten sich vierundzwanzig Stunden lang die Augen der ganzen Welt auf die Möwe, die stolz an dem kleinen, von Vatikanangestellten errichteten Schornstein stand, aus dem der Rauch – schwarz oder weiß – das Ergebnis der geheimnisvollen Abstimmungen in der aristokratischsten Wahl der heutigen demokratisierten Welt anzeigen würde.
An dem Konklave nahmen 132 Wahlmänner teil, die größtenteils von dem verstorbenen Herrscher nach eher skurrilen Kriterien ausgewählt worden waren, ohne daß sie die Möglichkeit hatten, sich in regelmäßigen Konsistorien, wie sie in der Vergangenheit abgehalten wurden, näher kennenzulernen. Die zusätzliche Schwierigkeit, daß sie aus 77 Ländern mit sehr unterschiedlichen Kulturen und pastoralen Interessen kamen, ließ einen langen Prozeß erahnen, um jemanden zu wählen, der die Zustimmung von nicht weniger als zwei Dritteln dieser heterogenen Wählerschaft erhalten mußte: eine Heterogenität, die durch die theologischen Divergenzen zwischen den progressiven Prälaten, die sich eine Fortsetzung des abenteuerlichen „Paradigmenwechsels“ von Papst Franziskus wünschten, und denjenigen, die in seiner Offenheit für den Zeitgeist einen Verrat an der Botschaft des Evangeliums sahen, noch verstärkt wurde, sodaß nicht wenige Beobachter die Hypothese eines Schismas aufwarfen.
Einmal mehr wurden alle Erwartungen widerlegt. In nur vier Wahlgängen wurde der 267. Nachfolger des heiligen Petrus gewählt. Der Kardinal-Erzbischof von Algier, ein ultra-progressiver Prälat, erklärte, daß nach einem anfänglichen Moment, der „Ausdruck von Differenzen“ war, bei den Abstimmungen „schnell eine große Einmütigkeit herrschte“. So sehr, daß die Abstimmung seiner Meinung nach „früher hätte enden können“2, was darauf hindeutet, daß Kardinal Robert Prevost bereits im dritten Wahlgang fast die erforderliche qualifizierte Mehrheit erreicht hatte. Eine Wahl, die den Vorhersagen der Buchmacher und den geheimen Wünschen derjenigen widersprach, die sich einen Nachfolger wünschten, der das bergoglianische Abenteuer fortsetzen und die katholische Kirche weiter in Richtung der Ränder des globalen Südens entwestlichen würde.
Inspiriert von der Klugheit, die eine Persönlichkeit verlangte, die in der Lage ist, eine durch die pastorale Linie und den autoritären Stil von Franziskus tief gespaltene Kirche zu vereinen, damit sie die Gläubigen wieder führen und die Gewissen inmitten des derzeitigen geopolitischen Chaos erleuchten kann – und, so hoffen wir, auch von den Eingebungen des Heiligen Geistes geleitet –, wählte das Kardinalskollegium eine Person aus, die der breiten Öffentlichkeit unbekannt ist, aber die Züge verkörpert, die Kardinal Timothy Dolan sich vorstellte, als er vor dem Einsteigen in sein Flugzeug in New York in die NBC-Mikrophone sagte: „Ich würde gerne jemanden sehen, der den Elan, die Überzeugung und die Stärke von Johannes Paul II. hat. Ich würde gerne jemanden sehen, der die intellektuelle Kraft von Papst Benedikt hat. Ich würde gerne jemanden mit dem Herzen von Papst Franziskus sehen … jemanden mit dem gleichen Stil von Franziskus, dieser Wärme, diesem Herzen, diesem Lächeln, dieser Güte, dieser Umarmung, vielleicht mit einer kleinen Mischung aus Johannes Paul und Benedikt, wenn es um mehr Klarheit in der Lehre, mehr Verfeinerung in der Tradition der Kirche, mehr Graben in den Schätzen der Vergangenheit geht, um uns daran zu erinnern, was Jesus jetzt von uns erwartet.“
Der Verfeinerung der kirchlichen Traditionen diente schon der erste Auftritt von Leo XIV. auf der Segensloggia, der nichts zu wünschen übrig ließ, was die Pracht des päpstlichen Prunks betraf: Mozzetta und bestickte Stola, Pektoral und Prozessionskreuz aus Gold, keine persönliche Improvisation, sondern eine schriftliche Rede, die in nüchternem Ton und mit ausgeprägter religiöser Note gehalten wurde und in der er seine Mission auf die Verkündigung des auferstandenen Christus konzentrierte und sein Petrusamt kindlich in die Hände der Gottesmutter legte. Eine marianische Verehrung, die am nächsten Tag durch seinen unerwarteten Besuch im Heiligtum Unserer Lieben Frau vom Guten Rat in Genazzano bestätigt wurde, dem inspirierenden Fresko mit orientalischen Zügen, das von Engeln aus Albanien an den Stadtrand von Rom gebracht wurde und im Mittelpunkt der marianischen Verehrung des Augustinerordens steht, dem der neue Papst angehörte.
Die erste Predigt Leos XIV. an die Kardinäle in der Sixtinischen Kapelle war auch eine Erinnerung daran, was Jesus heute von uns erwartet. Zum Kontext der Episode aus dem Evangelium über das Bekenntnis des Petrus betonte sein neuer Nachfolger, daß sie sich in einem ähnlichen Kontext wie dem unseren abspielte, d. h. „einer Welt, die Jesus als eine Person ohne jede Bedeutung, höchstens als eine merkwürdige Figur betrachtet“ und die „nicht zögern wird, ihn zu verwerfen und zu beseitigen“, wenn seine Anwesenheit unbequem wird, oder aber diejenigen, die ihn als eine Person betrachten, die nur Dinge sagt wie andere große Propheten und ihm folgen, „zumindest solange sie dies ohne allzu große Risiken und Unannehmlichkeiten tun können“, die ihn aber „nur als einen Menschen sehen und ihn deshalb im Moment der Gefahr, während der Passion, sogar verlassen und desillusioniert weggehen“. Nach Ansicht des neuen Papstes sind diese beiden Verhaltensweisen sehr aktuell: „Sie verkörpern in der Tat Ideale, die wir leicht – manchmal in einer anderen Sprache ausgedrückt, aber in der Substanz identisch – in den Mündern vieler Männer und Frauen unserer Zeit finden können“. Und das sogar unter den Getauften, wo es nicht an denen mangelt, die Jesus „auf eine Art charismatischen Führer oder Übermenschen“ reduzieren und „auf dieser Ebene de facto in einem Atheismus leben“.
Diese Vision des Zustands der Menschheit ist das Gegenteil des glückseligen Optimismus, der die Einberufung, die Diskussionen und die pastoralen Optionen des Zweiten Vatikanischen Konzils beherrschte und der auf der Idee beruhte, daß die Menschheit sich auf die Werte des Evangeliums zubewegt und daher keine Anathemata mehr nötig sind und eine positive Darstellung dieser Werte ausreicht. Das Bild der streitenden Kirche sollte durch das der pilgernden Kirche ersetzt werden, die Hand in Hand mit der Welt auf ein eschatologisches Reich zugeht, dessen Ort allerdings ungewiß ist – in dieser oder in der nächsten Welt.
Davon ist in der Vision des neuen Papstes nichts zu spüren. Angesichts einer Menschheit, die Christus verachtet, ignoriert oder abwertet, ruft er uns auf, „den freudigen Glauben an Christus, den Erlöser, zu bezeugen“ und mit dem heiligen Petrus zu wiederholen: „Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes!“ Eine Aufgabe, die sein Nachfolger wie einen Schatz empfangen hat, damit er „mit seiner Hilfe ein treuer Verwalter“ sei, so daß die Kirche „immer mehr die Stadt auf dem Hügel sein kann, eine Arche des Heils, die durch die Strömungen der Geschichte fährt, ein Leuchtturm, der die Nächte der Welt erhellt“. Von der Erklärung von Abu Dhabi und den skandalösen Äußerungen in Singapur, alle Religionen seien Wege zu Gott, sind wir Welten entfernt …
Es ist noch zu früh, um zu wissen, wie weit der neue Papst dieses missionarische Programm tragen wird, aber eines scheint klar zu sein: Seine Wahl bedeutet eine Rückkehr zur Ordnung. Hoffen wir, daß dies nicht nur auf der Ebene der Äußerlichkeiten geschieht – denn, wie Victor Hugo weise sagte, „die Form ist die Substanz, die an die Oberfläche tritt“ –, sondern auch auf der Ebene der Lehre und der Disziplin, damit die immense Verwirrung, die der vorherige Pontifex mit seinen unüberlegten Äußerungen und umstrittenen Dokumenten wie Amoris laetitiae und Fiducia supplicans gesät hat, beseitigt wird und die Verfolgung von Klerikern, Intellektuellen und Gläubigen, die wegen ihrer Treue zu den moralischen Lehren der Kirche oder ihrem uralten liturgischen Ritus ausgegrenzt und sanktioniert wurden, beendet werden kann.
Als Grund für die Wahl des Namens Leo nannte der neue Pontifex unter anderem das Gedenken an Leo XIII., der die Grundlagen für die Soziallehre der Kirche als Antwort auf die Herausforderungen der industriellen Revolution legte, so wie sie heute den Herausforderungen der neuen digitalen Revolution gegenübersteht. Eine andere Erklärung könnte seine Zuneigung zu Leo XIII. sein, der in der Nähe von Genazzano geboren wurde, bei den Augustinern ausgebildet wurde und derjenige war, der die Anrufung Mater Boni Consilii [Mutter vom Guten Rat] in die Lauretanische Litanei aufnahm.
Laut Le Figaro erzählte der serbische Kardinal Ladislav Nemet einen unter den Kardinälen kursierenden Witz, der eine andere Erklärung für die Wahl des Namens Leo (lateinisch „Löwe“) bietet:
„Bisher hatten wir Franziskus, der mit den Wölfen gesprochen hat. Jetzt haben wir einen Löwen, der die Wölfe vertreiben wird.“3
Hoffen wir, daß er dies tut, um ein für alle Mal den „Rauch des Satans“ zu vertreiben, der während der Zeit Pauls VI. in die Kirche eingedrungen ist, und den „mysteriösen Prozeß der Selbstzerstörung“ zu beenden, der zu ihrer gegenwärtigen Krise geführt hat. Möge Leo XIV. über die Absichten der stimmberechtigten Kardinäle hinausgehen (die ihn vielleicht nur als Konsensfigur gewählt haben) und den Frieden in der Kirche wirklich wiederherstellen.
Hoffen wir, daß es der wahre Friede des heiligen Augustinus sein wird, d. h. „die Ruhe der Ordnung“, die eine möglichst radikale Beseitigung der Faktoren der lehrmäßigen und disziplinären Unordnung voraussetzt, die in allen katholischen Milieus und insbesondere in Europa grassieren. In dieser Hoffnung schließen wir uns den Tausenden von Gläubigen an, die am Fuße der Loggia des Petersdoms Leo XIV. mit einem lauten „Viva il Papa!“ zujubelten.
*Der Chilene José Antonio Ureta, Gründer der Lebensrechts- und Bürgerrechtsorganisation Fundación Roma, ist leitendes Mitglied des Instituto Plinio Corrêa de Oliveira in São Paulo und Vorsitzender der internationalen Bewegung Tradition, Familie und Privateigentum (TFP) in Frankreich. Im Juni 2018 legte er mit dem Buch „Der ‚Paradigmenwechsel‘ von Papst Franziskus“ eine kritische Analyse der ersten fünf Jahre des damaligen Pontifikats vor. Das Buch liegt inzwischen in italienischer, englischer, französischer, spanischer und portugiesischer Ausgabe vor.
Erstveröffentlichung: Voice of the Family
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Pixelio
1 „Trump toma nota del antiguo régimen – Los rituales y ceremoniales de la Iglesia católica sirven para soldar los afectos y emociones de los fieles“, El País, 02.05.2025. ︎
2 Élisabeth Pierson, „Le 267e successeur de Pierre suscite l’enthousiasme de ses pairs“, Le Figaro, 10.05.2025, S. 4. ︎
3 Jean-Marie Guénois, „Son nom est son programme: pourquoi le pape a choisi de s’appeler Léon XIV“, Le Figaro, 10.05.2025, S. 4. ︎