
(Rom) Die jüngste Entscheidung von Papst Franziskus zu Kardinal Augustyn Hlond löste auf jüdischer Seite „tiefe Besorgnis“ aus.
Am vergangenen Pfingstmontag teilte das vatikanische Presseamt mit, daß Papst Franziskus zwei Tage zuvor Kardinal Angelo Amato, den Präfekten der Kongregation für die Heilig- und Seligsprechungsverfahren in Audienz empfangen hatte. Bei dieser Gelegenheit ging es nicht um die neuen Heiligsprechungen, etwa von Papst Paul VI. und Erzbischof Oscar Romero, sondern um die Veröffentlichung eines Dekrets, mit die Erhebung zum ehrwürdigen Diener Gottes erfolgte.
Dabei handelt es sich um einen Verfahrensschritt im Seligsprechungsprozeß. Es wird der heroische Tugendgrad oder die Authentizität des Martyriums anerkannt. Die Diener Gottes sind damit bereits zu den Ehren der Altäre erhoben. Es kommt ihnen aber nicht eine solche öffentliche Verehrung in der Liturgie zu wie Seligen oder gar Heiligen. Erfolgt die Anerkennung eines Wunders, das auf die Fürsprache eines Dieners Gottes zurückgeführt wird, steht der Weg für die Seligsprechung offen. Märtyrer kann der Papst auch ohne den Nachweis eines Wunders seligsprechen.
Polnischer Oberschlesier
Am Samstag erkannte Papst Franziskus die Altarehre als Diener Gottes dem polnischen Kardinal Augustyn Hlond zu. Der Salesianer Hlond (1881–1948) entstammte einer polnischsprachigen Familien im oberschlesischen Brzenskowitz. Wegen seiner Sprachbegabung, er beherrschte zwölf Sprachen, erhielt er im Orden schnell führende Aufgaben, zunächst in Wien, dann als Provinzial der Salesianer im Deutschen Reich und in Österreich-Ungarn.

Nach dem Ersten Weltkrieg schien Hlond als einheimischer Pole mit ausgezeichneten Deutschkenntnissen und mit den komplizierten Verhältnissen Oberschlesiens vertraut (Deutsche, Wasserpolen, Polen; Katholiken, Protestanten, Juden; Befürworter des Verbleibs beim Deutschen Reich und Anhänger der Angliederung an Polen) dem Vatikan als geeigneter Kandidat für die Leitung der Ortskirche. Zum Verständnis der Lage: Sein mehrheitlich polnischsprachiger Heimatort beispielsweise hatte bei der Volksabstimmung 1921 mit deutlicher Mehrheit für Deutschland gestimmt. So wurde Hlond 1922, nach der alliierten Teilung Oberschlesiens, zum Apostolischen Administrator des zu Polen gelangten Landesteiles (bis dahin Bistum Breslau). 1925 wurde er erster Bischof des neuerrichteten Bistums Kattowitz, das zugleich dem Erzbistum Krakau unterstellt wurde.
Bereits 1926 erfolgte seine Berufung zum Erzbischof von Gnesen und zugleich Primas von Polen, 1927 seine Erhebung in den Kardinalsstand. Die Beförderung nach Gnesen im Juni 1026 erfolgte nur ein halbes Jahr nach seiner Ernennung zum Bischof von Kattowitz. Die ungewöhnliche Eile hatte mit den politischen Umbrüchen im Land zu tun. Im Mai hatte Marschall Józef Pilsudski mit einem Staatsstreich die Macht im Land übernommen, das er bis zum seinem Tod 1935 mit diktatorischen Vollmachten regieren sollte. Hlond schien der richtige Mann zu sein, unter Pilsudski die Interessen der polnischen Kirche zu vertreten.
Polonisierung der Kirche
Schon in seiner Zeit in Kattowitz, dann auch in Gnesen und vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg wurde gegen den Kardinal der Vorwurf der Polonisierung und einer antideutschen Haltung erhoben. Wenngleich er die deutsche Seelsorge in der Zwischenkriegszeit nicht in Frage stellte, behinderte er doch die deutsche Volksgruppe in Polen sowohl auf rechtlicher wie auch auf praktischer Ebene. Der vom Staat betriebene Verdrängungsprozeß gegen die Deutschen des Landes wurde von Hlond in abgeschwächter, letztlich aber die Staatspolitik unterstützende Weise auf die Kirche übertragen.
1939 war Hlond nach dem Einmarsch deutscher Truppen auf Aufforderung der polnischen Regierung nach Rom gegangen. Die deutsche Besetzung seines Bistums erlebte er im Exil. Nach Kriegsende kehrte er nach Polen zurück.
Nach dem Potsdamer Abkommen, mit dem die alliierten Siegermächte weite Teile der deutschen Ostgebiete der polnischen Verwaltung unterstellten, wurde Hlond umgehend tätig. Mit massiven Eingriffen verdrängte er die Deutschen aus den Kirchenleitungen und polonisierte die katholische Kirche in den deutschen Ostgebieten. Seine Maßnahmen erfolgten parallel zur Vertreibung der Deutschen durch den Staat. Was sich in der Zwischenkriegszeit abgezeichnet hatte, wurde nun um ein Vielfaches radikaler fortgesetzt. Obwohl die Alliierten der polnischen Regierung nur provisorisch die Verwaltung deutscher Gebiete übertragen hatten, bis ein Friedensvertrag für Deutschland die Grenzen festlegen würde, war man in Warschau entschlossen, vollendete Tatsachen zu schaffen.
Beseitigung der ostdeutschen Kirchenleitungen
Dazu gehörte für Hlond die Absetzung der deutschen Bischöfe und Domherren, die er in Eigenregie und ohne das Wissen Roms durchführte. Seine Maßnahmen waren so radikal, daß er sich später gegenüber dem Vatikan dafür entschuldigen mußte. Der Heilige Stuhl erkannte die antideutschen Aktionen nicht an, was in der Sache aber nichts mehr an den vollendeten Tatsachen änderte. Zur brutalen und zum Teil grausamen Vertreibung von Millionen Deutschen aus dem Osten schwiegen nicht nur die Politiker und Medien der westlichen Alliierten, sondern auch der Vatikan und seine Medien. Der Vatikan war damals vor allem über die reale Möglichkeit einer kommunistischen Machtübernahme in Italien besorgt.

Der von Hlond vollzogene Umbau der Ortskirchen in den von Polen verwalteten deutschen Gebieten wurden vom Heiligen Stuhl erst 1972 anerkannt, nachdem auch der Deutsche Bundestag den Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über die Grundlagen der Normalisierung ihrer gegenseitigen Beziehungen (Warschauer Vertrag) ratifiziert hatte.
Gegen Hlond erhob vor allem der schlesische Moraltheologe und Fuldaer Domkapitular Msgr. Franz Scholz in mehreren Schriften schwere Vorwürfe wegen dessen antideutscher Haltung. Scholz intervenierte mit Nachdruck gegen eine Seligsprechung Hlonds. Der 1998 verstorbene Scholz war Träger des Schlesierschildes der Landsmannschaft Schlesien.
Der bekannte deutsche Jesuit, P. Lothar Groppe, kritisierte 1999 in einer Predigt das „Bestreben polnischer Kreise, eine der abstoßendsten Gestalten der Kirche in Polen […] zur Ehre der Altäre puschen zu wollen“.
„Kauft nicht bei Juden!“
Neben seiner antideutschen Haltung, wurde Hlond auch eine antijüdische Haltung vorgeworfen. Als treibende Kraft hinter dem atheistischen Kommunismus sah er jüdische Kreise am Werk, weshalb er den polnischen Juden in der Zwischenkriegszeit vorwarf, eine Vorhut und Fünfte Kolonne des Kommunismus zu sein. Er lehnte physische Gewalt gegen Juden als Sünde ab, verschärfte aber ab 1934 seine Kritik an den Juden. 1938 rief er in einem Hirtenbrief zum Boykott jüdischer Geschäfte auf. 1938 habe er, so behaupteten es jedenfalls vor 1989 die polnischen Kommunisten in antikatholischen Schriften, die Aussiedlung von zwei Millionen polnischen Juden gefordert.
In seiner Exilzeit prangerte Hlond jedoch von Rom aus nicht nur die Verfolgung der katholischen Kirche im besetzten Polen, sondern auch die Verfolgung der Juden durch die Nationalsozialisten scharf an. Ebenso verurteilte er den antijüdischen Pogrom von Kielce im Juli 1946, bei dem nach Ritualmordgerüchten 41 Juden von Polen getötet und 80 verletzt wurden. Er bestritt allerdings einen rassistischen Hintergrund und nannte das radikale Vorgehen der neuen Machthaber, konkret von kommunistischen Juden, als Auslöser für den Volkszorn.
Hlonds Erhebung zu den Altären wurde von deutscher Seite bisher ohne sonderliche Aufmerksamkeit zur Kenntnis genommen. Oberschlesien und die deutschen Ostgebiete scheinen den meisten Deutschen heute ferner und vor allem fremder als die Toskana, Paris oder die Costa del Sol. Von jüdischer Seite gab es hingegen deutlichen Einspruch.
„Extrem“ judenfeindliche Haltung
Das American Jewish Commitee (AJC), dessen Zweck die „Förderung des jüdischen Volkes, des Staates Israel, von Menschenrechten und demokratischen Werten“ ist, protestierte gegen die Erhebung von Kardinal Hlond zur Altarehre, weil er ein „Antisemit“ gewesen sei.

Die amerikanische Presseagentur Associated Press (AP) meldete die jüdische Kritik. Hlond habe eine „extrem“ feindliche Haltung gegenüber Juden eingenommen und den Pogrom von 1946 „nicht verurteilt“.
Aus diesem Grund übermittelte das American Jewish Commitee hohen Vertretern des Vatikans ein Schreiben, das gestern auch auf der AJC-Internetseite veröffentlicht wurde, indem die „tiefe Besorgnis“ zum Ausdruck gebracht wird, daß Papst Franziskus ein Dekret approbierte, mit dem Hlond der heroische Tugendgrad zuerkennt, und damit der ersten Schritt zu seiner Seligsprechung vollzogen wurde.
Rabbi David Rosen, AJC-Verantwortlicher für die interreligiösen Beziehungen und seit Jahren im Vatikan gern und häufig gesehener Gast, zitierte aus einem Hirtenbrief, den Hlond 1936 veröffentlicht hatte. Darin rief der damalige polnische Primas die Polen auf, sich vom „moralisch verderblichen Einfluß der Juden“ fernzuhalten.
Associated Press hob hervor, daß Hlond in der katholischen Kirche Polens hingegen hohes Ansehen genießt, weil er in der schwierigen Kriegs- und Nachkriegszeit den Glauben bewahrt und die Unabhängigkeit der Kirche in Polen verteidigt hatte.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons
Die Polen werden heutzutage als streng gläubig eingeschätzt, was viele auch sind. Für die meisten ist der Katholizismus allerdings nur teil ihrer Nationalkultur. Die Resultate sieht man oben. Die Nation geht in jeden Fall vor, ob das Vorgehen nun christlich ist oder nicht. Den Begriff Wasserpolen hören die so genannten übrigens nicht gerne, einfach Schlesier wäre besser.
Dieser Artikel folgt in seiner ablehnend-feindlichen Beurteilung des polnischen Katholizismus in der Interbellumära unter dem Kard. Hlond ganz den gängigen deutschen, revanchistischen Stereotypen. Er reiht sich ganz in den den Typus des deutschen Revisionismus ein, den die PiS glücklicherweise energisch widerspricht da eine höchstgefährliche Täter Opfer Umkehr damit betrieben wird. Der Kontext der Zeit wird überhaupt nicht mitbedacht ebenso nicht die Kausalitäten. Polens Staatlichkeit ward nach mehr als hundertjähriger ungerechter Fremdherrschaft erst wiederhergestellt und alsbald von Deutschland wieder in seiner Existenz fundamental bedroht. Das überwältigende Gros der Deutschen, die nach der glücklichen Restauration der Rzeczpospolita durch die alliierte Nachkriegsordnung sich in diesem polnischen Staat wiederfanden wollten sich nie mit der neuen politischen Realität abfinden sowie diese akzeptieren, au contraire zu viele setzten ganz auf Irredentismus und wünschten eine Wiedervereinigung mit dem Reich, nicht wenige betrieben sogar als illegale Nazisten Sabotage gegen den polnischen Staat und seine Institutionen in den fraglichen Gebieten, und als schließlich die Katastrophe 1939 mit dem Überfall auf Polen hereinbrach hat ein erheblicher Teil dieser Deutschen sich maßgeblich an den schlimmsten Verbrechen der nazistischen Okkupanten beteiligt.
Und das alles hat Kard. Hlond, gerade weil er politischen Weitblick besaß und ein besonderes Sensorium für die Gefahren deutschen Irredentismus von Anfang an hatte, in seinem Amtswalten immer mitbedacht als er bestimmte Strömungen unter den Deutschsprachigen seines Diözesanklerus unterdrückt hat.
Zu den Vertreibungen, die sowohl in der restituierten Tschechoslowakei als auch in Polen nach dem Sieg über den Hitlerismus stattfinden ist zu sagen, daß sie Folge der entsetzlichen Machtstrebens des Deutschen Reiches sind, das zwei Weltkriege zu verantworten hat und im zweiten großen Kriege sich in der Historie beispielloser Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig gemacht hat. Sir Winston Churchill hat dies in seinen Memoiren (in den Passaagen wo er über die Konferenzen von Teheran und Jalta ausführlich referiert) und in einigen Reden profund dargelegt und das polnische Volk war und ist ihm deswegen auch ewig dankbar auch wenn natürlich die Repatriierung der Polen aus den dann der Sowjetunion zedierten kresy eine schmerzliche Episode war. Aber auch diese Ereignisse finden in diesem Artikel, wohl mit Absicht, keine Erwähnung.
Ist denn eine Seligsprechung keine interne Angelegenheit der Kirche mehr?
Warum wollen da die Nichtkatholiken mitreden?
Wo ist denn die Trennung zwischen Staat und Kirche, daß man politische Dinge mit der Seligsprechung vermischt?
Glauben denn die Nichtkatholiken doch daran, daß die Kirche von Gott eingesetzt wurde, sodaß sie ihre Entscheidungen beeinflussen wollen?
Man sieht anhand dieses Falls, daß doch alle an das Leben nach dem Tod und an die Vollmacht der Katholischen Kirche glauben.
Quod erat demonstrandum, oberschlesien!
Wenngleich man den heutigen Polen nicht so unrecht tun sollte, ihnen grosso modo Ratkajs Geschichtsbild zu unterstellen. Es deckt sich jedenfalls ganz und gar nicht mit meiner Erfahrung.