Kardinal Müller: „Der Papst ist kein Symbol der säkularisierten Religion der Eliten“

"Der künftige Papst ist kein Nachfolger seines Vorgängers, sondern ein Nachfolger Petri"


"Ein Kapitel in der Geschichte hat sich geschlossen. Zu Frauen, Homosexuellen und Islam hat es Zweideutigkeiten gegeben"
"Ein Kapitel in der Geschichte hat sich geschlossen. Zu Frauen, Homosexuellen und Islam hat es Zweideutigkeiten gegeben"

„Der künf­ti­ge Papst ist kein Nach­fol­ger sei­nes Vor­gän­gers, son­dern ein Nach­fol­ger Petri“, sagt der deut­sche Kar­di­nal Ger­hard Mül­ler in einem Inter­view mit La Repubbli­ca, das von der füh­ren­den ita­lie­ni­schen lin­ken Tages­zei­tung, die Papst Fran­zis­kus laut eige­nen Anga­ben täg­lich las, gestern ver­öf­fent­licht wur­de. Wir doku­men­tie­ren die Ant­wor­ten des ehe­ma­li­gen Glau­bens­prä­fek­ten und eme­ri­tier­ten Bischofs von Regens­burg, den Papst Fran­zis­kus trotz sei­nes jun­gen Alters auf das Abstell­gleis gescho­ben hatte.

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Iaco­po Sca­ra­muz­zi: Eure Emi­nenz, wie füh­len Sie sich in die­sem Moment?

Kar­di­nal Mül­ler: Ein Kapi­tel in der Geschich­te der Kir­che hat sich geschlos­sen. Es ist klar, daß das Letz­tur­teil Gott zukommt, wir kön­nen nicht über Per­so­nen urtei­len. Wenn wir aber über das Pon­ti­fi­kat spre­chen, gibt es unter­schied­li­che Mei­nun­gen. Ein­hel­lig wird das Enga­ge­ment von Fran­zis­kus für die Migran­ten, die Armen und die Über­win­dung der Spal­tung zwi­schen Zen­trum und Peri­phe­rie gewür­digt. Auf der ande­ren Sei­te war er aber auch in eini­gen Momen­ten etwas zwei­deu­tig, zum Bei­spiel als er mit Euge­nio Scal­fa­ri von Auf­er­ste­hung sprach. Mit Papst Bene­dikt hat­ten wir eine voll­kom­me­ne theo­lo­gi­sche Klar­heit, aber jeder hat sei­ne eige­nen Cha­ris­men und Fähig­kei­ten, und ich den­ke, Papst Fran­zis­kus hat­te sie eher in der sozia­len Dimension.

Iaco­po Sca­ra­muz­zi: Haben Sie es geschätzt, daß Fran­zis­kus bis zu sei­nem letz­ten Atem­zug regiert hat, ohne zurückzutreten?

Kar­di­nal Mül­ler: Ja. Natür­lich will ich Papst Bene­dikt nicht für sei­ne Ent­schei­dung kri­ti­sie­ren, aber ich habe immer gesagt, daß wir den Ein­druck ver­mei­den müs­sen, daß die Mis­si­on des Pap­stes nur eine Funk­ti­on ist. Der Rück­tritt muß eine Aus­nah­me sein, man darf nicht den­ken, daß die Apo­stel in Pen­si­on gegan­gen sind…

Iaco­po Sca­ra­muz­zi: Soll­te der näch­ste Papst sei­ner Mei­nung nach den Segen für gleich­ge­schlecht­li­che Paa­re ändern?

Kar­di­nal Mül­ler: Er muß das klar­stel­len. Das unter Fran­zis­kus ver­ab­schie­de­te Doku­ment woll­te die­sen Men­schen seel­sor­ge­risch hel­fen, aber die katho­li­sche Leh­re von der Ehe darf nicht rela­ti­viert werden.

Iaco­po Sca­ra­muz­zi: Sie sag­ten, daß die vom Papst ein­be­ru­fe­nen Ver­samm­lun­gen [die Syn­oda­li­täts­syn­ode] nur ein Sym­po­si­um waren.

Kar­di­nal Mül­ler: Die Bischö­fe haben eine Auto­ri­tät, die nicht mit der Mög­lich­keit aller Getauf­ten ver­wech­selt wer­den darf, zu spre­chen. Es ist ein Sym­po­si­um, legi­tim, aber es ist kei­ne Syn­ode, es ist kein Aus­druck des Lehr­am­tes der Kir­che. Natür­lich sagen die­je­ni­gen, die nichts oder nur wenig von katho­li­scher Theo­lo­gie ver­ste­hen, daß der Papst die Kir­che von einer Auto­kra­tie in eine Demo­kra­tie ver­wan­delt. Aber es ist falsch, die Kir­che mit einer poli­ti­schen Orga­ni­sa­ti­on wie dem Welt­wirt­schafts­fo­rum oder der UNO zu verwechseln.

Iaco­po Sca­ra­muz­zi: Papst Fran­zis­kus hat eine Frau zur Prä­fek­tin eines vati­ka­ni­schen Dik­aste­ri­ums ernannt: Soll­te die­se Art der Ent­schei­dun­gen in Zukunft wie­der­holt werden?

Kar­di­nal Mül­ler: Das Pro­blem ist nicht die Frau, das Pro­blem ist, daß ein Laie an die Spit­ze einer ehe­ma­li­gen Kon­gre­ga­ti­on beru­fen wur­de, die Aus­druck der Auto­ri­tät des Kar­di­nals­kol­le­gi­ums ist. Der Ein­druck von Außen­ste­hen­den war: Ach, end­lich eine Frau! Und ich den­ke, wenn es um Ver­wal­tungs­äm­ter wie das Gover­na­torat geht, gibt es kein Pro­blem damit, daß es von Lai­en gelei­tet wird, aber die Römi­sche Kurie ist eine kirch­li­che Institution.

Iaco­po Sca­ra­muz­zi: Papst Fran­zis­kus hat sich sehr für den Dia­log mit dem Islam ein­ge­setzt: Soll­te er Ihrer Mei­nung nach fort­ge­setzt werden?

Kar­di­nal Mül­ler: Schon der hei­li­ge Tho­mas von Aquin hat unter­schie­den: Auf der Ebe­ne der Ver­nunft kön­nen wir mit ihnen einen Dia­log füh­ren. Sie respek­tie­ren bestimm­te Prin­zi­pi­en der natür­li­chen Ethik und glau­ben auf ihre Wei­se an Gott. Aber wir müs­sen uns fra­gen, wie es mög­lich ist, daß jemand, der an Gott, den Schöp­fer aller Men­schen, glaubt, im Namen Got­tes töten kann. Dia­log ja, aber unter Ver­mei­dung jeder Form von Rela­ti­vis­mus: Der katho­li­sche Glau­be ist kein sin­gu­lä­rer Aus­druck einer uni­ver­sel­len Welt­re­li­gi­on, die vom Forum von Davos geschaf­fen wurde.

Iaco­po Sca­ra­muz­zi: Berg­o­glio hat ein histo­ri­sches Abkom­men mit Chi­na unter­zeich­net: Wird man die­sen Weg weitergehen?

Kar­di­nal Mül­ler: Mit die­sen mäch­ti­gen Dik­ta­to­ren muß ein Kom­pro­miß geschlos­sen wer­den, aber wir kön­nen die Grund­sät­ze unse­res Glau­bens nicht ver­ra­ten, wir kön­nen nicht akzep­tie­ren, daß athe­isti­sche Kom­mu­ni­sten, Fein­de der Mensch­heit, unse­re Kate­chis­mus­bü­cher schrei­ben oder das Bild von Xi Jin­ping in die Kir­chen brin­gen. Wir kön­nen nicht akzep­tie­ren, daß die Kom­mu­ni­sten die Bischö­fe ernennen.

Iaco­po Sca­ra­muz­zi: Was soll­te der näch­ste Papst tun und wel­ches Pro­fil soll­te er haben?

Kar­di­nal Mül­ler: Jeder Papst muß der Sen­dung des hei­li­gen Petrus die­nen: Er ist Ser­vus ser­vor­um Dei [Die­ner der Die­ner Got­tes]. Der zukünf­ti­ge Papst ist nicht der Nach­fol­ger sei­nes Vor­gän­gers, son­dern der Nach­fol­ger Petri.

Iaco­po Sca­ra­muz­zi: Glau­ben Sie, daß Ihre Posi­tio­nen im Kar­di­nals­kol­le­gi­um geteilt wer­den? Haben Sie das Gefühl, daß Sie in der Min­der­heit sind?

Kar­di­nal Mül­ler: Es mag sein, daß eini­ge sagen: Die­se Theo­lo­gen reden, ande­re sind prag­ma­tisch, die den­ken mehr an Macht, Ein­fluß… Ich weiß es nicht. Jeder muß sich dar­an erin­nern, daß wir der mysti­sche Leib Chri­sti sind und nicht eine inter­na­tio­na­le huma­ni­tä­re und sozia­le Orga­ni­sa­ti­on. Das gefällt vie­len säku­la­ri­sier­ten Men­schen, der Eli­te, den Olig­ar­chen, die den Papst ger­ne als Sym­bol ihrer Reli­gi­on hät­ten, aber der Papst ist kein Sym­bol der säku­la­ri­sier­ten Religion.

Einleitung/​Übersetzung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: La Repubbli­ca (Screen­shot)

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Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

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1 Kommentar

  1. Wenn sich einer fragt, wie der stärk­ste römi­sche Oppo­nent des abge­lau­fe­nen Poni­tif­ka­tes die Anwe­sen­heit im Vati­kan unbe­scha­det über­stan­den hat. Kar­di­nal Mül­ler hat die ver­rück­te­ste Arbeits­hy­po­the­se, die es gibt. Er geht pro For­ma davon aus, das Fran­zis­kus nicht in böser Absicht gehan­delt hat. 

    Das pola­re Gegen­stück ist Erz­bi­schof Vig­a­no. Vig­a­no geht davon aus, das die böse Absicht das grund­lie­gen­de Kri­te­ri­um ist. Was im Detail pas­siert ist, bleibt neben­säch­lich. Vig­a­no ist exkom­mu­ni­ziert und muss sich an ver­schie­de­nen Auf­ent­halts­or­ten verstecken. 

    Bei­de Her­an­ge­hens­wei­sen sind rich­tig. Jeder von bei­den hat sein eige­nes Cha­ris­ma und sei­nen vor­her­be­stimm­ten Platz in die­ser Endzeit. 

    Pas­send dazu könn­te der Brief an die Gemein­de in Thya­ti­ra sein. Auch dort gibt es eine Ver­füh­rung zur Unzucht, was der woke-Ideo­lo­gie ent­spricht. Die fal­sche Pro­phe­tin (Ver­füh­re­rin) hat den Namen Isebel. 

    Der Wiki­pe­dia­ar­ti­kel zu Ise­bel gibt fol­gen­de Erklä­rung: „Der hebräi­sche femi­ni­ne Per­so­nen­na­me אִיזֶבֶל ’îzæ­væl, deutsch ‚Ise­bel‘ ist ver­mut­lich ein Fra­ge­satz, bestehend aus dem Fra­ge­wort אֵי ’aj, deutsch ‚Wo?‘ und dem Sub­stan­tiv זבל zvl, deutsch ‚Hoheit‘ und lässt sich mit „Wo ist Hoheit?“ über­set­zen. Damit ähnelt die­ser Name sei­ner Struk­tur nach den Namen Ehud (אֵהוּד ’ehûd, deutsch ‚Wo ist Hoheit?‘), Ijob (אִיּוֹב ’îjôv, deutsch ‚Wo ist der Vater?‘), Ika­bod (אִי־כָבוֹד ’î‑khāwôd, deutsch ‚Wo ist Ehre?‘) und Iëser (אִיעֶזֶר ’î‘æzær, deutsch ‚Wo ist Hilfe?‘).“ 

    Offb 2,25: „Aber was ihr habt, das hal­tet fest, bis ich kom­me. Wer siegt und bis zum Ende an den Wer­ken fest­hält, die ich gebie­te, dem wer­de ich Macht über die Völ­ker geben.“

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