Die Flamme wurde erstickt

Die Auflösung des Sodalitium Christianae Vitae durch Papst Franziskus


Papst Franziskus löschte die Flamme des Sodalitium Christianae vitae (SCV) aus, indem er die Gemeinschaft aufhob
Papst Franziskus löschte die Flamme des Sodalitium Christianae vitae (SCV) aus, indem er die Gemeinschaft aufhob

Papst Fran­zis­kus hat das kon­ser­va­ti­ve Soda­li­ti­um Chri­stia­nae Vitae (SCV), eine inter­na­tio­na­le katho­li­sche Lai­en­ge­mein­schaft, der auch etwa hun­dert Prie­ster ange­hö­ren, auf­ge­ho­ben. Wie­der ein­mal lie­fer­te das tat­säch­li­che oder ver­meint­li­che Ver­sa­gen ein­zel­ner im inner­kirch­li­chen Rich­tungs­streit den Hebel zur will­kom­me­nen Demon­ta­ge der Gegen­sei­te auf einer ganz ande­ren Ebe­ne. Die Auf­lö­sung des Soda­li­ti­ums ver­steht nicht, wer die offe­nen Rech­nun­gen nicht berück­sich­tigt, die in Latein­ame­ri­ka offen sind.

Anzei­ge

Die Auf­lö­sung wur­de gestern vom vati­ka­ni­schen Pres­se­amt bekannt­ge­ge­ben und auch von den welt­li­chen Medi­en mit offen­sicht­li­cher Genug­tu­ung wei­ter­ver­brei­tet. Anlaß war das Ver­sa­gen des Grün­ders, dem schwe­rer sexu­el­ler Miß­brauch zur Last gelegt wird, wobei es vor kei­nem welt­li­chen oder kirch­li­chen Gericht zu einem ordent­li­chen Ver­fah­ren, geschwei­ge denn zu einer Ver­ur­tei­lung gekom­men ist.

Was ver­schwie­gen wird: Mit der Auf­lö­sung wur­de bra­chi­al ein jahr­zehn­te­lan­ger Macht­kampf in der Kir­che Latein­ame­ri­kas ent­schie­den, da das Soda­li­ti­um eine Gegen­be­we­gung zur mar­xi­sti­schen Befrei­ungs­theo­lo­gie darstellte.

Das vati­ka­ni­sche Pres­se­amt ver­öf­fent­lich­te das Dekret des Ordens­dik­aste­ri­ums, das aller­dings kein Datum trägt, wes­halb zunächst ver­mu­tet wur­de, es sei auf den gest­ri­gen Tag datiert. Tat­säch­lich erfolg­te die Auf­he­bung aber bereits am ver­gan­ge­nen 29. März, also weni­ge Tage nach der Rück­kehr von Fran­zis­kus aus der Gemel­li-Kli­nik in den Vati­kan. Dies gab das Soda­li­ti­um selbst gestern bekannt.

Die Auf­he­bung folg­te auf jah­re­lan­ge Unter­su­chun­gen, die schwe­re Miß­brauchs­vor­wür­fe gegen den Grün­der, aber auch mut­maß­li­che finan­zi­el­le Unre­gel­mä­ßig­kei­ten inner­halb der Gemein­schaft betra­fen. Der Wort­laut der gestern ver­öf­fent­lich­ten Mit­tei­lung lautet:

„Zum Abschluß einer von Papst Fran­zis­kus am 5. Juli 2023 ange­ord­ne­ten Unter­su­chung, um die Stich­hal­tig­keit der Anschul­di­gun­gen ver­schie­de­ner Ver­ant­wort­lich­kei­ten zu über­prü­fen, die Herrn Luis Fer­nan­do Figa­ri zuge­schrie­ben wer­den, Luis Fer­nan­do Figa­ri und zahl­rei­cher ande­rer Mit­glie­der des Soda­li­ti­um Chri­stia­nae Vitae zu über­prü­fen, wur­de beschlos­sen, die Gesell­schaf­ten des Apo­sto­li­schen Lebens des Soda­li­ti­um Chri­stia­nae Vitae und der Maria­ni­schen Bru­der­schaft der Ver­söh­nung sowie die Ver­ei­ni­gun­gen der Gläu­bi­gen der Mäg­de des Pla­nes Got­tes und der Bewe­gung des Christ­li­chen Lebens auf­zu­he­ben.
Die ent­spre­chen­den Auf­he­bungs­de­kre­te, die vom Dik­aste­ri­um für die Insti­tu­te des geweih­ten Lebens und die Gesell­schaf­ten des apo­sto­li­schen Lebens erlas­sen und vom Hei­li­gen Vater aus­drück­lich bestä­tigt wur­den, sind kürz­lich noti­fi­ziert worden.“

Der 85 Jah­re alte Luis Fer­nan­do Figari

Das SCV war 1971 in Peru als eine Bewe­gung zur spi­ri­tu­el­len Erneue­rung inner­halb der katho­li­schen Kir­che gegrün­det wor­den. Es ent­wickel­te sich zu einer inter­na­tio­na­len Gemein­schaft mit einer brei­ten glo­ba­len Prä­senz. Über die Jah­re hin­weg sei jedoch eine zuneh­men­de Besorg­nis über die inter­nen Prak­ti­ken der Gemein­schaft gewach­sen. Soweit zumin­dest die wenig aus­sa­ge­kräf­ti­ge all­ge­mei­ne Darstellung.

In Wirk­lich­keit geht die Sache tie­fer, wobei zwei Ebe­nen zu unter­schei­den sind: das Soda­li­ti­um und sei­ne Bedeu­tung für die Kir­che in Latein­ame­ri­ka und das per­sön­li­che Han­deln sei­nes Gründers.

Der Hintergrund

Gehen wir einen Schritt zurück. Latein­ame­ri­ka war im Kal­ten Krieg zu einem ideo­lo­gi­schen und geo­po­li­ti­schen Kampf­platz zwi­schen den bei­den Macht­blöcken gewor­den. Die Sowjet­uni­on ver­such­te sich damals an die Spit­ze der Ent­ko­lo­nia­li­sie­rungs­be­we­gung zu stel­len und damit ihren Macht­ein­fluß aus­zu­wei­ten. Das galt beson­ders für Afri­ka und Asi­en. In Latein­ame­ri­ka ging es zwar nicht dar­um, wenn­gleich die kom­mu­ni­sti­sche Pro­pa­gan­da sol­che Ele­men­te ein­zu­men­gen ver­such­te, son­dern um star­ke sozia­le Unter­schie­de und ins­be­son­de­re um einen gro­ßen Geg­ner, die USA, die seit dem Roo­se­velt-Corol­la­ry-Zusatz von 1904 zur Mon­roe-Dok­trin den gesam­ten ame­ri­ka­ni­schen Dop­pel­kon­ti­nent als ihre Inter­es­sensphä­re bean­spru­chen und dort eine Domi­nanz ausüben.

So geschah es, daß poli­ti­sche Kräf­te, die vor 1945 mit dem euro­päi­schen Faschis­mus oder auch Natio­nal­so­zia­lis­mus sym­pa­thi­siert hat­ten, vor allem auch als Chan­ce, sich aus der US-Umklam­me­rung zu befrei­en, nach 1945 auf die kom­mu­ni­sti­sche Sei­te über­lie­fen, da nun allein die Sowjet­uni­on ein aus­sichts­rei­cher Gegen­spie­ler zu den USA zu sein schien. Die­ses Phä­no­men geschah auch in der katho­li­schen Kir­che. Ein beson­ders bekann­tes Bei­spiel für die­sen Sei­ten­wech­sel ist der bra­si­lia­ni­sche Erz­bi­schof Hél­der Câma­ra, doch auch Papst Fran­zis­kus selbst ist, wenn auch im Zuge einer nach­wir­ken­den Bewe­gung, durch sei­ne Sym­pa­thien für den Pero­nis­mus per­sön­lich involviert.

Inner­kirch­lich ent­stand im Span­nungs­feld der genann­ten poli­ti­schen und sozia­len Kon­flik­te die mar­xi­stisch gepräg­te Befrei­ungs­theo­lo­gie mit dem Bestre­ben, Chri­sten­tum und Sozia­lis­mus zu ver­ei­nen. Peru war ein Kern­land: Dort gab der Domi­ni­ka­ner Gustavo Gut­ier­rez 1971 der schon seit den frü­hen 60er Jah­ren viru­len­ten Bewe­gung ihren schlag­kräf­ti­gen Namen: Theo­lo­gie der Befrei­ung.

Im sel­ben Jahr grün­de­te, eben­falls in Peru, Luis Fer­nan­do Figa­ri, ein stark aus dem per­sön­li­chen Glau­bens­le­ben moti­vier­ter Laie, das Soda­li­ti­um Chri­stia­nae Vitae (SCV), das im Gegen­satz zu den mar­xi­sti­schen Befrei­ungs­theo­lo­gen weni­ger eine poli­ti­sche, son­dern eine reli­giö­se Ant­wort geben woll­te. Gesell­schaft­li­che und poli­ti­sche Ant­wor­ten müß­ten sich aus der per­sön­li­chen Umkehr her­aus erge­ben, so die Über­zeu­gung, wes­halb jeder zuerst bei sich selbst anset­zen müsse.

Peru wur­de seit einem Mili­tär­putsch 1968 von Gene­ral Juan Velas­co Alvare­do regiert. Als Anfüh­rer der Perua­ni­schen Revo­lu­ti­on ver­trat er einen deut­lich links­ge­rich­te­ten Kurs. Velas­co nahm eine kri­ti­sche Hal­tung gegen­über den USA ein und such­te die Annä­he­rung sowohl an die Sowjet­uni­on als auch an die Volks­re­pu­blik Chi­na. In sei­nen zahl­rei­chen grund­le­gen­den Refor­men wur­de Velas­co von den Befrei­ungs­theo­lo­gen unter­stützt. Die Kir­che in Peru wur­de durch die Gesamt­ent­wick­lung tief gespalten.

Die Grün­dung des SCV ent­sprach, wie auch das Opus Dei, einem Bedürf­nis vie­ler Katho­li­ken, die an der tra­di­tio­nel­len Ord­nung aus­ge­rich­tet waren. So war das SCV nicht nur eine Bewe­gung der geist­li­chen Erneue­rung, son­dern von Anfang an, wenn auch nicht direkt eine Gegen­be­we­gung zur Befrei­ungs­theo­lo­gie.

Wäh­rend die Befrei­ungs­theo­lo­gie gro­ße und oft wohl­wol­len­de media­le Unter­stüt­zung in West­eu­ro­pa fand, blieb das SCV lan­ge eher unbe­ach­tet, wur­de aber in Latein­ame­ri­ka als ein kon­ser­va­ti­ves Boll­werk gegen eine lin­ke Unter­wan­de­rung der Kir­che wahr­ge­nom­men – auf bei­den Seiten.

Die kon­ser­va­ti­ve Aus­rich­tung in der katho­li­schen Glau­bens­leh­re, die Beto­nung der hier­ar­chi­schen Struk­tur inner­halb des Soda­li­ti­ums, die Aner­ken­nung der kirch­li­chen Auto­ri­tät, die stark spi­ri­tu­el­le Ori­en­tie­rung, die Ableh­nung lin­ker Ideo­lo­gien und revo­lu­tio­nä­rer Bestre­bun­gen und die Ver­tei­di­gung der katho­li­schen Iden­ti­tät mach­ten das SCV zu einem von meh­re­ren kon­ser­va­ti­ven Magne­ten in Latein­ame­ri­ka. So wur­de das Soda­li­ti­um zu einem katho­li­schen Bezugs­punkt und zog zahl­rei­che jun­ge Män­ner an, die eine kla­re katho­li­sche Iden­ti­tät such­ten im Gegen­satz zu den um sich grei­fen­den pro­gres­si­ven Bestre­bun­gen in der Kir­che. Das SCV unter­hielt in meh­re­ren Staa­ten Schu­len und hat­te direk­ten Ein­fluß auf zumin­dest eine aus ihm her­aus gegrün­de­te Uni­ver­si­tät in Peru. 2002 wur­de Figa­ri von Papst Johan­nes Paul II. zum Con­sul­tor des Päpst­li­chen Rats für die Lai­en ernannt.

Mit der Wahl von Papst Fran­zis­kus sahen befrei­ungs­theo­lo­gi­sche Krei­se Latein­ame­ri­kas die Gele­gen­heit, die seit Jahr­zehn­ten andau­ern­den Macht­kämp­fe zu ihren Gun­sten zu ent­schei­den. Dazu gehör­te in erster Linie die Zurück­drän­gung oder völ­li­ge Aus­schal­tung unge­lieb­ter Gemein­schaf­ten, wie des Opus Dei, des SCV, des Insti­tu­to del Ver­bo Encar­na­do und der Heral­dos del Evan­ge­lio, um nur eini­ge zu nennen.

Papst Fran­zis­kus stammt selbst aus Latein­ame­ri­ka und ist mit den dor­ti­gen Ver­hält­nis­sen bestens ver­traut. Vor allem unter­stützt er aus eige­ner Über­zeu­gung die Bekämp­fung akzen­tu­iert kon­ser­va­ti­ver Gemeinschaften. 

Der Skandal und die Demontage

Um 2010 sol­len intern erste Vor­wür­fe des psy­chi­schen und homo­se­xu­el­len Miß­brauchs durch Figa­ri an jun­gen Män­nern des Soda­li­ti­ums bekannt­ge­wor­den sein. Öffent­lich geschah das erst etli­che Jah­re spä­ter. Figa­ri bestrei­tet bis heu­te die Vor­wür­fe. 2010 trat er im Alter von 70 Jah­ren von der Lei­tung des SCV zurück, des­sen Gene­ral­obe­rer er seit 1971 gewe­sen war. Nach außen hin wur­de der Rück­tritt als frei­wil­li­ger Rück­zug dar­ge­stellt, intern, so heißt es, habe es Druck wegen nicht näher spe­zi­fi­zier­ter Vor­wür­fe gege­ben. Damit blieb sei­ne Figur inner­halb der Gemein­schaft vor­erst unan­ge­ta­stet. Er hat­te kei­nen for­mel­len Ein­fluß mehr, genoß aber wei­ter­hin gro­ßes Anse­hen und damit infor­mel­len Ein­fluß auf die Häu­ser der Gemeinschaft.

2011 wur­de vom Gene­ral­ka­pi­tel der bis­he­ri­ge Gene­ral­vi­kar Edu­ar­do Regal Vil­la zum neu­en Gene­ral­obe­ren gewählt. Wie sein Vor­gän­ger ist auch Regal ein Laie. Dem SCV gehö­ren zwar auch Prie­ster an, prin­zi­pi­ell han­delt es sich jedoch um eine Lai­en­be­we­gung, wes­halb auch die Lei­tung der Gemein­schaft in Lai­en­hand war. In Regals Amts­zeit ver­stärk­ten sich die Miß­brauchs­vor­wür­fe gegen Figa­ri und dürf­ten zum Rück­tritt Regals geführt haben.

2012 wur­de Ales­san­dro Moroni Lla­b­rés zum neu­en Gene­ral­obe­ren gewählt.

2015 erschien dann das Buch „Mit­ad mon­jes, mit­ad sold­ados“ („Halb Mön­che, halb Sol­da­ten“) des ehe­ma­li­gen SCV-Mit­glieds Pedro Sali­nas in Zusam­men­ar­beit mit einem perua­ni­schen Jour­na­li­sten. Er warf Figa­ri, für die Zeit als die­ser Gene­ral­obe­rer war, psy­cho­lo­gi­sche Gewalt vor und behaup­te­te, aller­dings vage, selbst in den 80er Jah­ren Opfer von psy­chi­scher und kör­per­li­cher Miß­hand­lung gewor­den zu sein. Homo­se­xu­el­len Miß­brauch, den er Figa­ri und eini­gen ande­ren vor­warf, berich­te­te er vom Hörensagen.

Die perua­ni­sche Staats­an­walt­schaft lei­te­te Vor­er­mitt­lun­gen ein, die 2017 archi­viert wur­den, weil sie sub­stan­ti­ell unzu­rei­chend oder schon ver­jährt waren, vor allem aber, weil sich kei­ne Opfer mel­de­ten. Dar­auf erstat­te­ten fünf angeb­li­che Opfer eine Straf­an­zei­ge wegen Bil­dung einer kri­mi­nel­len Ver­ei­ni­gung und Ent­füh­rung, wes­halb ein ande­rer Staats­an­walt 2018 die Ermitt­lun­gen unter Pole­mi­ken gegen sei­ne Kol­le­gin wie­der­auf­nahm, die die Sache archi­viert hat­te. Die poli­ti­sier­te media­le Begleit­mu­sik spiel­te dabei offen­bar die größ­te Rol­le, die unter­stell­te, auch in der Justiz wol­le man ver­tu­schen. Doch auch die neu­en Ermitt­lun­gen muß­ten, obwohl sie acht Jah­re am Lau­fen gehal­ten wur­den, 2024 ergeb­nis­los archi­viert werden.

Papst Fran­zis­kus hat­te par­al­lel jedoch 2015 kirch­li­che Unter­su­chun­gen ein­lei­ten lassen.

  • 2015 ent­sand­te Papst Fran­zis­kus Bischof For­t­u­na­to Pablo Urcey, Prä­lat von Cho­ta in Peru, als Apo­sto­li­schen Visitator.
  • 2016 erklär­te das Soda­li­ti­um, daß eine inter­ne Unter­su­chung den Vor­wurf des sexu­el­len Miß­brauchs bestä­tigt habe und Figa­ri des­halb zur per­so­na non gra­ta erklärt wur­de. Die Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on ver­häng­te auf­grund des Visi­ta­ti­ons­be­richts Sank­tio­nen gegen Figa­ri wegen sexu­el­len Miß­brauchs, psy­chi­scher Miß­hand­lung und unethi­schen Ver­hal­tens. Figa­ri beton­te sei­ne Unschuld und sprach von einer Kam­pa­gne zur Dis­kre­di­tie­rung sei­ner Per­son und des Soda­li­ti­ums.
  • 2017 erklär­te die SCV-Lei­tung, das römi­sche Urteil anzu­er­ken­nen und daß Figa­ri nicht mehr Mit­glied des Soda­li­ti­ums ist, da er alle Rech­te und Pflich­ten als Mit­glied ver­lo­ren habe. Die römi­sche Ordens­kon­gre­ga­ti­on ver­häng­te auf der Grund­la­ge der genann­ten Ver­ur­tei­lung eine Rei­he von Straf­maß­nah­men gegen Figa­ri: Er wur­de aus der Gemein­schaft aus­ge­schlos­sen, hat ein Leben der Buße und Zurück­ge­zo­gen­heit an einem ihm zuge­wie­se­nen Ort (Rom) zu füh­ren; er darf nicht mehr nach Peru zurück­keh­ren und er darf kei­nen Kon­takt zur Gemein­schaft haben. Figa­ri füg­te sich den Maßnahmen.
  • 2018: Papst Fran­zis­kus ent­sand­te Msgr. Noel Lon­do­ño, Bischof von Jeri­có in Kolum­bi­en, als päpst­li­chen Kom­mis­sar mit allen Voll­mach­ten zur Lei­tung, Über­wa­chung und Reform des SCV, obwohl die Lei­tung der Gemein­schaft for­mal im Amt blieb, aber die Letzt­ent­schei­dung in allen Fra­gen bei Lon­do­ño lag. Die Beru­fun­gen Figa­ris gegen die römi­schen Maß­nah­men wur­den zurückgewiesen.
  • 2019 wur­de ein neu­er Gene­ral­obe­rer gewählt: Das Amt über­nahm José David Cor­rea González.
  • 2022 for­der­te der Homo-Akti­vist und Papst-Freund Juan Car­los Cruz, unver­ständ­li­cher­wei­se Mit­glied der Päpst­li­chen Kin­der­schutz­kom­mis­si­on, die Auf­lö­sung des Soda­li­ti­ums. Der Vor­stoß nähr­te Zwei­fel an den Moti­ven des päpst­li­chen Han­delns in der SCV-Causa.
  • 2024: Der Vati­kan schloß zehn Mit­glie­der aus dem SCV aus. Eini­gen wur­de Miß­brauch unter­schied­li­cher, vor allem aber psy­cho­lo­gi­scher Art vor­ge­wor­fen. Haupt­säch­lich, hieß es in der vati­ka­ni­schen Ent­schei­dung, hät­ten die Betrof­fe­nen bei­getra­gen, das „System“ Figa­ri und des­sen Ver­tu­schung auf­recht­zu­er­hal­ten. Aus­ge­schlos­sen wur­de auch Figa­ri selbst, da es, so die Begrün­dung, bis dahin kein for­mal­recht­lich gül­ti­ges Aus­schluß­de­kret gege­ben habe. Ebnso aus­ge­schlos­sen wur­de der eme­ri­tier­te Erz­bi­schof José Anto­nio Egu­ren von Piura. Bei ande­ren Aus­ge­schlos­se­nen ist kei­ne Schuld erkenn­bar. Der Vor­wurf, sie hät­ten „die Glaub­wür­dig­keit und Inte­gri­tät der Kir­che gefähr­det“, ist sehr weit gefaßt. Tat­sa­che ist, daß es Bestre­bun­gen gab, das SCV zu ret­ten, auch und nicht zuletzt um die kirch­li­chen Gleich­ge­wich­te nicht noch mehr nach links kip­pen zu las­sen. Eine Beru­fung gegen die Aus­schlüs­se wur­de von Fran­zis­kus untersagt.
  • 2025 erfolg­te die Auf­lö­sung des Soda­li­ti­ums und aller ange­schlos­se­nen Vereinigungen.
David Cor­rea, der vier­te und letz­te Gene­ral­obe­re des Soda­li­ti­ums, im Bild bei Papst Franziskus

Notwendigkeit oder Revanche?

Figa­ri war 2010 zurück­ge­tre­ten, sein Ein­fluß schon seit 2012 mini­mal und seit 2016 inexi­stent. Seit bald zehn Jah­ren gibt es ihn in der Gemein­schaft nicht mehr. Daher stellt sich die Fra­ge, ob die Zer­schla­gung des Soda­li­ti­ums wirk­lich eine not­wen­di­ge und ange­mes­se­ne Maß­nah­me ist. Die seit 2015 ange­wand­te Repres­si­on wird von welt­li­chen und kirch­li­chen Medi­en als „Wen­de­punkt im Umgang der Kir­che mit inter­nen Miß­brauchs­skan­da­len“ gese­hen und zei­ge „die Bereit­schaft des Vati­kans, auch ein­fluß­rei­che Mit­glie­der zur Rechen­schaft zu zie­hen“. Genau dar­an hakt die Les­art jedoch. Tat­sa­che ist, daß unter Fran­zis­kus in der Miß­brauchs­be­kämp­fung eine strik­te Selek­ti­on statt­fin­det: Der Miß­brauch wird aktiv und ein­sei­tig nur bekämpft, dann umso laut­star­ker, wenn damit kon­ser­va­ti­ve inner­kirch­li­che Geg­ner aus­ge­schal­tet wer­den kön­nen. Waren also letzt­lich doch eher Revan­che­ge­dan­ken die eigent­li­che Antriebs­fe­der für die römi­schen Ein­grif­fe gegen das SCV?

Der Kahl­schlag, den Fran­zis­kus in Latein­ame­ri­ka voll­zo­gen hat, ist beacht­lich. Ein Blick auf die oben genann­ten vier kon­ser­va­ti­ven Gemein­schaf­ten zeich­net ein kla­res Bild. Das Opus Dei wur­de durch eini­ge geziel­te Maß­nah­men (Ent­zug des Rechts­sta­tus für das Werk Got­tes und der Bischofs­wür­de des Gene­ral­obe­ren) gefü­gig gemacht und in Peru durch die Eme­ri­tie­rung von Kar­di­nal Cipria­ni Thor­ne mas­siv geschwächt; das Soda­li­ti­um Chri­stia­nae Vitae wur­de auf­ge­ho­ben und das Insti­tu­to del Ver­bo Encar­na­do und die Heral­dos de Evan­ge­lio wur­den Apo­sto­li­schen Kom­mis­sa­ren unter­stellt. Die Vor­wür­fe, die zum Anlaß (zum Vor­wand?) genom­men wur­den, sind ganz ver­schie­den. Gemein­sam ist den Gemein­schaf­ten aber, daß es alte, offe­ne Rech­nun­gen gibt und sie der berg­o­glia­ni­schen Agen­da im Weg stehen.

Der Vati­kan unter­sag­te dem Soda­li­ti­um seit 2024 die Abhal­tung des vor­ge­se­he­nen Gene­ral­ka­pi­tels und die Durch­füh­rung von Neu­wah­len. So blieb Cor­rea bis zur nun erfolg­ten kano­ni­schen Auf­lö­sung als Gene­ral­obe­rer im Amt, stand aber unter der stän­di­gen Auf­sicht des päpst­li­chen Kom­mis­sars, der etwas ver­schlei­ernd Dele­gat genannt wur­de. Seit der Ein­set­zung des Kom­mis­sars konn­ten im SCV kei­ne wesent­li­chen Ent­schei­dun­gen mehr ohne vati­ka­ni­sche Zustim­mung getrof­fen werden.

Resümee

In den lan­gen Schat­ten des kirch­li­chen Rich­tungs­streits war das Soda­li­ti­um Chri­stia­nae Vitae für vie­le ein unbe­que­mer Sta­chel – kon­ser­va­tiv, papst­treu, lehr­amts­ver­pflich­tet, hier­ar­chisch. Für die Ver­tre­ter einer pro­gres­si­ven Theo­lo­gie, nicht zuletzt im Umfeld von Papst Fran­zis­kus, war es ein Dorn im Fleisch ihrer Agen­da. Den Hebel für eine offe­ne Demon­ta­ge lie­fer­te aber offen­bar einer aus den eige­nen Rei­hen: Luis Fer­nan­do Figa­ri, Grün­der und cha­ris­ma­ti­sche Füh­rungs­ge­stalt. Des­sen mut­maß­li­ches mora­li­sches Ver­sa­gen wur­de am Ende zur Angriffs­flä­che, die man jah­re­lang gesucht hat­te und durch die Wahl von Fran­zis­kus mit der päpst­li­chen Macht­fül­le von oben her­ab gegen das SCV ein­set­zen konn­te. So wur­de aus dem mut­maß­li­chen Fehl­tritt des ein­zel­nen ein Tri­umph der Gegen­sei­te über eine gan­ze Gemein­schaft – nicht durch Über­zeu­gungs­kraft, son­dern durch die Schwä­che des Geg­ners. Die kon­ser­va­ti­ve Sei­te geriet nicht durch argu­men­ta­ti­ven Ver­lust ins Hin­ter­tref­fen, son­dern durch tat­säch­li­ches und ver­meint­li­ches per­sön­li­ches Versagen.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: SCV/​VaticanMedia/​MiL (Screen­shots)

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1 Kommentar

  1. Wenn jeder Orden und jede kirch­li­che Gemein­schaft vom Papst auf­ge­löst wer­den wür­de, weil da sexu­el­le Miß­bräuchs­fäl­le sich ereig­ne­ten, wel­che exi­stier­ten dann noch? Der eigent­li­che Skan­da­lon die­ser jetzt ver­bo­te­nen Gemein­schaft war ihre anti­mar­xi­sti­sche Aus­rich­tung, daß sie bewußt als eine Alter­na­ti­ve zur mar­xi­sti­schen Befrei­ungs­theo­lo­gie gegrün­det wur­de und als sol­che erfolg­reich war. Papst Fran­zis­kus schätzt dage­gen die Befrei­ungs­theo­lo­gie, isb seit sie die Anlie­gen der Öko­lo­gie­be­we­gung in sich auf­ge­nom­men hat.Aus poli­tisch-theo­lo­gi­schen Grün­den woll­te der Papst so das Ende die­ser Gemeinschaft.

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