
Papst Franziskus zeigt vom Krankenbett in der Gemelli-Klinik aus eine rege Regierungstätigkeit als absoluter Monarch. Der Vatikanist Sandro Magister legt einen Überblick der Entscheidungen vor, die Franziskus in den vergangenen 20 Tagen seines Krankenhausaufenthalts getroffen hat. Er zeigt auch auf, daß Franziskus gewisse negative Gewohnheiten nicht ändert.
Vor noch nicht einmal zwei Jahren erließ Franziskus das neue Grundgesetz des Staates der Vatikanstadt. Wie jede Verfassung, so Magister, sollte auch sie an sich unantastbar sein, doch Franziskus hat sie „bereits zwei Mal eklatant gebrochen“, und das in den vergangenen drei Wochen und direkt vom Krankenbett aus.
Am 15. Februar, dem 2. Tag in der Gemelli-Klinik, ernannte er Sr. Raffaella Petrini zur neuen Gouverneurin des Vatikanstaates und mißachtete dabei das Grundgesetz, das dieses Amt einem Kardinal vorbehält.
Am 25. Februar, dem 12. Tag in der Gemelli-Klinik, ernannte er zwei Generalsekretäre für das Gouverneursamt, obwohl das Grundgesetz nur einen vorsieht. Sr. Petrini selbst hatte zuvor dieses Amt ausgeübt, das einem stellvertretenden Gouverneur entspricht. Zudem beauftragte er die neue Gouverneurin, die Aufgaben zwischen den beiden Generalsekretären aufzuteilen. Nichts davon sieht das Grundgesetz vor.
Die Verfassungsbrüche erfolgten unter dem Vorbehalt, daß Franziskus das Grundgesetz entsprechend ändert. „Doch bis jetzt hat sich an den Texten nichts geändert“, so Magister.
Die neue Konstitution führte bereits nach ihrer Veröffentlichung am 13. Mai 2023 zu entsetzter Kritik durch Kirchenrechtler wegen der ungewöhnlichen ersten Zeile der Präambel, in der dem Papst die Ausübung „souveräner Befugnisse“ über den Vatikanstaat „kraft des Petrinischen Munus“ zugesprochen wurde, „als ob er sie [die Verfassung] mit göttlichem Recht befehlen würde“, so Magister. Auch diese Stelle im Grundgesetz wurde bisher nicht geändert.
Verantwortlich für die umstrittene Formulierung ist der Kanonist P. Gianfranco Ghirlanda, ein Jesuit, den Franziskus für seine treuen Dienste 2022 zum Kardinal kreierte. Kardinal Ghirlanda erhielt als Titelkirche die Mutterkirche des Jesuitenordens in Rom. Eine besondere Auszeichnung.
Als Franziskus am 20. Februar, dem 7. Tag in der Gemelli-Klinik, Kardinal Ghirlanda an seinem Krankenbett empfing, war dieser Besuch nicht allen entgangen, sondern vom italienischen Fernsehen berichtet. Das habe Franziskus sehr verärgert, denn seither wird darüber spekuliert, ob und welche Eingriffe er beabsichtige, möglicherweise eine Änderung der Wahlrechtsordnung im Konklave, oder der Generalkongregationen vor dem Konklave. Die Angelegenheit schlug solche Wellen, daß es zu einem ungewöhnlichen Dementi durch das vatikanischen Presseamt kam, was wohl nur auf Anweisung von allerhöchster Stelle denkbar ist.
Während Medienberichte über den Besuch von Kardinal Ghirlanda unerwünscht waren, waren solche zum Besuch von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin und seinem Substituten Erzbischof Edgar Peña Parra am 24. Februar, dem 11. Tag in der Gemelli-Klinik, durchaus gewollt. Dieser stand im Zusammenhang mit der Genehmigung mehrere Dekrete des Dikasteriums für die Selig- und Heiligsprechungsverfahren. Dabei kündigte Franziskus die Einberufung eines für die Verkündung von neuen Heiligen und Seligen üblichen Konsistoriums an, ohne einen Termin zu nennen. Ein solcher Schritt sorgte aufgrund der prekären Gesundheit des Kirchenoberhauptes ebenfalls für Aufsehen. Zu gut ist noch das Konsistorium vom 11. Februar 2013 in Erinnerung, bei dem Benedikt XVI. seinen Amtsverzicht bekanntgab. Seither ist die ohnehin reichhaltige Gerüchteküche noch mehr am Brodeln, da seither auch über einen möglichen gesundheitsbedingten Rücktritt von Franziskus spekuliert wird.
Der Auftritt von Kardinal Parolin und Erzbischof Peña Parra löste noch weitere, unterschiedliche Reaktionen aus. Franziskus habe damit, so Magister, signalisiert, wer seine bevorzugten Ansprechpartner an der Kurie sind. Dies gelte besonders für Peña Parra, mit dem die staatliche italienische Presseagentur ANSA gestern ein Interview über die inzwischen bereits zwei Besuche bei Franziskus veröffentlichte, was Magisters These zu stützen scheint. Parolin und Peña Parra waren von Franziskus am 2. März, dem 17. Tag in der Gemelli-Klinik, ein zweites Mal empfangen worden.
Die Verhinderung des Kardinalstaatssekretärs?
Andere Beobachter behaupten, daß Franziskus den Aufstieg Parolins zu seinem Nachfolger verhindern wolle. Auch Magister stimmt darin ein, indem er meint, der Kardinalstaatssekretär habe dem Pontifikat Bergoglio „mehr geschadet als geholfen“.
Zur Begründung führt Magister an, daß das Staatssekretariat anfangs vom neuen Kardinalsrat zur Beratung des Papstes ausgeschlossen war. Allerdings ist dem entgegenzuhalten, daß sich diese Maßnahme nicht gegen Parolin, sondern seinen ungeliebten Vorgänger Kardinal Tarcisio Bertone richtete, den Franziskus in der ersten Zeit von Benedikt XVI. übernommen hatte. Als Parolin das Staatssekretariat übernahm und von Franziskus kurz darauf zum Kardinal kreiert wurde, dauerte es auch nicht lange, bis er in den Kardinalsrat berufen wurde.
Bedeutsamer ist, daß Franziskus schrittweise die Bedeutung des Staatssekretariats aushöhlte und ihm, nach dem Skandal um Luxusimmobilien in London, die eigenständige Verwaltung von Finanzen entzog. Allerdings betraf dieser Teil den damaligen Substituten Angelo Becciu. Parolin soll Franziskus vor die Wahl gestellt haben, Becciu oder er.
Daraufhin wurde Becciu zum Präfekten der Heiligsprechungskongregation ernannt. Als der Finanzskandal öffentlich wurde, mußte Becciu auf seine Kardinalsrechte verzichten und wurde von einem vatikanischen Gericht zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Dem Ansehen Parolins, obwohl nicht direkt involviert, nützte der Skandal freilich nicht.
Dem Charakter von Franziskus entsprach es, die vorgesehenen Kanäle zu meiden und immer eigene Wege zu gehen. Das gilt auch für die Diplomatie, die offiziell dem Staatssekretariat obliegt, während Franziskus für Initiativen auf eigene Faust nicht ungern die Paralleldiplomatie der Gemeinschaft von Sant’Egidio in Anspruch nahm. Nicht von ungefähr gilt Kardinal Zuppi, Erzbischof von Bologna und Vorsitzender der Italienischen Bischofskonferenz, als ein Kronprinz von Franziskus. Zuppi entstammt der Gemeinschaft von Sant’Egidio. Ihn ernannte Franziskus auch zum Sondergesandten für den Ukraine-Krieg. Zuppi pendelte allerdings zwischen Kiew, Moskau, Washington und Peking hin und her, ohne jedoch irgendetwas zu erreichen.
Die ausstehende Wahl eines neuen Kardinaldekans
Als „Brüskierung“ Parolins wertet Magister die Verhinderung der Wahl eines neuen Kardinaldekans durch Franziskus. Tatsächlich hatten sich die Kardinalbischöfe bereits in Rom versammelt, um einen Nachfolger für den 91jährigen amtierenden Kardinaldekan Giovanni Battista Re zu wählen, doch Franziskus weigerte sich, die Wahl auszuschreiben. Allerdings kann von einer Brüskierung Parolins nur gesprochen werden, sollte dieser die Absicht gehabt haben, sich zum Kardinaldekan wählen zu lassen. Den Vorsitz im wahrscheinlich demnächst bevorstehenden Konklave wird Parolin in jedem Fall führen, da sowohl Kardinaldekan Re als auch Subdekan Sandri das 80. Lebensjahr bereits überschritten haben. Aus diesem Grund wird der dienstälteste Kardinalbischof unter den Papstwählern den Vorsitz im Konklave führen und damit eine herausragende Stellung einnehmen. Der dienstälteste Kardinalbischof unter den Papstwählern ist Kardinal Parolin.
Magister ist der Ansicht, daß Parolin die Wahl zum Kardinaldekan anstrebte, um damit auch die dem Konklave vorausgehenden Begräbniszeremonien für Franziskus leiten zu können. Diese Position, die Kardinal Ratzinger 2005 bei der Totenmesse für Johannes Paul II. ausübte, spielte eine nicht unerhebliche Rolle bei seiner kurz darauf erfolgten Wahl zum Papst. Zudem führt der Kardinaldekan auch den Vorsitz in den Generalkongregationen, dem sogenannten Vorkonklave. Es gibt zahlreiche Stimmen, die bekräftigen, daß Franziskus ein zu großer Einfluß Parolins auf das Wahlgeschehen mißfalle.
Der Venezolaner Peña Parra, Berufsdiplomat wie Parolin, Sandri und Re, „ist hingegen nicht nur von Franziskus als sein wichtigster Vollstrecker auserkoren und in seiner Nähe gewollt“. Der Kurienerzbischof wird als Nicht-Kardinal im Konklave keine Rolle spielen. Er kann zwar eigene Interessen geltend machen, aber keine persönlichen Ambitionen. Magister schreibt aber noch mehr: Peña Parra operiere „unter päpstlichem Deckmantel sogar weit jenseits der Grenzen der Legitimität“. Hören wir jedoch Magister:
Der Fall Principi und die Rolle von Erzbischof Peña Parra und Papst Franziskus
„Die jüngste Episode, die diese Nähe zwischen Peña Parra und dem Papst offenbart, betrifft den argentinischen Priester Ariel Alberto Príncipi aus der charismatischen Bewegung, der im Juni 2023 vom interdiözesanen Gericht von Córdoba, das vom vatikanischen Dikasterium für die Glaubenslehre autorisiert worden war, laisiert und dann, nachdem er Berufung einlegt hatte, im April 2024 vom Kirchengericht von Buenos Aires erneut verurteilt wurde. Die Verurteilung stützte sich auf die Klagen dreier junger Männer, die damals minderjährig waren, daß sie von dem Priester bei von ihm durchgeführten Heilungsritualen Handlungen „libidinöser Art“ ausgesetzt worden seien, zum Teil in Anwesenheit anderer Gottesdienstbesucher.
Príncipi beteuerte stets seine Unschuld, er sei das Opfer einer Fehlinterpretation seiner Handlungen. Sein Fall schien jedoch abgeschlossen zu sein und wartete nur noch auf die endgültige Verurteilung durch das Dikasterium für die Glaubenslehre, das einzige Organ des Vatikans, das für solche Verbrechen zuständig ist.
Am 25. September dieses Jahres teilte die Diözese Río Cuarto, zu der Príncipi gehört, mit, daß sie ein vom Substituten Peña Parra unterzeichnetes Edikt des Staatssekretariats erhalten habe, das die Wiedereinsetzung Príncipis in den Priesterstand anordnete, wenn auch mit einigen Einschränkungen bei der Ausübung seines Amtes. Dies geschah ‚aufgrund weiterer Beweise, die von einigen Diözesanbischöfen Argentiniens vorgelegt wurden‘.
Zwei Wochen später, am 7. Oktober, erklärte Erzbischof John Kennedy, Leiter der Disziplinarabteilung des Dikasteriums für die Glaubenslehre, die in dieser Angelegenheit die ausschließliche Zuständigkeit hat, das vorherige Edikt von Peña Parra für null und nichtig und bestätigte Príncipis Verurteilung endgültig.
Fall abgeschlossen? Rechtlich gesehen, ja, aber das Geheimnis dieser erstaunlichen Einmischung des Substituten Peña Parra in einen kanonischen Prozeß, die zu seiner sofortigen Entlassung geführt hätte, wenn sie ohne die Zustimmung von Papst Franziskus erfolgt wäre, bleibt im Dunkeln.Unbekannt ist auch die Rolle des Präfekten des Dikasteriums für die Glaubenslehre, des argentinischen Kardinals Victor Manuel Fernández, der formal als Geschädigter des Machtmißbrauchs des Staatssekretärs-Stellvertreters dasteht, aber gleichzeitig ein langjähriger Freund Príncipis ist und vor allem dem Papst sehr nahe steht.
Und dann bleibt da noch das Verhalten von Papst Franziskus zu verstehen, der erst das eine und dann das andere tun läßt: ein in Wahrheit nicht neuer Widerspruch in seiner Art zu regieren.“
Soweit Magister, der damit die besondere „Treue“ Peña Parras in der Ausführung päpstlicher Befehle herausstreicht. Allerdings kann nicht entgehen, daß es sich bei dem konkreten Fall um einen homosexuellen Mißbrauch handelt. Die „Treue“ hat also eine eindeutige Schlagseite, denn auch gegen Peña Parra selbst war bereits in seiner Seminarzeit wegen homosexueller Aktivitäten ermittelt worden. Ist der Fall Principi der wiederholte Beweis, wie gut die Homo-Seilschaften unter Franziskus funktionieren?
„Tatsache ist, daß Franziskus seinem Argentinien besondere Aufmerksamkeit schenkt und in völliger Einsamkeit Entscheidungen trifft, die sich nicht selten als katastrophal erweisen“, so Magister, der an den Fall von Bischof Gustavo Oscar Zanchetta erinnert, einen von vielen Schützlingen von Franziskus, wobei diese Schützlinge alle einen speziellen Defekt haben, sie sind homosexuell und meist päderastische Mißbrauchstäter. Zanchetta, obwohl aus Argentinien geflohen und obwohl er sein Bistum im Stich gelassen hatte, genießt bis zum heutigen Tag den besonderen Schutz von Franziskus. Inzwischen sind es bereits mindestens drei argentinische Diözesanbischöfe, die von Franziskus auf ihren Bischofsstuhl befördert wurden, in Wirklichkeit aber homosexuelle Mißbrauchstäter sind. Alles nur ein Zufall?
Die Liste prekärer Personalentscheidungen von Franziskus in den argentinischen Diözesen ließe sich noch fortsetzen, wie das Beispiel der Diözese Mar del Plata und der Erzdiözese La Plata zeigt.
Dieses massive Handeln auf eigene Faust und allein nach dem eigenen Kopf sollte dem Nachfolger auf dem Stuhl Petri eine Mahnung sein, so Magister. Franziskus habe aber keine Eile das Zeitliche zu segnen, denn beim Besuch von Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni am 19. Februar, dem 6. Tag in der Gemelli-Klinik, sagte Franziskus nicht ohne Spitze: Er wisse, daß es Leute gebe, die für seinen Tod beteten, aber vorerst „hat der Herr der Ernte daran gedacht, mich hier zu lassen“.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: VaticanMedia (Screenshot)
Hinterlasse jetzt einen Kommentar