
Die „fliegende“ Pressekonferenz von Papst Franziskus auf der gestrigen Rückreise nach Rom wurde kurz darauf in vollem Umfang von der italienischen Redaktion von Vatican News veröffentlicht. Die anderen Sprachausgaben präsentierten bisher nur jeweils unterschiedliche Auszüge. Die Frage von Anna Matranga von CBS News bezog sich auf die US-Präsidentschaftswahlen, in denen sich Donald Trump und Kamala Harris gegenüberstehen, die beide vom jeweils anderen Lager als schillernde Persönlichkeiten betrachtet werden. Franziskus nahm, um der ihm gestellten Frage vordergründig auszuweichen und dennoch etwas Wahlhilfe für Kamala Harris zu leisten, eine gewagte Gleichsetzung vor.
Die Frage der CBS-Reporterin zielte darauf ab, Katholiken eine Orientierungshilfe bei den Wahlen zu geben. Seit Jahren herrscht unter gläubigen Katholiken in den USA – ganz anders als in Europa –, eine hohe Sensibilisierung dafür, daß Katholiken die Wahl von Abtreibungspolitikern nicht gestattet ist. Das ist auch die Linie der Bischofskonferenz der Vereinigten Staaten, die von Franziskus und den ihm nahestehenden US-Bischöfen in den vergangenen Jahren jedoch systematisch untergraben wurde.
Als Joe Biden im Januar 2021 als erster Katholik und Abtreibungsbefürworter ins Weiße Haus einzog, sah die Mehrheit der US-Bischöfe Gefahr im Verzug und Handlungsbedarf. Sie wollte ein Exempel statuieren und die faktische Exkommunikation Joe Bidens für die Welt sichtbar machen, indem ihm die Kommunion verweigert wird. Doch Bilden eilte noch im selben Jahr in den Vatikan und holte sich von Franziskus die politische Absolution und die Kommunion, noch bevor die US-Bischöfe gegen ihn vorgehen konnten. Man könnte auch von einer Kapitulation der Kirche vor der weltlichen Macht sprechen. Worin bestand die Gegenleistung? War diese zum Nutzen des Glaubens und der Kirche? Da Franziskus seinen Verpflichtungen als Papst nicht nachkam, tat dies Benedikt XVI. noch in seinem Tod. Der deutsche Papst hatte verfügt, daß die Anwesenheit des latae sententiae exkommunizierten US-Präsidenten Joe Biden – bergoglianische Exkulpierung hin oder her – bei seinen Begräbnisfeierlichkeiten nicht erwünscht ist. Das Weiße Haus griff zu Verlegenheitserklärungen, sodaß die Ausladung mit Hilfe eines schweigenden Franziskus und eines handzahmen Mainstreams weitgehend vertuscht werden konnte. Biden hingegen erklärte keinen Monat später (dreist oder ehrlich?), Franziskus sei sogar offen für eine staatliche Abtreibungsfinanzierung. Vom Heiligen Stuhl war kein Dementi zu hören.
Da sich die klare Absage der Kirche in den USA an Abtreibungspolitiker klar gegen die demokratische Kandidatin Kamala Harris richtet, konstruierte Franziskus – wohl kaum ad hoc – einen „gleichwertigen“ Gegensatz, der sich gegen den republikanischen Kandidaten Donald Trump richtet, wodurch laut dieser Sichtweise beide Kandidaten gleichermaßen für Katholiken nicht wählbar seien. (Die Exkommunikationsfrage stellt sich nicht, da weder Trump noch Harris katholisch ist.) Nach dieser Gleichsetzung, die einer gegenseitigen Neutralisierung gleichkommt, brachte Franziskus, anscheinend eher beiläufig, das Konzept des kleineren Übels ins Gespräch. Da nun mal beide Kandidaten für Katholiken gleichermaßen unwählbar seien – was sich gegen Trump richtet, denn daß die Abtreibungsbefürworterin Harris unwählbar ist, stand in katholischen Kreisen nie zur Diskussion –, müsse, so Franziskus, jeder Katholik selber entscheiden, was für ihn das kleinere Übel ist, aber wählen müsse er gehen. Vielleicht wäre es gut, dieses zutiefst katholische Konzept des kleineren Übels den Katholiken etwas genauer zu erklären. Franziskus legte mit seiner Antwort gestern eine sehr wahltaktische Interpretation vor, die sehr gewagt ist.
Franziskus setzt die Weigerung, einem Migranten die Niederlassung in einem fremden Land zu gewähren, mit der Tötung eines Menschen gleich. Das ist moraltheologisch starker Tobak, der nicht nur unsauber, sondern letztlich inakzeptabel ist. Die angebliche Sünde einer Migrantenabweisung wurde erst von Franziskus erfunden. Da hilft kein schneller Hinweis auf „die Heilige Schrift und das Alte Testament“. Der Fremde der Heiligen Schrift ist eben ein Fremder und kein Migrant, der kommt, um zu bleiben. Dem Fremden ist dem Christen geboten, Hilfe zu leisten und Gastfreundschaft zu gewähren. Die Motivation zur Migration ist vielschichtig. Migration mag ein Recht sein, aber die Verweigerung der Niederlassung ist gleichfalls ein Recht eines souveränen Staates. Sie sagt noch nichts darüber aus, daß dies zu einem Schaden für den Migranten führen muß, schon gar nicht wird ihm das Leben genommen, wie Franziskus suggeriert. Bei verfolgten Flüchtlingen kann es in Extremfällen um Leben oder Tod gehen, das ist – Gott sei Dank – jedoch die Ausnahme. Die migrantenfreundliche Linke weiß schon, warum sie Begriffe wie „Flüchtling“ usurpierte und umdeutete. Von Franziskus weiß man, daß er seit seinem Amtsantritt die linke Position in dieser Frage vertritt.
Die Tötung eines Menschen ist aber eine ganz andere Sache. Dabei geht es tatsächlich und immer um Leben oder Tod. Die Tötung eines Menschen ist definitiv. Ein Migrant ist in der Regel nicht gezwungen, zu migrieren, und wenn er im Land A nicht aufgenommen wird, kann er es im Land B oder C versuchen. Migration ist im 21. Jahrhundert in den allermeisten Fällen eine Wohlstandsfrage. Abtreibung ist Tötung.
Nimmt man die Abneigung von Franziskus für Donald Trump und die päpstliche Affinität zur globalistischen Agenda dazu, versteht man, wen Franziskus mit seiner anscheinend neutralen Antwort unterstützen will. Den Umweg muß das Kirchenoberhaupt gehen, da eine direkte Wahlempfehlung für Kamala Harris (noch) undenkbar ist.
Hier also die Frage von Anna Matranga und die Antwort von Papst Franziskus:
Anna Matranga (CBS News): Guten Abend, Eure Heiligkeit. Sie haben sich immer für die Würde des Lebens eingesetzt. In Osttimor, einem Land mit einer sehr hohen Geburtenrate, haben Sie gesagt, daß Sie das Leben pulsieren und explodieren sehen, weil es so viele Kinder gibt. In Singapur sprachen Sie zur Verteidigung der Wanderarbeiter. Angesichts der bevorstehenden Wahlen in den Vereinigten Staaten möchte ich Sie fragen: Welchen Rat können Sie einem katholischen Wähler geben, der sich zwischen einem Kandidaten entscheiden muß, der für Abtreibung ist, und einem anderen, der elf Millionen Migranten abschieben möchte?
Papst Franziskus: Beide sind gegen das Leben, sowohl derjenige, der Migranten abschiebt, als auch derjenige, der Babys tötet. Beide sind gegen das Leben. Das kann man nicht entscheiden. Ich kann es nicht sagen, ich bin nicht aus den USA, ich werde dort nicht wählen, aber lassen Sie uns klar sagen: Migranten wegzuschicken, Migranten nicht die Möglichkeit zu geben, zu arbeiten, Migranten nicht willkommen zu heißen, ist eine Sünde, es ist ernst. Im Alten Testament gibt es einen Refrain: die Waise, die Witwe und der Fremde, das sind die Migranten. Das sind die drei, die das Volk Israel beschützen muß. Wer den Migranten nicht bewacht, verfehlt sich, das ist eine Sünde, eine Sünde auch gegen das Leben dieser Personen. Ich habe an der Grenze, in der Nähe der Diözese El Paso, eine Messe gefeiert, und dort gab es viele Schuhe von Migranten, die dort schlecht geendet sind. Heute gibt es einen Strom von Migranten in Mittelamerika, die oft wie Sklaven behandelt werden, weil sie ausgenutzt werden. Migration ist ein Recht, ein Recht, das bereits in der Heiligen Schrift steht und im Alten Testament. Der Fremde, das Waisenkind und die Witwe, vergeßt das nicht. Das ist es, was ich über Migranten denke.
Dann ist da noch die Abtreibung. Die Wissenschaft sagt, daß im Monat der Empfängnis schon alle Organe eines menschlichen Wesens vorhanden sind, alle Organe. Eine Abtreibung bedeutet, einen Menschen zu töten. Ob man das Wort nun mag oder nicht, aber es ist eine Tötung. Die Kirche ist nicht verschlossen, weil sie die Abtreibung nicht erlaubt, die Kirche erlaubt die Abtreibung nicht, weil sie tötet. Es ist Mord, es ist Mord! Und darüber müssen wir uns im klaren sein: Migranten wegzuschicken, sie sich nicht entwickeln zu lassen, ihnen das Leben zu verweigern, ist böse, es ist Bosheit. Ein Kind von der Brust seiner Mutter wegzunehmen ist Mord, denn es gibt Leben. Und wir müssen über diese Dinge sprechen. „Ja, aber trotzdem…“. Nein, kein „aber“, beide Dinge sind klar. Das Waisenkind, der Fremde und die Witwe: Vergeßt das nicht.
Anna Matranga: Kann es Umstände geben, unter denen es moralisch zulässig ist, für einen Kandidaten zu stimmen, der sich für die Abtreibung einsetzt?
Papst Franziskus: In der politischen Moral heißt es im allgemeinen, nicht zur Wahl zu gehen ist schlecht, nicht gut. Man muß wählen gehen und das kleinere Übel wählen. Wer ist das kleinere Übel, diese Frau oder dieser Mann? Ich weiß es nicht, das soll jeder nach seinem Gewissen überlegen und tun.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: VaticanNews (Screenshot)
Ich bin ratlos. DieErde ist wahrscheinlich keine Scheibe. Ach, tatsächlich. Die Geschichte mit dem Haustiere essen ist wohl auch nicht wahr. Was bedeutet das in Bezug auf Abtreibung? Es soll der stabile Eindruck aufrecht erhalten werden, für das Lebensrecht zu sein, sei verpeilt und eine harmlose Randerscheinung, weil diese weltfremden Idealisten, kein Interesse daran haben, ihren Platz in der Realität zu beanspruchen. Der Mainstream hat was davon, wenn er von diesen „schreägen“ Leuten verschont bleibt, die sich mit fahrlässig oder gar absichtlich naiver Inbrunst jammernd in das Klischee drücken, das man von ihnen erwartet und damit in Folge das Problem aufrecht erhalten wird, gegen das man angeblich „kämpft“. Die sind gar nicht gegen Abtreibung — das wäre die einfachere Erklärung.
Der Papst hat doch keine Ahnung wie so oft. Soll er doch im Vatikan hunderte Migranten aufnehmen, aber das macht er nicht. Kein Land kann unbegrenzt Menschen aufnehmen und ihnen auch noch Arbeit geben, wenn es selber genug Arbeitslose hat. Da wäre es wohl sinnvoller den Menschen in ihren Heimatländern zu helfen, was oft sogar weniger kosten würde als eine Aufnahme in anderen Ländern, auf so eine Idee kommt aber der psychische Papst gar nicht einmal.
Diesen Artikel ist natürlich voll und ganz beizupflichten.