
In der zurückliegenden Woche wurde Glaubenspräfekt Victor Manuel „Tucho“ Kardinal Fernández gleich zweimal von Papst Franziskus in Audienz empfangen. Ein erstes Mal am 13. Januar allein und ein zweites Mal am 14. Januar zusammen mit dem Präfekten des Dikasteriums für die Kultur und die Bildung Kardinal José Tolentino de Mendonça. Edward Pentin lieferte gestern unter direkter Berufung auf Tucho Fernández den Hintergrund dazu. Es seien „mehrere Dokumente“ auf dem Weg.
Das Glaubensdikasterium bereite „Dokumente zu verschiedenen Themen“ vor, so Pentin im National Catholic Register. An erster Stelle stehe dabei ein Dokument „über künstliche Intelligenz“ (siehe auch RenAIssance Foundation – Papst Franziskus errichtet neue Stiftung zur Künstlichen Intelligenz). Dieses Dokument wird in Zusammenarbeit mit dem Kultur- und Bildungsdikasterium von Kardinal Tolentino de Mendonça verfaßt. Dieses Dokument über künstliche Intelligenz soll noch vor Monatsende veröffentlicht werden. Die gemeinsame Audienz der beiden Kardinalpräfekten hätte damit einem letzten Schliff gegolten, falls das Dokuement, was sehr wahrscheinlich ist, bei dieser Gelegenheit nicht bereits unterzeichnet wurde.
Kardinal Tucho Fernández bestätigte gegenüber Pentin, daß noch „andere Arbeiten“ im Laufen seien. Dazu gehören Stellungnahmen über den „Wert der Monogamie“, „die Sklaverei in der Geschichte und die verschiedenen Formen der Sklaverei heute“, aber auch „den Platz der Frau in der Kirche“ und „einige mariologische Fragen und so weiter“.
Pentin, der in seinem Artikel einige Überlegungen zu den von Kardinal Fernández genannten Themen anstellt, schreibt, daß „es nicht klar ist, worin die mariologischen Fragen bestehen werden“. Es scheint jedoch naheliegend, und auch Pentin stellt diesen Zusammenhang her, daß es dabei um die von Tucho Fernández und dem Glaubensdikasterium im Mai 2024 erlassenen „Normen für das Verfahren zur Beurteilung mutmaßlicher übernatürlicher Phänomene“ geht.
Mit diesen Normen wurde die Möglichkeit einer übernatürlichen Manifestation in der irdischen Welt abgeschafft. Der Heilige Stuhl erklärte – man könnte von einer materialistischen Kapitulation sprechen –, außerstande zu sein, gesichert ein übernatürliches Phänomen im Zusammenhang mit Erscheinungen feststellen zu können.
Kritiker äußern seither sarkastisch, daß sich die Erscheinungen in La Salette, Lourdes und Fatima Gott sei Dank schon früher ereigneten, denn die Kirche unter Papst Franziskus wäre nicht mehr in der Lage, sie als echt zu erkennen.

Der ferne Himmel, der sich nicht einmischen soll
Mit den neuen Normen geht noch eine andere Sorge einher. Es wird die Frage gestellt, warum Franziskus und sein engster Adlatus Tucho Fernández neue Normen erlassen haben. Die damit verbundene Bankrotterklärung könne es ja nicht sein. Die Sorge ist daher, daß Franziskus insgesamt Erscheinungsphänomene abwürgen will. Seine Abneigung gegenüber aktuellen Manifestationen mit Botschaften ist notorisch bekannt. Er äußerte sie in den ersten beiden Jahren seines Pontifikats unmißverständlich. Seither scheinen ihn taktische Überlegungen zu zügeln. Die neuen Normen bestätigen jedoch, daß sich sein Denken nicht geändert hat.
Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil haben parallel zur nachkonziliaren Kirchenkrise Erscheinungen an Zahl und Frequenz zugenommen, weltweit, und nicht wenige davon haben die Kirchenkrise zum Thema. Diese wird beklagt und es fehlt nicht an Warnungen und Aufforderungen zur Umkehr. In Rom sieht man darin eine Form der Papstkritik, deren übernatürlichen Charakter man ablehnt. Es handle sich, so die Einschätzung im päpstlichen Umfeld, um menschliche Projektionen von Katholiken, die den Paradigmenwechsel von Papst Franziskus nicht akzeptieren. Durch das Vortäuschen eines übernatürlichen Charakters würden einzelne Gläubige das Erscheinungsphänomen mißbrauchen und gegen Franziskus einzusetzen. Und genau das soll durch die neuen Normen unterbunden werden.
Kritiker sprechen hingegen von einem kirchenpolitisch motivierten Abwürgen übernatürlicher Manifestationen durch Santa Marta, weil diese dem derzeitigen Pontifikat nicht genehm seien.
Als die neuen Normen veröffentlicht wurden, betonten kirchliche Medien, daß die „katholische Kirche Marienerscheinungen prinzipiell für möglich hält“, doch scheint es sich dabei nur mehr um eine sehr eingeschränkte „Möglichkeit“ zu halten. Um genau zu sein: um keine mehr, da eine offizielle Anerkennung des übernatürlichen Charakters durch die neuen Normen ausdrücklich ausgeschlossen wird.
Das wahrscheinlich bedenklichste Dokument in spe
In der Tat scheint es daher, daß unter den von Kardinal Fernández genannten Dokumenten, die sich in Vorbereitung befinden, das „mariologische“ das bedenklichste ist. Die Gottesmutter ist die Prophetin unserer Zeit, daran lassen die kirchlich anerkannten Ereignisse seit dem 19. Jahrhundert keinen Zweifel. Nun besteht aber ebenso kein Zweifel, daß die Manifestationen genau geprüft werden müssen, weil es darunter auch „faule Früchte“ gibt, sogenannte „Seher“, die bewußt oder manchmal auch unbewußt ihre eigene „Show“ abziehen. Solche falschen Seher sind aber kein Grund und dürfen für Rom auch kein Vorwand sein, das Kind mit dem Bad auszuschütten.
Tatsache ist, daß von nicht wenigen Beobachtern der Eindruck wahrgenommen wird, daß das derzeitige Pontifikat die große Prophetin unserer Zeit, die Gottesmutter, zum Schweigen bringen will. P. Stefano Cecchin, der Vorsitzende der Internationalen Marianischen Päpstlichen Akademie und damit auch Chef der neuen Beobachtungsstelle für Marienerscheinungen und mystische Phänomene, erklärte 2023 zum allgemeinen Erstaunen, daß Erscheinungen, die von Strafen sprechen, „absolut falsch sind“. Franziskus selbst meinte wenige Wochen später auf die Frage, wie man echte von falschen Marienerscheinungen unterscheiden könne, daß man „gar nicht dort suchen“ solle. So kurz angebunden reagiert die Kirche auch auf echte Manifestationen des Himmels? Sobald Kritik am derzeitigen Pontifikat ins Spiel kommt, wird auf „materialistisch“ umgeschaltet? Was aber wird uns über eine Kirchenleitung gesagt, deren Fähigkeit versiegt ist, ein übernatürliches Phänomen des Himmels zu erkennen?
Erst am 27. November 2024 veröffentlichte das Glaubensdikasterium von Tucho Fernández das Dokument „Falsche Mystik und geistlicher Mißbrauch“. Mit Genehmigung von Franziskus wurde damit im Zusammenhang mit Erscheinungsphänomenen der neue Straftatbestand des „geistlichen Mißbrauchs“ eingeführt.
Es war nicht die erste Daumenschraube unter Franziskus gegen Erscheinungsphänomene, und wie es scheint, wird es auch nicht die letzte sein.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: VaticanMedia/Youtube (Screenshots)