Msgr. Héctor Ruben Aguer, der emeritierte Erzbischof von La Plata, war der historische Gegenspieler von Jorge Mario Bergoglio im argentinischen Episkopat. Heute gehört er zu den mutigen Kritikern des Pontifikats von Papst Franziskus. In seinem jüngsten Kommentar verteidigt er die Unfehlbarkeit des Papstes, die nicht in Frage gestellt werden sollte, weil sich das derzeitige Pontifikat als defizitär erweist. Der regierende Papst handle, so Erzbischof Aguer, ohnehin nur auf der Ebene des ordentlichen Lehramtes und darunter. Gleichzeitig tadelt der couragierte argentinische Oberhirte, der mit Bergoglio gleichzeitig in den 90er Jahren Weihbischof von Buenos Aires war, daß Franziskus sein Pontifikat so stark „politisiert“ und ganz auf eine „globalistische Agenda“ ausgerichtet habe. Sein Pontifikat ändere aber nichts am Auftrag des Petrus, vielmehr gelte es auf die vollständige Wiederherstellung des Petrusamtes zu warten, die Erzbischof Aguer offensichtlich nicht mehr von dem derzeitigen Papst, aber von einem Nachfolger erwartet. Hier die jüngste Kolumne von Erzbischof Aguer, die in der argentinischen Tageszeitung La Prensa erscheint, aber dort noch nicht veröffentlicht wurde. Der Blog La Cigüeña de la Torre von Francisco José Fernández de la Cigoña publizierte einen Vorabdruck.
Ist der Papst unfehlbar?
Kolumne von Msgr. Héctor Aguer*
Die in der Überschrift gestellte Frage ist zu bejahen und von dogmatischem Wert. Das Erste Vatikanische Konzil hat am 18. Juli 1870 in der dogmatischen Konstitution Pastor Æternus festgelegt, daß der Nachfolger Petri auf dem römischen Stuhl das Privileg der Unfehlbarkeit genießt, wenn er feststellt, daß eine Wahrheit ein Dogma des katholischen Glaubens ist, und erklärt, daß es sein Wille ist, sie in diesem Sinne zu verkünden. Es handelt sich um ein außerordentliches Lehramt, das nur selten ausgeübt wird. Es gibt einen Präzedenzfall für die Entscheidung des oben erwähnten Konzils. Papst Pius IX. definierte 1854 mit der Bulle Ineffabilis Deus das Dogma von der Unbefleckten Empfängnis Mariens, die als Mutter des fleischgewordenen Wortes vom Makel der Erbsünde bewahrt blieb. Am Rande sei bemerkt, daß Maria vier Jahre später, 1858, in Lourdes dem Kind Bernadette Soubirous erschien und erklärte: Ich bin die Unbefleckte Empfängnis“.
In der Geschichte ist seither ein einziger Fall einer formalen dogmatischen Definition überliefert: Pius XII. erklärte am 1. November 1950 durch die Apostolische Konstitution Munificentissimus Deus, daß es eine Wahrheit des katholischen Glaubens ist, daß die Jungfrau Maria am Ende ihres irdischen Lebens mit Leib und Seele zur himmlischen Herrlichkeit erhoben wurde. Diese Erklärung wurde von Pius XII. vor einer Menschenmenge abgegeben, die den Petersplatz füllte und sich entlang der Via della Conciliazione bis zum Tiber erstreckte.
Die päpstliche Lehre wird gewöhnlich durch das ordentliche Lehramt zum Ausdruck gebracht: Enzykliken, Botschaften, Ansprachen usw. Man sollte daher diese beiden Lehrordnungen nicht verwechseln und die Unfehlbarkeit auf alles ausdehnen, was der Papst lehrt, wie wichtig es auch sein mag. Leider hat die Unkenntnis dieser theologischen Realitäten manchmal zu einer Art „Papismus“ geführt, der das, was der Nachfolger Petri verkündet, unter allen Umständen für unfehlbar hält. Der Glaubensgehorsam eines Christen entspricht in vielfältiger Weise und im großen und ganzen den Äußerungen des ordentlichen Lehramtes; man muß sich jedoch darüber im Klaren sein, daß darin Irrtümer enthalten sein können. Es ist schwierig, einen Irrtum zu vermeiden, wenn der Papst viel und zu den unterschiedlichsten Zuhörern spricht: Pilger, zufällige Besucher in persönlichen Audienzen, journalistische Äußerungen, um nur einige Beispiele zu nennen. Diese Situationen sind nicht Teil des Lehramtes, denn die Ausübung des ordentlichen Lehramtes schließt die Absicht ein, zu lehren und die Wahrheit des Glaubens oder der natürlichen Ordnung zu vermitteln.
Die von Franziskus zum Ausdruck gebrachten Irrtümer rühren von seiner Abneigung gegen die Tradition her, die ihn dazu bringt, Traditionalisten zu mißhandeln, Bischöfe und Priester zu verfolgen und einige von ihnen abzusetzen. Ein gängiges Verfahren besteht darin, indirekt in die Diözesen einzugreifen, indem er progressive Koadjutoren für die jeweiligen Bischöfe ernennt. In vielen Fällen kritisiert er die Priester, die er zu verachten scheint, indem er sie als „Indietristen“ brandmarkt, weil sie die Tradition lieben und befolgen. Diese Verachtung steht im Gegensatz zu der Liebe, die frühere Päpste wie Johannes Paul II. und Benedikt XVI. für die Priester gezeigt haben.
Seine Mariologie ist mangelhaft: Als er gebeten wurde, die Miterlöserin zu verkünden, lehnte er dies mit einem lausigen Argument ab, sie könne nicht Miterlöserin genannt werden, „weil sie nicht göttlich ist“. Es ist klar, daß er das Geheimnis der Teilnahme Marias am Werk der Erlösung nicht versteht. Der Stil von Franziskus ist populistisch, was auf seine politische Sympathie mit dem argentinischen Phänomen des Peronismus zurückzuführen ist, einer Bewegung, der er als junger Mann in der als „Eiserne Garde“ bekannten Sektion angehörte.
Die Frage der Unfehlbarkeit stellt sich nicht, denn er übt seine Tätigkeit nicht auf dieser Ebene der päpstlichen Autorität aus. Er ist sich sehr wohl bewußt, daß er der Papst ist und von den Gläubigen als solcher betrachtet wird, außer daß viele seine politischen Entscheidungen nicht gutheißen und sehr wohl erkennen, daß diese politische Dimension der Funktion des Nachfolgers Petri fremd ist.
Das derzeitige Pontifikat ist auf die globalistische Agenda und den interreligiösen Dialog fixiert. Es kann den Auftrag, die Erkenntnis und die Liebe Jesu Christi zu verbreiten, nicht erfüllen. Aber der apostolische Auftrag bleibt bestehen: „Gehet hin in alle Welt und predigt das Evangelium allen Völkern; wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden, wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden“ (Mk 16,16). Das gilt für diese Welt, die auf die Genesung und Wiederherstellung des Nachfolgers des Petrus wartet.
+ Héctor Aguer
Emeritierter Erzbischof von La Plata
Buenos Aires, Dienstag, 17. Dezember 2024
Einleitung/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: MiL