Katholische Führungspersönlichkeit mit „Siegermoral“ gesucht

Vor der Synodalitätssynode und der Gefahr vollendeter Tatsachen


Die katholische Welt braucht starke Führungspersönlichkeiten, keine spirtuellen "Gurus", sondern Anführer im konkreten Handeln. Die traditionalistischen Katholiken sind gefordert.
Die katholische Welt braucht starke Führungspersönlichkeiten, keine spirtuellen "Gurus", sondern Anführer im konkreten Handeln. Die traditionalistischen Katholiken sind gefordert.

Der Vati­ka­nist Mar­co Tosat­ti ver­öf­fent­lich­te eine Zuschrift, in der fest­ge­stellt wird, daß sich in der katho­li­schen Welt die Mei­nung durch­setzt, wahr­schein­lich sogar schon die Mehr­heits­mei­nung ist, daß es „so nicht wei­ter­geht“. Dies gilt beson­ders mit Blick auf die Syn­oda­li­täts­yn­ode, nach der die Kir­che über Nacht eine „ande­re Kir­che“ sein könn­te. Was ist zu tun? Was braucht es ganz prak­tisch, um auf den revo­lu­tio­nä­ren Geist zu reagie­ren? Wie kann ver­hin­dert wer­den, daß voll­ende­te Tat­sa­chen geschaf­fen werden?

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Lie­ber Tosat­ti,
gestern habe ich einen Brief von einem mei­ner Semi­nar­kol­le­gen erhal­ten, der spä­ter sei­ne Beru­fung nicht wei­ter­ver­folgt hat und Pro­fes­sor der Phi­lo­so­phie an meh­re­ren Uni­ver­si­tä­ten wur­de, unter ande­rem an einer in Frank­reich, wo er heu­te lebt. Ich dach­te, es sei ein inter­es­san­ter Brief (nicht alles, das wäre zu lang), den Sie mit Ihren Lesern tei­len möchten:

Die katholische Welt braucht Führungsgestalten

In der Geschich­te waren die gro­ßen ech­ten Revo­lu­tio­nen nie „spon­tan“, d. h. ohne das Ziel einer „Macht“ zu ver­tre­ten (oder zu unter­stüt­zen), die die Füh­rung über­nahm und die Fol­gen genoß. Wären sie echt und spon­tan gewe­sen (und nicht von Mäch­ten, bes­ser gesagt, gegen Mäch­te unter­stützt wor­den), wären sie in sehr kur­zer Zeit gelöscht wor­den. Die ame­ri­ka­ni­sche Revo­lu­ti­on von 1783. Die fran­zö­si­sche Revo­lu­ti­on von 1789, die Revo­lu­ti­on in den Kir­chen­staa­ten von den 60er und 70er Jah­ren des 19. Jahr­hun­derts. Die rus­si­sche Revo­lu­ti­on von 1917. Und so wei­ter. Kei­ne war jemals „spon­tan“. Eine Macht wird mit dem Instru­ment der Revo­lu­ti­on durch eine ande­re Macht ersetzt, ein Instru­ment, das natür­lich unend­lich vie­le Facet­ten hat. Und Berufs­hi­sto­ri­ker schrei­ben die histo­ri­schen „Wahr­hei­ten“, die in den Schu­len zu leh­ren sind. Aber war­um schrei­be ich Ihnen das, mein lie­ber Freund Monsignore?

Weil auch die aktu­el­le Revo­lu­ti­on in der katho­li­schen Kir­che, die ange­kün­digt wor­den war und in den ver­gan­ge­nen 12–13 Jah­ren statt­ge­fun­den hat (sie wur­de vor­her geplant, aber 2010/​2011 in die Tat umge­setzt), offen­sicht­lich ein Aus­druck des­sen ist, was ich oben in bezug auf die gro­ßen Revo­lu­tio­nen gesagt habe. Die „kon­ter­re­vo­lu­tio­nä­re“ katho­li­sche Welt aber, die das sehr beklagt, vie­le Beschwer­den in Zei­tung und Blogs schreibt und Kri­tik übt, sich aber unter­ein­an­der wegen klein­ster Klei­nig­kei­ten zer­strei­tet, scheint mir schlecht oder gar nicht zu reagie­ren. Ent­schul­di­gen Sie, Mon­si­gno­re, von mei­nem Beob­ach­tungs­punkt in Tou­lou­se aus (wo ich, wie Sie wis­sen, im Ruhe­stand bin), habe ich nicht die nöti­gen phy­si­schen Kon­tak­te, aber ich lese alles. Der katho­li­schen Welt fehlt es heu­te an Füh­rungs­per­sön­lich­kei­ten in den Absich­ten und daher in den Aktio­nen und Reaktionen.

Las­sen Sie mich das bes­ser erklä­ren. Eine Füh­rungs­per­sön­lich­keit muß heu­te, im gegen­wär­ti­gen Kon­text der Kir­che (nen­nen wir es ein­mal so), zu über­zeu­gen wis­sen und zu einem Bezugs­punkt für das wer­den, was zu tun ist. Sie darf sich nicht auf apo­ka­lyp­ti­sche, nur hyper­kri­ti­sche Aus­sa­gen beschrän­ken usw. Das sind eini­ge der Eigen­schaf­ten, die als selbst­ver­ständ­lich anzu­se­hen sind. Und ich habe den Ein­druck, daß es vie­le auf­stre­ben­de Füh­rungs­per­sön­lich­kei­ten gibt, die über die­se Eigen­schaf­ten verfügen.

Aber die wah­re Füh­rungs­per­sön­lich­keit muß heu­te auch Ver­trau­en ver­mit­teln, indem sie Ergeb­nis­se vor­wei­sen kann, die mit einer Metho­de erzielt wur­den (selbst klei­ne, aber bedeu­ten­de). Und vor allem, lie­ber Freund, muß sie eine „Moral des Sie­ges“ ver­mit­teln. Aber nicht nur in bezug auf den Glau­ben, son­dern auch auf das Han­deln, das die Kin­der Got­tes zu ver­ste­hen und umzu­set­zen wis­sen. Das Alte Testa­ment ist eine Hand­lungs­an­lei­tung für die Kin­der Got­tes. Das Neue Testa­ment ist ein Hand­buch der natür­li­chen und über­na­tür­li­chen Siegermoral.

Gut, das wäre gesagt, wes­halb ich zu einem abschlie­ßen­den Gedan­ken kom­me. Was die katho­li­sche Welt, die Kin­der Got­tes, heu­te den­ken, das fin­den wir weder in den Main­stream-Medi­en des kor­rek­ten Den­kens noch in den offi­zi­el­len Struk­tu­ren oder Insti­tu­tio­nen der Regie­rung oder Sub­re­gie­rung der Kir­che. Und schon gar nicht in den „Sakri­stei­en“. Wir fin­den es viel mehr und bes­ser „kata­kom­ben­ar­tig“ in pri­va­ten Begeg­nun­gen oder bei Kon­fe­ren­zen dis­ku­tiert, wo muti­ge Men­schen mit kla­ren Ideen, Intel­li­genz, Wis­sen, Weis­heit und unbe­zwing­ba­rem Glau­ben anwe­send sind, wie es zum Bei­spiel ver­gan­ge­ne Woche in Assi­si war (wie mir gesagt wur­de, denn ich war nicht dabei, da lei­der nicht eingeladen).

Nun, was man in die­sen ech­ten Räu­men des katho­li­schen Glau­bens hört und ver­steht, ist, daß „wir es nicht mehr ertra­gen kön­nen“, daß die Katho­li­ken an die Gren­zen ihrer Belast­bar­keit gekom­men sind. Über­all sieht man Gärun­gen von Lai­en, Prie­stern und Ordens­leu­ten, die ihre Kir­che Chri­sti ver­tei­di­gen wol­len. Sie stre­ben weder Schis­men an noch wol­len sie die Kir­che ver­las­sen, denn sie wis­sen, daß jene, die sich von der Kir­che tren­nen, zum „Ster­ben“ bestimmt sind. Man muß die Kir­che ver­tei­di­gen, die eine hei­li­ge, katho­li­sche, apo­sto­li­sche und uni­ver­sa­le Kir­che! Aber auch in streng säku­la­ren (nicht-reli­giö­sen) Krei­sen fragt man sich besorgt, was vor sich geht (ange­sichts des expo­nen­ti­ell zuneh­men­den Ver­falls des Sozi­al­ver­hal­tens und der Zivi­li­sa­ti­on ins­ge­samt), und man hört sagen: Wenn die Katho­li­ken nicht reagie­ren, wer­den die Lai­zi­sten reagie­ren, die von den katho­li­schen Wer­ten pro­fi­tiert haben. Wie sie das tun könn­ten, ist jedoch ziem­lich beun­ru­hi­gend. Hüten wir uns davor!

Was man immer öfter hören kann, ist auch die Angst vor der reli­giö­sen Auto­ri­tät. Macht die Kir­chen­hier­ar­chie den Gläu­bi­gen Angst? Ver­äng­stigt sie sie mit Kom­mis­sa­ren und Dro­hun­gen, Bischö­fe zu sus­pen­die­ren? Bedroht sie indi­rekt mit der Beset­zung wich­ti­ger Funk­tio­nen in den Dik­aste­ri­en (die die Leh­re ändern könn­ten) mit Men­schen, deren „Glau­be und Kul­tur“ bekann­ter­ma­ßen der Leh­re ent­ge­gen­ste­hen? Über­all hört man von ver­äng­stig­ten Kle­ri­kern, von ver­äng­stig­ten unter­drück­ten, ter­ro­ri­sier­ten Bewe­gun­gen, von ein­ge­schüch­ter­ten kirch­li­chen Gemein­schaf­ten, die sich in ihrer Spi­ri­tua­li­tät und in der Ver­tei­di­gung jener Güter bedroht füh­len, die sie eigens (von den Gläu­bi­gen) erhal­ten haben, um die­se Spi­ri­tua­li­tät und die­ses Cha­ris­ma fort­zu­set­zen und zu stär­ken. Und jetzt sogar eine Synode…

All dies erklärt, daß es in der katho­li­schen Welt sehr star­ke und sicher­lich mehr­heit­li­che Sym­pto­me einer Reak­ti­on gibt, die miß­braucht oder aber gut genutzt wer­den kön­nen. Und sie wer­den wahr­schein­lich nach der Syn­ode auf­tau­chen, je nach­dem, wie deren Ergeb­nis­se aus­fal­len wer­den. Man soll­te sich fra­gen: Wer hat die­se Revo­lu­ti­on in der Kir­che gewollt? Wem nützt sie, wem scha­det sie? Das hängt von den oben beschrie­be­nen Annah­men ab. Las­sen wir es nicht zu, daß sie miß­braucht wer­den von jenen, die die Kir­che nicht lie­ben und sich ihrer bedie­nen wol­len. Man soll­te über die­sen Punkt sorg­fäl­tig nach­den­ken. Wer Vor­tei­le dar­aus zieht, ist eine gno­sti­sche Welt (ich zie­he es vor, sie nicht zu benen­nen). Wer mit Sicher­heit Nach­tei­le hat, ist die gesam­te Zivi­li­sa­ti­on (wie ich lesen konn­te, wur­de dies auf der Tagung in Assi­si am Sams­tag, dem 9. Sep­tem­ber gut erklärt).

Heu­te steht die römisch-katho­li­sche apo­sto­li­sche Kir­che vor einer Syn­ode, deren Aus­sich­ten beun­ru­hi­gend sind, deren Schluß­fol­ge­run­gen so weit gehen könn­ten, daß sie das Wesen der Kir­che, ihre Leh­re und ihre Wahr­hei­ten in Fra­ge stel­len. Mor­gen könn­te die römisch-katho­li­sche apo­sto­li­sche Kir­che etwas ande­res sein. Suchen wir nach Füh­rungs­per­sön­lich­kei­ten, die es ver­ste­hen, der Kir­che eine „Sie­ger­mo­ral“ zurück­zu­ge­ben, und zwar in der Kirche.

Einleitung/​Übersetzung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: MiL

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