Die unglücklichen Aussagen des Papstes

In Argentinien herrscht ein Stimmungstief für Franziskus


Papst Franziskus mit seinem linksradikalen argentinischen Freund Juan Grabois beim Treffen der "Volksbewegungen" in Rom. Durch seine Kritik an Argentiniens Präsidenten Javier Milei verspielt Franziskus auch noch Teile seines Restkapitals in seiner Heimat.
Papst Franziskus mit seinem linksradikalen argentinischen Freund Juan Grabois beim Treffen der "Volksbewegungen" in Rom. Durch seine Kritik an Argentiniens Präsidenten Javier Milei verspielt Franziskus auch noch Teile seines Restkapitals in seiner Heimat.

Am 20. Sep­tem­ber hat­te Papst Fran­zis­kus in eher begrenz­tem Umfang an einem Sym­po­si­um der soge­nann­ten „Volks­be­we­gun­gen“, einem losen Kon­glo­me­rat ver­schie­de­ner links­ra­di­ka­ler Grup­pie­run­gen, im Vati­kan teil­ge­nom­men. Katho​li​sches​.info berich­te­te. Die Ver­an­stal­tung wur­de im Ver­gleich zu frü­he­ren Ver­an­stal­tun­gen auf nied­ri­gem Niveau durch­ge­führt. Wegen Unstim­mig­kei­ten und weil Fran­zis­kus ins­ge­samt sein Inter­es­se dar­an ver­lo­ren zu haben scheint, woll­te das Kir­chen­ober­haupt zunächst gar nicht dar­an teil­neh­men, über­leg­te es sich dann aber und ver­las sei­ne Anspra­che selbst. In die­ser übte er so schar­fe Kri­tik an der Regie­rung von Argen­ti­ni­ens Prä­si­den­ten Javier Milei, daß man in der Hei­mat des Pap­stes ziem­lich über­rascht war, so über­rascht, daß es seit­her bemer­kens­wer­te Kri­tik an Fran­zis­kus gibt, auch von befreun­de­ter Seite.

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Der liber­tä­re Javier Milei gewann am 19. Novem­ber 2023 die Prä­si­dent­schafts­wah­len in Argen­ti­ni­en mit 55,6 Pro­zent der Stim­men, ver­fügt aber im Par­la­ment über kei­ne eige­ne Mehr­heit. Mileis Regie­rungs­bi­lanz wird sich zei­gen, bis­her sieht sie auf öko­no­mi­scher Ebe­ne erstaun­lich pas­sa­bel aus. Inter­na­tio­nal fällt der argen­ti­ni­sche Staats- und Regie­rungs­chef immer wie­der durch bemer­kens­wer­te Reden auf, so jüngst vor der UNO-Haupt­ver­samm­lung in New York.

Es ist ein offe­nes Geheim­nis, daß Papst Fran­zis­kus den Kan­di­da­ten der Link­spe­ro­ni­sten prä­fe­rier­te. Es ist auch bekannt, daß Fran­zis­kus nach mehr als zehn Jah­ren des Pon­ti­fi­kats noch nie sei­ne Hei­mat Argen­ti­ni­en besucht hat. Vor den Wah­len hat­te er einen Besuch in Aus­sicht gestellt, doch als das Wahl­er­geb­nis vor­lag, ver­schwand die Idee gleich wie­der in einer Schublade.

Nach dem Angriff auf die Regie­rung Milei erhob Erz­bi­schof Héc­tor Rubén Aguer sei­ne Stim­me und tadel­te Fran­zis­kus. Aguer erklär­te, daß Fran­zis­kus – was schon ande­re frü­her ver­mu­tet hat­ten – sei­ne Hei­mat Argen­ti­ni­en über­haupt nicht besu­chen wird. Aguers Kri­tik beweg­te sich jedoch im Bereich des Erwart­ba­ren, da er bereits Berg­o­gli­os Gegen­spie­ler in der Argen­ti­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz war (sie­he Erz­bi­schof Aguer: Tra­di­tio­nis cus­to­des ist ein ech­tes Unglück, das Prie­ster und Gläu­bi­ge zum Unge­hor­sam zwingt).

Über­ra­schend ist hin­ge­gen die Kri­tik an Fran­zis­kus, die von der füh­ren­den argen­ti­ni­schen Tages­zei­tung La Nación erho­ben wird. La Nación stand Fran­zis­kus unter den gro­ßen argen­ti­ni­schen Medi­en stets beson­ders wohl­wol­lend gegen­über, schließ­lich berich­tet dort die Papst-Freun­din Eli­sa­bet­ta Piqué über Rom und die Kir­che. Doch im Leit­ar­ti­kel der gest­ri­gen Aus­ga­be sind nun ganz ande­re Töne zu hören. Unter der Über­schrift „Die unglück­li­chen Aus­sa­gen des Pap­stes“ wur­de sei­ne Regie­rungs­kri­tik beim Sym­po­si­um der „Volks­be­we­gun­gen“ unter die Lupe genom­men. Schon im Unter­ti­tel wird Fran­zis­kus eine deut­li­che Bot­schaft übermittelt:

„Der Papst soll­te den pasto­ra­len und dok­tri­nä­ren Ton sei­ner Bot­schaf­ten nicht ver­las­sen, um sich mit Urtei­len, die sich durch eine auf­fal­len­de Leich­tig­keit aus­zeich­nen, auf das loka­le poli­ti­sche Ter­rain vorzuwagen.“

Gleich im ersten Satz des Leit­ar­ti­kels wird klar, daß man sich mehr als ein Stein­chen aus dem Schuh holen will, indem die Kri­tik am Angriff gegen Milei mit dem bis heu­te nicht statt­ge­fun­de­nen Argen­ti­ni­en-Besuch des Pap­stes ver­knüpft wird:

„Nicht weni­ge Argen­ti­ni­er haben beklagt, daß Papst Fran­zis­kus in den ersten elf Jah­ren an der Spit­ze des Hei­li­gen Stuhls, in denen er mehr als 60 Län­der besucht hat, sein eige­nes Land aus für sie unver­ständ­li­chen Grün­den außen vor gelas­sen hat.“

La Nación wird dazu sehr kon­kret: Es gebe vie­le, die Fran­zis­kus’ Wei­ge­rung Argen­ti­ni­en zu besu­chen, damit ent­schul­di­gen, daß er sich von „Macht­ha­bern nicht poli­tisch instru­men­ta­li­sie­ren“ las­sen wol­le. „Wäre das aber wirk­lich der Fall, so wür­de das noch weni­ger die Häu­fig­keit erklä­ren, mit der er sich auf die eine oder ande­re Wei­se zur poli­ti­schen Lage in Argen­ti­ni­en und ihren Haupt­ak­teu­ren geäu­ßert hat.“

Die Äuße­run­gen, die Fran­zis­kus am 20. Sep­tem­ber tätig­te, hät­ten „vie­le sei­ner Lands­leu­te mehr als bei ande­ren Gele­gen­hei­ten ver­är­gert“, so die Zei­tung. Das gel­te „vor allem“ bei jenen, „die 2013 sei­nen Auf­stieg auf den Thron Petri gefei­ert haben“. Die­se Äuße­run­gen „sind weit von dem tra­di­tio­nel­len lehr­haf­ten und pasto­ra­len Ton ent­fernt, der für Päp­ste ange­mes­sen ist“.

Die päpst­li­che Kri­tik an Maß­nah­men der Regie­rung Milei gegen gewalt­tä­ti­ge Pro­te­ste recht­fer­tig­te Fran­zis­kus damit, daß ihm von den (links­ra­di­ka­len) „Volks­be­we­gun­gen“ ein Video gezeigt wor­den sei, das ihn empör­te. Dazu schreibt La Nación:

„Es wäre wün­schens­wert gewe­sen, wenn der Hei­li­ge Vater eine umfang­rei­che­re Zusam­men­stel­lung von Bil­dern gese­hen hät­te, um das tat­säch­li­che Aus­maß der Gewalt­ta­ten wäh­rend der erwähn­ten Stra­ßen­pro­te­ste ermes­sen zu kön­nen. Mit Sicher­heit darf er nicht die 14 Ton­nen Stei­ne ver­ges­sen, die gegen das Par­la­ment geschleu­dert wur­den, eben­so wenig die Zer­stö­rung von ande­rem öffent­li­chem Eigentum.“

Und wei­ter:

„Noch zwei­deu­ti­ger war ein Satz, in dem der Papst auf die Sekre­tä­rin eines Mini­sters anspiel­te, die nach sei­nen Anga­ben ein Schmier­geld von einem Unter­neh­mer ver­langt habe. Merk­wür­di­ger­wei­se nann­te er kei­ne Ein­zel­hei­ten über die betei­lig­te Beam­tin oder über die Zeit oder das Land, in dem der Vor­fall statt­ge­fun­den habe, obwohl man annahm, daß er von Argen­ti­ni­en sprach. Sol­che im heu­ti­gen Argen­ti­ni­en übli­chen Ver­all­ge­mei­ne­run­gen ohne Anga­be von Quel­len oder Adres­sa­ten stel­len den Vor­fall als pro­to­ty­pisch für die Regie­rung Milei dar. Die Tat­sa­che, daß auch der Papst zu einem sol­chen Mit­tel gegrif­fen hat, hat die öffent­li­che Beun­ru­hi­gung noch verstärkt.“

Die Zei­tung tadelt, daß Fran­zis­kus in die „poli­ti­sche Are­na“ sei­ner Hei­mat steigt, „von der er sich seit mehr als elf Jah­ren phy­sisch ent­fernt hat“. Mehr noch beklagt der Leit­ar­ti­kel, daß der Papst sei­ne Kri­tik „mit zor­ni­gen Wor­ten“ äußer­te. Er habe „die Regie­rung offen in Fra­ge gestellt“, was „viel Auf­merk­sam­keit erregte“.

„Damit ist der Papst wei­ter gegan­gen als alles, was wir von ihm über frü­he­re Regie­run­gen gehört haben, die wie jene der Fami­lie Kirch­ner und ihrer Kum­pa­ne durch mehr als nur ein paar Kor­rup­ti­ons­skan­da­le bela­stet waren.“

Empö­rend fin­det La Nación die päpst­li­che Kri­tik am Ein­satz von Pfef­fer­spray durch die Poli­zei. Die Poli­zi­sten hät­ten gewalt­tä­ti­gen Demon­stran­ten gegen­über­ge­stan­den. Pfef­fer­spray sei ja „kein töd­li­ches Mit­tel“ und wer­de von der Poli­zei vie­ler Län­der ein­ge­setzt. Die Kri­tik des Pap­stes sei aber vor allem des­halb empö­rend, so die Zei­tung, weil er es zugleich ver­säu­me, „die unge­heu­er­li­chen Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen des Regimes von Dik­ta­tor Nicolás Madu­ro in Vene­zue­la mit dem nöti­gen Nach­druck zu verurteilen“.

Als „Leicht­fer­tig­keit“ tadelt die Zei­tung Fran­zis­kus’ Behaup­tung, Argen­ti­ni­ens Staats­prä­si­dent Julio Roca, der Ende des 19. Jahr­hun­derts regier­te, habe „allen Urein­woh­nern den Kopf abge­schla­gen“. Das sei maß­los über­trie­ben und erken­ne nicht an, „wie­viel die­ser argen­ti­ni­sche Prä­si­dent für unse­re ter­ri­to­ria­le Inte­gri­tät und den Frie­den getan hat, als er durch die Unter­zeich­nung des Pak­tes vom Mai 1902 einen Krieg mit Chi­le verhinderte“.

„Es ist auch irri­tie­rend, daß der Papst Orga­ni­sa­tio­nen bestä­tigt, die ihre Aktio­nen auf Streik­po­sten und Stra­ßen­blocka­den stüt­zen, die Kli­en­te­lis­mus betrei­ben und die Armen als Kano­nen­fut­ter für ihre poli­ti­schen Plä­ne und für die Beschaf­fung öffent­li­cher Gel­der benut­zen, die oft in den Taschen ihrer Anfüh­rer landen.“

Und zur päpst­li­chen Unter­stüt­zung für die gewalt­sa­me Ent­eig­nung von Pri­vat­ei­gen­tum durch lin­ke Aktivisten:

„Nicht weni­ger irri­tie­rend ist die Tat­sa­che, daß das Kir­chen­ober­haupt die Aneig­nung des Pri­vat­ei­gen­tums einer tra­di­tio­nel­len Fami­lie aus Ent­re Ríos legi­ti­mier­te, und zwar in Anwe­sen­heit von Gra­bo­is selbst, der die­sen ille­ga­len Akt förderte.“

Schließ­lich äußert La Nación in Fra­ge­form einen Zweifel:

„Ver­fügt der Hei­li­ge Vater im inne­ren Kreis des Vati­kans über den klu­gen, ein­sich­ti­gen und muti­gen Rat, der sei­nem hohen Amt ange­mes­sen ist und der als wirk­lich wacher und fähi­ger Gene­ral­stab fun­giert, um das Ober­haupt zu ermu­ti­gen, die rich­ti­gen Ent­schei­dun­gen zu tref­fen, und ihn von sol­chen abzu­brin­gen, die ihn in eine unan­ge­neh­me Situa­ti­on brin­gen könnten?“

Der gan­ze Vor­fall erin­nert an eine ande­re „Leich­tig­keit“, mit der Fran­zis­kus sich 2015 empör­te und mit „zor­ni­gen Wor­ten“ völ­lig zu Unrecht Para­gu­ays Prä­si­den­ten attackier­te: Wenn der Papst einen kapi­ta­len Bock schießt – Die Fett­näpf­chen der zwang­lo­sen frei­en Rede.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: La Nación (Screen­shot)

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