Papst Franziskus, der Anführer des Peronismus

Die Gläubigen wollen einen Papst und keinen politischen Debattierer


Papst Franziskus wird seine Heimat Argentinien nicht besuchen, dessen ist sich Erzbischof Héctor Rubén Aguer sicher. Im Bild: Papst Franziskus und die beiden argentinischen Präsidenten General Roca und Javier Milei.
Papst Franziskus wird seine Heimat Argentinien nicht besuchen, dessen ist sich Erzbischof Héctor Rubén Aguer sicher. Im Bild: Papst Franziskus und die beiden argentinischen Präsidenten General Roca und Javier Milei.

Msgr. Héc­tor Rubén Aguer, eme­ri­tier­ter Erz­bi­schof von La Pla­ta in Argen­ti­ni­en, schreibt eine regel­mä­ßi­ge Kolum­ne in der argen­ti­ni­schen Zei­tung La Pren­sa, die auch in ande­ren Medi­en abge­druckt wird. Msgr. Aguer war in den 90er Jah­ren zusam­men mit Jor­ge Mario Berg­o­glio Weih­bi­schof von Bue­nos Aires. Aus unbe­kann­ten Grün­den wünsch­te Kar­di­nal Anto­nio Quar­ra­ci­no nicht Aguer, son­dern Berg­o­glio als sei­nen Nach­fol­ger. Aguer wur­de zwar Erz­bi­schof von La Pla­ta und zum kon­ser­va­ti­ven Gegen­spie­ler Berg­o­gli­os in der Argen­ti­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz, hat­te das Ren­nen aber unein­hol­bar ver­lo­ren. Als Erz­bi­schof von Bue­nos Aires wur­de Berg­o­glio näm­lich Pri­mas von Argen­ti­ni­en und Kar­di­nal. Als sol­cher konn­te er am Kon­kla­ve teil­neh­men und wur­de schließ­lich zum Papst gewählt. Kaum hat­te er den Stuhl Petri bestie­gen, eme­ri­tier­te er Msgr. Aguer bei der ersten sich bie­ten­den Gele­gen­heit und ernann­te – um die Ver­ach­tung für die Per­son und die Posi­tio­nen Aguers zu demon­strie­ren – Vic­tor Manu­el „Tucho“ Fernán­dez zu Aguers Nach­fol­ger. La Cigüeña de la Tor­re ver­öf­fent­lich­te Aguers jüng­sten Kom­men­tar vor­ab. Hier der voll­stän­di­ge Text in deut­scher Fassung:

Der Präsident des Peronismus

Anzei­ge

Papst Fran­zis­kus hat wie­der­holt ange­kün­digt, Argen­ti­ni­en besu­chen zu wol­len, aber er wird es nicht tun. Er weiß, daß er hier nicht gut ankom­men wür­de. Daher begibt er sich nun auf das schmut­zi­ge Feld der poli­ti­schen Debat­ten mit einer unge­wöhn­li­chen Wut­re­de gegen die liber­tä­re Regie­rung von Prä­si­dent Milei. Er hat nie die gering­ste Anspie­lung auf die Regie­run­gen von Cri­sti­na Kirch­ner gemacht, die das Land in Armut und Elend stürz­ten. Er ging auch nie auf die schlimm­ste Regie­rung der Geschich­te ein: die des nutz­lo­sen und belei­di­gen­den Alber­to Fernán­dez, des Heuch­lers, der sich rühm­te, „Femi­nist“ zu sein, aber sei­ne Frau geschla­gen hat. Die Haupt­quel­le für die Rede von Fran­zis­kus waren, wie schon bei ande­ren Gele­gen­hei­ten, die Nach­rich­ten, die ihm sein Freund Juan Gra­bo­is1 schickte.

Die päpst­li­che Wort­mel­dung bezog sich auf die Geschich­te: Er hat das Werk von Gene­ral Julio Argen­ti­no Roca2 ver­ur­teilt, dem er das Abschlach­ten der indi­ge­nen Bevöl­ke­rung in sei­ner Wüsten­kam­pa­gne zuschrieb. Was er nicht erwähnt hat, sind die Mas­sa­ker und die Mal­o­nes [Über­fäl­le] der indi­ge­nen Bevöl­ke­rung, die fast bis vor die Tore von Bue­nos Aires vor­dran­gen, Frau­en ent­führ­ten und Ter­ror säten. Ich bin kein Roca-Fan, aber wir müs­sen aner­ken­nen, daß Argen­ti­ni­en ohne die Dop­pel­prä­si­dent­schaft von Julio Argen­ti­no Roca nicht exi­stie­ren wür­de und Pata­go­ni­en chi­le­nisch wäre. Was der Papst kri­ti­sie­ren hät­te müs­sen, war die Reli­gi­ons­po­li­tik des Frei­mau­rers Roca, der das Land 16 Jah­re lang vom Hei­li­gen Stuhl abge­kop­pelt hat.

Die Kri­tik des Pap­stes an der argen­ti­ni­schen Regie­rung rich­tet sich gegen das Anti-Pique­tes-Pro­to­koll, d. h. er stellt sich auf die Sei­te der Pique­te­ros, die die Men­schen ner­ven, indem sie Stra­ßen blockie­ren und zahl­lo­se Unan­nehm­lich­kei­ten ver­ur­sa­chen. „Sie bezah­len mit Pfef­fer­spray statt mit sozia­ler Gerech­tig­keit“, sag­te er bei einer Ver­an­stal­tung mit Gra­bo­is und recht­fer­tig­te „den Kampf der sozia­len Bewe­gun­gen“. Er erwähn­te auch einen Fall von Bestechung, nann­te aber nicht, wel­cher Ver­wal­tung er zuzu­schrei­ben ist. Der Jour­na­list Lucia­no Román bezeich­ne­te die päpst­li­che Rede als „eine über­mä­ßig nüch­ter­ne Bot­schaft, die sogar so inter­pre­tiert wer­den könn­te, als sei sie weit ent­fernt von der Aus­ge­wo­gen­heit, der Kom­ple­xi­tät und den Nuan­cen, die nor­ma­ler­wei­se die Wor­te gro­ßer reli­giö­ser Füh­rer und ähn­li­cher Per­sön­lich­kei­ten kenn­zeich­nen“. Die Rede stütz­te sich auf eigen­nüt­zi­ge und vor­ein­ge­nom­me­ne Infor­ma­tio­nen, über­sah die kom­ple­xen Aus­wir­kun­gen der Anar­chie auf den Stra­ßen für die nor­ma­len Bür­ger und ermu­tig­te die sozia­len Bewe­gun­gen zum „Kampf“. Er dra­ma­ti­sier­te den Ein­satz von Pfef­fer­spray durch die Sicher­heits­kräf­te, ohne die Pro­vo­ka­tio­nen und Aus­schrei­tun­gen zu erwäh­nen, denen Insti­tu­tio­nen wie das Par­la­ment durch Angrif­fe mit Stei­nen aus­ge­setzt waren, oder die Ver­let­zun­gen, die Akti­vi­sten öffent­li­chen Bedien­ste­ten wie Poli­zi­sten und Gen­dar­men zuge­fügt haben. Er hat auch nicht die Ver­bren­nung von öffent­li­chem Eigen­tum und sogar die Zer­stö­rung von Fahr­zeu­gen und Geschäf­ten bei eini­gen gewalt­tä­ti­gen Pro­te­sten in Betracht gezogen.

Es ist offen­sicht­lich, daß die Nähe des Pap­stes zu Gra­bo­is nicht ein­fach eine per­sön­li­che Bin­dung ist, son­dern eine Bezie­hung, die von Zufäl­len genährt wird. Die Poli­ti­sie­rung des Pap­stes durch die Unter­stüt­zung sozia­ler Orga­ni­sa­tio­nen ist mit kei­nem Auf­ruf zu Trans­pa­renz und Ach­tung des Rechts ver­bun­den. Er über­sieht absicht­lich die Unter­su­chun­gen und Ankla­gen, die gezeigt haben, wie zahl­rei­che Pique­te­ro-Füh­rer die Ver­wal­tung der Sozi­al­plä­ne zu ihrem eige­nen Vor­teil aus­ge­nutzt haben. Die Wor­te des Pap­stes gegen die Regie­rung wer­den von die­sen „Armuts­ma­na­gern“ mit Sicher­heit als eine Art Recht­fer­ti­gung und Bestä­ti­gung benutzt werden.

Was die argen­ti­ni­schen Katho­li­ken brau­chen, ist, daß Fran­zis­kus als Papst han­delt, sich um die katho­li­sche Reli­gi­on küm­mert, die Gläu­bi­gen stärkt und sie anlei­tet, im Glau­ben zu wach­sen. Was sie nicht brau­chen, ist, daß er sich auf das ver­wir­ren­de Gebiet der poli­ti­schen Debat­te begibt. „Sozia­le Gerech­tig­keit statt Pfef­fer­spray kau­fen.“ Die­ser beun­ru­hi­gen­de Abstieg ist unge­wöhn­lich, wo Fran­zis­kus doch kein Wort über die Situa­ti­on in Vene­zue­la gesagt hat, wo eine Dik­ta­tur die Oppo­si­ti­on ver­folgt und es kei­ne sozia­le Gerech­tig­keit gibt. Die Fra­ge des Pfef­fer­sprays wur­de durch ein klei­nes Mäd­chen auf­ge­wühlt, das an des­sen Fol­gen litt, weil es an einem von sei­ner Mut­ter, einer ver­ant­wor­tungs­lo­sen Mili­tan­ten, gelei­te­ten Camp teilnahm.

Der Papst setzt sich mit sei­ner Anti-Regie­rungs-Rede der zu Recht laut­wer­den­den Kri­tik aus. Der Vor­sit­zen­de des Abge­ord­ne­ten­blocks „Föde­ra­le Inno­va­ti­on“, Miguel Ángel Pichet­to, wies die Kri­tik des Pap­stes zurück und erklär­te, daß „die vom Vati­kan vor­ge­schla­ge­ne Agen­da absurd ist und Argen­ti­ni­en unglaub­li­chen Scha­den zufügt“. Der Abge­ord­ne­te bemerk­te, daß „frü­her die Erklä­run­gen des Pap­stes eher pasto­ra­ler Natur waren und nie direkt auf die loka­le Poli­tik abziel­ten; jetzt gibt es also eine neue Tat­sa­che. Der Papst kann sol­che Aus­sa­gen nicht machen, ohne daß sein Wort brü­chi­ger wird.“

Die Inter­ven­ti­on von Fran­zis­kus gegen die argen­ti­ni­sche Regie­rung ist ein neu­er Aus­druck des päpst­li­chen Pro­gres­si­vis­mus: immer vor­wärts­ge­hen, wie der Pero­nis­mus und sein nie erreich­tes Ziel der sozia­len Gerech­tig­keit. Der Papst stellt die sozia­le Gerech­tig­keit dem Pfef­fer­spray ent­ge­gen: Die Streik­po­sten zu unter­drücken, den wei­te­ren Pro­test und die Revol­te zu ver­hin­dern, wür­de der Dyna­mik des Evan­ge­li­ums wider­spre­chen, das immer wie­der neu gele­sen wer­den müs­se. Das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil wäre dem­nach eine Neu­in­ter­pre­ta­ti­on des Evan­ge­li­ums gemäß der Kul­tur der Moder­ne. Das sind der Pro­gres­si­vis­mus und der Pero­nis­mus, die heu­te in Rom herr­schen. Fran­zis­kus ist der Prä­si­dent des Pero­nis­mus, wie wir bereits bei ande­ren Gele­gen­hei­ten erklärt haben.

+ Héc­tor Aguer
Eme­ri­tier­ter Erz­bi­schof von La Pla­ta.

Bue­nos Aires, Mitt­woch, 25. Sep­tem­ber 2024

Einleitung/​Übersetzung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Wikicommons/​MiL (Screen­shot)


1 Zu Juan Gra­bo­is sie­he: Tan­go argen­ti­no: Papst Fran­zis­kus & Fri­ends, 13 Juni 2016, aber auch: Hat Papst Fran­zis­kus die Freu­de an sei­nen „Volks­be­we­gun­gen“ ver­lo­ren?, 24. Sep­tem­ber 2024.

2 Julio Argen­ti­no Roca (1843–1914), genannt El Zor­ro, war Gene­ral­leut­nant, Diplo­mat, Poli­ti­ker und 1880–1886 und 1898–1904 Prä­si­dent von Argen­ti­ni­en. Der Frei­mau­rer, der die Erobe­rung Pata­go­ni­ens und der Pam­pa voll­ende­te, ent­eig­ne­te und ver­staat­lich­te das katho­li­sche Schul­we­sen und brach die Bezie­hun­gen zum Hei­li­gen Stuhl ab.

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1 Kommentar

  1. Der „furcht­ba­re Papst“ (Buch­ti­tel) Franz der Erste ist somit, was den Pero­nis­mus angeht, ein Gegen­spie­ler des von ihm hei­lig­ge­spro­che­nen Pap­stes JPII.

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