
Der von Vigilius, Pseudonym eines deutschen Autors, im vergangenen Frühjahr veröffentlichte Aufsatz „Der große Verlust oder das Pontifikat des Jorge Mario Bergoglio“ fand nicht nur internationale Aufmerksamkeit, sondern auch eine interessante Reaktion des argentinischen Bloggers Caminante Wanderer. Auf diesen repliziert nun Vigilius mit einer Vertiefung seiner These. Mit dieser Replik startet zugleich die von Vigilius und weiteren Autoren betriebene Internetseite www.einsprueche.substack.com.
Die vertiefende Analyse von Vigilius wird auch von Katholisches.info wie auch von Caminante Wanderer in mehreren Teilen veröffentlicht.
Verehrter Wanderer,
Sie haben mir die Ehre erwiesen, auf meinen Artikel „Der große Verlust“ zu reagieren und ihn den Lesern Ihres Blogs vorzustellen. Wenngleich wir in unseren theologischen Ansichten übereinstimmen, haben Sie hervorgehoben, meine Position, Franziskus sei ein Stratege, nicht zu teilen. Ich zitiere Sie wörtlich:
„Vor ein paar Monaten erschien auf der deutschen Website Katholisches.info ein brillanter und zugleich schockierender Artikel. Er trägt den Titel „Der große Verlust oder das Pontifikat von Jorge Bergoglio“. Im Übrigen stimme ich nicht mit der zentralen These des Autors überein – der aus offensichtlichen Gründen unter dem Pseudonym Vigilius auftritt –, dass Bergoglio nach einem perfekt orchestrierten und durchdachten Plan gehandelt hat, der im Einklang mit der globalistischen Weltagenda steht. Wie wir in diesem Blog schon oft gesagt haben, bin ich der Meinung, dass Bergoglio nichts anderes ist als ein schurkischer Jesuit aus Buenos Aires mit einem unendlichen und ungesunden Machthunger; sein ganzes Leben ist auf ein einziges Ziel ausgerichtet: Macht um der Macht willen anzuhäufen, um der Konkupiszenz der Macht willen, mit keinem anderen Ziel als dem Vergnügen, das er aus ihrer Ausübung zieht.“1
Ich möchte im Folgenden meine gegenläufige Position nochmals versuchen zu plausibilisieren. Ich mache das, weil ich diese Debatte für sehr wichtig halte. Es geht hier nämlich um viel mehr als um die psychologische und moralische Einschätzung der Persönlichkeit Bergoglios. Ich halte es für eine von diesem Pontifikat selber ausgehende Versuchung, es lediglich im Paradigma eines Gangsters zu rekonstruieren, der nichts anderes im Sinn hat, als seine unmittelbaren Begierden zu befriedigen. Dadurch, so denke ich, würden wir blind für das eigentlich Bedrohliche, das von der bergoglianischen Herrschaft ausgeht.
Aber diese Bedrohung hat auch einen positiven Effekt, nämlich einen enthüllenden und kathartischen. Und das führt mich unmittelbar in das Zentrum meiner Bergoglio-Theorie. Denn Jorge Bergoglio ist zwar ein Ideologe, aber er erfindet seine Ideologie nicht, sondern vertritt – und zwar kontinuierlich – Positionen, die das Produkt einer theologischen Entwicklung sind, die die Kirche seit langem quält. Diese Entwicklung tritt in ihm, gerade weil er intellektuell grotesk unterkomplex und in seinen Handlungen grobschlächtig ist, in ihrer wahren Essenz zu Tage. Etliche Vertreter dieser Traditionslinie wären sicher entsetzt, dass man sie mit Bergoglio assoziiert, aber die gedankliche Kunst besteht ja gerade darin, unterhalb der Differenzen, die es immer gibt, mögliche Gemeinsamkeiten zu identifizieren, die vielleicht sogar die wichtigsten Aspekte sind. Ich denke, dass Jorge Bergoglio die brutale Apocalypsis der inneren Fluchtlinie der fraglichen Bewegung bildet. Nur deshalb ist es lohnend, aber auch unumgänglich, sich mit ihm zu beschäftigen. Denn die in ihm konzentriert aufscheinende und durch ihn nochmals verstärkte theologische Herausforderung wird uns auch über seinen Tod hinaus erhalten bleiben.
Im Übrigen stimmen wir in der Auffassung überein, dass Jorge Bergoglio eine vulgäre und bösartige Kreatur ist, die für die Gläubigen eine einzige intellektuelle, moralische, geistliche und ästhetische Zumutung darstellt. Und die Truppe seiner Diener, zu der so illustre Figuren wie der von Ihnen besonders geschätzte und nun auch in Öl verewigte Orgasmusmystiker Tucho2, Roche, Hollerich, die McCarrick-boys, die Patres SJ James Martin und Spadaro, Marko Ivan Rupnik und der großartige Austen Ivereigh zählen, beurteilen wir ebenso übereinstimmend. Diese Gestalten erinnern mich, ich muß es einräumen, unweigerlich an die „Nazgûl“ in Tolkiens „Herr der Ringe“, die auf stinkenden Ungeheuern reiten und den Thron des dunklen Herrschers umschwirren. Erfreulich ist allerdings die Perspektive: Sie werden ebenso enden wie die Ringgeister in Tolkiens Epos.
Das Begründungsproblem
Bevor ich zu meiner eigenen These komme, möchte ich kurz auf zwei Schwierigkeiten eingehen, mit der, wie mir scheint, Ihre Behauptung zu kämpfen hat, dass Bergoglio keinen ideologisch gespeisten Plan besitzt und nichts anderes ist als ein schurkischer Jesuit aus Buenos Aires mit einem unendlichen Machthunger. Diese Position wird zum einen durch die Erfahrung irritiert, dass leibhaftige Menschen komplexe Wesen mit einer erheblichen Inkonsistenzbereitschaft sind. Vielleicht gehört es zur Idee des Schurkentums, dass Schurken lediglich unmittelbare egozentrische Zwecke verfolgen. Aber Menschen bilden Ideen normalerweise nicht ungetrübt ab. Es ist also durchaus vorstellbar, dass auch Schurken, sogar schurkische Jesuiten, inhaltliche Überzeugungen und politische Ziele besitzen, die nicht einfach mit der Sorge um ihr privates Vergnügen identisch sind.
Zum anderen leidet die Machtthese darunter, dass die Argumentation zirkulär wird. Das, was anhand der Phänomene gezeigt werden soll, dass es nämlich Bergoglio um nichts anderes als den Zuwachs seiner Machtfülle geht, wird immer schon vorausgesetzt, um aus den entsprechend interpretierten Akten zu folgern, dass es Bergoglio um nichts anderes als den Zuwachs seiner Machtfülle geht. Hier lauert die Beliebigkeit der Einschätzungen. Würde sich Franziskus etwa in bestimmten Fällen ganz anders verhalten, könnte die absolut gesetzte Machtthese immer noch sagen, dass er sich aus Machterhaltungsgründen nur taktische Zurückhaltung auferlege. Im Übrigen operieren die Linken im Blick auf die kirchliche Lehrautorität strukturidentisch: Alles wird als bloßer Ausdruck des Willens zur Macht von männlichen Klerikern deklariert, und wenn diese Kleriker sich unterwürfig verhalten, gilt auch das nur als ein verschlagenes Täuschungsmanöver desselben Machtwillens. Der französische Philosoph Jean-Claude Michéa hat das ironisch ein „anwenderfreundliches Verfahren“ genannt. Denn derjenige, der alles nur als Machtsetzung begreift, hat immer Recht. Es gibt keine Widerlegungsmöglichkeit, denn auch der Widerlegungsversuch wird wiederum als Ausdruck des Machthungers gedeutet.
Aus der Zirkularität folgt allerdings nicht zwingend, dass die Behauptung in der Sache auch falsch sei. Sie ist nur nicht beweisbar und bleibt mit einem spekulativen Index versehen. Das trifft auch auf die Erklärung der Handlungen Bergoglios durch deren Rückführung auf den Peronismus zu, der als eine skrupel- und prinzipienlose Weise des Machterwerbs und Machterhaltes um der bloßen Macht willen verstanden wird. Das deutsche Äquivalent wäre der Merkelianismus. In diesem Koordinatensystem könnte Franziskus sich auf jede mögliche Weise verhalten, und es wäre immer als ein Ausdruck des Peronismus interpretierbar. Kann sein, kann auch nicht sein. Es ist ebenso unwiderlegbar wie unbeweisbar.
Aus diesem Grund plädiere ich dafür, einen anderen Ansatz zur Phänomenerhellung zu wählen. Dazu muß man zunächst auf das schauen, was Franziskus sagt, und man muß schauen, ob er das nur beiläufig sagt oder ob sich diese Aussagen wiederholen, also eine Reihe bilden. Außerdem muß man analysieren, wie diese Aussagen im Konzert der sonstigen Aussagen verortbar sind. Und wenn sich diese Aussagen wiederholen und im Gefüge der anderen Artikulationen eine prominente Rolle besitzen sollten, muß man schauen, ob es zwischen diesen Aussagen und den politischen Handlungen demonstrierbare Korrelationen gibt. Zwar lässt es sich nicht apriori ausschließen, dass es mehrere prominente Aussagereihen gibt, die sich zueinander widersprüchlich verhalten. Erfahrungsgemäß kommt dies aber selten vor, denn das setzt einen erheblichen intellektuellen oder psychiatrischen Defekt voraus. Und wenn man so eine prominente Aussagereihe identifiziert haben sollte, die den Gesamtzusammenhang bestimmt, hätte man den hermeneutischen Schlüssel gefunden, mit dem sich auch möglicherweise existierende Seitenstränge als solche erkennen ließen. Diese Seitenstränge könnten sich zum Hauptmotiv sachkompatibel oder gar korrelativ verhalten oder vielleicht durch politisches Kalkül, mangelnden Scharfsinn, Demenz oder Charakterschwächen erklären lassen.
Nun denke ich, dass man im aktuellen Pontifikat ein solches Hauptmotiv identifizieren kann. Es ist die von mir geschilderte „universale natürliche Brüderlichkeit jenseits sekundärer religiöser Traditionen“. Dieses Motiv bildet nichts Geringeres als das Projekt, den katholischen Glauben präzise seiner Definitionsmitte zu berauben. Denn es betreibt den Rückbau der Theologie der neuen, übernatürlichen Schöpfung und der Kirche als mystischer Leib Christi in eine spezifisch bestimmte schöpfungstheologische Idee. Um diesen Vorgang zu verdeutlichen, versuche ich zunächst, den authentischen Gehalt des christlichen Glaubens zu beschreiben, um sodann das Grundmotiv der gegen ihn entstandenen Widerstandsbewegung zu umreißen, aus der auch der „schurkische Jesuit aus Buenos Aires“ hervorgegangen ist.
Fortsetzung: Ist Jorge Bergoglio ein Stratege (II)
Bild: Youtube/Das Video vom Papst
1 Caminante Wanderer: La profundidad del abismo I: Bergoglio, el tradicionalista radical, 10. Juni 2024.
2 Caminante Wanderer: El retrato del cardenal Tucho Fernández. 26. Juni 2024.
Es wird von einer „vulgären und bösartigen Kreatur“ Kreatur gesprochen. Das zeigt, welche Brisanz im Oberhaupt der Christenheit liegt. Auch ist der Ansatz da, daß Bergoglio nicht Urheber, sondern Vertreter der Ideologie ist, die die Kirche der erste Teil von Sodom und Gomorra sein läßt. Es ist aber nicht „Herr der Ringe“ von Tolkien, sondern „Die heilige Schrift“ von Gott. Mir gefällt die Definition „universale natürliche Brüderlichkeit jenseits sekundärer religiöser Traditionen“ sehr. Man könnte sie noch um „in der Sünde“ oder „in der Sünde vereint“ erweitern. Also „universale natürliche Brüderlichkeit jenseits sekundärer religiöser Traditionen in der Sünde“.
Woher kommen dann die stilistischen Höhenflüge in den Reden und Schriften des Pontifex? Wie kann „vulgär“ auch filigran und scharfsinnig sein, ohne Körperhaltung und Gesichtsausdruck zu ändern? Es gibt einen hochintellektuellen Ghostwriter. Dieser war anscheinend schon bei der verlorenen Wahl 2005 im Hintergrund tätig. Gibt es doch diese Anekdote, von Bergoglio selbst erzählt. Direkt nach Ende des Konklave 2005 traf sich Bergoglio mit einem jungen Theologen aus Argentinien zum Essen, der niemand anderes sein kann als der Ghostwriter. Es gibt demnach einen doppelten Bergoglio. Der Machtmensch und der Ghostwriter. Der Ghostwriter kann schlicht als Urheber der Bergoglianischen Ideologie angesehen werden. Warum? Die biblische und außerbiblische Offenbarung sagt es uns. Sogar die Eröffnungszeremonie der Olympiade in Paris sagt es uns. Alles, was bisher passiert ist, wird dort symbolisch dargestellt. Mit dem Hauptaspekt, Christus trohnt unantastbar über der Situation. Olympia 2024 war eine zeremonielle Darstellung der Offenbarung des Johannes.
Vigilus schreibt aber folgendes: „Denn die in ihm konzentriert aufscheinende und durch ihn nochmals verstärkte theologische Herausforderung wird uns auch über seinen Tod hinaus erhalten bleiben.“ Nein, das wird sie nicht. Die Rückkehr des Wortes Gottes wird die Personen und die theologische Herausforderung gleichzeitig an einem einzigen Tag beenden.
„Alle sollen eins sein“, sagt Jesus – und dieser Auftrag an alle, die Ihm nachfolgen, bekommt in unserer Zeit eine ganz besondere Bedeutung. Viele Kritiker von Papst Franziskus erwähnen nicht, welche große Herausforderungen dieser Papst ‚geerbt‘ hat und wieviel Kraft und Mut es gebraucht hat, diese Herausforderungen anzugehen. Ich habe persönlich so viel Gutes, Starkes, Barmherziges unter diesem Ponitifikat gesehen, dass ich zur Überzeugung gekommen bin, dass Papst Franziskus genau der richtige Papst für unsere Zeit ist. Es freut mich besonders, wie genau dieser Papst auf JESUS als das Zentrum, Ziel und Ursprung unserer Kirche hinweist – und so auch millionenfach Freunde in anderen christlichen Kirchen gefunden hat. „Worte ewigen Lebens“ kommen doch eben nur von Ihm, dem HERRN. Verwenden wir die wenige Zeit, die wir haben, um mit ermutigenden Worten daran zu arbeiten, dass Alle Eins werden. Der Nachfolger Petri verdient Unterstützung, so wie wir den heiligen Papst Johannes Paul II. und Benedikt XVI. unterstützt haben.
Stefan Liechtenstein
Das ist das Dilemma der Endzeit. Es werden alle in die Irre geführt von den Akteuren in Rom.
Ihr Ansatz führt grundsätzlich zum Heil, weil sie auf Jesus vertrauen. Es ist auch richtig, in allen das Gute zu sehen. Da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Nur baut dieser Papst in seine Botschaft gezielt Dinge ein, die bei normalen Christen dazu führen sollen, vom Glauben abzufallen.
Ich denke, es wird noch andere Antworten zu ihrem Kommentar geben.