Papst Franziskus: „In ganz Europa sieht man einen Trend nach rechts“

"Und auch in der Kirche gibt es das Problem"


Papst Franziskus sprach bei einer Begegnung mit römischen Priestern frei von der Leber: über die EU-Wahlen, den Klerikalismus, Homosexuelle und Traditionalisten
Papst Franziskus sprach bei einer Begegnung mit römischen Priestern frei von der Leber: über die EU-Wahlen, den Klerikalismus, Homosexuelle und Traditionalisten

(Rom) Fran­zis­kus sprach hin­ter ver­schlos­se­nen Türen erneut über „Schwuch­teln“, „Schwuch­te­lei­en“ und eine „Homo-Kul­tur im Vati­kan“, schimpf­te aber auch über Kle­ri­ka­lis­mus und Traditionalisten.

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Das vati­ka­ni­sche Pres­se­amt hat­te das Tref­fen von Fran­zis­kus mit dem römi­schen Kle­rus für gestern nach­mit­tag ange­kün­digt. Die zwei­stün­di­ge Begeg­nung im Fest­saal der Päpst­li­chen Uni­ver­si­tät der Sale­sia­ner mit den Prie­stern sei­ner Diö­ze­se, die zwi­schen 1985 und 2013, also vor­ber­go­glia­nisch, geweiht wur­den, fand unter Aus­schluß der Öffent­lich­keit statt.

Anschlie­ßend berich­te­ten die Diö­ze­se Rom und die ita­lie­ni­sche Pres­se­agen­tur ANSA dar­über, letz­te­re in einem zwei­ten Moment sogar mit einem deut­lich aus­führ­li­che­ren Arti­kel auf spa­nisch. Es berich­te­te aber auch der von römi­schen Prie­stern betrie­be­ne Blog Sile­re non pos­sum und lie­fer­ten die inter­es­san­te­sten Details.

Die Klerikalismus-Keule

Nur 130 der ein­ge­la­de­nen Prie­ster waren erschie­nen, „aus gutem Grund“, wie die römi­schen Prie­ster­blog­ger mei­nen, denn Fran­zis­kus habe sei­ne Aus­füh­run­gen gleich mit einer ver­leum­de­ri­schen Aus­sa­ge gegen einen Kuri­en­mit­ar­bei­ter begon­nen. „Wir fra­gen uns wie­der ein­mal, was für Kind­heits­trau­ma­ta die­ser Mann erlit­ten haben muß“, so Sile­re non pos­sum.

An die­ser Stel­le sol­len die inner­diö­ze­sa­nen Pole­mi­ken jedoch über­sprun­gen wer­den. Tat­säch­lich, und das ist von all­ge­mei­nem Inter­es­se, schwang Fran­zis­kus mit gro­ßem Eifer die Kle­ri­ka­lis­mus-Keu­le und über­häuf­te sei­ne Prie­ster mit Beschimp­fun­gen aller Art. Daß dies von vie­len als wenig erbau­lich emp­fun­den wird, wes­halb sie lie­ber zu Hau­se blei­ben, erscheint nachvollziehbar.

Papst Fran­zis­kus traf sich am 11. Juni mit den Wei­he­jahr­gän­gen 1985 bis 2013 unter den Prie­stern der Diö­ze­se Rom

Ein Pfar­rer und ehe­ma­li­ger Mis­sio­nar äußer­te in die­sem wenig ange­neh­men Kli­ma eine Bit­te an Franziskus: 

„Ich wür­de mich freu­en, wenn Sie mehr über die Schön­heit des Prie­ster­seins spre­chen wür­den. Wir sind Prie­ster, die den Herrn lie­ben. Ich den­ke, den Prie­stern Roms, die ihr Leben für den Herrn geben, soll­te ein gro­ßes Dan­ke­schön aus­ge­spro­chen wer­den. Sagen wir jun­gen Men­schen auch, daß es schön ist, Prie­ster zu sein. Wie schön es ist, dem Herrn zu gehö­ren. Ab und zu ein posi­ti­ves Wort zu hören, wäre gut, denn selbst in die­sem Raum gibt es so viel Glau­ben, so viel Mühe und so viel Lie­be für den Herrn.“

Der Applaus für den Pfar­rer war deut­lich kräf­ti­ger und leben­di­ger als jener, mit dem Fran­zis­kus bei sei­ner Ankunft begrüßt wor­den war.

„In ganz Europa sieht man einen Trend nach rechts“

Fran­zis­kus schwank­te auch ins Poli­ti­sche. Er sei besorgt: 

„In ganz Euro­pa sieht man einen Trend nach rechts. Le Pen ist in Frank­reich in Füh­rung. Ich glau­be, daß wir im Rah­men der Sozi­al­leh­re der Kir­che arbei­ten müs­sen. Ver­ges­sen wir nicht, was er gesagt hat, ich weiß nicht, ob der hei­li­ge Paul VI. oder der hei­li­ge Johan­nes Paul II.: ‚Poli­tik ist die höch­ste Form der Nächstenliebe‘.“ 

Eine sol­che Aus­sa­ge könn­te auch als unver­hoh­le­ne Ankün­di­gung gele­sen wer­de, in den poli­ti­schen Kampf gegen „den Trend nach rechts“ ein­tre­ten zu wollen.

„Sie haben mich ein­ge­la­den, beim G7-Gip­fel über künst­li­che Intel­li­genz zu spre­chen, aber ich hät­te am lieb­sten gefragt: ‚Wie geht es Ihrer natür­li­chen Intel­li­genz?‘ Uns fehlt die Fähig­keit, an das Gemein­wohl zu denken.“ 

Die Fra­ge des Pap­stes ist berech­tigt, doch ist sie so gemeint? Oder ging es um einen ver­steck­ten Sei­ten­hieb auf Ita­li­ens natio­nal­kon­ser­va­ti­ve Mini­ster­prä­si­den­tin Gior­gia Melo­ni, die als Gast­ge­be­rin des G7-Gip­fels erst­mals einen Papst zu einem sol­chen Tref­fen ein­ge­la­den hatte?

Fran­zis­kus sag­te auch ein bemer­kens­wer­tes Wort, von dem man sich wün­schen wür­de, daß es öffent­lich und nicht hin­ter ver­schlos­se­nen Türen aus­ge­spro­chen wird. Er kri­ti­sier­te, wie der­zeit inve­stiert wird:

„In Waf­fen­fa­bri­ken und in Ver­hü­tungs­mit­tel: Leben töten und Leben ver­hin­dern. Es ist merkwürdig.“

In der Tat ist es merkwürdig. 

Gesundheit und vulgäre Ausdrücke

Zugleich zeig­te sich bei der gest­ri­gen Begeg­nung, daß die gesund­heit­li­chen Pro­ble­me des Pap­stes immer offen­sicht­li­cher wer­den. Sile­re non pos­sum schrieb dazu:

„Auch hör­tech­nisch wird es immer schwie­ri­ger. Die Prie­ster muß­ten die Fra­gen oft wie­der­ho­len, indem sie ihre Stim­me erho­ben. Manch­mal möch­te er nicht ant­wor­ten, aber manch­mal ver­gißt er es. ‚Jemand wird mir sagen, ich soll zur Höl­le fah­ren“, sag­te der Papst, als er dar­auf hin­ge­wie­sen wur­de, daß er nicht alle Fra­gen beant­wor­tet habe. Ein Aus­druck, den er auch gegen­über Gefan­ge­nen in Vero­na ver­wen­de­te und der noch ein­mal ver­deut­licht, daß es die­sem Mann nicht gut tut, in San­ta Mar­ta zu sein.“

Zudem man­gel­te es erneut nicht „an vul­gä­ren Aus­drücken“, die nicht wie­der­hol­bar sind. Die Prie­ster von Sile­re non pos­sum wol­len dar­in eine Alters­er­schei­nung sehen. Fran­zis­kus kön­ne sich alters­be­dingt nicht zurück­hal­ten und müs­se immer sagen, was er gera­de denke.

Der „Hauch von Schwuchtelei“

Am Ende kam das The­ma auf Beru­fun­gen und die Prie­ster­se­mi­na­re. Laut über­ein­stim­men­den Berich­ten sag­te Fran­zis­kus, daß „homo­se­xu­el­le Jungs gut sind“, aber es „bes­ser“ sei, sie von den Prie­ster­se­mi­na­ren fern­zu­hal­ten. Wört­lich sag­te Franziskus:

„Was ich zu die­sem The­ma gesagt habe: Wenn ein Jun­ge ins Prie­ster­se­mi­nar gehen will und eine homo­se­xu­el­le Nei­gung hat, dann stop­pen Sie ihn! Das hat das Dik­aste­ri­um für den Kle­rus gesagt und ich unter­stüt­ze es. Denn heu­te hat sich die homo­se­xu­el­le Kul­tur stark aus­ge­brei­tet und es gibt gute Jungs, die den Herrn wol­len, doch bes­ser nicht, bes­ser nicht. Ein Mon­si­gno­re, der im Vati­kan arbei­tet, sag­te mir ein­mal: ‚Eure Hei­lig­keit, ich möch­te eines sagen: Ich mache mir Sor­gen um die schwu­le Kul­tur hier.‘ Ich sag­te ja, da ist ein Hauch von Schwuch­tel­ei. Es stimmt, das gibt es im Vati­kan. Aber hören Sie, Mon­si­gno­re, heu­te ist das für unse­re Kul­tur ja eine Aus­zeich­nung. Sei­en wir vor­sich­tig, daß wir Men­schen mit homo­se­xu­el­len Nei­gun­gen nicht ver­ach­ten, son­dern sie beglei­ten. Es gibt vie­le gute Leu­te. Beglei­ten wir sie, hel­fen wir ihnen, schicken wir sie zum Psy­cho­lo­gen. Aber, bit­te, sei­en Sie vor­sich­tig, sie ins Semi­nar aufzunehmen.“

„Das Problem der Ideologien von rechts“

Und schließ­lich fehl­te auch bei der gest­ri­gen Begeg­nung nicht ein Sei­ten­hieb gegen die Tra­di­ti­on. Wäh­rend Fran­zis­kus im Zusam­men­hang mit den „homo­se­xu­el­len Jungs“ zwei­mal beton­te, daß es unten ihnen „gute Jungs“, „gute Leu­te“ gibt, erklär­te er unum­wun­den, daß die Tra­di­tio­na­li­sten „nicht gut“ sei­en. Laut der offi­zi­el­len Erklä­rung der Diö­ze­se Rom, deren Inter­net­sei­te gera­de nicht erreich­bar ist, warn­te Fran­zis­kus vor „Ideo­lo­gien in der Kir­che“. Fran­zis­kus war jedoch wesent­lich deut­li­cher, indem er sag­te, heu­te gebe es in der Kir­che „das Pro­blem der Ideo­lo­gien von rechts“. Er habe in vier Diö­ze­sen inter­ve­nie­ren müs­sen: „Es gibt Jungs, die sich an Ideen klam­mern, weil sie ein inne­res Pro­blem haben“, so Fran­zis­kus abschätzig.

Auf jeden Hin­weis nach einem Wunsch jun­ger Men­schen nach der Tra­di­ti­on gibt Fran­zis­kus eine ste­reo­ty­pe ste­ri­le Ant­wort, in dem er die­sen Wunsch zu einem patho­lo­gi­schen Pro­blem erklärt. Die­se The­se äußer­te er in den ver­gan­ge­nen Jah­ren mehr­fach. Die Grün­de, die Fran­zis­kus zu einem so nega­ti­ven Urteil über die Tra­di­ti­on ver­an­las­sen, sind bis heu­te nicht ent­rät­selt. Msgr. Jan Graub­ner, damals Erz­bi­schof von Olmütz, heu­te von Prag, berich­te­te im Febru­ar 2014 von der ersten Begeg­nung mit Papst Fran­zis­kus im Rah­men eines Ad-limi­na-Besuchs der tsche­chi­schen Bischö­fe in Rom. Fran­zis­kus sag­te zu den Bischö­fen, „daß er ver­steht, wenn die alte Gene­ra­ti­on zurück­kehrt zu dem, was sie erlebt hat, aber er kann nicht die jün­ge­ren Gene­ra­tio­nen ver­ste­hen, die zurück­keh­ren wol­len“. Die­ses Nicht-Ver­ste­hen, das nach einer Erklä­rung ver­langt, löst Fran­zis­kus offen­sicht­lich, indem er die­sen Wunsch jun­ger Men­schen zur Patho­lo­gie erklärt. Ein Ver­such, die­sen Wunsch ver­ste­hen zu wol­len, wur­de vom Papst indes noch nicht unter­nom­men. Wäh­rend er jede Woche Foto­ter­mi­ne für Homo­se­xu­el­le anbie­tet, hält er Ver­tre­ter der Tra­di­ti­on von sich fern. Das scheint mit sei­nem Rechts-links-Sche­ma zu tun zu haben, denn glei­ches prak­ti­ziert er auf poli­ti­scher Ebe­ne: Wäh­rend er sich mit freu­di­gem Lächeln von lin­ken Poli­ti­kern umge­ben läßt, behan­delt er rech­te Poli­ti­ker wie Parias.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Sile­re non pos­sum (Screen­shot)

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