Einschüchterung im Vatikan?

Büros der Dombauhütte durchsucht.


Die vatikanische Gendarmerie durchsuchte in den vergangenen Tagen die Büros der Dombauhütte von St. Peter. Die Mitarbeiter dort sprechen von "Repression", um Kritik zu unterdrücken
Die vatikanische Gendarmerie durchsuchte in den vergangenen Tagen die Büros der Dombauhütte von St. Peter. Die Mitarbeiter dort sprechen von "Repression", um Kritik zu unterdrücken

In Rom hängt der Segen schief, und das nicht nur dort, wo es vie­le ohne­hin ver­mu­ten wür­den, son­dern im Peters­dom. Es geht auch nicht um dog­ma­ti­sche Neue­run­gen, son­dern um den Füh­rungs­stil und Klün­gel. Unter den Mit­ar­bei­tern, die im Peters­dom oder in der Dom­bau­hüt­te von St. Peter Dienst tun, herrscht erheb­li­cher Unmut. Grund dafür sind jüng­ste Maß­nah­men des Erz­prie­sters von St. Peter, die als „Repres­si­on“ kri­ti­siert wer­den. „Seit 2013 ist Wider­spruch inner­halb der hei­li­gen Leo­ni­ni­schen Mau­ern etwas, das mit allen Mit­teln zu unter­drücken ist. Es wur­de ein regel­rech­ter Poli­zei­staat errich­tet“, so der römi­sche Prie­ster­blog Sile­re non pos­sum.

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Damit ist nicht nur Papst Fran­zis­kus gemeint, den der bri­ti­sche Histo­ri­ker und Mal­te­ser­rit­ter Hen­ry Sire Ende 2017 mit dem gleich­na­mi­gen Buch einen „Dik­ta­tor­papst“ nann­te. Gemeint ist auch des­sen Umfeld, also jene, die einem Kreis päpst­li­cher Aus­er­wähl­ter angehören. 

Der römi­sche Prie­ster­blog Sile­re non pos­sum beklagt seit meh­re­ren Jah­ren eine „unmo­ra­li­sche Vet­tern­wirt­schaft“, die sich unter Fran­zis­kus auf alle Ebe­nen des klei­nen Kir­chen­staa­tes aus­ge­brei­tet habe, ins­be­son­de­re im Peters­dom und in der Dom­bau­hüt­te. Ursa­che dafür, so der Blog, sei die 2021 erfolg­te Ernen­nung des Mino­ri­ten­pa­ters Mau­ro Gam­bet­ti zum Erz­prie­ster von St. Peter und Vor­sit­zen­den der Dom­bau­hüt­te. Gam­bet­ti wur­de von Fran­zis­kus auch zum Kar­di­nal kre­iert. Unter ihm „ist es zu schwer­wie­gend­sten Ver­let­zun­gen der Sicher­heits- und Trans­pa­renz­be­stim­mun­gen“ gekom­men. Die Ver­wal­tung der Kir­che, in denen die sterb­li­chen Über­re­ste des Apo­stel­für­sten Petrus auf­be­wahrt wer­den, ähn­le „mehr einem Unter­neh­men als einem Heiligtum“.

Ver­gan­ge­ne Woche haben sich meh­re­re Ange­stell­te in einem Schrei­ben an Kar­di­nal Fer­nan­do Vérgez Alz­a­ga LC, den Prä­si­den­ten des Gover­na­torats, also den Regie­rungs­chef, des Staa­tes der Vati­kan­stadt gewandt. In dem Schrei­ben beklag­ten sie die feh­len­de Ein­hal­tung von Gesund­heits- und Sicher­heits­be­stim­mun­gen am Arbeitsplatz.

Als Kar­di­nal Gam­bet­ti davon Kennt­nis erhielt, „wur­de er fuchs­teu­fels­wild“. War­um aber? Die betrof­fe­nen Mit­ar­bei­ter im Peters­dom und in der Dom­bau­hüt­te berich­ten, daß der Erz­prie­ster, der wenig Zeit für das Chor­ge­bet zu haben scheint, mit Nach­druck nach der „undich­ten Stel­le“ suche, durch die nega­ti­ve Mel­dun­gen nach außen drin­gen. Es sei eine Suche nach „Schul­di­gen“ im Gan­ge. Soll­te er sich aber nicht viel­mehr dar­um bemü­hen, even­tu­el­le Miß­stän­de zu beseitigen?

Kar­di­nal Gam­bet­ti scheint sich dabei nicht bewußt zu sein, daß es „vie­le Prie­ster gibt, auch unter den sei­nen, die inzwi­schen sei­ne Vor­ge­hens­wei­se nicht mehr ertra­gen“, so Sile­re non pos­sum. Gam­bet­ti sei nicht der ein­zi­ge, gehö­re aber zu jenen, die Geset­ze und Bestim­mun­gen, die im Kir­chen­staat gel­ten, ent­we­der nicht ken­nen oder ein­fach igno­rie­ren. Statt­des­sen sei er dar­auf spe­zia­li­siert, „Freun­de und Freund­chen“ ein­zu­stel­len und auf stra­te­gi­sche Posten zu set­zen – und das mit Gehäl­tern, daß den ande­ren Mit­ar­bei­tern nur so schwin­delt. „Wahr­schein­lich war er über­zeugt, er kön­ne hier alles im Ver­bor­ge­nen machen, wie er es schon in Assi­si getan hat­te“, so der römi­sche Priesterblog.

Gam­bet­ti war vor sei­ner Beru­fung nach Rom Kustos des Hei­li­gen Kon­vents von Assi­si, des Mut­ter­klo­sters des Mino­ri­ten­or­dens, in dem sich das Grab des hei­li­gen Franz von Assi­si befin­det. Dort gilt es als offe­nes Geheim­nis, daß sei­ne Ordens­mit­brü­der die Beru­fung nach Rom nach Kräf­ten för­der­ten, um den Kustos auf die­se Wei­se „ele­gant“ los­zu­wer­den. Damit taten sie sich Gutes, aber nicht Rom, heißt es in der Ewi­gen Stadt.

Zum Wochen­en­de hin kam es zum jüng­sten Pau­ken­schlag. Die vati­ka­ni­sche Gen­dar­me­rie drang in die Büros der Dom­bau­hüt­te ein und durch­such­te die­se. Ver­schie­de­nes Mate­ri­al wur­de beschlag­nahmt. Die sach­kun­di­gen Juri­sten spre­chen von „ille­ga­len Hand­lun­gen“, denn nichts der­glei­chen sei durch das gel­ten­de Recht gedeckt. Den Auf­trag an die Gen­dar­me­rie erteil­te Ales­san­dro Did­di, den Papst Fran­zis­kus im Janu­ar 2023 zum Pro­mo­tor Ius­ti­tiae im Kir­chen­staat ernann­te, was dem Staats­an­walt ent­spricht. Es ist all­ge­mein bekannt und beklagt, daß der Straf­rechts­pro­fes­sor Did­di mit Rechts­an­walts­kanz­lei in Rom, die auf Finanz­kri­mi­na­li­tät spe­zia­li­siert ist, bis zu sei­ner Ernen­nung auf kei­ner­lei fach­li­che Berüh­rung mit dem Kir­chen­recht oder gar dem Kano­ni­schen Recht ver­wei­sen konnte.

Gam­bet­ti aber hat­te schon vor Did­dis-Beru­fung in den Vati­kan Auf­trä­ge an des­sen Kanz­lei erteilt, so bei den Abmah­nun­gen gegen den Tou­ris­mus­ver­an­stal­ter Vox Mun­di, der seit 2007 offi­zi­el­ler Part­ner des Peters­doms für Füh­run­gen ist. Damals begab sich die vati­ka­ni­sche Gen­dar­me­rie sogar auf ita­lie­ni­sches Staats­ge­biet, um Aktio­nen durch­zu­füh­ren und Mate­ri­al zu beschlag­nah­men. Man braucht nur ele­men­ta­re Kennt­nis­se des Rechts, um die Ille­ga­li­tät sol­cher Aktio­nen zu erken­nen. Ita­li­en scheint sol­che durch kei­ne Abkom­men gedeck­ten Über­grif­fe seit eini­gen Jah­ren still­schwei­gend zu dul­den. Eine Ver­ur­tei­lung durch die Euro­päi­schen Gerichts­hö­fe, spä­te­stens durch den Euro­päi­schen Gerichts­hof für Men­schen­rech­te, scheint vor­pro­gram­miert zu sein.

Papst Fran­zis­kus wird zum Vor­wurf gemacht, gegen­über ein­fluß­rei­chen Krei­sen ein System der Cap­t­atio bene­vo­len­tiae anzu­wen­den. Das gel­te auch gegen­über Ita­li­en durch Gesten wie die in den ver­gan­ge­nen Tagen erfolg­te Ernen­nung eines neu­en Lei­ters der Abtei­lung Infra­struk­tur und Dien­ste des Gover­na­torats des Staa­tes der Vati­kan­stadt. Fran­zis­kus ernann­te für die­ses Amt, das bis­her von einem Prie­ster aus­ge­übt wur­de, einen Gene­ral der ita­lie­ni­schen Streitkräfte.

Ob legal oder nicht, der Zweck sei, so Sile­re non pos­sum, „ein­zu­schüch­tern und den Wider­spruch zu unter­drücken“. Es wer­de nicht ange­strebt, even­tu­el­le Miß­stän­de zu erken­nen und gemach­te Feh­ler zu kor­ri­gie­ren. Es sei­en Leu­te am Werk, die „in den Vati­kan kom­men, um das zu tun, was sie wol­len; daß die­ser Staat dem allei­ni­gen Inter­es­se der katho­li­schen Kir­che zu die­nen hat, inter­es­siert sie nicht“, so der römi­sche Prie­ster­blog. Und offen­bar läßt sie jemand gewähren.

Von den jüng­sten Aktio­nen der vati­ka­ni­schen Gen­dar­me­rie in den Büro­räu­men der Dom­bau­hüt­te gibt es Audio- und Video-Auf­nah­men, die der­zeit die Run­de machen. Das Bild, das dadurch ent­steht, ist nicht gera­de posi­tiv. In einem Inter­view, das Fran­zis­kus im Janu­ar 2023 der Nach­rich­ten­agen­tur Asso­cia­ted Press (AP) gab, sag­te das Kir­chen­ober­haupt: „Kri­tik kann so lästig sein wie ein Haut­aus­schlag, aber es gibt Mei­nungs­frei­heit, Kri­tik ist ein Men­schen­recht, und Bean­stan­dun­gen, die aller­dings ins Ange­sicht vor­ge­bracht wer­den soll­ten, kön­nen einem hel­fen zu wach­sen.“

Ein­schub: Im sel­ben Inter­view hat­te Fran­zis­kus auch die kryp­ti­sche Aus­sa­ge getä­tigt: „Homo­se­xua­li­tät ist eine Sün­de“, aber „homo­se­xu­ell zu sein, ist kein Ver­bre­chen, es ist eine Lebens­be­din­gung“. Fran­zis­kus ver­wen­de­te die spa­ni­sche For­mu­lie­rung „con­di­ción huma­na“, die sehr an die latei­ni­sche For­mel „con­di­tio huma­na“ erin­nert, die natur­ge­ge­be­ne „beson­de­re Wesens­merk­ma­le“ des Mensch­seins meint. Man möch­te mei­nen, ein Papst wür­de sich pri­mär um die Sün­de sor­gen, doch Fran­zis­kus scheint sich mehr um welt­li­che Geset­ze zu sor­gen, die Homo­se­xua­li­tät nicht benach­tei­li­gen dürf­ten. Sinn­ge­mäß sag­te Fran­zis­kus: Homo­se­xua­li­tät ist, ja, eine Sün­de, aber wich­ti­ger ist, daß es kein Ver­bre­chen ist, wes­halb staat­li­che Geset­ze, die Homo­se­xua­li­tät ein­schrän­ken, unge­recht seien.

Doch damit zurück zu den jüng­sten inner­va­ti­ka­ni­schen Ange­le­gen­hei­ten. Offen­bar besteht ein Unter­schied dar­in, ob irgend­wer Kri­tik übt oder ob dies Mit­ar­bei­ter des Vati­kans tun. Wer die Aus­sa­ge von Fran­zis­kus, daß Kri­tik erlaubt sei, ernst nimmt und sol­che wagt, sichert sich jeden­falls eine Fahr­kar­te in die ent­le­gen­ste Nun­tia­tur auf die­ser Erde, so Sile­re non pos­sum.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: vati​can​sta​te​.va (Screen­shot)

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