![Am Dienstag beklagte Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin das "Gemetzel" Israels im Gaza-Streifen, das er als "unverhältnismäßig" kritisierte. Italiens Regierung pflichtete ihm bei. (Im Bild v. l. Kardinal Parolin, Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und Außenminister Antonio Tajani) Am Dienstag beklagte Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin das "Gemetzel" Israels im Gaza-Streifen, das er als "unverhältnismäßig" kritisierte. Italiens Regierung pflichtete ihm bei. (Im Bild v. l. Kardinal Parolin, Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und Außenminister Antonio Tajani)](https://katholisches.info/tawato/uploads/2024/02/Israel-Gazastreifen-Palaestinenser-Parolin-Italien.jpg)
(Rom) Die Äußerungen des vatikanischen Kardinalstaatssekretärs erfolgten nach dem Treffen mit Italiens Staatsführung am 13. Februar anläßlich der Unterzeichnung der Lateranverträge vor 95 Jahren und der geltenden Änderung des Konkordats vor 40 Jahren.
Am Ende des Treffens im Palazzo Borromeo in Rom, an dem Staatspräsident Sergio Mattarella, Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, Außenminister Antonio Tajani und weitere Staatsvertreter teilnahmen, beantwortete der Kardinal die Fragen der Journalisten und zählte die Themen auf, die während des langen Gesprächs hinter verschlossenen Türen besprochen wurden, insbesondere die Themen, die mit den aktuellen italienischen Angelegenheiten zu tun haben, wie das Lebensende, die Familienpolitik, das Heilige Jahr 2025, aber auch die Konflikte, die die Welt heimsuchen. Der Kardinalstaatssekretär sagte:
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„Mit dem Präsidenten der Republik und auch mit dem Außenminister haben wir alle Krisenszenarien analysiert, die derzeit die Welt erschüttern, und es gibt eine Übereinstimmung in den Sorgen Italiens und des Heiligen Stuhls. Es ist viel schwieriger, Lösungen für diese Probleme zu finden, aber wir versuchen, einen Beitrag zu leisten, der positiv sein und Wege zum Frieden öffnen kann.“
Italiens Außenminister Tajani sprach von einer unverhältnismäßigen israelischen Reaktion im Gaza-Streifen. Italien schloß sich also der Einschätzung des Kardinalstaatssekretärs an, der bereits von einer „generellen Stimme“ gesprochen hatte:
„Wir können so nicht weitermachen. Wir müssen andere Wege finden, um das Gaza-Problem, die Palästinenser-Frage, zu lösen“, so der vatikanische Staatssekretär.
„Der Heilige Stuhl hat von Anfang an deutlich gemacht: einerseits eine klare und vorbehaltlose Verurteilung der Ereignisse vom 7. Oktober und, ich wiederhole es hier, eine klare und vorbehaltlose Verurteilung aller Arten von Antisemitismus. Gleichzeitig fordere ich jedoch, daß das Verteidigungsrecht Israels, auf das man sich zur Rechtfertigung dieser Operation beruft, verhältnismäßig sein muß, was bei mehr als 30 000 Toten sicherlich nicht der Fall ist.“
Laut UNOCHA (United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs) hat Israel durch den Hamas-Angriff vom 7. Oktober 2023 1.200 Tote und 5.431 Verletzte zu beklagen. Durch die israelische Militäroperation Iron Swords haben die Palästinenser inzwischen fast 30.000 Tote und mehr als 70.000 Verletzte zu beklagen. Die Verluste der israelischen Streitkräfte belaufen sich aktuell auf 225 Tote und 1.312 Verwundete (Stand 12.02.2024).
Eine Lösung des Konflikts scheine vorerst in weiter Ferne zu liegen, so Parolin, aber „wir dürfen die Hoffnung nicht verlieren. Der heilige Augustinus sagte, daß die Hoffnung in der Empörung und im Mut liegt.“
„Ich glaube, wir sind alle empört über das, was geschieht, über dieses Gemetzel, aber wir müssen den Mut haben, weiterzumachen und nicht die Hoffnung zu verlieren, denn wenn wir die Hoffnung verlieren, lassen wir die Arme hängen. Im Gegenteil, wir müssen bis zum Ende kämpfen und versuchen, unseren Beitrag zu leisten, unseren Beitrag, wann immer es möglich ist.“
Die israelische Botschafter beim Heiligen Stuhl legte gestern Protest ein und bezeichnete die Äußerung von Kardinalstaatssekretär Parolin als „beklagenswert“.
„Die Rechtmäßigkeit eines Krieges zu beurteilen, ohne allen Umständen und relevanten Daten Rechnung zu tragen, führt unvermeidlich zu falschen Schlußfolgerungen.“
Der israelische Botschafter wirft dem Kardinalstaatssekretär indirekt vor, kein „objektiver Beobachter“ zu sein, da er nicht zum Schluß gelangt, daß „die Verantwortung für Tod und Zerstörung in Gaza Hamas und nur Hamas trägt“, wie es in der Erklärung der israelischen Botschaft heißt.
Während der Botschafter den Hamas-Angriff auf Israel mit 1.200 Toten ein „Genozid-Massaker“ nennt, bezeichnet er die Tötung von 30.000 Palästinensern als „Recht auf Selbstverteidigung“. Das Alte Testament kennt das vom Christentum abgelehnte Prinzip: „Auge um Auge, Zahn um Zahn“. Das Verhältnis der Toten liegt jedoch bereits bei 1:20.
In seiner Protesterklärung enthüllte Israels Botschafter interessante Details. Er rechtfertigte das israelische Vorgehen mit dem Hinweis, daß laut Israel vorliegenden Zahlen auf jeden getöteten Hamas-Kämpfer „nur“ drei getötete palästinensische Zivilisten kämen.
„Alle zivilen Opfer sind zu beklagen, aber in den vergangenen Kriegen und Operationen der NATO oder der westlichen Streitkräfte in Syrien, im Irak oder in Afghanistan, war das Verhältnis 9 oder 10 Zivilisten für jeden Terroristen.“
Ein solches Massaker von NATO-Truppen und westlichen Allianzen wird der westlichen Öffentlichkeit verschwiegen. Zudem gibt Israel selbst zu, bisher mindestens 22.500 Zivilisten getötet und 45.000 Zivilisten verletzt zu haben. Das sei, so der Botschafter, „im vollen Respekt des internationalen Rechts“ geschehen.
Zugleich betonte der israelische Botschafter, daß berücksichtigt werden müsse, daß Hamas den Gaza-Streifen „in die größte jemals gesehene Terrorbasis verwandelt“ habe. „Es gibt fast keine zivile Infrastruktur, die nicht von Hamas für ihre kriminellen Pläne verwendet wurde, einschließlich Krankenhäuser, Schulen, Gebetsstätten und viele andere mehr.“
Damit erklärte der israelische Botschafter im Namen seines Landes, ohne dies ausdrücklich zu sagen, aber faktisch, daß der Gazastreifen ausgelöscht werden müsse, da er eine einzige „große Terrorbasis“ ist. Die Rede ist von einem Gebiet mit zwei Millionen Menschen. Dabei scheint im Verhältnis zwischen Hamas und israelischen Geheimdiensten noch einiges einer Klärung zu bedürfen. Das Auslöschen des Gazastreifens käme jedenfalls tatsächlich einem Genozid gleich.
Vor diesem Hintergrund bezeichnete Kardinalsstaatssekretär Parolin das israelische Vorgehen als „Gemetzel“, das „unverhältnismäßig“ sei.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL//X (Twitter) (Screenshots)