Von einer Katholikin
Als ich am 7. Oktober von der Morgenmesse zurückkam, trafen mich die Nachrichten aus Israel mit aller Wucht. Ich dachte an die Menschen, die mir auf unserer ersten Reise ins Heilige Land begegnet waren. Ich sah den alten freundlichen Juden vor mir, in dessen Frühstückspension in Akko wir übernachteten, ich sah das sturmgepeitschte Meer im Unwetter und ich sah das unaufgeräumte Küchenregal, an dessen Ende neben einem Glasväschen in rührender Unschuld ein kleines Glaskreuz stand, von dem der Gekreuzigte mich anschaute.
Am nächsten Tag in Tabgha legte sich der Sturm: „Schweig, sei still! Und der Wind legte sich und es trat völlige Stille ein. Er sagte zu ihnen: Warum habt ihr solche Angst? Habt ihr noch keinen Glauben?“
Schilf, Steine, dann der See. Die Luft war warm und noch sehr feucht. Einfach nur schauen. Sein, wo Er war. Sehen, was Er sah.
Die Nachrichten von den Greueltaten der Hamas gegen die Juden holten mich brutal zurück aus meinen Erinnerungen. Ich ertrug es kaum. Ich kam gerade aus der Messe zum Rosenkranzfest und griff nach dem Rosenkranz in meiner Tasche. Ich brauchte ihn.
Inzwischen ist es Advent. Damals, in Nazareth, war mein Blick schon hinüber nach Bethlehem und von der Krippe zu Kreuz und Auferstehung in der Heiligen Stadt gegangen. Unsere Wege werden vorerst nicht dorthin führen können.
Doch Bethlehem ist überall.
Wenn wir in der Adventszeit frühmorgens noch zur halben Nacht ins Dunkel hinaustreten und zur Kirche gehen, um die Roratemessen zu besuchen, erwarten wir dort im Kerzenschein den Herrn gleichwie den hellen Tag. Und in der überlieferten Liturgie hören wir in der Votivmesse zu Ehren der allerseligsten Jungfrau und Gottesgebärerin Maria das Evangelium von der Verkündigung durch den Erzengel Gabriel und gehen mit Maria ihren adventlichen Weg bis zur Geburt ihres heiligen Sohnes, unseres Erlösers, in Bethlehem.
Ego enim sum Dominus Deus tuus, Sanctus Israël, Redemptor tuus. Denn ich bin dein Herr, dein Gott, der Heilige Israels, dein Erlöser.
So lauten die letzten Zeilen beim Rorate caeli.
Die Greuel des Terrors und unzähliger Kriege weltweit dürfen uns nicht entmutigen und davon abhalten, der Ankunft unseres Erlösers voll inbrünstiger Sehnsucht zu harren.
Warum habt ihr solche Angst? Habt ihr noch keinen Glauben?
Wir schauen nach Bethlehem. Abt Nikodemus Schnabel OSB von der Jerusalemer Dormitio-Abtei betont, daß die Menschen dort unsere Solidarität brauchten, „gerade an ‚ihrem‘ Fest, an Weihnachten“. Er begreife immer noch nicht wirklich das unfaßbare Ausmaß der Ereignisse vom 7. Oktober und dessen, was gerade in Gaza geschehe, aber er könne „die Namen der Menschen beider Seiten in die Krippe des neugeborenen Friedensfürsten legen und sie ihm anvertrauen“.
Auch in diesem Jahr sammeln die Mönche die Namen von Menschen auf einer großen Rolle, tragen sie unter Gebet nach der Christmette zehn Kilometer zu Fuß am frühen Morgen des 25. Dezember von Jerusalem nach Bethlehem in die Geburtsgrotte, legen sie auf den Geburtsstern und beten die Laudes im fürbittenden Gebet für die Anliegen dieser Menschen.
Auch in diesem Jahr kommt das Licht aus Bethlehem trotz des Krieges in Gaza zu uns und brennt in den Kirchen. Wir wollen daran unsere Kerzen entzünden und es sorgsam nach Hause tragen, auf daß es nicht erlösche, so wie wir auch in unseren Herzen die Weihnachtsbotschaft strahlen lassen wollen, damit sie nicht nur uns leuchte. Wir haben es warm zu Hause und feiern die Geburt unseres Erlösers Jesu Christi, der mitten in der kalten Nacht in einem Stall geboren wurde und es nicht warm hatte als Mensch in unserer Welt, doch als Gott brachte dieses kleine neugeborene Kindlein alle Wärme Seines brennenden Herzens zu uns und alles Licht, das wir in diesem Leben brauchen, damit wir das ewige erlangen.
Wie sehr brauchen wir Ihn gerade jetzt, brauchen wir den Blick auf dieses Licht von Bethlehem, auf die Hoffnung, die uns im auferstandenen Herrn und Erlöser geschenkt wurde! Wenn wir im Advent Sein Kommen erflehen, wissen wir, daß Er unser Dunkel erleuchtet, und wir haben keine Angst. Wir glauben.
Bild: MiL