Von Roberto de Mattei*
Die Erklärung Fiducia supplicans über die pastorale Bedeutung von Segnungen, die am 18. Dezember 2023 vom Dikasterium für die Glaubenslehre veröffentlicht wurde, markiert einen der Tiefpunkte des Pontifikats von Papst Franziskus. Dieses Dokument, das im Widerspruch zur kirchlichen Lehre steht, billigt und fördert sogar die „Segnung“ von „Paaren“, die in einer in sich unmoralischen Situation leben, mit besonderem Augenmerk auf homosexuelle Paare.
Um die Ursprünge dieser Entwicklung zu verstehen, muß man in die frühen 1970er Jahre zurückgehen, als sich auf der Welle der 68er-Revolution, aber auch der nachkonziliaren „neuen Moral“, Formen der „Offenheit“ gegenüber homosexuellen Beziehungen in der Kirche auszubreiten begannen. Nach der traditionellen Lehre ist der sexuelle Akt von Natur aus auf die Fortpflanzung ausgerichtet und nur dann gut, wenn er innerhalb der Ehe stattfindet, ohne daß er von seinem Zweck abweicht. Stattdessen ist für die neuen Theologen der sexuelle Akt immer gut, weil er den intimsten und intensivsten Moment der menschlichen Liebe darstelle, unabhängig davon, ob er der Fortpflanzung dient oder nicht, ob er innerhalb der Ehe stattfindet oder nicht und ob Männer und Frauen unterschiedlichen oder gleichen Geschlechts beteiligt sind oder nicht.
Gegen diese Irrtümer veröffentlichte die Glaubenskongregation am 29. Dezember 1975 die vom Präfekten, Kardinal Šeper, unterzeichnete Erklärung Persona humana, in der es unter anderem heißt:
„Nach der objektiven sittlichen Ordnung sind die homosexuellen Beziehungen Handlungen, die ihrer wesentlichen und unerläßlichen Regelung beraubt sind. Sie werden in der Heiligen Schrift als schwere Verirrungen verurteilt und als die traurige Folge einer Zurückweisung Gottes dargestellt. Dieses Urteil der Heiligen Schrift erlaubt zwar nicht den Schluß, daß alle jene, die an dieser Anomalie leiden, persönlich dafür verantwortlich sind, bezeugt aber, daß die homosexuellen Handlungen in sich nicht in Ordnung sind und keinesfalls in irgendeiner Weise gutgeheißen werden können.“
Im Katechismus der Katholischen Kirche, der 1992 veröffentlicht wurde, heißt es in Nr. 2357:
„Gestützt auf die Heilige Schrift, die sie als schlimme Abirrung bezeichnet [Vgl. Gen 19, 1–29; Röm 1,24–27; 1 Kor 6,10; 1 Tim 1,10.], hat die kirchliche Überlieferung stets erklärt, ‚daß die homosexuellen Handlungen in sich nicht in Ordnung sind‘ (CDF, Erkl. Persona humana, 8). Sie verstoßen gegen das natürliche Gesetz, denn die Weitergabe des Lebens bleibt beim Geschlechtsakt ausgeschlossen. Sie entspringen nicht einer wahren affektiven und geschlechtlichen Ergänzungsbedürftigkeit. Sie sind in keinem Fall zu billigen.“
Von der Pseudo-„Homo-Ehe“ wurde erst in den 1990er Jahren gesprochen, insbesondere nachdem das Europäische Parlament in seiner Entschließung vom 8. Februar 1994 die EU-Mitgliedstaaten aufgefordert hatte, „homosexuellen Paaren alle Rechtsinstitute zu öffnen, die heterosexuellen Paaren zur Verfügung stehen“. Im Angelus vom 20. Februar 1994 verurteilte Johannes Paul II. die europäische Entschließung ausdrücklich und erklärte, daß „es moralisch nicht erlaubt ist, homosexuelle Praktiken rechtlich zuzulassen. Einfühlsam gegenüber diejenigen, die sündigen, gegenüber diejenigen, die nicht in der Lage sind, sich von dieser Neigung zu befreien, bedeute nicht, die Forderungen der moralischen Norm zu schmälern“ (vgl. Johannes Paul II., Veritatis Splendor, 95) (Angelus vom 20. Februar 1994).
Diese Position ist weitgehend unverändert geblieben, aber insbesondere seit der Eröffnung des Synodalen Wegs der deutschen Bischöfe im Jahr 2020 wurden Forderungen nach einer „Segnung“ homosexueller „Paare“ laut. Am 15. März 2021 veröffentlichte die damalige Glaubenskongregation (heute Dikasterium) unter der Leitung von Kardinal Luis F. Ladaria ein Responsum, in dem sie die Frage beantwortete, ob die Kirche befugt sei, gleichgeschlechtlichen Partnerschaften den Segen zu erteilen. Das vatikanische Dikasterium verneinte die Frage und erklärte, daß Segnungen als Sakramentalien voraussetzen, daß „das, was gesegnet wird, objektiv und positiv dazu bestimmt ist, die Gnade zu empfangen und auszudrücken, in Übereinstimmung mit den Plänen Gottes, die in die Schöpfung eingeschrieben sind und von Christus, dem Herrn, vollständig offenbart wurden. Daher sind nur solche Wirklichkeiten mit dem Wesen des von der Kirche gespendeten Segens vereinbar, die von sich aus darauf ausgerichtet sind, diesen Plänen zu dienen“.
Von Anfang an hat die Kirche in Anlehnung an den Fluch der Heiligen Schrift (Gen 18,20; 19,12–13, 24–28; Lev 12,22, 29; Jes 3,9; 1 Tim. 1, 9–10; 1 Kor. 6, 9–10), die Sünde wider die Natur durch die Kirchenväter und Kirchenlehrer, die Heiligen, die Päpste, die Konzilien und das Kirchenrecht verurteilt. Die Erklärung Fiducia supplicans des Dikasteriums für die Glaubenslehre setzt sich über dieses Lehramt hinweg. Das Dokument beginnt mit einer Präsentation von Präfekt Fernández, der erklärt, daß die Erklärung „einen spezifischen und innovativen Beitrag zur pastoralen Bedeutung von Segnungen“ leisten will, der es ermöglicht, „das klassische Verständnis von Segnungen zu erweitern und zu bereichern“ durch eine theologische Reflexion, „sich auf die pastorale Vision von Papst Franziskus stützt“. Alle Verweise im folgenden Text der Erklärung beziehen sich immer und ausschließlich auf die Lehre von Papst Franziskus und ignorieren alle früheren Verlautbarungen des Heiligen Stuhls, als ob die Lehre der Kirche mit ihm ex novo begonnen hätte.
Nach den ersten Absätzen (1–3) erklärt Fiducia supplicans, „Riten und Gebete, die Verwirrung stiften könnten zwischen dem, was für die Ehe konstitutiv ist“, und dem, „was dem widerspricht“, für unzulässig, um zu vermeiden, daß in irgendeiner Weise „etwas, was nicht der Fall ist, als Ehe anerkannt wird. (…) Die Lehre der Kirche hält an diesem Punkt unverändert fest (Nr. 4–6). Doch genau in dieser Klarstellung liegt die Täuschung und Heuchelei des von Kardinal Victor Manuel Fernández unterzeichneten und von Papst Franziskus ex audientia gegengezeichneten Dokuments.
Der erste irreführende Punkt ist die Behauptung, daß homosexuelle Beziehungen der christlichen Ehe nicht gleichgestellt sind, während man es vermeidet, sie als an sich ungeordnete Handlungen zu definieren; der zweite Punkt ist das Beharren auf der Unterscheidung zwischen liturgischem und außergottesdienstlichem Segen, als ob ein außergottesdienstlicher Segen, der von einem Priester erteilt wird, etwas legal machen könnte, was zu segnen unerlaubt ist. Im zweiten Kapitel des Dokuments (Nr. 7–30) wird bekräftigt, daß, wenn „bestimmte menschliche Beziehungen durch einen besonderen liturgischen Ritus gesegnet werden“, es notwendig ist, daß „das, was gesegnet wird, den in die Schöpfung eingeschriebenen und von Christus, dem Herrn, vollständig geoffenbarten Plänen Gottes entsprechen muß“ (11), daß aber, wenn man sich „außerhalb eines liturgischen Rahmens“ bewegt, die Bitte um einen Segen begrüßt und gewürdigt werden muß, weil man sich „in einem Bereich größerer Spontaneität und Freiheit“ befindet (Nr. 23). Wieder einmal wird deutlich, daß diese „menschlichen Beziehungen“ nicht im Widerspruch zum natürlichen und göttlichen Gesetz stehen.
Das dritte Kapitel der Erklärung (Nr. 31–41) läßt also die „Möglichkeit der Segnung von Paaren in irregulären Situationen und gleichgeschlechtlichen Paaren“ zu (Nr. 31). Die rein rhetorischen Beteuerungen, daß „ein Ritual zur Segnung von Paaren in einer irregulären Situation weder gefördert noch ins Auge gefaßt werden soll“ (Nr. 38) und daß „diese Segnung niemals gleichzeitig mit den Riten der zivilen Vereinigung oder auch nur in Verbindung mit ihnen durchgeführt werden wird“ (Nr. 39), umgehen weiterhin mit bewußter Zweideutigkeit den grundlegenden Punkt der inneren Unmoral der homosexuellen Handlungen. Es muß betont werden, daß das Dokument nicht die Segnung eines einzelnen Gläubigen genehmigt, der sich aus einer irregulären Situation befreien möchte, sondern die eines „Paares“, das dauerhaft im Zustand der Sünde lebt, ohne die Absicht, sich davon zu befreien. Ein Paar, das im übrigen nicht als solches definiert werden kann, da es sich nicht um die natürliche Verbindung von Mann und Frau handelt. Diese sündige Beziehung wird objektiv gesegnet.
Für viel Aufsehen sorgte der Satz von Papst Franziskus „Wer bin ich, daß ich [über einen Homosexuellen] urteilen kann?“, den er am 29. Juli 2013 auf dem Rückflug von Rio de Janeiro nach Rom sagte. Dieser Satz war zwar eine klare Medienbotschaft, konnte aber als unglückliche Stegreifrede heruntergespielt werden. Die Erklärung Fiducia supplicans ist wesentlich schwerwiegender, da es sich um eine offizielle „Erklärung“ handelt, deren Bedeutung das Informationsportal Vatican News des Heiligen Stuhls unterstreicht, indem es schreibt, daß „das frühere Heilige Offizium seit August vor 23 Jahren keine Erklärung mehr veröffentlicht hat (die letzte war im Jahr 2000 Dominus Jesus), ein Dokument von hohem lehrmäßigen Wert“. Es wird Aufgabe der Theologen und Kanonisten sein, diesen Akt des Dikasteriums für die Glaubenslehre genau zu bewerten. Vorerst führt uns der einfache Sensus fidei zu der Feststellung, daß es nicht möglich ist, eine lasterhafte und unmoralische Beziehung in irgendeiner Weise zu unterstützen, schon gar nicht mit einem „Segen“. Ein Priester, der einen solchen Segen erteilen würde, oder ein Bischof, der ihn genehmigen würde, würde eine schwere öffentliche Sünde begehen. Und es schmerzt mich zu sagen, daß diejenigen, die diese skandalöse Erklärung verkündet und unterzeichnet haben, eine sehr schwere Sünde begangen haben.
*Roberto de Mattei, Historiker, Vater von fünf Kindern, Professor für Neuere Geschichte und Geschichte des Christentums an der Europäischen Universität Rom, Vorsitzender der Stiftung Lepanto, Autor zahlreicher Bücher, zuletzt in deutscher Übersetzung: Verteidigung der Tradition: Die unüberwindbare Wahrheit Christi, mit einem Vorwort von Martin Mosebach, Altötting 2017, und Das Zweite Vatikanische Konzil. Eine bislang ungeschriebene Geschichte, 2. erw. Ausgabe, Bobingen 2011.
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Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana
Es stellt sich nun auch bei diesem Thema die Frage, deren letztgültige Beantwortung wir freilich der Allerheiligsten Dreifaltigkeit – dem Schöpfergott und Vater, Seinem göttlichen Sohn Jesus Christus, unserm Herrn, sowie dem Heiligen Geist – überlassen müssen: Ist Franziskus jene Figur der Heilsgeschichte, in der man den angekündigten „Antichrist“ sehen könnte? Vieles spricht dafür.
Auch in einigen glaubwürdigen Endzeitprophezeiungen, z.B. in der Botschaft von La Salette (kirchlich anerkannt), wird auf ihn, den Antichristen, der sich vor der Wiederkunft Christi auf dem Stuhl Petri in Rom breitmachen wird, in dramatischen Worten hingewiesen. Möglicherweise geschieht das schon in allernächster Zukunft durch entsprechende Vorereignisse. Denn die Zeit jedenfalls ist reif, und es wäre demnach auch keine Unglücksprophetie, sondern deren genaues Gegenteil.
Für mich ist Fiducia suplicans ein theologisch-jesuitischer Enkeltrickbetrug. In diese Kirche werde ich nicht eintreten. Es geht kein Seelenheil von ihr aus.