(Rom) Papst Franziskus traf sich gestern mit den spanischen Bischöfen, die er in den Vatikan zitiert hatte. Diese ungewöhnliche Vorgehensweise sorgte für großes Aufsehen. Die Bischöfe eines Landes kommen alle fünf Jahre zu einem Ad-limina-Besuch nach Rom und selbst da, wenn die Episkopate groß sind wie jener Spaniens, unterteilt in Gruppen. Gestern versammelte Franziskus aber alle Diözesanbischöfe dieses Landes. In der Vergangenheit hatte es nur einen solchen Fall gegeben, als Franziskus 2018 alle chilenischen Bischöfe wegen eines sexuellen Mißbrauchsskandals nach Rom rief. So wurde angenommen, die Einberufung der spanischen Bischöfe stehe auch im Zusammenhang mit sexuellen Verfehlungen, doch dem war nicht so. Franziskus will Spaniens Priesterseminare neu organisieren und den Neokatechumenalen Weg schwächen.
Die Zusammenkunft mit den spanischen Bischöfen dauerte zwei Stunden. Wegen der großen Medienerwartungen beeilte sich Kardinal Juan José Omella, Erzbischof von Barcelona und Vorsitzender der Spanischen Bischofskonferenz, auf der anschließenden Pressekonferenz im Päpstlichen Spanischen Kolleg zu betonen:
„Er hat uns nicht an den Ohren gezogen. Es war ein brüderlicher Dialog (…) Es war ein herzlicher Dialog und kein Klopfen auf die Finger“.
Allerdings erteilte Franziskus den Bischöfen sehrwohl eine Kopfwäsche, mit den „Bedrohungen“ und „Gefahren“, die er in jedem Land zu finden scheint: Strenge, Starrheit und Klerikalismus.
Als Franziskus 2018 alle chilenischen Bischöfe nach Rom zitierte, endete die Begegnung damit, daß alle Bischöfe geschlossen ihren Rücktritt anboten. Dergleichen hatte es in der Kirchengeschichte noch nicht gegeben. Entsprechend spekulierten Medien über einen vergleichbaren Paukenschlag für Spanien. Der Rücktritt der chilenischen Bischöfe hatte allerdings einen sehr spezifischen Grund, um einen bestimmten Bischof, auf den sich seit Jahren die gesamte Aufmerksamkeit konzentrierte und der von Papst Franziskus geschützt wurde, zur Abdankung zu bewegen. In Spanien gibt es keine solche Situation.
Spanien zählt 72 Diözesen. Ihre Oberhirten versammelten sich gestern am frühen Morgen um Papst Franziskus, der sie hinter verschlossenen Türen empfing. Viele erwarteten einen Zusammenhang mit dem sexuellen Mißbrauchsskandal, den die sozialistische Regierung Spaniens gegen die Kirche inszenierte. Im vergangenen Oktober legte der spanische Ombudsmann Ángel Gabilondo, ein Sozialist, im Auftrag der damaligen linken Parlamentsmehrheit einen Bericht über den angeblichen sexuellen Mißbrauch durch Kleriker vor, der nicht nur jeder Wissenschaftlichkeit spottet, sondern ein übles Machwerk ist. Siehe dazu den Bericht: Wie die Tagesschau und andere Medien lügen: 440.000 sexuelle Mißbrauchsopfer der Kirche in Spanien? Falsche Zahlen, Schwarze Legenden.
Doch Franziskus hatte die Bischöfe nicht wegen des Gabilondo-Skandals einberufen, sondern wegen der Umsetzung der neuen Grundordnung für die Priesterausbildung, die im Dokument Ratio Fundamentalis Institutionis Sacerdotalis der Kleruskongregation von 2016 niedergelegt ist. Im Vorfeld hatte er Spaniens Seminare visitieren lassen.
Die Umsetzung von Ratio fundamentalis
Die bis dahin geltende Grundordnung, mit der die nachkonziliare Wende vollzogen wurde, stammte aus dem Jahr 1970, war jedoch 1985 aktualisiert worden. Franziskus fordert mit Ratio fundamentalis ein radikales Umdenken bezüglich der Struktur des Priesterseminars. Diese hält er für antiquiert angesichts der heutigen sozialen, kulturellen und kirchlichen Situation. Das Priesterseminar sei noch immer das von früher, während tiefgreifende kirchliche Veränderungen stattfinden, so der Tenor.
Grundsätzlich erntete das Dokument einiges Lob für das, was es über den Katechismus, die Philosophie, den richtigen Umgang mit Medien, die Ernsthaftigkeit des Studiums oder über das Gebet sagt. Allerdings gibt es auch Kritik. Die von Franziskus geforderte permanente Aus- und Weiterbildung der Priester gehört insofern dazu, als die geweihten Priester, was in den Augen mancher Bischöfe ohnehin der Fall ist, dadurch ein Leben lang wie Seminaristen und nicht wie geweihte Priester behandelt werden.
Auch das Propädeutikum steht in der Kritik. Es wurde in den vergangenen Jahren als „magische Lösung“ gehandelt, die alle Probleme wegzaubert. In Wirklichkeit hat sich das Jahr als weitgehend überflüssig erwiesen, das den ohnehin schon langen Bildungsweg unnötig verlängert. Im bergoglianischen Rom werden, so Kritiker, zwar inflationär die gesellschaftlichen Veränderungen bemüht, und es werde auch kritisiert, daß viele in der Kirche diesen hinterherhinken würden, doch im Bereich der Priesterausbildung sei es Santa Marta das hinterherhinke. Die Männer, die heute in ein Priesterseminar eintreten, sind nicht mehr dieselben, als Papst Franziskus 1958 diesen Schritt tat und in den Jesuitenorden eintrat. Sie sind wesentlich besser vorbereitet. Der Entscheidungsprozeß ist heute, aufgrund der äußeren Veränderungen, wesentlich reifer und geschieht oft auch später. Die Zahl der sogenannten Spätberufenen nahm entsprechend zu. Auch aus diesem Grunde erfüllt das Propädeutikum nicht den Zweck, den es erfüllen sollte.
Zweifelhaft erscheint auch das Verbot, daß niemand mehr in ein Seminar zugelassen werden darf, der nach dem 18. Lebensjahr zweimal ein Seminar oder einen Orden verlassen hat oder entlassen wurde. Bereits nach einem Austritt/einer Entlassung soll größte Vorsicht und Strenge angewandt werden. Angebrachter wäre wohl eine gebotene Einzelfallprüfung. Wer die heutigen Verhältnisse mancher Seminare und Orden kennt, muß neben tatsächlichen persönlichen Defiziten auch in Betracht ziehen, daß ein gläubiger Kandidat aus manchen Wirklichkeiten regelrecht flüchtet, um den Glauben zu bewahren. Hinzu kommen von Santa Marta provozierte Radikalveränderungen, die Menschen aus gutem Grund zum Verlassen eines Ordens oder eines Seminars bewegen. Man denke an die kommissarische Verwaltung des Ordens der Franziskaner der Immakulata oder die Absetzung von Bischof Rogelio Livieres von Ciudad del Este. Beide Eingriffe waren mit grundlegenden Veränderungen im Charisma und der Ausrichtung der genannten Realitäten verbunden, sodaß die Bedingungen nicht mehr gegeben waren, unter denen der Eintritt erfolgt war.
Ratio fundamentalis kennt vor allem eine große Gefahr, den „Klerikalismus“. Vor diesem wird ausgiebig gewarnt. Ebenso vor „doktrinärer Sicherheit“. Es findet sich aber keine Warnung vor einem Abdriften aus der überlieferten Lehre und vor falschen Lehrmeistern, auch keine Warnung vor liturgischen Sonderwegen. Das besorgt den heiligen Paulus (1 Tim 1,10, 4,6; 2 Tim 4,3; Tit 1,9), aber offenbar nicht das derzeitige Rom.
Zwei päpstliche Ziele
Die spanischen Medien schreiben, daß die spanischen Bischöfe den sexuellen Mißbrauchsskandal „überstehen“ würden, weil es zu keinen eklatanten Eingriffen durch Franziskus kam. In Wirklichkeit besteht zwischen beiden Themen kein Zusammenhang.
In Spanien gibt es insgesamt 86 Seminare in 57 Priesterausbildungsstätten (darunter eine interdiözesane): Es gibt 40 klassische Seminare, in denen die Kandidaten der Diözese ausgebildet werden und 14 Seminare mit Kandidaten aus mehrerer Diözesen. 15 Seminare sind Redemptoris-Mater-Seminare des Neokatechumenalen Wegs. Und auch darum geht es bei der ganzen Sache.
- Punkt 1) Papst Franziskus ist der Meinung, daß einige spanische Priesterseminare zu groß sind, die meisten aber zu klein. Er drängt daher auf massive Zusammenlegungen und die Bildung von Seminaren, in denen etwa gleich große Seminargemeinschaften leben. Franziskus gab den spanischen Bischöfen gestern zu verstehen, daß er keine Priesterseminare mehr sehen wolle, in denen es weniger als 25 Seminaristen gibt. Das klassische diözesane Priesterseminar gehört damit der Vergangenheit an.
- Punkt 2) Der Einfluß des Neokatechumenalen Wegs ist manchen ein Dorn im Auge. Den Priesterseminaren des Neokatechumenats wird vorgeworfen, abgesondert zu sein, weshalb Franziskus so viel Wert legt auf die Öffnung gegenüber der die Seminaristen umgebenden „Realität“ der Welt. Bisher werden die Seminaristen in den Redemptoris-Mater-Seminaren von Priestern des Neokatechumenalen Wegs geleitet und ausgebildet. Das wollen Franziskus und einige spanische Bischöfe ändern. Es müsse Schluß sein mit einem „Sonderweg“. Für die Ausbildung der Seminaristen des Neokatechumenats habe exakt zu gelten, was für alle diözesanen Seminaristen gelte.
Während die diözesanen Seminare unter deutlichem Kandidatenschwund leiden, erweisen sich die Seminare des Neokatechumenalen Wegs als vital. Das hat damit zu tun, daß diese neue Gemeinschaft aus den eigenen Reihen viele Berufungen hervorbringt. Damit aber wächst ihr Einfluß auf die Gesamtkirche. Das zeigt sich vor allem am Anteil an den Neupriestern. An der Verhinderung einer „Neokatechumenalisierung“ der Kirche in Spanien ist eine heterogene Allianz interessiert, darunter auch führende bergoglianische Bischöfe. Das Ziel Roms ist es, die Parallelität von diözesanen und neokatechumenalen Seminaren aufzuheben und letztere zu integrieren und damit auch zu kontrollieren. Die Schwächung des Neokatechumenalen Wegs in seinem Stammland Spanien würde eine generelle Schwächung dieser sehr lebendigen Gemeinschaft bedeuten.
Insgesamt bedeutet die von Rom ausgegebene Parole: „Zusammenlegen“ auch, daß die Seminaristen leichter beeinflußt werden können, Priester nach dem Modell Bergoglio zu werden.
Kardinal Omella sagte am Ende der Pressekonferenz scherzhaft über den Gesundheitszustand des Papstes, der am Wochenende eine Reihe von Terminen nur bedingt wahrnehmen konnte:
„Er war zwei Stunden da und hat kein einziges Mal gehustet. Dieser Mann ist gesünder als wir, weil einige von uns gehustet haben.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: srmcorrientes.com/Facebook (Screenshots)
Wie auch immer es sich hier verhält, klar ist, daß der Neokatechumenale Weg mit seiner Sonderliturgie, seinen merkwürdigen Bräuchen und seinen judaisierenden Tendenzen ein Problem in der Kirche ist. Es mag sein, daß die Mitglieder guten Willens sind. Aber alles außerhalb der überlieferten Lehre und Liturgie führt ins Nichts. Man wird dem Neokatechumenat zu einer kritischen Selbstbetrachtung raten müssen.