Die Synode, die „Dubia“ und der nächste Papst

Analyse von Prof. Roberto de Mattei zum Synodenbeginn


Der Petersplatz am Morgen des 4. Oktober 2023
Der Petersplatz am Morgen des 4. Oktober 2023

Von Rober­to de Mattei*

Anzei­ge

Am 4. Okto­ber, dem Fest des hei­li­gen Franz von Assi­si, wur­de die XVI. Ordent­li­che Bischofs­syn­ode zum The­ma „Syn­oda­li­tät“ eröff­net. Vie­le gegen­sätz­li­che Äuße­run­gen und Kon­tro­ver­sen gin­gen der Ver­an­stal­tung vor­aus und beglei­ten sie. Am 2. Okto­ber haben fünf Kar­di­nä­le, „in Anbe­tracht ver­schie­de­ner Erklä­run­gen eini­ger hoher Prä­la­ten bezüg­lich der Durch­füh­rung der näch­sten Bischofs­syn­ode, die ein­deu­tig im Wider­spruch zur stän­di­gen Leh­re und Dis­zi­plin der Kir­che ste­hen und die bei den Gläu­bi­gen und ande­ren Men­schen guten Wil­lens gro­ße Ver­wir­rung her­vor­ge­ru­fen haben – in einem Fall sogar einen Irr­tum – und wei­ter­hin her­vor­ru­fen“, gegen­über dem Papst ihre „tief­ste Besorg­nis“ zum Aus­druck gebracht und Papst Fran­zis­kus fünf Dubia zu eini­gen Fra­gen vor­ge­legt, die die Aus­le­gung der gött­li­chen Offen­ba­rung, die Seg­nung gleich­ge­schlecht­li­cher Part­ner­schaf­ten und die Syn­oda­li­tät als kon­sti­tu­ti­ve Dimen­si­on der Kir­che, die Prie­ster­wei­he von Frau­en und die Reue als not­wen­di­ge Bedin­gung für die sakra­men­ta­le Abso­lu­ti­on betref­fen (hier).

Bei den fünf Kar­di­nä­len han­delt es sich um den Deut­schen Wal­ter Brand­mül­ler, den Ame­ri­ka­ner Ray­mond Bur­ke, den Mexi­ka­ner Juan San­d­oval Íñi­guez, den Gui­neer Robert Sarah und den Chi­ne­sen Joseph Zen Ze-kiun, die wie­der­um sagen, sie sei­en sicher, daß auch der ver­stor­be­ne Kar­di­nal Geor­ge Pell „die­se Dubia teil­te und der erste gewe­sen wäre, der sie unter­schrie­ben hät­te“.

Am sel­ben 2. Okto­ber ver­öf­fent­lich­te das Dik­aste­ri­um für die Glau­bens­leh­re eine Ant­wort von Papst Fran­zis­kus auf die Dubia, die jedoch auf eine Fas­sung der Dubia erfolg­te, die den genann­ten vor­aus­ging (hier).

Am 10. Juli 2023 über­ga­ben die fünf Kar­di­nä­le ihre Dubia an den Papst und den Prä­fek­ten des Dik­aste­ri­ums für die Glau­bens­leh­re. Am näch­sten Tag, dem 11. Juli, ant­wor­te­te Fran­zis­kus mit einem sie­ben­sei­ti­gen Brief auf spa­nisch. Die Ant­wort wur­de von den fünf Kar­di­nä­len als unbe­frie­di­gend beur­teilt, die am 21. August ihre Dubia so umfor­mu­lier­ten, daß der Papst ihnen mit „Ja“ oder „Nein“ ant­wor­ten muß­te, „um eine kla­re Ant­wort zu errei­chen, die auf der immer­wäh­ren­den Leh­re und Ord­nung der Kir­che beruht“. Da die fünf Kar­di­nä­le kei­ne Ant­wort erhiel­ten, beschlos­sen sie am 2. Okto­ber, ihre Dubia zu veröffentlichen.

Die Chro­no­lo­gie der Ereig­nis­se ist jedoch von unter­ge­ord­ne­ter Bedeu­tung. Tat­sa­che ist, daß laut Fran­zis­kus sein Brief vom 11. Juli auch die Ant­wort auf die neu­en Dubia vom 21. August sein woll­te. Die Ant­wort des Pap­stes wirft jedoch noch grö­ße­re Fra­gen auf als jene, die die Dubia der Kar­di­nä­le her­vor­rie­fen. Tat­säch­lich nutzt der Papst das in Amo­ris lae­ti­tia ver­wen­de­te Mit­tel der Dia­lek­tik, um der all­ge­mei­nen Glau­bens­re­gel durch den kon­kre­ten Fall zu wider­spre­chen oder sie zumin­dest zu schwä­chen. Ein Bei­spiel dafür ist einer der umstrit­ten­sten Punk­te, der Segen für homo­se­xu­el­le Paa­re. Der Papst scheint zunächst die tra­di­tio­nel­le Leh­re zu bestä­ti­gen, fügt dann aber hin­zu, daß unter „bestimm­ten Umstän­den“ die Mög­lich­keit einer Abwei­chung von der Norm dem Urteils­ver­mö­gen der Prie­ster über­las­sen blei­be. Zumin­dest wur­de sei­ne ambi­va­len­te Wort­wahl von der inter­na­tio­na­len Pres­se, ohne demen­tiert wor­den zu sein, so interpretiert.

Am Vor­abend der Syn­oden­er­öff­nung ant­wor­te­te das Dik­aste­ri­um für die Glau­bens­leh­re in ähn­li­cher Wei­se auf den eme­ri­tier­ten Pra­ger Erz­bi­schof Domi­nik Kar­di­nal Duka, der im Namen der Tsche­chi­schen Bischofs­kon­fe­renz zehn Fra­gen zur Zulas­sung von wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­ne zu den Sakra­men­ten gestellt hat­te. Das Dik­aste­ri­um ant­wor­te­te, daß der Papst „in bestimm­ten Fäl­len nach ange­mes­se­ner Urteils­fin­dung“ die Mög­lich­keit für geschie­de­ne und wie­der­ver­hei­ra­te­te Men­schen „ein­räumt, zu den Sakra­men­ten zuge­las­sen zu sein, auch ohne die Keusch­heit zu wah­ren, und mit dem Hin­weis, daß dies als „ordent­li­ches Lehr­amt der Kir­che“ betrach­tet wer­den müs­se (hier).

Ange­sichts die­ser Situa­ti­on hat jemand ange­merkt, daß die Vor­la­ge von Dubia nütz­lich ist, wenn sie dem Papst ermög­licht, die katho­li­sche Leh­re klar zu bekräf­ti­gen, nicht jedoch, wenn sie zu noch grö­ße­rer Ver­wir­rung unter den Gläu­bi­gen führt. Jemand ande­res wand­te ein, daß fünf von 242 Kar­di­nä­len – so vie­le zählt das Kar­di­nals­kol­le­gi­um heu­te – eine unbe­deu­ten­de Min­der­heit dar­stell­ten. Dar­über hin­aus beklei­det kei­ner der fünf Kar­di­nä­le ver­ant­wor­tungs­vol­le Posi­tio­nen an der Kurie oder in Diö­ze­sen und dar­über hin­aus sind drei von ihnen über neun­zig Jah­re alt. Ande­rer­seits muß jeder zuge­ben, daß die Dubia ver­nünf­tig, gut geglie­dert und vor allem im Ein­klang mit dem immer­wäh­ren­den Lehr­amt der Kir­che sind. Ihre Bedeu­tung liegt in dem, was sie bekun­den: das Vor­han­den­sein eines star­ken Unbe­ha­gens ange­sichts des revo­lu­tio­nä­ren Pro­zes­ses, der die Kir­che angreift.

Es gibt jene, die dar­auf hin­ge­wie­sen haben, daß das Dubia-Modell nicht die höch­ste Form der Mei­nungs­ver­schie­den­heit ist, die man recht­mä­ßig gegen­über kirch­li­chen Auto­ri­tä­ten haben kann. Die Cor­rec­tio filia­lis vom 16. Juli 2017 stell­te den stärk­sten Aus­druck des Wider­stands gegen Papst Fran­zis­kus dar, soweit das kano­ni­sche Recht dies zuläßt. Doch trotz der gro­ßen Wir­kung der Cor­rec­tio filia­lis ist die Stär­ke der Dubia viel rele­van­ter, da die Autoren kei­ne Theo­lo­gen oder Gelehr­ten, son­dern Kar­di­nä­le der Hei­li­gen Römi­schen Kir­che sind, direk­te Mit­ar­bei­ter des Pap­stes, zu deren Auf­ga­ben die sehr hohe gehört, den Stell­ver­tre­ter Chri­sti zu wäh­len. Kei­ne Stim­me könn­te sich daher ver­bind­li­cher äußern. Es soll­te auch hin­zu­ge­fügt wer­den, daß Kar­di­nal Ger­hard Mül­ler, ehe­ma­li­ger Prä­fekt der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on, der von Papst Fran­zis­kus zur Teil­nah­me an der Syn­ode ein­ge­la­den wur­de, sich öffent­lich dazu bekann­te (hier), obwohl er nicht zu den Unter­zeich­nern der Dubia gehört. Es kann auch nicht aus­ge­schlos­sen wer­den, daß in den kom­men­den Tagen oder Wochen wei­te­re Kar­di­nä­le oder Bischö­fe ihre Unter­stüt­zung zum Aus­druck brin­gen, da, wie Kar­di­nal Bur­ke in sei­ner Rede am 3. Okto­ber auf einer Ver­an­stal­tung der Nuo­va Bus­so­la Quo­ti­dia­na fest­stell­te: „Vie­le Brü­der des Epi­sko­pats und auch des Kar­di­nals­kol­le­gi­ums unter­stüt­zen die­se Initia­ti­ve, auch wenn sie nicht auf der Unter­zeich­ner­li­ste ste­hen“ (hier).

Her­vor­zu­he­ben ist auch, daß Fran­zis­kus die fünf Kar­di­nä­le nicht als Rebel­len oder Häre­ti­ker behan­del­te, son­dern zeig­te, daß er ihre Fra­gen ernst nimmt. In sei­ner Ant­wort auf die drit­te Fra­ge der Kar­di­nä­le wen­det sich Fran­zis­kus mit einem Anflug von Iro­nie an die­se und stellt fest: „Mit die­sen Fra­gen selbst zeigt ihr euer Bedürf­nis, euch zu betei­li­gen, eure Mei­nung frei zu äußern und mit­zu­ar­bei­ten, indem ihr auf die­se Wei­se eine Form von ‚Syn­oda­li­tät‘ in der Aus­übung mei­nes Amtes for­dert“. Es ist klar, daß es in der „poli­ti­schen“ Per­spek­ti­ve von Papst Fran­zis­kus um die Idee geht, die Syn­ode in ein „Par­la­ment“ der Kir­che umzu­wan­deln, mit Par­tei­en und Strö­mun­gen, die sich dia­lek­tisch gegen­über­ste­hen, aber es ist auch wahr, daß kei­ne Zen­sur an die­ser Stel­le gegen jene zur Anwen­dung kom­men kann, die öffent­lich ihre Treue zur Glau­bens­leh­re aller Zei­ten zum Aus­druck bringen.

Es gibt auch jene im tra­di­tio­na­li­sti­schen Lager, die die Kar­di­nä­le dafür kri­ti­sie­ren, daß sie nicht aus­drück­lich erklärt haben, daß die Abir­run­gen der Syn­ode eine Fol­ge der Irr­tü­mer des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils sind. Natür­lich ist es wahr, daß die Arbeits­grup­pe, die die Kar­di­nä­le ins­be­son­de­re bei der Ver­brei­tung ihres Doku­ments unter­stützt, aus Geist­li­chen und Lai­en besteht, die der soge­nann­ten „Her­me­neu­tik der Kon­ti­nui­tät“ fol­gen. Aller­dings brin­gen die Dubia die­se Linie nicht zum Aus­druck, die histo­risch geschei­tert und nicht in der Lage ist, authen­ti­schen Wider­stand gegen den Pro­zeß der Selbst­zer­stö­rung der Kir­che um sich zu sam­meln. Sie kön­nen viel­mehr von einer brei­ten Grup­pe geteilt wer­den, zu der nicht nur Tra­di­tio­na­li­sten und Kon­ser­va­ti­ve gehö­ren, son­dern jeder Katho­lik, der die Ereig­nis­se der Kir­che im Lich­te des wah­ren Glau­bens und des gesun­den Haus­ver­stan­des beurteilt.

Ande­rer­seits stellt in die­sem Moment der Ver­wir­rung jede Armee ihre Trup­pen auf und jedes Regi­ment hißt sei­ne Fah­nen. Es ist kein Zufall, daß Erz­bi­schof Car­lo Maria Viganò am sel­ben Tag, an dem die Kar­di­nä­le ihre „Mit­tei­lung“ ver­öf­fent­lich­ten, eine Rede ver­öf­fent­lich­te, in der er sei­ne Über­zeu­gung zur Ungül­tig­keit der Wahl von Papst Fran­zis­kus auf­grund eines „Kon­sens­man­gels“ zum Aus­druck bringt. Fran­zis­kus, so Msgr. Viganò, soll die Wahl durch Betrug erschli­chen haben, mit der Absicht, „das genaue Gegen­teil von dem zu tun, was Jesus Chri­stus dem hei­li­gen Petrus und sei­nen Nach­fol­gern auf­ge­tra­gen hat: die Gläu­bi­gen im Glau­ben zu stär­ken“ (hier).

Zwi­schen denen, die glau­ben, daß Fran­zis­kus der legi­ti­me, wenn auch unwür­di­ge Papst ist, und denen, die ihn für einen Usur­pa­tor hal­ten, der mit der Absicht gewählt wur­de, die Kir­che zu zer­stö­ren, gibt es einen Unter­schied, der nicht sprach­li­cher, son­dern auch inhalt­li­cher Natur ist. In die­ser Stun­de tie­fer Trau­er für die Kir­che besteht eine Kluft zwi­schen denen, die Fran­zis­kus als „Gegen­papst“ betrach­ten, und denen, die wie der Unter­fer­tig­te beten, daß der Herr „non tra­dat eum in ani­mam ini­micorum eius“ [„ihn (Fran­zis­kus) nicht dem Haß sei­ner Fein­de über­ge­be“]. Mitt­ler­wei­le betref­fe in Rom, wie Gui­do Horst in der Tages­post (hier) schreibt, die Haupt­fra­ge, die sich die ver­sam­mel­ten Bischö­fe, Erz­bi­schö­fe und Kar­di­nä­le stel­len, nicht die The­men, die in der Syn­ode dis­ku­tiert wer­den, son­dern eine ande­re: „Wer wird der näch­ste Papst sein“?

*Rober­to de Mat­tei, Histo­ri­ker, Vater von fünf Kin­dern, Pro­fes­sor für Neue­re Geschich­te und Geschich­te des Chri­sten­tums an der Euro­päi­schen Uni­ver­si­tät Rom, Vor­sit­zen­der der Stif­tung Lepan­to, Autor zahl­rei­cher Bücher, zuletzt in deut­scher Über­set­zung: Ver­tei­di­gung der Tra­di­ti­on: Die unüber­wind­ba­re Wahr­heit Chri­sti, mit einem Vor­wort von Mar­tin Mose­bach, Alt­öt­ting 2017, und Das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil. Eine bis­lang unge­schrie­be­ne Geschich­te, 2. erw. Aus­ga­be, Bobin­gen 2011.

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Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Cor­ri­spon­den­za Romana

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