(Rom) Leonid Michailowitsch Sewastjanow, Leiter der Weltunion der Altgläubigen, ein Freund von Papst Franziskus, wurde gestern von diesem im Vatikan in Audienz empfangen. Dies berichtete die staatliche russische Nachrichtenagentur Ria Novosti, während sich kirchliche und westliche Medien darüber ausschweigen. Wie meist, überließ es Franziskus auch in diesem Fall seinem Gast, die Öffentlichkeit über die Begegnung zu informieren.
Laut Sewastjanow sei Franziskus überzeugt, daß in immer mehr Staatskanzleien die Sinnlosigkeit von Waffenlieferungen erkannt werde, was das Kirchenoberhaupt optimistisch stimme, daß sich der Weg für Friedensverhandlungen bald auftun könnte.
Wörtlich sagte Sewastjanow:
„Wir haben über den Friedensplan zwischen der Ukraine und Rußland gesprochen. Der Papst ist optimistisch, da er sieht, daß immer mehr westliche Länder der Idee der Sinnlosigkeit des Konflikts in der Ukraine und der Waffenlieferungen zugeneigt sind. Der Papst ist der Meinung, daß es keinen Sieg auf dem Schlachtfeld geben kann. Jeder Sieg muß am Verhandlungstisch erfolgen. Es ist notwendig, einen Algorithmus zu entwickeln, der allen Konfliktparteien gerecht wird.“
Das katholische Kirchenoberhaupt habe Rußland dazu aufgerufen, die Beziehungen zum Westen nicht abzubrechen. Franziskus habe sich vielmehr für die wirtschaftliche Einbindung Rußlands und gegen Sanktionen und wirtschaftliche Einschränkungen ausgesprochen.
Ria Novosti zitiert Sewastjanow mit den Worten:
„Der Papst übermittelt Rußland Grüße und seinen Segen. Er bekräftigt, daß Russland ein großes Land ist, daß das russische Volk, die Sprache und die Kultur großartig sind. Der Papst sagte, er ehre die russische Kultur nicht weniger als die spanische Kultur. Ihm zufolge hat die russische Kultur der Welt eine ‚große Schicht‘ von Schriftstellern, Theologen und Heiligen geschenkt. Er sagt, daß er für das russische Volk betet und möchte, daß es die Möglichkeit findet, langfristig einen gerechten Frieden zu schließen.“
Unbeirrt hält Franziskus gegen alle Kritik in der Ukraine und im Westen an seinem Kurs fest – das ist die bisher bedeutendste Abweichung von einem ansonsten den westlichen Eliten sehr dienstbaren Kurs. Dabei muß sich das Kirchenoberhaupt aber nicht gegen die UNO stellen, die durch die gegensätzlichen Positionen im Weltsicherheitsrat (USA, Großbritannien und Frankreich auf der einen und Rußland und die Volksrepublik China auf der anderen Seite) neutralisiert ist.
Rußlands Altgläubige
Die sogenannten russischen Altgläubigen sind eine Richtung innerhalb der russischen Orthodoxie, die auf das 17. Jahrhundert zurückgeht, als ein Teil der russisch-orthodoxen Kirche eine Liturgiereform des damaligen Moskauer Patriarchen Nikon (1651–1660) als „zu römisch“ ablehnte. Da nachgewiesen werden konnte, daß die Altgläubigen sich zwar vom russischen, aber nicht vom altbyzantinischen Ritus unterscheiden, hob der Staat 1905 alle Beschränkungen und das Moskauer Patriarchat 1971 auch den Kirchenbann gegen sie auf.
Die Zahl der Altgläubigen wird heute für Rußland mit einem Prozent der Gesamtbevölkerung angegeben.
Die Weltunion der Altgläubigen wurde von Leonid Sewastjanow 2019 als Interessenvertretung der Altgläubigen gegründet, für die er bereits seit 2010 in verschiedenen Gremien aktiv ist, so in der mit dem Moskauer Patriarchat verbundenen St.-Georgs-Stiftung und im Kontaktkomitee der altgläubigen Gemeinden Moskaus. Im konkreten Fall geht es weniger um deren zahlenmäßige Stärke, sondern um den persönlichen Kontakt zwischen Leonid Sewastjanow und Papst Franziskus.
Leonid Sewastjanow
Sewastjanow, der auch in Westeuropa und den USA studierte, gab Anfang des Jahres bekannt, wegen des Ukrainekrieges in einem engen Briefkontakt mit dem katholischen Kirchenoberhaupt zu stehen. Die Verbindungen zwischen beiden sei jedoch viel älter und betreffen auch seine Frau, die Opernsängerin Swetlana Kasjan, die georgischer, ursprünglich jesidischer Abstammung ist.
Papst Franziskus hatte Kasjan im November 2013 nach einem Konzert, das von Kardinal Ravasi und dem Päpstlichen Kulturrat veranstaltet worden war, in Audienz empfangen. Weitere Audienzen folgten. Ihren 35. Geburtstag feierte die Sängerin 2019 mit Papst Franziskus im Vatikan, der sie mit einer Torte und brennenden Kerzen empfing. Als Kasjan am 3. September desselben Jahrs in der Arena von Verona als Aida debütierte, schickte ihr Papst Franziskus einen Blumenstrauß in die Garderobe und wünschte ihr ein erfolgreiches Debüt. Der Kontakt Sewastjanows zum Papst scheint über seine Frau erfolgt zu sein. Das jüngste Kind des Ehepaars, der am 29. Juli 2022 geborene Sohn, wurde nach dem Papst Franziskus benannt.
Der Papst ernannte das Ehepaar am 5. Mai 2022 zu „Botschaftern des Friedens in der Welt“.
Im vergangenen Mai forderte Sewastjanow im Namen der Weltunion ein Abtreibungsverbot in Rußland, denn nur eindeutige Maßnahmen könnten den von der Regierung gewünschten demografischen Wandel wirklich beeinflussen.
Sewastjanow ist bei seinen Friedensbemühungen nicht „ein Mann Putins“, sondern des Papstes, der wie schon in anderen Fällen parallel und unabhängig zur Vatikandiplomatie seine eigenen Initiativen verfolgt. Und hier kommt ins Spiel, daß Sewastjanow über gute Kontakte sowohl zum Kreml als auch zum Moskauer Patriarchat verfügt. Gegenüber letzterem gab es einen Rückschlag, als Sewastjanows wichtigster Ansprechpartner, der „Außenminister“ des Patriarchats, Metropolit Hilarion, einige Monate nach Kriegsausbruch seines Amtes entbunden und nach Ungarn versetzt wurde.
Fakt ist, daß Sewastjanow mit Billigung von Franziskus in Rußland als „eine Art „Sprecher des Papstes“ auftritt. Fakt ist auch, daß diese Paralleldiplomatie von Franziskus nicht wenige im Vatikan irritiert und natürlich all jene empört, die im herrschenden Krieg Partei für die Ukraine ergreifen. Fakt ist allerdings auch, daß Franziskus über diese Kanäle mehr Aufmerksamkeit erregt als über die offiziellen Kanäle.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: AsiaNews/KP (Screenshots)
Wo bleibt sein Einsatz, gegen die Herrscher in Lateinamerika,
die ihr Volk verhungern lassen und die Christen verfolgen?
Um Botschafter des Frieden zu sein,
braucht man keinen Titel von Papst.
Es ist nur eine Angabe, um zu gefallen.
Es gibt viele Christen, die für den
Frieden beten und keine weltliche Würdigung
benötigen.
Das war schon im Februar 2023! Siehe Link.
Deshalb berichten die anderen Medien jetzt nicht. Sie sollten besser recherchieren, vor allem bezüglich Russland.
Das jüngste Treffen fand am vergangenen Montag, dem 25. September 2023 statt.