Rußlands „Papstsprecher“ von Franziskus empfangen

Paralleldiplomatie für den Frieden


Papst Franziskus mit dem Ehepaar Sewastjanow (Aufnahme von einer Begegnung im Februar 2023).
Papst Franziskus mit dem Ehepaar Sewastjanow (Aufnahme von einer Begegnung im Februar 2023).

(Rom) Leo­nid Michai­lo­witsch Sewast­ja­now, Lei­ter der Welt­uni­on der Alt­gläu­bi­gen, ein Freund von Papst Fran­zis­kus, wur­de gestern von die­sem im Vati­kan in Audi­enz emp­fan­gen. Dies berich­te­te die staat­li­che rus­si­sche Nach­rich­ten­agen­tur Ria Novo­sti, wäh­rend sich kirch­li­che und west­li­che Medi­en dar­über aus­schwei­gen. Wie meist, über­ließ es Fran­zis­kus auch in die­sem Fall sei­nem Gast, die Öffent­lich­keit über die Begeg­nung zu informieren.

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Laut Sewast­ja­now sei Fran­zis­kus über­zeugt, daß in immer mehr Staats­kanz­lei­en die Sinn­lo­sig­keit von Waf­fen­lie­fe­run­gen erkannt wer­de, was das Kir­chen­ober­haupt opti­mi­stisch stim­me, daß sich der Weg für Frie­dens­ver­hand­lun­gen bald auf­tun könnte.

Wört­lich sag­te Sewastjanow:

„Wir haben über den Frie­dens­plan zwi­schen der Ukrai­ne und Ruß­land gespro­chen. Der Papst ist opti­mi­stisch, da er sieht, daß immer mehr west­li­che Län­der der Idee der Sinn­lo­sig­keit des Kon­flikts in der Ukrai­ne und der Waf­fen­lie­fe­run­gen zuge­neigt sind. Der Papst ist der Mei­nung, daß es kei­nen Sieg auf dem Schlacht­feld geben kann. Jeder Sieg muß am Ver­hand­lungs­tisch erfol­gen. Es ist not­wen­dig, einen Algo­rith­mus zu ent­wickeln, der allen Kon­flikt­par­tei­en gerecht wird.“

Das katho­li­sche Kir­chen­ober­haupt habe Ruß­land dazu auf­ge­ru­fen, die Bezie­hun­gen zum Westen nicht abzu­bre­chen. Fran­zis­kus habe sich viel­mehr für die wirt­schaft­li­che Ein­bin­dung Ruß­lands und gegen Sank­tio­nen und wirt­schaft­li­che Ein­schrän­kun­gen ausgesprochen.

Ria Novo­sti zitiert Sewast­ja­now mit den Worten:

„Der Papst über­mit­telt Ruß­land Grü­ße und sei­nen Segen. Er bekräf­tigt, daß Russ­land ein gro­ßes Land ist, daß das rus­si­sche Volk, die Spra­che und die Kul­tur groß­ar­tig sind. Der Papst sag­te, er ehre die rus­si­sche Kul­tur nicht weni­ger als die spa­ni­sche Kul­tur. Ihm zufol­ge hat die rus­si­sche Kul­tur der Welt eine ‚gro­ße Schicht‘ von Schrift­stel­lern, Theo­lo­gen und Hei­li­gen geschenkt. Er sagt, daß er für das rus­si­sche Volk betet und möch­te, daß es die Mög­lich­keit fin­det, lang­fri­stig einen gerech­ten Frie­den zu schließen.“

Unbe­irrt hält Fran­zis­kus gegen alle Kri­tik in der Ukrai­ne und im Westen an sei­nem Kurs fest – das ist die bis­her bedeu­tend­ste Abwei­chung von einem anson­sten den west­li­chen Eli­ten sehr dienst­ba­ren Kurs. Dabei muß sich das Kir­chen­ober­haupt aber nicht gegen die UNO stel­len, die durch die gegen­sätz­li­chen Posi­tio­nen im Welt­si­cher­heits­rat (USA, Groß­bri­tan­ni­en und Frank­reich auf der einen und Ruß­land und die Volks­re­pu­blik Chi­na auf der ande­ren Sei­te) neu­tra­li­siert ist.

Rußlands Altgläubige

Die soge­nann­ten rus­si­schen Alt­gläu­bi­gen sind eine Rich­tung inner­halb der rus­si­schen Ortho­do­xie, die auf das 17. Jahr­hun­dert zurück­geht, als ein Teil der rus­sisch-ortho­do­xen Kir­che eine Lit­ur­gie­re­form des dama­li­gen Mos­kau­er Patri­ar­chen Nikon (1651–1660) als „zu römisch“ ablehn­te. Da nach­ge­wie­sen wer­den konn­te, daß die Alt­gläu­bi­gen sich zwar vom rus­si­schen, aber nicht vom alt­by­zan­ti­ni­schen Ritus unter­schei­den, hob der Staat 1905 alle Beschrän­kun­gen und das Mos­kau­er Patri­ar­chat 1971 auch den Kir­chen­bann gegen sie auf.

Die Zahl der Alt­gläu­bi­gen wird heu­te für Ruß­land mit einem Pro­zent der Gesamt­be­völ­ke­rung angegeben.

Die Welt­uni­on der Alt­gläu­bi­gen wur­de von Leo­nid Sewast­ja­now 2019 als Inter­es­sen­ver­tre­tung der Alt­gläu­bi­gen gegrün­det, für die er bereits seit 2010 in ver­schie­de­nen Gre­mi­en aktiv ist, so in der mit dem Mos­kau­er Patri­ar­chat ver­bun­de­nen St.-Georgs-Stiftung und im Kon­takt­ko­mi­tee der alt­gläu­bi­gen Gemein­den Mos­kaus. Im kon­kre­ten Fall geht es weni­ger um deren zah­len­mä­ßi­ge Stär­ke, son­dern um den per­sön­li­chen Kon­takt zwi­schen Leo­nid Sewast­ja­now und Papst Franziskus. 

Leonid Sewastjanow

Sewast­ja­now, der auch in West­eu­ro­pa und den USA stu­dier­te, gab Anfang des Jah­res bekannt, wegen des Ukrai­ne­krie­ges in einem engen Brief­kon­takt mit dem katho­li­schen Kir­chen­ober­haupt zu ste­hen. Die Ver­bin­dun­gen zwi­schen bei­den sei jedoch viel älter und betref­fen auch sei­ne Frau, die Opern­sän­ge­rin Swet­la­na Kas­jan, die geor­gi­scher, ursprüng­lich jesi­di­scher Abstam­mung ist. 

Die Sewast­ja­nows mit Papst Franziskus

Papst Fran­zis­kus hat­te Kas­jan im Novem­ber 2013 nach einem Kon­zert, das von Kar­di­nal Rava­si und dem Päpst­li­chen Kul­tur­rat ver­an­stal­tet wor­den war, in Audi­enz emp­fan­gen. Wei­te­re Audi­en­zen folg­ten. Ihren 35. Geburts­tag fei­er­te die Sän­ge­rin 2019 mit Papst Fran­zis­kus im Vati­kan, der sie mit einer Tor­te und bren­nen­den Ker­zen emp­fing. Als Kas­jan am 3. Sep­tem­ber des­sel­ben Jahrs in der Are­na von Vero­na als Aida debü­tier­te, schick­te ihr Papst Fran­zis­kus einen Blu­men­strauß in die Gar­de­ro­be und wünsch­te ihr ein erfolg­rei­ches Debüt. Der Kon­takt Sewast­ja­nows zum Papst scheint über sei­ne Frau erfolgt zu sein. Das jüng­ste Kind des Ehe­paars, der am 29. Juli 2022 gebo­re­ne Sohn, wur­de nach dem Papst Fran­zis­kus benannt. 

Der Papst ernann­te das Ehe­paar am 5. Mai 2022 zu „Bot­schaf­tern des Frie­dens in der Welt“.

Im ver­gan­ge­nen Mai for­der­te Sewast­ja­now im Namen der Welt­uni­on ein Abtrei­bungs­ver­bot in Ruß­land, denn nur ein­deu­ti­ge Maß­nah­men könn­ten den von der Regie­rung gewünsch­ten demo­gra­fi­schen Wan­del wirk­lich beeinflussen.

Sewast­ja­now ist bei sei­nen Frie­dens­be­mü­hun­gen nicht „ein Mann Putins“, son­dern des Pap­stes, der wie schon in ande­ren Fäl­len par­al­lel und unab­hän­gig zur Vati­kan­di­plo­ma­tie sei­ne eige­nen Initia­ti­ven ver­folgt. Und hier kommt ins Spiel, daß Sewast­ja­now über gute Kon­tak­te sowohl zum Kreml als auch zum Mos­kau­er Patri­ar­chat ver­fügt. Gegen­über letz­te­rem gab es einen Rück­schlag, als Sewast­ja­nows wich­tig­ster Ansprech­part­ner, der „Außen­mi­ni­ster“ des Patri­ar­chats, Metro­po­lit Hila­ri­on, eini­ge Mona­te nach Kriegs­aus­bruch sei­nes Amtes ent­bun­den und nach Ungarn ver­setzt wurde.

Fakt ist, daß Sewast­ja­now mit Bil­li­gung von Fran­zis­kus in Ruß­land als „eine Art „Spre­cher des Pap­stes“ auf­tritt. Fakt ist auch, daß die­se Par­al­lel­di­plo­ma­tie von Fran­zis­kus nicht weni­ge im Vati­kan irri­tiert und natür­lich all jene empört, die im herr­schen­den Krieg Par­tei für die Ukrai­ne ergrei­fen. Fakt ist aller­dings auch, daß Fran­zis­kus über die­se Kanä­le mehr Auf­merk­sam­keit erregt als über die offi­zi­el­len Kanäle.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: AsiaNews/​KP (Screen­shots)

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Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

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3 Kommentare

  1. Wo bleibt sein Ein­satz, gegen die Herr­scher in Lateinamerika,
    die ihr Volk ver­hun­gern las­sen und die Chri­sten verfolgen?

    Um Bot­schaf­ter des Frie­den zu sein,
    braucht man kei­nen Titel von Papst.

    Es ist nur eine Anga­be, um zu gefallen.

    Es gibt vie­le Chri­sten, die für den
    Frie­den beten und kei­ne welt­li­che Würdigung
    benötigen.

  2. Das war schon im Febru­ar 2023! Sie­he Link.
    Des­halb berich­ten die ande­ren Medi­en jetzt nicht. Sie soll­ten bes­ser recher­chie­ren, vor allem bezüg­lich Russland.

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