Widerspruch von Rino Cammilleri*
Es genügt, wenn drei oder vier selbsternannte „Vertreter“ der Indianervölker Südamerikas ihre Stimme und ihre Fäuste erheben, und die Kleriker fallen auf die Knie und entschuldigen sich eilig, auch für das, was die Kirche nicht getan hat.
Vor Jahren, bei einem der vielen „Gipfeltreffen“ in Rio zur „Rettung“ des Amazonas-Regenwaldes, in Anwesenheit von „Experten“ wie Sting, Bono, Rigoberta, herrschte blankes Entsetzen, als ein Yanomami-Häuptling in einem Leopardenfell auftauchte. Wie, wir sind hier, um die Umwelt zu retten, und Sie töten ein geschütztes Tier? Der Indianer antwortete seraphisch: Was soll ich denn tun, wenn mich ein Panther im Dschungel angreift? Und dann fügte er hinzu: Die Wahrheit ist, daß ihr wollt, daß wir wie ein Zoo zu eurer touristischen Unterhaltung leben, aber wir wollen auch beheizte Häuser, Handys, Internet und Flugzeuge, um das nächste Krankenhaus zu erreichen, angesichts der Entfernungen hier.
Nun, da in den Medien nur die Schlagzeilen zählen, ist es nicht nötig, den genauen Wortlaut des Dokuments zu lesen: Inzwischen ist allgemein bekannt, daß sich der Vatikan von seiner alten „kolonialen“ Doktrin „distanziert“.
Demnach wäre es vor fünf Jahrhunderten falsch gewesen, Spanien zu „zwingen“, die erste – und einzige – Missionsnation der Geschichte zu werden, indem von ihr verlangt wurde, die Indianer zu evangelisieren. Da staunt man schon, daß ein mächtiger König wie Ferdinand von Aragon und seine Frau Isabella von Kastilien angeblich den Papst um Erlaubnis gebeten hätten, sich in der Neuen Welt niederzulassen. Frankreich und England haben sich ja schließlich davor gehütet.
Außerdem: Ist Evangelisierung gleichbedeutend mit Kolonisierung oder, schlimmer noch, mit Versklavung?
Etwas Nachhilfeunterricht: Der erste Kontakt von Kolumbus mit den Araukanern verlief folgendermaßen: Sie baten ihn um Hilfe gegen die benachbarten Kariben, die Kannibalen waren. Dasselbe geschah mit Cortés und Pizarro, die von den Völkern, die von den Azteken und Inkas als Menschenopfer benutzt wurden, als Befreier begrüßt wurden und sich mit ihnen verbündeten.
Polemische Klammer auf: Ist das Wort „Kolonie“ wirklich so schlimm?
Die Römer haben es erfunden – es kommt von lat. „colere“, „das Land bestellen“ – und mit großem Erfolg angewandt. Und man könnte, sagen wir, die Afrikaner fragen, ob es ihnen heute besser geht, weil die weißen Kolonisatoren weg sind, jene Kolonisatoren, die sie zumindest davon abgehalten haben, sich gegenseitig abzuschlachten, wie sie es seither wieder häufig getan haben; und danach, wer diejenigen sind, die heute ihren Topf füllen…
Doch dann kamen die Sozialromantiker, dann die Marxisten und nahmen sich der „Kolonie“ an und machten „Kolonialismus“ daraus.
Es schmerzt mich, es zu sagen, aber der Initiator der schlechten Gewohnheit, sich bei denen zu entschuldigen, die sich eigentlich entschuldigen sollten, war Papst Wojtyla. Dieser wenn auch große Papst hielt es für gut und richtig, das dritte Jahrtausend mit einem Mea culpa, einer Entschuldigungsbitte, zu eröffnen. Er hatte es gut gemeint. Er meinte so etwas wie: Meine Herren (und Damen) Säkularisten, wenn die Katholiken, die ich vertrete, Ihnen im Laufe der Jahrhunderte Unrecht getan haben, dann bitte ich Sie um Verzeihung, hier ist die Hand und lassen Sie uns in die Zukunft schauen.
Sie spuckten aber auf diese Hand und sagten: Seht ihr, wir hatten Recht! Die klerikalistischen Pfaffen wollten die Hosen nicht runterlassen, aber jetzt hat es der Papst gesagt!
Es genügt, den Film „Mission“ anzuschauen. Es war der aufgeklärte Freimaurer Marquis von Pombal, der die Indianer versklaven wollte, die – anders als im Film dargestellt – von den Jesuiten bewaffnet und in den Kampf gegen die Paulistas und Bandeirantes, die Sklavenjäger aus São Paulo, geführt wurden.
Im englischen Nordamerika hingegen gab es keine „Schwarzkittel“, keine Jesuiten-Evangelisierer. Und siehe da, dort sind die Indianer, anders als im Süden, tatsächlich von der Bildfläche verschwunden.
Die Millionen-Dollar-Frage, die (wegen der famosen Tabuisierung) niemand stellt, weil sie die ganze Diskussion in Windeseile entlarven und im Nichts auflösen würde, lautet schlicht und einfach: Ging es den Indianern besser, bevor die Spanier sie evangelisierten?
*Rino Cammilleri, 1950 auf Sizilien geboren, Studium der Politikwissenschaften, militanter Aktivist der außerparlamentarischen Linken, Bekehrung zum katholischen Glauben, akademische Laufbahn, Dozent für Diplomatisches und Konsularisches Recht und Soziologie an der Universität Pisa, lebt heute als freier Publizist in Mailand.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons
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