Schon die alten Römer wußten: Brot und Spiele braucht es, um das Volk bei Laune und unter Kontrolle zu halten. Das Überhandnehmen von Gesten, Geschenken und Show-Effekten hat zum Vorwurf der Show-Politik geführt. Unter Papst Franziskus, dem „Papst der Gesten“, scheinen manche dies als Handlungsanleitung für die Kirche insgesamt zu betrachten – auch in Österreich.
Im Jahr 1600 kamen die ersten Jesuiten in die an der Donau gelegene Stadt Linz. Sie errichten dort ein Kolleg, ein Seminar (Gymnasium) und die damals größte und prächtigste Kirche.
1708 schaffen die Söhne des heiligen Ignatius noch eine weitere Einrichtung in Linz, das Collegium Nordicum zur Ausbildung von Söhnen skandinavischer Katholiken, die in ihren Heimatländern nicht möglich war, da dort das lutherische Bekenntnis Staatsreligion war. 1730 wurde das Nordicum zum zweiten Jesuitenkolleg der Stadt erhoben.
1773 wurde die Gesellschaft Jesu, so der eigentliche Name des Jesuitenordens, unter dem Druck des freimaurerisch durchtränkten Staatsabsolutismus vom Papst aufgehoben. Die Jesuiten hatten auch Linz zu verlassen. Die Jesuitenkirche wurde kurz darauf zur Bischofskirche der 1785 von Kaiser Joseph II. neuerrichteten Diözese Linz, deren Gebiet aus der alten Diözese Passau herausgelöst wurde.
1837 riefen die Habsburger den inzwischen reaktivierten Orden in die Stadt zurück. Die Jesuiten errichten nun auf dem zur Stadt gehörenden Freinberg ein Institut für das ordensinterne Philosophiestudium, bis sie die Revolutionäre von 1848 erneut vertreiben.
Bereits 1851 können sie auf den Freinberg zurückkehren und das Kolleg wiederbeleben. Bis Ende des 19. Jahrhunderts wird am dortigen Gymnasium fast der gesamte künftige Klerus der Diözese ausgebildet und natürlich noch viele andere aus Stadt und Land dazu.
1909, als die Diözese einen neuen Dom baut, erhalten die Jesuiten ihre alte Kirche zurück, der seither als „Alter Dom“ bekannt ist.
1938 werden sie ein zweites Mal, diesmal durch den Nationalsozialismus, verboten, können jedoch nach dem Zweiten Weltkrieg ein weiteres Mal nach Linz zurückkehren.
Als das Zweite Vatikanische Konzil beginnt, befindet sich der Jesuitenorden auf dem Höhepunkt seiner Blüte. Er zählt fast doppelt so viele Mitglieder wie zum Zeitpunkt seiner ersten Hochblüte, als er 1773 aufgehoben wurde. Im Gefolge des Zweiten Vaticanum setzt ein schneller Niedergang ein.
Das Gymnasium am Freinberg gibt es noch heute, doch die Jesuiten haben es bereits Anfang der 90er Jahre verlassen. Ihr letzter Stütztpunkt in der Stadt war der „Alte Dom“. Von ihm haben sie sich am 1. August zurückgezogen.
Und was geschieht mit der prächtigen Linzer Jesuitenkirche? Sie wird, wie sich die Kirchenverantwortlichen ihrer eigenen Ideen erfreuen, der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche, einer mit Rom unierten Ostkirche übergeben. Wie schön, denkt man sich, eine Geste gegenüber den geschundenen Ukrainern, denen viel Sympathie entgegengebracht wird. Natürlich. Genau darum soll es hier gehen, doch genau darum sollte es in Wirklichkeit nicht gehen. Und ja: Besser so, als wenn ein Supermarkt oder eine Werkstatt daraus würde.
Aber eine so große und symbolträchtige Kirche? Warum gerade den griechisch-katholischen Ukrainern? Der Verdacht der Show-Politik drängt sich auf. In den oberen Kirchenetagen scheint man förmlich nach Aufmerksamkeit im Mainstream zu lechzen.
Vor Ausbruch des offenen Krieges zwischen Rußland und der Ukraine, im Februar 2022, gab es in Linz eine ukrainische griechisch-katholische Gemeinde mit 50 Gläubigen. Ihre Zahl soll seither „sprunghaft gewachsen“ sein, wie es auf der Seite der Diözese heißt. Das will man den Ukrainern zuliebe nicht hoffen und darf es auch bezweifeln.
Sprunghaft wuchs der Anteil bereits vor dem Krieg. In den 20 Jahren vor Kriegsausbruch versechsfachte er sich durch Einwanderung von 2.000 auf 12.000 ukrainische Staatsbürger.
Sprunhaft gewachsen ist seither die Zahl der ukrainischen Flüchtlinge. In Österreich wird deren Zahl mit rund 70.000 angegeben. Die mit Rom unierten Katholiken machen je nach Angabe zwischen sechs und zwölf Prozent der Ukrainer aus. Sie konzentrieren sich schwerpunktmäßig im Grenzgebiet zu Polen. Ihr Anteil im Kriegsgebiet, und insgesamt im Osten und Süden der Ukraine, liegt bei weniger als 0,5 Prozent. In der Westukraine ist, abseits der Einberufungen zum Kriegsdienst, im täglichen Leben vom Krieg, Gott sei Dank, wenig zu spüren.
Unabhängig von der Zahlenfrage signalisieren die Kirchenverantwortlichen mit der Übergabe des „Alten Doms“ neben der gerade politisch gewünschten „Geste“ auch, daß nicht mit einer Rückkehr der ukrainischen Flüchtlinge in ihre Heimat gerechnet wird. Das entspricht den insgeheimen politischen Wünschen der Regierung in Wien, denen die Kirche (in diesem wie in anderen Punkten) bereitwillig sekundiert. Damit soll ein wenig dem demographischen Dilemma begegnet werden.
423 Jahre waren die Jesuiten in Linz. Die Anwesenheit spiegelt alle Höhen und Tiefen einer ebenso glorreichen wie turbulenten Geschichte wider. Nun wird der Abgang zum Spiel der Gesten.
Von der Politik kennt man die tagesaktuelle Theatralisierung. Muß dem aber auch die Kirche folgen und Strohfeuer entfachen?
Text: Martha Burger/Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons