(Rom) Papst Franziskus gab am 25. März dem argentinischen Sender Channel 5 News (C5N) ein Interview anläßlich seines zehnjährigen Thronjubiläums. Es wurde zunächst für den kommenden Gründonnerstag angekündigt, sein Inhalt aber schon vorab bekannt. Papst Franziskus sorgt sich darin über eine „ungerechte Justiz“, die gegen linke Politiker ermittelt, und beklagt einen „Vormarsch der extremen Rechten“. Kurzum, Franziskus sprach, worüber er gerne spricht, über seine politischen Präferenzen.
In dem Interview geht Franziskus ausführlich auf „lawfare“ ein, einen Neologismus, der den Mißbrauch der Justiz zur Diskreditierung eines Gegners meint. Franziskus besorgt dieses Phänomen, wenn es sich gegen lateinamerikanische Linkspolitiker richtet. Die Anhänger von Brasiliens Staatspräsident Lula da Silva machten „lawfare“, als dessen Opfer sie Lula sehen, zu einem Schlagwort in der politischen Auseinandersetzung.
Donald Trump macht das gleiche gegen sich geltend, muß jedoch vergebens auf päpstliche Unterstützung warten.
Parallel dazu ist Franziskus besorgt über den Vormarsch der „extremen Rechten“, oder sagen wir besser, was er darunter versteht. „Extrem“ meint gewalttätig, doch Franziskus verzichtete darauf, näher zu benennen, wo dieser „Vormarsch“ stattfindet. Verständlich ist der Zusammenhang nicht, denn Lateinamerika, um das es im Interview schwerpunktmäßig geht, ist fest in linker Hand. Nur die Etiketten, unter denen diese auftritt, variieren zwischen den einzelnen Staaten, hier Demokratischer Sozialismus, dort Sozialismus des 21. Jahrhunderts, da Progressivismus, dort Peronismus usw.
Mit dem Bonmot, er wünsche „reinrassige“ Politiker, meint Franziskus soviel wie Vollblutpolitiker. Und diese sollten, so der von ihm vermittelte Eindruck, unbedingt links sein. Rechte Politiker mag Franziskus nicht. Sie werden von ihm auch nicht empfangen, wenn es sich nicht gerade um ein Staatsoberhaupt handelt und der Papst protokollarisch dazu „gezwungen“ ist. Es könnte also durchaus sein, daß Franziskus rechte Politiker meint, aber von „Rechtsextremen“ spricht. Allerdings ist auch das eine grobe Form der Diskreditierung. Vielleicht sollte jemand den Papst darauf aufmerksam machen.
Es ist bekannt, daß sich Franziskus für den brasilianischen Sozialisten Lula da Silva engagierte, als dieser im Gefängnis saß. Das Blatt hat sich dann auch gewendet und Lula sitzt inzwischen wieder im Präsidentenpalast. Papst Franziskus sprach damals von einem „Putsch mit weißen Handschuhen“ und einer Instrumentalisierung der Justiz. Diese gibt es in verschiedenen Ländern und Kontexten, nicht nur gegen Linkspolitiker.
An die argentinische Politik gerichtet, betonte Franziskus die Zusammenarbeit. Regierung und Opposition sollten immer miteinander reden. Dabei könne über alles polemisiert werden, aber der Dialog dürfe nie enden. Alles andere sei „schädlich“.
„Politik ist die Kunst, ein Projekt zu präsentieren und die anderen zu überzeugen.“
Vielleicht wäre dabei auch eine Ermahnung nicht schlecht, daß bei der Präsentation eines Projekts nicht gelogen werden und Machtinstrumente nicht zur Durchsetzung mißbraucht werden sollten. Anders ausgedrückt: Das Problem sind nicht eben nicht nur mögliche Konflikte zwischen Parteiungen. Der Mißbrauch kennt viele Gesichter und betrifft nicht nur die Justiz in Brasilien. Doch hören wir weiter, was Papst Franziskus sagte:
„Die extreme Rechte ist immer zentripetal.“
VaticanNews übernahm die Diktion unhinterfragt und präsentierte sie als Tatsache:
„Mit Blick auf den Vormarsch der Rechtsextremen in verschiedenen Ländern gab Franziskus zu, daß er über dieses Phänomen besorgt sei, und erklärte, daß ‚die Rechtsextremen sich immer wieder neu formieren, das ist merkwürdig, sie formieren sich immer wieder neu, sie sind zentripetal, sie sind nicht zentrifugal, sie schaffen keine Reformmöglichkeiten nach außen‘.“
Falls jemand mit dem Begriff nichts anzufangen wissen sollte: Zentripetal meint das Gegenteil von zentrifugal. Ob Franziskus damit eine zusammenstrebende, einigende Kraft meinte oder vielmehr äußeren Druck auf ein Zentrum, muß sich nun jeder selber denken. Man erahnt jedoch, zumal er es verurteilt, daß er damit eine Art „Abschottung“ und „Ausgrenzung“ meinen könnte, und es vor allem mit einem schrankenlosen „Recht auf Migration“ zu tun haben dürfte.
„Als Gegenmittel gegen die Rechtsextremen“, so VaticanNews, wo man den „Feind“ offensichtlich ebenso fest im Blick zu haben scheint wie Franziskus selbst, „nannte der argentinische Pontifex die soziale Gerechtigkeit. ‚Es gibt keine andere Lösung‘, betonte der Papst.“ Dieser liefert auch gleich eine Handlungsanweisung:
„Wenn Sie sich mit einem Politiker oder einem rechtsextremen Denker auseinandersetzen wollen, sprechen Sie über soziale Gerechtigkeit, sprechen Sie horizontal.“
Die horizontale Präferenz ist anhand der politisch Linken durchaus folgerichtig.
Im Zusammenhang mit dem bereits genannten Lula da Silva fordert Franziskus dazu auf, „die Stimme zu erheben: Wir müssen sagen, daß es hier eine Unregelmäßigkeit gibt“ und „die Politiker die Aufgabe haben, ein Justizsystem zu entlarven, das nicht gerecht ist“.
Franziskus betont zugleich, daß die Kirche die Heimat „aller“, auch der Homosexuellen sei. Zum priesterlichen Zölibat fiel ihm vor allem ein, daß es sich dabei um „kein Dogma“ handle und die mit Rom unierten Ostkirchen bereits „verheiratete Priester haben“.
Kardinal Jean-Claude Hollerich SJ, der als Papstvertrauter im C9-Kardinalsrat die Aufgabe des ausgeschiedenen Kardinal Óscar Rodríguez Maradiaga SDB zu übernehmen scheint, übersetzte diese päpstlichen Aussagen wenige Tage später in eine etwas konkrete Sprache.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: C5N (Screenshot)