Die Anerkennung des Großorients durch die Großloge von England

Und die Frage nach der Vereinbarkeit von Kirche und Loge


Die Vereinigte Großloge von England, die Mutterloge der Weltfreimaurerei und höchste Vertreterin der regulären Freimaurerei, will den irregulären Großorient von Italien anerkennen, aber gleichzeitig eine Erklärung der Kirche zur Vereinbarkeit von Kirche und Loge erhalten.
Die Vereinigte Großloge von England, die Mutterloge der Weltfreimaurerei und höchste Vertreterin der regulären Freimaurerei, will den irregulären Großorient von Italien anerkennen, aber gleichzeitig eine Erklärung der Kirche zur Vereinbarkeit von Kirche und Loge erhalten.

Von Pater Pao­lo M. Sia­no*

In der ita­lie­ni­schen Tages­zei­tung Il Fat­to Quo­ti­dia­no vom 1. März 2023, im Arti­kelDie eng­li­sche Frei­mau­re­rei nimmt den Groß­ori­ent wie­der auf, aber die ‚Brü­der‘ spal­ten sich. Di Ber­nar­do: ‚Unver­ständ­li­che Ent­schei­dung‘“, schreibt Mario Porta­no­va, daß die Ver­ei­nig­te Groß­lo­ge von Eng­land (UGLE) beschlos­sen hat, die frei­mau­re­ri­sche Aner­ken­nung an „die wich­tig­ste und zahl­reich­ste Obö­di­enz in unse­rem Land“, den Groß­ori­ent von Ita­li­en – Palaz­zo Giu­sti­nia­ni (GOI) unter der Lei­tung von Groß­mei­ster Ste­fa­no Bisi, zurück­zu­ge­ben. Porta­no­va erklärt, daß die Aner­ken­nung am 8. März statt­fin­den wird. Bis­her (zum Zeit­punkt der Abfas­sung die­ses Arti­kels) habe ich auf frei­mau­re­ri­schen Web­sites noch kei­ne Bestä­ti­gung für die erfolg­te Aner­ken­nung gefunden.

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Las­sen Sie uns eini­ge Schrit­te zurück­ge­hen. 1972 erkann­te die Ver­ei­nig­te Groß­lo­ge von Eng­land den 1805 gegrün­de­te Groß­ori­ent von Ita­li­en zum ersten Mal offi­zi­ell an, ent­zog ihr aber 1993 die­se Aner­ken­nung, nach­dem der dama­li­ge Groß­mei­ster des Groß­ori­ents, Giu­lia­no Di Ber­nar­do (1990–1993), den Groß­ori­ent ver­las­sen hat­te. Er behaup­te­te näm­lich, im Groß­ori­ent nicht mehr den Geist der wah­ren Frei­mau­re­rei zu sehen, wes­halb er 1993 die Regu­lä­re Groß­lo­ge von Ita­li­en (GLRI) grün­de­te, die sofort von der Ver­ei­nig­ten Groß­lo­ge von Eng­land aner­kannt wurde.

Sitz der Groß­lo­ge von Eng­land (Mut­ter­lo­ge der Welt­frei­mau­re­rei), London

Wie auf der Web­site des Groß­ori­ents zu lesen ist, bestehen jedoch bereits seit eini­gen Jah­ren wie­der Bezie­hun­gen zwi­schen ihm und der Groß­lo­ge von Eng­land. Im Jahr 2007 nahm der Groß­mei­ster des Groß­ori­ents an einer von der Groß­lo­ge von Eng­land orga­ni­sier­ten Son­der­sit­zung teil. Im Jahr 2013 orga­ni­sier­te der Groß­ori­ent die 24. Euro­päi­sche Kon­fe­renz der Groß­se­kre­tä­re und Groß­kanz­ler (der regu­lä­ren Groß­lo­gen) in Rom, an der auch eine Ver­tre­tung der Groß­lo­ge von Eng­land teilnahm.

Kürz­lich pran­ger­te der ehe­ma­li­ge Groß­mei­ster Giu­lia­no Di Ber­nar­do die Unter­wan­de­rung des Groß­ori­ents durch die Mafia in der Regi­on Kala­bri­en an, wor­auf­hin der Groß­mei­ster des Groß­ori­ents, Ste­fa­no Bisi, die Anschul­di­gun­gen zurück­wies. Di Ber­nar­do ver­klag­te Bisi dar­auf­hin wegen Ver­leum­dung, aber der Groß­ori­ent gewann den Pro­zeß. Di Ber­nar­dos Anschul­di­gun­gen gegen Bisi wur­den zurück­ge­wie­sen (hier ist die gan­ze Geschich­te vom Groß­ori­ent zusam­men­ge­faßt). In der Fol­ge beschloß die indi­sche Regie­rung, gegen Di Ber­nar­do wegen eini­ger sei­ner Äuße­run­gen vom 20. Janu­ar 2023 gericht­lich vorzugehen.

In Mario Porta­no­vas Arti­kel lesen wir, daß eine wich­ti­ge Bedin­gung für die Aner­ken­nung des Groß­ori­ents von Ita­li­en durch die Ver­ei­nig­te Groß­lo­ge von Eng­land dar­in besteht, daß der Groß­ori­ent und die Regu­lä­re Groß­lo­ge von Ita­li­en bereit sind, sich gegen­sei­tig anzu­er­ken­nen, d. h. brü­der­li­che Bezie­hun­gen zuein­an­der auf­zu­neh­men. Die Groß­mei­ster des Groß­ori­ents und der Groß­lo­ge von Ita­li­en sind dazu bereit. Es bleibt abzu­war­ten – so Porta­no­va –, was die Basis der bei­den frei­mau­re­ri­schen Obö­di­en­zen davon hal­ten wird. Porta­no­va befrag­te Giu­lia­no Di Ber­nar­do, ehe­ma­li­ger Groß­mei­ster sowohl des Groß­ori­ents (1990–1993) als auch der Groß­lo­ge von Ita­li­en (1993–2001). Di Ber­nar­do sieht die Aner­ken­nung des Groß­ori­ents durch die Groß­lo­ge von Eng­land als Zei­chen einer „schlei­chen­den Kri­se“ in der bri­ti­schen Frei­mau­re­rei. Di Ber­nar­do zufol­ge wird „die frei­mau­re­ri­sche Regu­la­ri­tät immer vager und unbestimmter“.

Abge­se­hen von dem Arti­kel in Il Fat­to Quo­ti­dia­no und Di Ber­nar­dos Kri­tik an Groß­lo­ge von Eng­land – Groß­ori­ent – Groß­lo­ge von Ita­li­en und in Erwar­tung eines offi­zi­el­len Kom­mu­ni­qués über die Aner­ken­nung des Groß­ori­ents durch die Groß­lo­ge von Eng­land, gibt es eini­ge Über­le­gun­gen anzustellen.

Könn­te die Aner­ken­nung, die vom Groß­ori­ent von Ita­li­en sicher­lich begrüßt wird, zu einer Art „Eigen­tor“ für die Ver­ei­nig­te Groß­lo­ge von Eng­land wer­den? Las­sen Sie mich das erklären.

Wer sich seit Jah­ren mit den Ver­öf­fent­li­chun­gen des Groß­ori­ents oder der Frei­mau­rer des Groß­ori­ents (der Logen oder ein­zel­ner Frei­mau­rer) befaßt, kennt die fol­gen­den Merk­ma­le die­ser frei­mau­re­ri­schen Obö­di­enz, der älte­sten und zahl­reich­sten unter den noch exi­stie­ren­den ita­lie­ni­schen Freimaurereien:

1) Die Eso­te­rik, die nicht ein­fach als eine inne­re Suche nach dem Wah­ren, Guten und Schö­nen oder als eine Metho­de der Geheim­hal­tung vor den Pro­fa­nen (Nicht-Ein­ge­weih­ten) ver­stan­den wird, son­dern viel­mehr als die Gesamt­heit jener „Dis­zi­pli­nen“ oder „Wis­sen­schaf­ten“, die die Gno­sis des Den­kens und die Magie des Ritu­als gemein­sam haben (Gno­stik, Alche­mie, Her­me­tik, Kab­ba­la, Theur­gie…). Ele­men­te der eso­te­ri­schen Wis­sen­schaf­ten sind in den Riten, d. h. in den Kör­pern der Hoch­gra­de, die den Mei­ster­frei­mau­rern des Groß­ori­ents vor­be­hal­ten sind, deut­li­cher zu erken­nen. Ich wer­de nur den Alten und Ange­nom­me­nen Schot­ti­schen Ritus (AASR) und den Alten und Pri­mi­ti­ven Ritus von Mem­phis und Mis­ra­im (APRMM) anspre­chen. Es ist erwäh­nens­wert, daß der Groß­ori­ent 1805 im Rah­men des Ober­sten Rates des 33. und letz­ten Gra­des des Alten und Ange­nom­men Schot­ti­schen Ritus gegrün­det wur­de, der 1805 in Mai­land von ame­ri­ka­ni­schen und fran­zö­si­schen AASR-Frei­mau­rern des 33. Gra­des ins Leben geru­fen wor­den war. 

Sie­gel des Ober­sten Rats des 33. Gra­des des Alten und Ange­nom­me­nen Schot­ti­schen Ritus in Italien

Zu den für die Kon­sti­tu­ie­rung des AASR in Ita­li­en genann­ten Grün­den gehör­te: um die Hohen Mysti­schen Wis­sen­schaf­ten zu schüt­zen… Die­se sind natür­lich nicht die hei­li­ge katho­li­sche Theo­lo­gie. In die­sem Zusam­men­hang habe ich ent­deckt, daß der Frei­mau­rer Fran­ces­co Bru­nel­li (Groß­ori­ent, Alter und Pri­mi­ti­ver Ritus von Mem­phis und Mis­ra­im, Bischof der Gno­sti­schen Kir­che, Groß­mei­ster des Mar­ti­ni­sti­schen Ordens, usw.) in der Rivi­sta Masso­ni­ca, der Ver­bands­zeit­schrift des Groß­ori­ents, Nr. 8/​1971, in dem Arti­kel „Una neces­sa­ria pre­cis­a­zio­ne sul­l’Or­di­ne degli elet­ti Cohen“ („Eine not­wen­di­ge Klar­stel­lung über den Orden der aus­er­wähl­ten Cohens“), auf Sei­te 432 die fol­gen­de Pas­sa­ge aus den Sta­tu­ten des Groß­ori­ents von Frank­reich (1804, t. I, fasc. 4, S. 369) zitiert:

„Unter den ver­schie­de­nen Riten, in denen sich die gebil­det­sten Frei­mau­rer seit jeher enga­gie­ren und die tief­ste Über­zeu­gung haben, daß ihre Beharr­lich­keit in ihren Arbei­ten das Maß ihrer Kennt­nis­se ver­meh­ren und sie zu den Hohen Wis­sen­schaf­ten füh­ren muß, ist der Ritus der Aus­er­wähl­ten Cohens der­je­ni­ge, der die größ­te Zahl von Schü­lern gewon­nen hat und der das Geheim­nis sei­ner geheim­nis­vol­len Wer­ke mit der größ­ten Genau­ig­keit bewahrt…“

Die „Hohen Wis­sen­schaf­ten“ der Aus­er­wähl­ten Cohens (ein Orden, der sich der theur­gi­schen oder „ange­li­schen“ Magie wid­met) im Grand Ori­ent de France von 1804 sind also nichts ande­res als die „Hohen Mysti­schen Wis­sen­schaf­ten“ im Alten und Ange­nom­me­nen Schot­ti­schen Ritus und im Groß­ori­ent von Ita­li­en von 1805. Kurz­um: Magie oder Theur­gie, wie man sie auch nen­nen mag!

2) Anti­dog­ma­ti­sches Frei­den­ker­tum, d. h. die Abnei­gung gegen Dog­men, gegen defi­ni­ti­ve und end­gül­ti­ge Wahr­hei­ten, ins­be­son­de­re der katho­li­schen Kir­che. Selbst in jüng­ster Zeit hat der Groß­ori­ent die Figur des Giord­a­no Bru­no geprie­sen, eines „Mär­ty­rers“ des frei­en Den­kens, Pan­the­isten, Ägyp­top­hi­len, Magiers…

3) Die star­ke Tra­di­ti­on des Anti­kle­ri­ka­lis­mus des Risor­gi­men­to, die gera­de im anti­dog­ma­ti­schen Ratio­na­lis­mus, aber auch in der gno­sti­schen und eso­te­ri­schen Opti­on wur­zelt… Eine Hym­ne des radi­kal­sten frei­mau­re­ri­schen Anti­kle­ri­ka­lis­mus des 19. Jahr­hun­derts ist die Hym­ne an Satan von Gio­suè Car­duc­ci, die 1863 ver­faßt wur­de. Car­duc­ci war im Jahr zuvor (1862) in die Frei­mau­re­rei auf­ge­nom­men wor­den. Der Text in den ersten Ver­sen offen­bart sogar einen gno­sti­schen Inhalt, denn Satan wird als die Ver­ei­ni­gung von Gegen­sät­zen dar­ge­stellt, näm­lich: „de l’e­s­se­re prin­ci­pio immenso/​ Mate­ria e spirito/​ Ragio­ne e sen­so“ („Der alles Seins du Quell und Beginn bist, Geist und Mate­rie, Ver­nunft und Sinn bist“). Ver­ges­sen wir nicht, daß die „con­ci­lia­tio oppo­si­torum“ ein grund­le­gen­des Prin­zip in der Kab­ba­la, der Alche­mie, der Her­me­tik… ist.

Gio­suè Car­duc­cis Hym­ne an Satan wur­de unter dem Pseud­onym „Eno­trio Roma­no“ im Bol­let­ti­no del Gran­de Ori­en­te del­la Massoneria in Ita­lia (Bul­le­tin des Groß­ori­ents der Frei­mau­re­rei in Ita­li­en), Bd. II, Jahr III, Fasz. VII–XI, September–Dezember 1867 /​ Janu­ar 1868, Flo­renz 1869, S. 330–334, ver­öf­fent­licht. Die­se Hym­ne ist kein Relikt des 19. Jahr­hun­derts geblie­ben, da sie von den Frei­mau­rern des Groß­ori­ents bis heu­te geschätzt wird [Car­duc­ci erhielt 1906 den Lite­ra­tur­no­bel­preis]. Ich zitie­re nur einen Arti­kel aus der Zeit­schrift Secre­ta, die von Gian­mi­che­le Galas­si (Groß­ori­ent) her­aus­ge­ge­ben wur­de. Ich weiß nicht, ob die Zeit­schrift noch exi­stiert. In der Num­mer 6, Juni 2010, von Secre­ta erklärt Mar­co Roc­chi (Frei­mau­rer­mei­ster des Groß­ori­ents) in dem Arti­kelQuel Dia­vo­lo d’un Car­duc­ci“ („Die­ser Teu­fel von Car­duc­ci“, S. 88–96), daß die­se Hym­ne „Hin­wei­se auf eine kla­re gno­sti­sche Matrix“ (S. 91) auf­weist: „Car­duc­ci lehnt den Gott der jüdisch-christ­li­chen Tra­di­ti­on als eifer­süch­tig und rach­süch­tig ab, einen Gott, der den Men­schen betrügt […], indem er ihn mit Dog­men und fal­schen Vor­ur­tei­len über­häuft und ihn an der Freu­de der For­schung und letzt­lich des Lebens hin­dert“ (S. 91).

Der Groß­ori­ent von Ita­li­en – Palaz­zo Giustiniani

Roc­chi wei­ter: „Und als Gegen­ge­wicht zu die­sem mysti­fi­zie­ren­den Gott gibt es den Satan von Car­duc­ci, ein Aus­druck, der kei­nes­wegs dämo­nisch ist, son­dern im wahr­sten Sin­ne des Wor­tes luzi­fe­risch (von „luci­fer“, ety­mo­lo­gisch ver­stan­den als „Trä­ger des Lichts“). Daher haben eini­ge katho­li­sche Kri­ti­ker Unrecht, wenn sie in der Hym­ne Spu­ren eines zur Schau gestell­ten – nicht exi­stie­ren­den – Sata­nis­mus frei­mau­re­ri­scher Inspi­ra­ti­on sehen“ (S. 91).

Laut Roc­chi gibt es also kei­nen Sata­nis­mus… Aber kön­nen wir wenig­stens „Luzi­fe­ris­mus“ sagen?

Roc­chi stellt fest, daß Car­duc­cis Satan „der Herr der Natur, der Lie­be – sowohl pla­to­nisch als auch ero­tisch“ (S. 94) ist, er ist „der Herr der Wis­sen­schaft und der Frei­heit“ (S. 95). Roc­chi teilt Mario Ret­to­ris Ein­schät­zung der Hym­ne an Satan: „Es han­delt sich um eine tri­um­pha­le Hym­ne auf den Fort­schritt, die Zivi­li­sa­ti­on, die Wis­sen­schaft, die Frei­heit des Den­kens, die Natur, die Lebens­freu­de, die Schön­heit, die Lie­be, auf alle Kräf­te des Lebens, kurz gesagt, auf alles, was vom reli­giö­sen und poli­ti­schen Obsku­ran­tis­mus und der Unbe­weg­lich­keit, dem Fana­tis­mus, dem Dog­ma­tis­mus und dem heuch­le­ri­schen und aber­gläu­bi­schen fal­schen Mora­lis­mus ver­ur­teilt wird, indem sie ihn tout court mit dem Übel (oder dem Bösen), d. h. mit Satan, iden­ti­fi­zie­ren“ (S. 95).

Roc­chi führt wei­ter aus:

„Letzt­lich ist der Satan des Dich­ters ein Mythos-Sym­bol jener Zivil­re­li­gi­on, die die Frei­mau­re­rei zunächst wäh­rend des Risor­gi­men­to und dann im ver­ei­nig­ten Ita­li­en auf­zu­bau­en ver­such­te“ (S. 95).

Kurz gesagt, den Frei­mau­rern des Groß­ori­ents gefällt alles in allem die Ver­tei­di­gung und Auf­wer­tung von Car­duc­cis Hym­ne an den Satan, weil ihnen, und dem gesam­ten Groß­ori­ent, das anti­kle­ri­ka­le Risor­gi­men­to des 19. Jahr­hun­derts gefällt, das im Satan Car­duc­cis das aus­drück­lich­ste und voll­stän­dig­ste luzi­fe­ri­sche Sym­bol (Licht­trä­ger) findet.

4) Der Anti­kle­ri­ka­lis­mus ver­bin­det sich mit dem Lai­zis­mus, d. h. der Tren­nung von Kir­che und Staat, die impli­zit oder expli­zit Ehe­schei­dung, Abtrei­bung, Expe­ri­men­te an mensch­li­chen Embryo­nen, homo­se­xu­el­le Ver­bin­dun­gen, Gen­der-Ideo­lo­gie, Eutha­na­sie… för­dert, kurz gesagt, alles, was gegen den Glau­ben und die Moral der katho­li­schen Kir­che ist.

Den irre­gu­lä­ren Groß­ori­ent von Ita­li­en drängt es zur Aner­ken­nung durch die regu­lä­re Frei­mau­re­rei der Groß­lo­ge von England

Kurz­um: Die Men­ta­li­tät, die kul­tu­rel­le, eso­te­ri­sche und ritu­el­le Welt des Groß­ori­ents ist ein­deu­tig und zwei­fels­oh­ne weit vom katho­li­schen Glau­ben ent­fernt. Wie kann man also eine Ver­ein­bar­keit behaup­ten zwi­schen dem Katho­lik­sein (Kle­ri­ker oder Laie) und Frei­mau­rer­sein des Groß­ori­ents? Wel­chen Glau­ben hat oder wird der katho­li­sche Kle­ri­ker oder Laie, der dem Groß­ori­ent bei­tritt, haben? Genau: Pro­gres­si­vis­mus und Relativismus.

In die­sem Zusam­men­hang muß man sich fra­gen, ob die Aner­ken­nung des Groß­ori­ents durch die Ver­ei­nig­te Groß­lo­ge von Eng­land die Stra­te­gie jener Frei­mau­rer der eng­li­schen oder pro-eng­li­schen Linie behin­dern könn­te, die dar­auf abzie­len, von der Kir­che eine Art aus­drück­li­che Erklä­rung oder still­schwei­gen­de Zustim­mung zur Ver­ein­bar­keit von Kir­che und Loge, zumin­dest der Ver­ei­nig­ten Groß­lo­ge von Eng­land und der übri­gen regu­lä­ren Frei­mau­re­rei in Gemein­schaft mit ihr, zu erhalten.

Ich hebe beson­ders die Initia­ti­ve von Msgr. Micha­el Wenin­ger her­vor, der in sei­nem 2020 erschie­ne­nen Buch „Loge und Altar“ (zugleich Dok­tor­ar­beit an der Päpst­li­chen Uni­ver­si­tät Gre­go­ria­na im Novem­ber 2019) die Recht­mä­ßig­keit der Dop­pel­mit­glied­schaft von Kir­che und regu­lä­rer Frei­mau­re­rei theo­re­ti­siert. Tat­säch­lich ist Msgr. Wenin­ger Mit­glied der öster­rei­chi­schen regu­lä­ren Frei­mau­re­rei (Groß­lo­ge von Öster­reich, aner­kannt von der Ver­ei­nig­ten Groß­lo­ge von Eng­land) und ins­be­son­de­re der mär­ki­schen Frei­mau­re­rei, die mit der eng­li­schen Frei­mau­re­rei ver­bun­den ist (Groß­lo­ge der Mark­mei­ster-Frei­mau­rer). Es ist wich­tig zu wis­sen, daß Msgr. Wenin­ger gera­de von sei­nen eng­li­schen „Brü­dern“ „ver­ra­ten“ wur­de: Am 10. Okto­ber 2014 wur­de auf der Inter­net­sei­te der East Lan­cashire Pro­vin­cial Grand Lodge of Mark Master Masons bekannt­ge­macht, daß „Br. Rev. Micha­el Wenin­ger“ Kaplan von nicht weni­ger als drei Logen der Mark­mau­re­rei ist und für die­se Frei­mau­rer die Mes­se fei­er­te.

In der eng­li­schen Frei­mau­re­rei ist der Logen­ka­plan nicht gleich­sam ein Kaplan von Frau­en­klö­stern oder katho­li­schen Lai­en­grup­pen, son­dern ist ein Logen­mit­glied in vol­lem Wort­sinn. Er ist ein Frei­mau­rer, viel­mehr, ein Frei­mau­rer­mei­ster. In der Tat spricht Msgr. Wenin­ger in sei­nem Buch „Loge und Altar“ gut von der „Mark­mau­re­rei“…

Der Fall Wenin­ger (und es ist nicht der ein­zi­ge) lehrt uns, daß ein katho­li­scher Prie­ster oder Prä­lat, der in die Frei­mau­re­rei ein­tritt, das ernst­haf­te Risi­ko ein­geht, frü­her oder spä­ter von „eini­gen“ sei­ner Logen- oder Frei­mau­rer­brü­der ver­ra­ten zu wer­den… Was nützt es also, wenn ein Kle­ri­ker in die Frei­mau­re­rei ein­tritt, wenn die „Geheim­hal­tung“ oder „Ver­trau­lich­keit“ von sei­nen eige­nen „Brü­dern“ oder „Vor­ge­setz­ten“ der Frei­mau­re­rei ver­letzt und ver­ra­ten wird? Neben der Unver­ein­bar­keit zwi­schen Kir­che und Loge soll­te auch die Mög­lich­keit des Ver­rats aus dem Inne­ren der Frei­mau­re­rei einen Kle­ri­ker davon über­zeu­gen, nicht Frei­mau­rer zu werden…

Ein wei­te­rer aktu­el­ler Fall eines Frei­mau­rer­prie­sters ist der von Abbé Pas­cal Vesin, seit 1996 Prie­ster der Diö­ze­se Anne­cy und seit 2001 Frei­mau­rer des Grand Ori­ent de France. Im Jahr 2011 infor­mier­te jemand den Bischof von Anne­cy über die Logen-Zuge­hö­rig­keit von Abbé Vesin, der 2013 durch eine Ent­schei­dung der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on (CDF) a divi­nis sus­pen­diert wur­de, weil er sich nicht von sei­ner Frei­mau­rer­schaft los­sa­gen woll­te (sie­he hier und hier). Vesin ist der­zeit Bank­an­ge­stell­ter (hier), wor­aus ich schlie­ße, daß er in den Lai­en­stand zurück­ver­setzt wurde.

Um es noch ein­mal zusam­men­zu­fas­sen: Auf der einen Sei­te ist da Msgr. Micha­el Wenin­ger, ein ehe­ma­li­ger öster­rei­chi­scher Diplo­mat, inkar­di­nier­ter Prie­ster der Erz­diö­ze­se Wien, Frei­mau­rer­mei­ster der Groß­lo­ge von Öster­reich und Mit­glied der Mark­mau­re­rei nach eng­li­schem Vor­bild, der offen­bar immer noch sei­ne prie­ster­li­chen Pflich­ten aus­übt, beim Hei­li­gen Stuhl arbei­tet und weder vom Erz­bi­schof von Wien noch vom Hei­li­gen Stuhl (z. B. der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on) eine Ermah­nung oder Sank­ti­on erhal­ten hat. Zumin­dest gibt es kei­ne Infor­ma­tio­nen aus frei­mau­re­ri­schen oder kirch­li­chen Krei­sen über eine Ermah­nung oder Sank­ti­on gegen den öster­rei­chi­schen Mon­si­gno­re. Auf der ande­ren Sei­te gibt es Abbé Vesin, einen ein­fa­chen fran­zö­si­schen Pfar­rer, der Mit­glied der irre­gu­lä­ren und lai­zi­sti­schen Frei­mau­re­rei des Grand Ori­ent de France ist und von sei­nem Bischof und der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on geta­delt wur­de… Haben wir es nicht mit einer Ungleich­be­hand­lung zu tun? Der irre­gu­lä­re Frei­mau­rer (Vesin) wur­de ver­ur­teilt, wäh­rend der regu­lä­re Frei­mau­rer (Wenin­ger) ver­schont, geschützt oder begna­digt wur­de… Zeigt nicht allein schon die­se ein­fa­che Tat­sa­che, wie in bestimm­ten Kir­chen­krei­sen die The­se von der Ver­ein­bar­keit zwi­schen der Kir­che und der regu­lä­ren Frei­mau­re­rei bereits fest ver­wur­zelt ist? Ist es die Pra­xis, die eine The­se oder eine Dok­trin schafft oder bestätigt?

Zum Schluß: Wenn die Ver­ei­nig­te Groß­lo­ge von Eng­land den Groß­ori­ent von Ita­li­en aner­kennt, wird der Groß­ori­ent wie­der zu einer anglo­phi­len regu­lä­ren Frei­mau­re­rei. Ich wie­der­ho­le, daß der Groß­ori­ent die Eso­te­rik, Giord­a­no Bru­nos anti­dog­ma­ti­sches Frei­den­ker­tum und den Lai­zis­mus pflegt. Wie wird dann die Stra­te­gie von Msgr. Wenin­ger und sei­nen „Brü­dern“ aus­se­hen, die mit Büchern, Arti­keln, Kon­fe­ren­zen, Inter­views usw. ver­su­chen, die Ver­ein­bar­keit zwi­schen der katho­li­schen Kir­che und der eng­li­schen regu­lä­ren Frei­mau­re­rei zu bewei­sen? Ist die Aner­ken­nung des Groß­ori­ents, falls sie erfolgt, ein „Eigen­tor“ für die Ver­ei­nig­te Groß­lo­ge von Eng­land und für die regu­lä­re Welt­frei­mau­re­rei, die eine ver­söhn­li­che Stra­te­gie gegen­über der Kir­che verfolgen?

*Pater Pao­lo Maria Sia­no gehört dem Orden der Fran­zis­ka­ner der Imma­ku­la­ta (FFI) an; der pro­mo­vier­te Kir­chen­hi­sto­ri­ker gilt als einer der besten katho­li­schen Ken­ner der Frei­mau­re­rei, der er meh­re­re Stan­dard­wer­ke und zahl­rei­che Auf­sät­ze gewid­met hat. In sei­ner jüng­sten Ver­öf­fent­li­chung geht es ihm dar­um, den Nach­weis zu erbrin­gen, daß die Frei­mau­re­rei von Anfang an eso­te­ri­sche und gno­sti­sche Ele­men­te ent­hielt, die bis heu­te ihre Unver­ein­bar­keit mit der kirch­li­chen Glau­bens­leh­re begründen.

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Cor­ri­spon­den­za Romana/​MiL/​Wikcommons (Screen­shot)

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