Zum zehnjährigen Thronjubiläum von Papst Franziskus veröffentlichen wir zwei Artikel aus dem Jahr 2011, die es in sich haben, aber zum Zeitpunkt des Konklaves 2013 übersehen wurden. Beide Artikel stammen vom galegischen Rechtsanwalt, Journalisten und Publizisten Francisco José Fernández de la Cigoña, der sich wie kaum ein anderer mit der spanischen Kirchengeschichte seit dem 19. Jahrhundert und als Kolumnist seit vielen Jahren mit kirchlichen Fragen befaßt. Fernández de la Cigoña ist auf der iberischen Halbinsel der meistgelesene Blogger in diesem Bereich. Der studierte Rechts- und Wirtschaftswissenschaftler ist für seine kurzen, aber pointierten Sätze bekannt. Das fünfjährige Thronjubiläum von Papst Franziskus kommentierte Fernández de la Cigoña 2018 trocken mit den Worten:
„Dieser Papst beleidigt mich jeden Tag.“
Als die beiden Artikel entstanden, bei denen es sich um Berichte von einer mit Fernández de la Cigoña befreundeten Quelle aus Rom handelt, hielt noch niemand einen Rücktritt von Papst Benedikt XVI. und die Wahl des Erzbischofs von Buenos Aires auf den Stuhl Petri für denkbar. Entsprechend fanden die Berichte auch nicht die Beachtung, die sie verdient hätten. Zu fern lagen Argentinien und ein mögliches Konklave. Das galt erst recht für eventuelle Erfolgsaussichten ausgerechnet für jenen Kardinal, der bereits 2005 als direkter Konkurrent von Benedikt XVI. gescheitert war.
Durch mehrfache Umzüge des Blogs sind ältere Kolumnen nicht mehr aufrufbar. Es ist der Aufmerksamkeit von Secretum meum mihi zu verdanken, daß die beiden Artikel gesichert wurden und aus gegebenem Anlaß hier präsentiert werden können.
23. Dezember 2011
Der heutige Beitrag kommt aus Argentinien
Blog von Francisco José Fernández de la Cigoña
Die Lektüre des Beitrags, daß der Kardinal-Erzbischof von Buenos Aires an seinem 75. Geburtstag das Rücktrittsgesuch vorlegen wird, hat die Feder eines römischen Freundes bewegt, der mir zwei Artikel über die Persönlichkeit Bergoglios und seine Tücken geschickt hat und weitere ankündigt. Von mir gibt es nur diese Einleitung. Ich wußte nicht einmal, wer dieser Pedacchio, der Agent des Kardinals in Rom, war. Ich habe aber nur die besten Hinweise auf den erwähnten paraguayischen Bischof.
Pedacchios Reisen nach Paraguay
Es ist angebracht, ein Beispiel dafür zu geben, wie der Priester Pedacchio, ein Beamter der römischen Bischofskongregation, Kardinal Bergoglio informiert und vertrauliche Informationen nach dessen Anweisungen manipuliert – abgesehen natürlich von der Verfälschung und Erfindung von Beweisen.
Zuverlässigen Quellen zufolge haben sich einige der jüngsten Aktivitäten des Kardinals von Buenos Aires und seiner Minutanten an der Römischen Kurie auf einen Bischof in Paraguay konzentriert. Wir erinnern uns, daß Paraguay das Land ist, für das Pedacchio in der Bischofskongregation zuständig ist. Bereits Ende 2008 war ein sehr merkwürdiges Leck mit höchst vertraulichen Informationen aufgetreten. Ein Bischof von Paraguay, Rogelio Ricardo Livieres Plano, hatte dem Papst [ Benedikt XVI.] während des Ad-Limina-Besuchs einen persönlichen und vertraulichen Brief übergeben, in dem er auf einige der drängenden Probleme bei den Bischofsernennungen in diesem Land aufmerksam machte. Einer dieser Bischöfe war gerade entgegen allem Kirchenrecht Präsident der Republik geworden, und dann wurde öffentlich, was die paraguayischen Bischöfe verschwiegen hatten: Er hatte einige Kinder „nach dem Fleisch“ gezeugt, um den Ausdruck der Heiligen Schrift zu verwenden.
Dieser persönliche und vertrauliche Brief wurde kurz darauf der paraguayischen Presse zugespielt, um diesen Bischof anzugreifen, der eine Verbesserung der Bischofsernennungen anstrebte. Dies geschah natürlich zum großen Schaden von Bischof Livieres. Niemand außer Livieres kannte in Paraguay den Text dieses Briefes. Und er hatte nur ein Exemplar an den Papst weitergegeben. Wahrscheinlich war es Pedacchio selbst, der als der für Paraguay zuständige Beamte der Bischofskongregation diese Information trotz der päpstlichen Geheimhaltungspflicht „durchsickern“ ließ.
Bisher wurden wir von einigen Freunden in Asunción über dieses Thema informiert. Aber wie wir aus Argentinien und vom Heiligen Stuhl erfahren haben, hat die besondere Aufmerksamkeit von Kardinal Bergoglio für diesen paraguayischen Bischof nicht nachgelassen. Im Gegenteil, sie ist sogar noch gewachsen.
Bergoglio geht es im Zusammenhang mit Paraguay vor allem darum, daß die Priesterberufungen im Priesterseminar von Ciudad del Este [der Diözese von Bischof Livieres] nicht zunehmen, die ein echter Schlag ins Gesicht des herrschenden Progressismus sind, der sowohl von einigen paraguayischen Bischöfen als auch von Bergoglio gefördert wird. Seine größte Sorge ist es, zu verhindern, daß die vom Papst geförderte kirchliche und liturgische Erneuerung, die manche als „Reform der Reform“ bezeichnen, d. h. ein liturgisches Leben in Übereinstimmung mit den Vorgaben des Zweiten Vatikanischen Konzils, das in der Dynamik der „Hermeneutik der Kontinuität“ zelebriert wird, Erfolg hat. Er ist besorgt darüber, daß so viele Neupriester [in Ciudad del Este] fließend in einem gewohnheitsmäßigen Kontakt mit der ordentlichen und der außerordentlichen Form des Römischen Ritus ausgebildet werden, was in Lateinamerika ganz ungewöhnlich ist.
Bergoglios Generalstrategie besteht darin, das Werk der kirchlichen Erneuerung, das Msgr. Livieres leistet, zu diskreditieren, und zwar nicht im Bereich der Lehre oder der Liturgie, wo Livieres im Rom von Benedikt XVI. viel Widerhall findet, sondern bei der Berufungsförderung.
Bei der Generalversammlung der O.S.A.R. (Organisation der Priesterseminare Argentiniens) am 10. November 2011 im Priesterseminar von La Plata (Provinz Buenos Aires) sprach einer der Oberen des Priesterseminars von Buenos Aires – angeblich unter Preisgabe des päpstlichen Geheimnisses – über ein bestimmtes Gesetz, das der Heilige Stuhl vorbereitet, um die „Übertritte“ von Seminaristen von einem Priesterseminar zum anderen zu beschränken. Als Beispiel wurde ein Fall aus dem Priesterseminar von Ciudad del Este genannt, mit Namen und Nachnamen. Bei diesem Treffen wurde behauptet, daß der Heilige Stuhl einen paraguayischen Bischof – Msgr. Livieres – „belangt“ habe, weil er einen Seminaristen aus Buenos Aires aufgenommen und zum Diakon geweiht hatte, ohne die kanonischen Berichte einzuholen.
Seien wir ehrlich. Bergoglio wollte Sanktionen gegen Livieres, denn sonst wäre es nicht nötig gewesen, bis nach Paraguay zu gehen – dem Land, über das Pedacchio wacht – um angebliche Beispiele für solche Fälle zu finden. In der Tat kommen sie genauso in Argentinien selbst häufig vor. Und es gibt nicht wenige Seminaristen, die in Angst und Schrecken aus dem Priesterseminar von Buenos Aires fliehen – und das, um die Wahrheit zu sagen, nicht nur aus liturgischen Gründen. Die direkte und öffentliche Nennung dieses Bischofs eines Nachbarlandes, von dem es heißt, daß er so viele gute Früchte in seinem Land bringt, bedeutet, daß Bergoglio und seine Informanten ihn zu diskreditieren, wenn nicht gar zu ruinieren versuchen. Abgesehen von der enormen Ungerechtigkeit, die dieser Angriff dem guten Namen des Seminaristen zufügt, der in Wirklichkeit weder diszipliniert noch irgendeiner schweren Tat beschuldigt wurde. Dies wurde damals vom Rektor des Seminars in Buenos Aires, Alejandro Daniel Giorgi, öffentlich anerkannt, der jedoch anschließend nicht einmal eine schüchterne Stimme erhob, um ihn zu verteidigen. [Giorgi wurde 2014 von Papst Franziskus zum Weihbischof von Buenos Aires ernannt.]
Doch dabei blieb es nicht. Wochen später wurde diese Angelegenheit – wiederum mit den Namen und Nachnamen der „Beteiligten“ – auf der Sitzung des Priesterrats der Erzdiözese Buenos Aires diskutiert. Man versucht immer, den guten Namen von Bischöfen zu schädigen, die beim Kardinal [Bergoglio] nicht gut angesehen sind. Jemand hat die Gewissenspflicht, das auszusprechen, was so viele andere aus Angst oder aus Furcht vor dem Ruin ihrer Karriere aus Vergeltung verschweigen. In der Erzdiözese von Buenos Aires ist alles bekannt. Schade ist nur, daß das, was aus diesen Quellen kommt, verzerrt, wenn nicht gar gelogen ist. Und dann gilt mehr denn je das Sprichwort: „Von Rom kommt, was nach Rom geht“, denn sobald die Diffamierungen oder Verleumdungen ausgelöst werden, bringen geschulte Informanten wie Pedacchio „den Fall“ nach Rom zu den wichtigsten „Kontakten“, um Schande zu säen oder Sanktionen zu fordern.
Unter den bescheidenen Gesten der Demut, die er zur Schau stellt, verbirgt Bergoglio mehr als nur geringe Wünsche nach echter Macht. Diese hat er seit seinen Anfängen in der Guardia de Hierro (GH, Eisernen Garde)1 und seiner früheren Beziehung zur P2 (mit ihrer nachgewiesenen Beziehung zu Admiral Massera)2. Das Glück des Kardinals ist, daß er in diesen Punkten von einem Journalisten namens Verbitzky angegriffen wurde, der sich durch seinen glühenden Haß auf die Kirche in Argentinien diskreditiert hat. Daher gilt sein Angriff auf Bergoglio als parteiisch, obwohl seine Recherchen seriös und gut dokumentiert waren.3
Aber um auf Bergoglios offensichtliche Besorgnis über das Priesterseminar in Ciudad del Este in Paraguay zurückzukommen, ist es überraschend, so viel Eifer zu finden, wenn man bedenkt, daß sein eigenes Priesterseminar viel zu wünschen übrig läßt. Es ist bekannt, daß es dort Seminaristen von zweifelhafter Moral gibt, die sich geistlich im Kontakt mit einigen der weniger empfehlenswerten Weihbischöfe des Kardinals befinden. „Der Jesuit“ – so der Titel seiner selbst in Auftrag gegebenen Biographie4 –, der das geistliche Leben und die Ausbildung seines Klerus, der sich im Aussterben befindet, so sehr vernachlässigt, ist nicht im geringsten zurückhaltend, wenn es darum geht, anzuklagen. Seine Spezialität ist die Beschuldigung von Bischöfen wegen angeblicher Homosexualität oder Affinität zur Homosexualität oder wegen des Schutzes von Homosexuellen in ihren Seminaren oder ihrem Klerus. Ein weiteres seiner Werkzeuge ist der Vorwurf psychologischer Probleme. Hierfür steht ihm ein Team von Psychiatern zur Verfügung, die bei Bedarf nützliche „Berichte“ erstellen.
Es ist schade, daß Argentinien und in gewissem Maße auch Paraguay und ein Teil der CELAM [Lateinamerikanischer Bischofsrat] – wo er nur dank seiner Minutanten präsent ist – die Folgen seiner Machenschaften zu tragen haben. Wird die nächste Generation von Bischöfen durch diese Kampagnen belastet?
Wer die ganze Wahrheit über Bergoglio wissen will, muß nur alle Informationen über den Kardinal sammeln und analysieren – nicht Klatsch und Tratsch, nicht anonyme Anschuldigungen, sondern Aussagen von maßgeblichen Geistlichen. Die einzige Schwierigkeit besteht darin, daß jene, die den Papst [Benedikt XVI.] verraten, indem sie päpstliche Geheimnisse preisgeben, oder die ihn diffamieren und verleumden, auch in der Lage sind, einige Seiten oder sogar Ordner von Berichten der Römischen Kurie verschwinden zu lassen. Schließlich wird alles getan und scheint alles erlaubt, um ihn als den „Auserwählten“ darzustellen, so wie er seinen bischöflichen Wahlspruch oft erklärt.
Ende des ersten Beitrags.
Nachtrag von Giuseppe Nardi
Bischof Livieres Plano wurde nach der Wahl Bergoglios zum Papst eines seiner ersten Opfer. Der Bischof von Ciudad del Este wurde generalstabsmäßig „erlegt“. 2014 lockte ihn Franziskus nach Rom, während zu Hause die Schlösser der bischöflichen Residenz ausgetauscht wurden. Franziskus setzte ihn kurzerhand ab, was der Betroffene aus den Medien erfahren mußte, während er in Rom vor verschlossenen Türen stand. Franziskus weigerte sich, ihn zu empfangen. Das phänomenale Aufbauwerk, das ihm in nur zehn Jahren seines Episkopats gelungen war, wurde systematisch zerstört. Das Priesterseminar, das blühendste in ganz Lateinamerika, wurde aufgelöst und die Seminaristen in alle Winde zerstreut. Die Ausbildung erfolgt seither auch für diese Diözese im zentralen Priesterseminar für ganz Paraguay in einem dumpfen nachkonziliaren Geist, vermengt mit viel Befreiungstheologie.
26. Dezember 2011
Bergoglios Schachfiguren
Blog von Francisco José Fernández de la Cigoña
Dies ist der zweite Teil, den mir mein Freund geschickt hat:
„Von Rom kommt, was nach Rom geht“. Rom ist in seinen Entscheidungen abhängig von den Informationen, die es erhält, und davon, welche Prioritäten es bei der Verarbeitung dieser Informationen setzt. Ein großer Machtmensch, der Kardinal-Erzbischof von Buenos Aires, weiß das sehr gut. Kardinal Bergoglio weiß, wie man mit Halbwahrheiten lügt – oder übertreibt oder verschleiert, je nachdem, was im Einzelfall geeignet erscheint. Aber er zögert nicht, wenn nötig, auch offen zu lügen.
Sicher ist, daß er, um sein Netz der Macht und des Einflusses auf die Bischöfe und ihre Ernennungen sowie auf die Priester und die Priesterseminare zu knüpfen, weiß, wie er Verleumdungen oder Diffamierungen auslöst und vor allem wie er sie geschickt lenkt. Er tut dies mit Hilfe von geschulten Informanten, die ihn unter Verletzung der Vertraulichkeit, zu der sie durch das päpstliche Geheimnis verpflichtet sind, über alles informieren, was in Rom über Themen oder Personen, die ihn interessieren, eintrifft. Anschließend sind dieselben Informanten damit betraut, die römischen Behörden zu „informieren“ oder Informationen zu „verzögern“ und Verfahren zu „verschleppen“, indem sie den manipulativen Plänen des Kardinals Priorität einräumen – „des Jesuiten“, wie er im Titel eines zu seiner Verherrlichung in Auftrag gegebenen Buches genannt wird.
Einer der wichtigsten Dreh- und Angelpunkte dieser Informationsmanipulation ist ein argentinischer Priester, der vom Kardinal in den Dienst der Bischofskongregation „eingepflanzt“ wurde, wo alle Informationen, die die Bischöfe der ganzen Welt betreffen, bearbeitet werden – wobei der Kardinal vor allem an Lateinamerika und vor allem an den argentinischen Bischöfen interessiert ist. Die Untreue dieses Priesters der Erzdiözese Buenos Aires [gegenüber seinem Amt und dem Papst] ist bereits vielen bekannt, aber offenbar wird nichts dagegen unternommen. Er ist nicht der einzige Informant des Kardinals, aber er ist vielleicht der berüchtigtste. Und in Anbetracht seines Berufs auch einer der gefährlichsten.
Die Wahrheit ist, daß jemand aus Gewissensgründen die Verpflichtung hat, das auszusprechen, was so viele aus Angst oder aus Furcht vor dem Ruin ihrer Karriere verschweigen. Der ausgebildete Spion, der wichtige römische Kontakte beschafft und mit Informationen versorgt, ist der Priester Fabián Pedacchio, der vor nicht allzu langer Zeit zum Kaplan Seiner Heiligkeit und zum Offizial der Kongregation für die Bischöfe ernannt wurde. Kardinal Bergoglio hat es geschafft, ihn auf diesen Schlüsselposten in der Bischofskongregation zu setzen, als dieses Dikasterium von Kardinal Re geleitet wurde, der damals Bergoglio sehr wohlgesonnen, man könnte sogar sagen, ergeben war. Daß er später seine Haltung änderte, weil Bergoglio „verbrannte Erde“ hinterließ, ist eine andere Geschichte, die es vielleicht verdient, vor dem Jüngsten Gericht erzählt zu werden.
Wer Pedacchios ehemaligen Priesterkollegen zuhören will, erfährt schnell, daß es nicht gerade seine priesterlichen Verdienste waren, die ihm eine solche Beförderung in die Bischofskongregation einbrachten. Man braucht auch nicht lange zu recherchieren, um zu erfahren, daß der Priester Pedacchio häufig mit seinem Kardinal und Gönner telefoniert und ihn über alle bei der Kongregation eintreffenden Briefe und Berichte informiert, auch über solche, die der Geheimhaltung unterliegen. Auf diese Weise erfährt Bergoglio alles, was für ihn nützlich ist, vor allem aber alles, was bischöfliche Beförderungen betrifft. Und dann weist er den Spitzel Pedacchio an, einen Kandidaten zu fördern, der seinen Plänen entspricht, oder gegen einen anderen, für den das nicht gilt, Schmutz oder zumindest verunglimpfende Andeutungen zu verbreiten. Aber es geht nicht nur um Telefonanrufe. Wenn es wirklich wichtig ist, schickt der Priester Pedacchio seinem Erzbischof sogar Faxe mit den Berichten und geheimen Unterlagen, die sein Chef verlangt.
Obwohl Bergoglio einst die Nachfolge von Johannes Paul II. als Papst anstrebte, interessiert er sich jetzt besonders für Lateinamerika. Deshalb ist Pedacchio natürlich besonders an Argentinien interessiert, dem Episkopat, das Bergoglio mit „väterlichem“ Eifer zu kontrollieren versucht. Trotz seiner Spionage ist Pedacchio nicht immer in der Lage, an diese wichtigen Informationen heranzukommen, denn Argentinien ist nicht das Gebiet, mit dem er sich offiziell befaßt. Im Falle Paraguays, das in seinen Zuständigkeitsbereich fällt, gelingt ihm dies jedoch.
Pedacchio ist ein Mann mit einer guten Beobachtungsgabe. Und manchmal gelingt es ihm, andere bischöfliche „Territorien“ zu infiltrieren. Er ist auch auf den Fluren sehr aufmerksam und weiß, welche Bischöfe die Kongregation betreten und verlassen. Er ist berüchtigt für die Berichte, die er seinem Chef jedes Mal schickt, wenn ein „Feind“ wie der argentinische Erzbischof Héctor Rubén Aguer die Römische Kurie betritt oder ein anderer, der dem Kardinal nicht genehm ist, weil er sich ihm nicht als Instrument anbietet, das er begehrt: eine „sichere Stimme“ in der Bischofskonferenz.
Natürlich zahlt der Kardinal einen Preis für die Arbeit dieses Informanten. Denn wie alle Informanten hat er das Bedürfnis, nützlich zu erscheinen und seinem Arbeitgeber zu schmeicheln, weshalb er in seinen Berichten oft etwas hinzufügen oder sogar erfinden muß. Offenbar hat er den Auftrag, jeden Klatsch und Tratsch, der per Post oder E‑Mail eintrifft, aufzufangen, auch wenn er unsigniert ist, wie eine anonyme Denunziation, und ihn den zuständigen Behörden vorzulegen, um zumindest Verdacht und Mißtrauen gegenüber jemandem zu säen, der vernichtet oder zumindest in seiner bischöflichen oder priesterlichen Arbeit eingefroren werden soll.
Die effiziente Arbeit von Pedacchio wird durch andere wichtige Informanten ergänzt. „Der Jesuit“ erfährt beispielsweise, wer im Vatikan ein- und ausgeht, dank einer anderen „Pflanze“ im Protokollsekretariat des Staatssekretariats. Es handelt sich um einen weiteren argentinischen Priester, ebenfalls aus der Erzdiözese Buenos Aires, Guillermo Karcher. [Karcher, Protokollchef des Staatssekretariats und Päpstlicher Zeremoniär, gehört zum „magischen Zirkel“ um Papst Franziskus: Karcher leitete bereits 1992 als Zeremonienmeister die Inthronisation Bergoglios als Erzbischof von Buenos Aires. Karcher war es auch, der das Mikrophon hielt, als der neugewählte Papst Franziskus sich am Abend des 13. März 2013 auf der Mittelloggia des Petersdom der Welt zeigte.]
Die Manipulation von Informationen an die Behörden des Heiligen Stuhls endet hier noch nicht. Bergoglio möchte, daß dieselben Behörden diese Informationen indirekt, über das Internet, „bestätigt“ sehen. Der Verantwortliche für die „Computerverschmutzung“ oder den Computerterrorismus ist sein Weihbischof Eduardo Garcia. Er ist derjenige, der die Meinungen über Bischöfe, Prälaten und Priester im Internet verwaltet.
Auf diese Weise schafft Bergoglio ein Netz aus Lügen, Intrigen, Spionage, Mißtrauen und vor allem Angst. Ein argentinischer Beamter, der im Vatikan arbeitet und aus Angst lieber nicht zitiert werden möchte, meint dazu: Bergoglio „ist jemand, der es vor allem versteht, Angst zu verbreiten“. Aus diesem Grund hat er einen Einfluß auf den Heiligen Stuhl, der viele überrascht.
Obwohl er sorgfältig darauf bedacht ist, alle mit einem scheinheiligen, strengen und demütigten Auftreten zu beeindrucken, ist er ein Mann mit einer ausgeprägten Machtmentalität. Und das war er schon immer.
Der Kardinal ist sehr an Lateinamerika interessiert. Im Laufe der Jahre hat er seine Macht im CELAM [Lateinamerikanischer Bischofsrat] ausgebaut, auch wenn diese in letzter Zeit etwas geschmälert wurde, weil Kardinal Ouellet, der neue Präfekt der Bischofskongregation, Präsident der Päpstlichen Kommission für Lateinamerika geworden ist – und dieser würdige Prälat mit den Intrigen des „Jesuiten“ sicher nichts zu tun hat.
Aber Bergoglio hat noch mächtige Vertreter im CELAM. Insbesondere Bischof Jorge Eduardo Lozano (Gualeguaychú, Argentinien) [Papst Franziskus beförderte ihn 2017 zum Erzbischof von San Juan de Cuyo] und Erzbischof Andrés Stanovnic (Corrientes, Argentinien) [Papst Franziskus ernannte ihn 2015 zum Mitglied der Päpstlichen Kommission für Lateinamerika], ein äußerst „fügsamer“ Anhänger von Bergoglios Positionen und seit Jahren der Kandidat, den Kardinal Bergoglio gerne als Vorsitzenden des CELAM durchgesetzt hätte, was ihm nicht gelungen ist.
Der Kardinal weiß, daß seine Stunden der direkten Macht in dieser Welt gezählt sind. Aber er arbeitet hart und listig, damit auch nach seiner altersbedingten Pensionierung, und selbst wenn der Herr ihn für seine Verwaltung zur Rechenschaft zieht, seine „Pflanzen“ und Erben in der Kirche weiterhin das behalten, woran er am meisten interessiert ist: Macht.
Ende des zweiten Beitrags.
Nachtrag von Giuseppe Nardi
Es sollte anders kommen. Kardinal Bergoglio reichte im Dezember 2011 sein Rücktrittsgesuch ein, wie es das Kirchenrecht vorschreibt. Papst Benedikt XVI. lehnte es jedoch erwartungsgemäß ab und beließ den Kardinal, wie er es bei Metropoliten grundsätzlich tat, für weitere zwei Jahre im Amt. Ende 2013 hätte die Amtszeit Bergoglios geendet und de facto auch seine Aussicht, in einem Konklave noch als „Papabile“ zu gelten.
Einleitung/Übersetzung/Fußnoten: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican.va/Facebook (Screenshots)
1 Die Guardia de Hierro (Eiserne Garde) wurde nach dem Sturz von Juan Domingo Perón (1955) Anfang der 60er Jahre ins Leben gerufen, um dessen Rückkehr an die Macht auf der Basis einer „nationalen Linken“ anzustreben, deren Grundlagen eine Mischung aus Marxismus und Peronismus war. Die Eiserne Garde entstand aus dem überzeugtesten Kern des Peronismus, dessen Wesensmerkmal ein unerbittlicher Antikapitalismus war. Bergoglio selbst gehörte laut Aussagen von Alejandro Francisco „Gallego“ Álvarez, dem Gründer und Leiter der Eisernen Garde, dieser zwar nie an, doch gab es enge Kontakte, denn Bergoglio „war das ganze Laben lang ein Peronist“. Die Studentenorganisation der Eisernen Garde unterhielt Anfang der 70er Jahre an der Jesuitenuniversität El Salvador (USAL) in Buenos Aires enge Beziehungen zum jungen Jesuiten Jorge Mario Bergoglio, der kurz darauf zum Provinzial der argentinischen Jesuitenprovinz ernannt wurde. Den bewaffneten Kampf der ERP und der Montoneros lehnten die Gardisten ab. Das bisher Gesagte zeigt bereits, daß das westliche Rechts-Links-Schema, das in Westeuropa gerne auch auf Argentinien angewandt wurde, die dortige Realität bestenfalls peripher traf. Mit dem Tod Peróns 1974 löste sich die Eiserne Garde auf, doch die Verbindungen blieben aufrecht. Bergoglio, inzwischen Provinzoberer, übertrug die Leitung der Jesuitenuniversität an Laien, konkret an Francisco „Cacho“ Piñón und Walter Romero, die beide hochrangige Exponenten der Eisernen Garde waren. Piñón war es, der als Rektor 1977 Admiral Emilio Massera, zu jener Zeit ein führendes Mitglied der argentinischen Militärjunta, den Titel eines Ehrenprofessors verlieh. Massera wurde 1985 wegen Mordes, Folterung und Freiheitsberaubung zu lebenslanger Haft verurteilt, 1990 amnestiert, 1998 erneut verhaftet und unter Hausarrest gestellt. 2010 annullierte der Oberste Gerichtshof die Amnestie, weshalb die lebenslange Haft rechtskräftig wurde. Noch im selben Jahr verstarb Massera in einem Militärkrankenhaus in Buenos Aires.
2 P2, die Freimaurerloge Propaganda Due, erhielt im 19. Jahrhundert ihren Namen – offenbar eine Form von freimaurerischem „Humor – als Gegenstück zur Propaganda Fide, der Kongregation für die Evangelisierung der Völker an der Römischen Kurie. Diese 1967 von Licio Gelli reaktivierte Loge ist von einem solchen Dickicht an abenteuerlichen Übertreibungen und unbewiesenen Behauptungen umrankt, daß ein Durchblick schwerfällt. Die wahrscheinlichste These ist jene, daß die Logenform bloße Etikette war für ein transatlantisches Netzwerk der CIA zur Abwehr einer möglichen kommunistischen Machtübernahme. Das ist der Grund, weshalb sich die politische Linke so massiv auf die P2 einschoß und deren Wirkungskreis ins Unermeßliche mystifizierte. Das hatte mit dem Trauma der italienischen Kommunisten zu tun, daß es ihnen wie Allende in Chile ergehen könnte und sie trotz einer demokratischen Machtergreifung durch einen Militärputsch gestürzt werden könnten. Das P2-Netzwerk entwickelte parallel zu seinem Gründungszweck offenbar ein Eigenleben und wurde von einigen für ihre eigenen Zwecke genützt und mißbraucht. Der Hintergrund? Die nach 1945 entstandene Bundesrepublik Deutschland und die Republik Italien traten unter US-Aufsicht das Erbe der Besiegten des Zweiten Weltkriegs an, weshalb die USA in diesen beiden Staaten beliebig Militärstützpunkte errichten und den meisten direkten Einfluß auf Politik und Wirtschaft ausüben konnten. Die Bundesrepublik Deutschland war das wirtschaftsstärkste Land in Westeuropa, Italien das Land mit der stärksten Kommunistischen Partei. Deren Sprung an die Macht schien in den 70er Jahren zum Greifen nahe. Dagegen war u. a. die P2 verdeckt in Stellung gebracht worden.
3 Der argentinische Journalist Horacio Verbitsky kam kurz nach der Wahl von Papst Franziskus noch einmal zu Wort, doch wurde seine Kritik an Jorge Mario Bergoglio schnell aus den Mainstream-Medien verbannt. Verbitsky gehörte den linksextremen Terrororganisationen Montoneros und Bewaffnete Revolutionäre Peronistische Kräfte an. Er und Bergoglio waren zwar beide Peronisten, doch trennte sie ihre Haltung zur Gewalt. Diese wurde von Bergoglio ebenso wie von der Eisernen Garde, dem harten Kern des Peronismus, abgelehnt. Bergoglio zog die „Volkstheologie“ der Befreiungstheologie nicht deshalb vor, weil letztere marxistisch ist, sondern wegen ihrer Bereitschaft zur Gewalt. Verbitsky steht im Verdacht, 1976 an einem Attentat beteiligt gewesen zu sein, bei dem 24 Menschen getötet und 70 verletzt wurden.
4 Sergio Rubin, Francesca Ambrogetti: El Jesuita (Der Jesuit. Gespräche mit Kardinal Jorge Bergoglio), Javier Bergara Editor, Buenos Aires 2010.