Simone Veil, Frankreichs Abtreibungsdebatte und die deutsch-französische Freundschaft

Beobachtungen zur Feier des 60. Jahrestages des Elysée-Vertrages


Deutsch-französische Verneigung vor Simone Veil
Deutsch-französische Verneigung vor Simone Veil

Von einer Katholikin

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Am 22.Januar 2023 demon­strier­ten in den Stra­ßen der fran­zö­si­schen Haupt­stadt laut Anga­ben der Orga­ni­sa­to­ren rund 20.000 Men­schen beim Marsch für das Leben gegen die Lega­li­sie­rung der akti­ven Ster­be­hil­fe und ein Ver­fas­sungs­recht auf Abtreibung.

Am sel­ben 22. Janu­ar besuch­ten zwei Frau­en im Pari­ser Pan­thé­on das Grab der Frau­en­recht­le­rin, deren Name seit 1975 in Frank­reich für das Gesetz zur Lega­li­sie­rung der Abtrei­bung steht: die Loi Veil.

Die Vor­sit­zen­de der fran­zö­si­schen Natio­nal­ver­samm­lung, Yaël Braun-Pivet, und Bun­des­tags­prä­si­den­tin Bär­bel Bas (SPD) ver­brach­ten an Veils Grab eini­ge Minu­ten des ehren­den Geden­kens. Damit began­nen die Par­la­men­ta­ri­er die Fei­er­lich­kei­ten zum 60. Jah­res­tag der Unter­zeich­nung des Ely­sée-Ver­tra­ges über die deutsch-fran­zö­si­sche Zusammenarbeit.

„In Simo­ne Veil ehren wir das Andenken an eine gro­ße Euro­päe­rin (…), eine Frau mit festen Über­zeu­gun­gen und bei­spiel­haf­tem Han­deln“, schrieb die Vor­sit­zen­de der Natio­nal­ver­samm­lung, Yaël Braun-Pivet, auf Twit­ter. Bär­bel Bas ihrer­seits dank­te ihr beim anschlie­ßen­den Fest­akt in ihrer Rede für die Ein­la­dung, „gemein­sam die Ruhe­stät­te von Simo­ne Veil auf­zu­su­chen“, die sie als „visio­nä­re Euro­päe­rin und lei­den­schaft­li­che Vor­kämp­fe­rin für Frau­en­rech­te“ wür­dig­te.

Zwei­fels­oh­ne ist deren Bio­gra­phie beein­druckend. Fast die gan­ze jüdi­sche Fami­lie der 1927 gebo­re­nen Simo­ne kam in den Kon­zen­tra­ti­ons­la­gern der Natio­nal­so­zia­li­sten um. Sie und zwei Schwe­stern über­leb­ten. Sie wur­de spä­ter Rich­te­rin und begann ihre poli­ti­sche Lauf­bahn als Staats­be­am­tin. Valé­ry Gis­card d’Estaing mach­te sie 1974 zur Gesund­heits­mi­ni­ste­rin. In die­ser Funk­ti­on küm­mer­te sie sich um die Lega­li­sie­rung der Abtrei­bung in Frank­reich. Die links­li­be­ra­le Frau­en­recht­le­rin erkämpf­te die Annah­me des von ihr ent­wor­fe­nen Abtrei­bungs­ge­set­zes, das im Janu­ar 1975 in Kraft trat. Mil­lio­nen Unge­bo­re­ne wur­den seit­her ermor­det. Es blieb erwar­tungs­ge­mäß nicht bei der Abtrei­bung als „ulti­ma ratio für aus­weg­lo­se Situa­tio­nen“, mit der Veil gewor­ben hat­te, selbst­ver­ständ­lich nur, um Frau­en zu helfen.

Das lai­zi­sti­sche Pan­thé­on in Paris – eine ehe­ma­li­ge Kirche

Ein Jahr nach ihrem Tod (30. Juni 2017) erfolg­te ihre „Pan­the­o­ni­sie­rung“, die Über­füh­rung ihrer sterb­li­chen Über­re­ste ins Pan­thé­on, den Tem­pel der Repu­blik, und damit ihre lai­zi­sti­sche Erhe­bung zu deren Altä­ren. Seit der Fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­on wur­de das noch von Lud­wig XV. als Got­tes­haus geplan­te Pan­thé­on im Lau­fe sei­ner wech­sel­vol­len Geschich­te immer wie­der der Kir­che ent­ris­sen und zum repu­bli­ka­ni­schen Tem­pel der Repu­blik gemacht, was es seit 1885 end­gül­tig ist. 1920 errich­te­te man dort einen „repu­bli­ka­ni­schen Altar“ zu Ehren des Natio­nal­kon­vents. Das Pan­thé­on dient seit der Fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­on als Grab­le­ge wich­ti­ger fran­zö­si­scher Per­sön­lich­kei­ten. Eine davon ist Simo­ne Veil.

Als Über­le­ben­de des Holo­caust und als Prä­si­den­tin des Euro­pa­par­la­ments wur­de Simo­ne Veil zur poli­ti­schen Grö­ße, und Valé­ry Gis­card d’Estaing rühm­te die Bedeu­tung der ehe­ma­li­gen Depor­tier­ten für die deutsch-fran­zö­si­sche Aus­söh­nung und Euro­pa. Doch als Iko­ne wah­rer euro­päi­scher Wer­te taugt sie damit noch lan­ge nicht. Es ist auf­schluß­reich, wenn das viel­be­schwo­re­ne deutsch-fran­zö­si­sche Frie­dens-Tan­dem, die Loko­mo­ti­ve Euro­pas, am Grab einer glo­ri­fi­zier­ten Abtrei­bungs­po­li­ti­ke­rin sym­bol­träch­ti­ge Bil­der euro­päi­scher Ein­heit schafft.

Für die Grün­dungs­vä­ter des deutsch-fran­zö­si­schen Freund­schafts­ver­trags, Prä­si­dent Charles de Gaul­le und Bun­des­kanz­ler Kon­rad Ade­nau­er, bei­de prak­ti­zie­ren­de und gläu­bi­ge Katho­li­ken, war der gemein­sa­me christ­li­che Glau­be noch eine wich­ti­ge Basis. Am 22. Janu­ar 1963 unter­zeich­ne­ten sie den Ely­sée­ver­trag, des­sen Umset­zung den euro­päi­schen Frie­den trug, die Men­schen der bis dahin ver­fein­de­ten Völ­ker ein­an­der nahe­brach­te und gera­de auch unter jun­gen Men­schen Freund­schaf­ten wach­sen ließ. Doch die öffent­li­che Besie­ge­lung der Wie­der­aus­söh­nung fand ein hal­bes Jahr vor der Ver­trags­un­ter­zeich­nung, am 8. Juli 1962, in der Kathe­dra­le von Reims statt, wo die bei­den Staats­män­ner gemein­sam der hei­li­gen Mes­se beiwohnten.

Heut­zu­ta­ge besu­chen die poli­ti­schen Damen eine lai­zi­sti­sche „Frau­en­recht­le­rin“ in einer ent­weih­ten Kir­che. Und die Her­ren Scholz und Macron defi­nie­ren in Reden in der Pari­ser Uni­ver­si­tät Sor­bon­ne das, was sie für euro­päi­sche Wer­te halten.

Scholz lob­te im Hin­blick auf das euro­päi­sche Frie­dens­pro­jekt die Ver­dien­ste der „Abge­ord­ne­ten der Assem­blée natio­na­le des Revo­lu­ti­ons­jah­res 1789“ für die Men­schen­rech­te. Und Macron sprach von „gemein­sa­men Wer­ten, von unse­rem euro­päi­schen Modell, das auf unse­rem Huma­nis­mus, unse­rer Bin­dung an die Frei­heit und die Soli­da­ri­tät beruht“. Doch ohne eine Rück­be­sin­nung auf die christ­li­chen Wur­zeln wird die von Macron in hoh­lem Pathos ange­kün­dig­te Neu­grün­dung eines Euro­pas „der Uni­ver­si­tä­ten, der Musik, der Lite­ra­tur, des Schöp­fer­gei­stes, der Thea­ter und der Kul­tur“ auf töner­nen Füßen ste­hen. Und genau dafür lie­fer­te er unge­wollt umge­hend den Beweis. Ganz kul­tur­be­flis­sen eig­ne­te sich Macron aus­ge­rech­net zwei der berühm­te­sten Gelehr­ten der Sor­bon­ne an: die Hei­li­gen Tho­mas von Aquin und Alber­tus Magnus, bevor er „etwas Grö­ße­res als uns“, etwas „Uni­ver­sel­les“ beschwor. Gott mein­te Macron damit nicht.

Ob unter den fran­zö­si­schen Senats­mit­glie­dern noch genug ernst­haf­te Christ­gläu­bi­ge sind, wird sich am 1. Febru­ar zei­gen. Dann näm­lich wird im näch­sten Schritt der Senat über den von der Natio­nal­ver­samm­lung ange­nom­me­nen Geset­zes­ent­wurf zur Ver­an­ke­rung des Rech­tes auf Abtrei­bung in der Ver­fas­sung entscheiden.

Die macro­ni­sti­schen Abtrei­bungs­be­für­wor­ter der Regie­rung haben die „Hei­li­ge“ der soge­nann­ten Frau­en­rech­te jeden­falls recht­zei­tig auf euro­päi­scher Büh­ne noch ein­mal ins kol­lek­ti­ve Bewußt­sein geho­ben. Die Ehrung für Simo­ne Veil, wäh­rend in Paris wie jedes Jahr der Marsch für das Leben statt­fand, war mehr als nur ein pro­to­kol­la­ri­scher Ein­fall für die Insze­nie­rung der deutsch-fran­zö­si­schen Freund­schaft und Europas.

Bild: Twit­ter/​Privat


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2 Kommentare

  1. Unglaub­lich so eine Frau in die­sen Stand zu heben ‚die Abtrei­bung bzw. Mord an unge­bo­re­nen leben befürwortet.
    Noch dazu ihre Ver­gan­gen­heit im drit­ten Reich als ras­sisch ver­folg­te: Skan­da­lö­ses und kri­mi­nel­les Verhalten.
    Was für eine Roheit und Kalt­blü­tig­keit gehört zu so einer Einstellung.
    Ich bete zu Gott, dass die­ses trei­ben ein Ende nimmt und nicht lega­li­siert wird.
    Mfg Eva L.

  2. Ja,Frau Eva, Sie haben es genau beschrieben.
    Es ist schreck­lich, wie die bei­den Damen, aus der
    Poli­tik, sich vor der Ruhe­stät­te von Simo­ne Veil verneigen.
    Man braucht sich nicht wun­dern, wenn 

    die „Gott­lo­se Gesellschaft“

    auf ihr Ver­der­ben hinsteuert.
    Wir kön­nen nur den Hl. Geist bitten,
    dass er die Augen der Men­schen öffnet
    und uns christ­li­che Pol­ti­ker sendet.

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