(Rom) Am vergangenen Wochenende fand in Rom die diesjährige internationale Wallfahrt der Tradition ad Petri sedem statt. Der Höhepunkt war wie seit 2012 die Zelebration des hl. Meßopfers im überlieferten Ritus im Petersdom. Im Rahmen des mehrtägigen Programms fand auch auf höchstem Niveau die Tagung Pax Liturgica statt, zu der sich im Päpstlichen Patristischen Institut Augustinianum wie schon in den vergangenen Jahren zahlreiche interessierte Teilnehmer einfanden, „ohne Corona oder kirchliche Bosheit zu fürchten“, so die traditionsverbundene Seite Messa in Latino. Die Tagung leitete Rubén Peréto Rivas.
Abbé Claude Barthe: Katholizität im Westen vom Aussterben bedroht, weil die kirchliche Hierarchie selbst den lebendigen Trieb bekämpft
In seiner Einführung zeigte Abbé Claude Barthe, geistlicher Assistent der Wallfahrt, die beklagenswerte Situation der Katholizität insbesondere im Westen auf, wo sie „vom Aussterben bedroht“ sei. Abbé Barthe hielt sich klugerweise zurück, dennoch war allen Anwesenden bewußt, daß der Papst in Rom und zahlreiche Bischöfe des Westens durch ihren Kampf gegen die Tradition ausgerechnet jenen Zweig bekämpfen, der Aussicht auf Abhilfe verspricht.
Moderator Rubén Peréto Rivas stellte die Frage in den Raum, warum die Menschen der Kirche denn noch glauben sollten, wenn deren Vertreter, wie die Bischöfe von Flandern, eigene „Liturgien“ zur Segnung von Homo-Paaren einführen und Rom dazu schweigt; wenn Eckpfeiler des Glaubens niedergerissen werden und etwas anderes gelehrt wird, als die Kirche zweitausend Jahre lehrte; wenn also jede Generation ihre Meinung über das, was kirchliche Lehre ist, ändert und das Gegenteil dessen behauptet, was bisher gepredigt wurde?
Trinidad Dufourq: Die Wiederentdeckung des überlieferten Ritus in Argentinien
Als erste Rednerin trat die Argentinierin Trinidad Maria Candelaria Dufourq González del Solar an das Rednerpult, eine Landsfrau von Papst Franziskus, und sprach von einer sechzehnjährigen „Atempause“, die den Gläubigen 2007–2021 durch das Motu proprio Summorum Pontificum von Papst Benedikt XVI. vergönnt war.
Von Trinidad Dufourq, Französisch-Übersetzerin an der Universität Buenos Aires, wurde das Buch des bereits verstorbenen Kapuzinerbischofs Juan Rodolfo Laise über die Handkommunion übersetzt. Die Lage der Tradition, so Dufourq, sei heute „viel besser“ als vor 2007. In Argentinien habe der überlieferte Ritus innerhalb der Ortskirche faktisch nicht mehr existiert. Für die spanische Katholizität sei ein von Rom abweichender Weg undenkbar gewesen. So sei es ein leichtes gewesen, die Liturgiereform in den Ländern des spanischen Sprachraums wie in Italien durchzusetzen.
Papst Paul VI. hatte 1968 dem Weltepiskopat die Frage vorgelegt, ob die Handkommunion zugelassen werden könne. Argentiniens Bischöfe antworteten barsch, daß über eine Lehrfrage nicht „abgestimmt“ werden könne, so wie man auch über Dogmen nicht abstimmen könne. Paul VI. überließ es dann den einzelnen Bischofskonferenzen – eigentlich den einzelnen Bischöfen –, ob sie die Handkommunion einführen wollten oder nicht, wodurch eine Bresche geschlagen wurde. Argentiniens Bischöfe machten lange nicht davon Gebrauch, bis 1996 eine neue Generation von Bischöfen in ihrer Mehrheit diesen Schritt setzte.
Als das Motu proprio Summorum Pontificum erlassen wurde, habe die Kirche in Argentinien kaum oder sogar mißtrauisch reagiert. Es wurde damit sofort der Verdacht einer Spaltung in Verbindung gebracht. Auch der damalige Erzbischof von Buenos Aires, Kardinal Jorge Mario Bergoglio, reagierte nicht.
Die Gläubigen organisierten sich selbst, „unterstützt durch Kontakte über das Internet und das Beispiel aus dem Ausland“. Ein Antrieb sei dabei das zunehmende Abgleiten der argentinischen Prälaten in Richtung Modernismus gewesen.
Heute wird in der Hälfte der 66 argentinischen Diözesen die überlieferte Messe zelebriert. Die 54 Meßorte werden zur Hälfte von der Piusbruderschaft (FSSPX) getragen. Die andere Hälfte entstand von null auf erst durch Summorum Pontificum und werden von Diözesanpriestern betreut. Außer der Piusbruderschaft gibt es im Land keine Priester- oder Ordensgemeinschaften der Tradition, und nur in einem einzigen Priesterseminar, dem der FSSPX, wird die überlieferte Messe gelehrt.
Nach Traditionis Custodes sei es unwahrscheinlich, daß neue diözesane Meßorte genehmigt werden, so Dufourq. Das verhindere aber nicht, daß es bemerkenswerte Initiativen gebe: Angeregt von der großen Pfingstwallfahrt der Tradition in Frankreich und einer ebensolchen in Covadonga in Spanien, von wo die Reconquista der iberischen Halbinsel nach der islamischen Invasion ihren Ausgang nahm, findet inzwischen auch in Argentinien eine Wallfahrt der Tradition statt, denn es brauche nach dem heimtückischen Angriff auf die Katholizität eine neue geistige Reconquista. An der jüngsten Wallfahrt nahmen mehr als tausend Menschen teil, wegen des anstrengenden Weges vor allem junge Menschen und viele Ordensleute.
Wenn es eine Gruppe gibt, so Trinidad Dufourq, selbst eine kleine von nur fünf Personen, die entschlossen und konsequent ist, werde sich das Gute von selbst ausbreiten, wie ein kleines Samenkorn, das auf fruchtbaren Boden fällt. Trotz aller Hindernisse, die von jenen in den Weg gelegt werden, die verführt wurden, gelte: Si Deus nobiscum, quis contra nos? Wenn Gott mit uns ist, wer sollte gegen uns sein?
Don Nicola Bux: Die Zukunft gehört der Tradition
Worte der Hoffnung sprach auch der bekannte Liturgiker und Freund von Benedikt XVI. Don Nicola Bux aus: „Die Zukunft gehört uns“. Schwierigkeiten seien dazu da, das Werk zu stärken, das der Herr aufbauen will. „Wir müssen uns auf ihn verlassen, mehr als auf uns selbst, sonst verfallen wir dem Irrtum derer, die heute die Liturgie tamquam si Deus non daretur feiern (als wäre der Herr nicht anwesend).“
Von Mediator Dei von Pius XII. bis zu Summorum Pontificum von Benedikt XVI. haben wir die Mittel gegen die nachkonziliare Liturgie. Die Verfälschung der Liturgie rühre daher, daß der Zelebrant und seine Willkür über Gott gestellt werden.
Das Wachstum der Kirche kenne keinen Bruch: „Was heilig war, bleibt heilig.“ Leider sei die Hierarchie getrieben, zu verwerfen, was heilig ist, und lege damit selbst den Grundstein für ihre eigene Bedeutungslosigkeit.
„Nichts ändert sich wirklich an der überlieferten Lehre: Was die Kirche seit Jahrhunderten gelehrt hat, lehren auch wir“, sagte Paul VI.
Mediator Dei von 1947 nannte Don Bux „das wichtigste Lehrdokument“ über die Liturgie bis zu den Konzilstexten, die sich noch darauf beziehen. Pius XII. hatte eine Kommission für die Reform der Liturgie eingesetzt, die ihre Arbeit aufnahm und dann die Grundlage für die Vorarbeiten zur Konzilskonstitution über die Liturgie bildete. Es war der einzige vorbereitende Text, der in die Arbeiten des Konzils einfloß und angenommen wurde.
Mediator Dei verurteilte insbesondere den Archäologismus, der eine unwahrscheinliche Rückkehr zu den frühchristlichen Ursprüngen der Liturgie anstrebte und den organischen Strom der Tradition durch die Jahrhunderte ablehnte.
Pius XII. habe an einen Codex iuris liturgici gedacht, um die Rubriken zu vereinfachen und eine umsichtige Reform durchzuführen, die den Priestern bei ihrem Apostolat helfen würde, indem sie sie von bestimmten Formalismen befreit. Es gelang ihm jedoch nicht, das Werk zu vollenden.
Papst Johannes Paul II. habe in Ecclesia de Eucharistia versucht, die nach dem Konzil entstandenen Mißbräuche einzudämmen, die einen eklatanten Verstoß gegen die Konzilskonstitution Sacrosanctum Concilium darstellten, in der Mediator Dei weitgehend bekräftigt wurde. Sein Bemühen habe aber keine praktische Wirkung gehabt.
Im Juli 2007 kehrte Papst Benedikt XVI. zu Mediator Dei zurück, denn in der Geschichte der Kirche gibt es Wachstum, aber niemals einen Bruch. Was heilig war, könne nicht plötzlich verächtlich gemacht oder gar als schädlich angesehen werden.
Die Liturgie sei keine ägyptische Mumie, so Don Bux, sondern ein lebendiger Organismus, „der wächst und sich weiterentwickelt“. Wie die Kirche sei auch die Liturgie semper reformanda, aber nach dem Prinzip des organischen Wachstums, der Kontinuität und niemals des Bruchs. Das sei die Bedeutung der Reform der Reform von Benedikt XVI. gegen die der gegenwärtige Trend nichts ausrichten könne, also auch nicht Traditionis custodes, denn die Liturgie wirke in den Köpfen und Herzen, nicht in Gesetzestexten.
Don Bux erinnerte daran, daß Papst Franziskus 2017 gesagt hatte, daß die Liturgiereform „unumkehrbar“ sei. Dagegen betonte der bekannte Liturgiker, daß keine Reform unumkehrbar sei. Es gehe dabei nicht darum, zurückzugehen, „indietro“ – eine Anspielung auf den von Franziskus konstruierten Vorwurf, die Vertreter der Tradition würden einen „Indietrismus“ fördern –, sondern vorwärtszugehen. Die Mängel der Liturgiereform und ihre negativen Auswirkungen würden überall zutage treten und sichtbar werden, vor allem der Glaubensverlust durch das katholische Volk. Diese Mängel würden aber mit Hilfe der gesunden Kräfte überwunden werden, man müsse nur Geduld haben.
Während die Flamme des Glaubens an vielen Orten erlischt, zitierte Don Bux Papst Benedikt XVI., ist es vorrangig, „den Gott zu bringen, der am Sinai erschienen ist und sich in Jesus Christus offenbart hat“. Der usus antiquior mache diesen Gott in der Welt für die Seelen auf eine besondere und intensivere Weise gegenwärtig.
Es gebe eine Meinungsverschiedenheit mit der derzeitigen Kongregation für den Gottesdienst, die das Wesen der Liturgie betrifft. Der Zusammenbruch der Liturgie sei die Ursache der Kirchenkrise: Man denke an das, was in Deutschland oder Flandern geschieht, und es bleibe zu hoffen, daß daraus nicht ein Flächenbrand wie zu Luthers Zeiten werde. Im frühen 16. Jahrhundert hatte der Papst in Rom andere Sorgen, während Luther seine Thesen anschlug und diese als Mönchsgezänk abtat; genau wie heute, wo „Rom schweigt“, wenn nicht sogar gemeinsame Sache mache.
Die Erneuerung nach einer mißlungenen Reform erfolge, wenn das Heilige wiedergeboren werde. Das Heilige müsse aber von unten, vom Volk Gottes, wiedergeboren werden: Die Messe des Vetus Ordo „ist das Zeichen dieser Wiedergeburt des Heiligen“, denn es sind die Gläubigen selbst, die es suchen und wünschen. Die Geschichte der Kirche werde in Jahrtausenden gemessen; deshalb dürfe man es nicht eilig haben. Das Leiden sei notwendig, denn Christus ist durch die Passion gegangen, weshalb Geduld, Ausharren und Hindernisse auch ein Zeichen des Segens sind, denn nur der Weg des Bösen sei leicht und durchlässig.
Aldo Maria Valli: Inständig für die Modernisten beten, denn sie wissen nicht, was sie tun
Der Essayist und Journalist Aldo Maria Valli war aufgrund seines Berufs dabei, als Benedikt XVI. auf dem Flug nach Fatima den Journalisten von der internen Verfolgung berichtete. Er könne bezeugen, daß das Pontifikat von Benedikt XVI. in der Tat das am meisten kritisierte und bekämpfte Pontifikat von allen war, die er in seinem inzwischen nicht mehr so kurzen Leben gekannt hat. Der Grund für diese Abneigung war, daß dieser Pontifex den Mut hatte, sich gegen eines der stärksten weltlichen Dogmen zu stellen: den „Fortschritt“. Die Rückkehr zur Tradition gilt als Verrat und Ketzerei, denn der Weg könne nur geradlinig in Richtung einer immer stärkeren Umarmung der „Zeichen der Zeit“ und der soziologischen Trends der Moderne führen. Dabei werde vergessen, daß diejenigen, die sich von Moden leiten lassen, bald verwitwet sein werden, wie Chesterton sagte.
Die überlieferte Liturgie, so Valli, der Jahrgang 1958 ist, sei für viele eine Neuentdeckung. Für die Jüngsten und auch für die nicht mehr ganz so Jungen ist sie ein wiederentdeckter Schatz, „von dem wir gar nicht wußten, daß er existiert“.
„Wir alle spürten, daß die Messe von Paul VI. wenig zu sagen hat, auch wenn dieses Wenige in der heutigen Sprache gesagt wird, und als wir die Messe aller Zeiten entdeckten, fragten wir uns, warum uns dieser großartige und reiche Schatz in seiner unglaublichen Schönheit und bewegenden Bedeutungsfülle genommen wurde.“
Die Formulierung „außerordentliche Form“ sollte auf ihre Marginalität hinweisen, sei aber eine treffende Bezeichnung, „weil sie durch eine glückliche Metonymie ihre Vorzüglichkeit ausdrückt, ihr Außergewöhnliches, mit jenem Flügelschlag, der sie so sehr von der gewöhnlichen, banalen Messe unterscheidet, die in der Alltagssprache gefeiert wird, das heißt, in jener Vulgärsprache, die auch hier durch Metonymie nicht nur die gängige Sprache bezeichnet, sondern auch etwas Niedriges, Triviales, weit entfernt von den himmlischen und hyperurbanen Höhen“.
Niemand habe sich je durch die Lektüre der Protokolle einer Bischofssynode oder eines Pastoralprogramms bekehrt. Aber viele bekehren sich durch den Kontakt mit der Liturgie. Das sei heute nicht anders, wie er bezeugen könne durch zahlreiche Zuschriften von Lesern seines Blogs Duc in altum, die ihre Rückkehr schildern, als würden sie ihr Zuhause wiederfinden.
Die Konvertiten bestätigen, so Valli, daß der Vergleich zwischen der überlieferten Messe und dem Novus Ordo gnadenlos ist, denn sie beklagen die langweilige Predigt des Versammlungsleiters; den Altar, der kein Altar mehr, sondern zum Tisch geworden ist; die Kommunion, die im Stehen und mit der Hand empfangen wird, als ein müdes Ritual, dessen Sinn nicht verstanden wird.
In der Messe aller Zeiten bedürfe es keiner participatio actuosa, denn diese ist bereits gegeben, auch in der Stille; noch viel weniger bedürfe es einer „Animierung der Gemeinde“. Man müsse vor dem Mysterium tremendum niederknien, aber dazu müsse man demütig werden und sich von Eitelkeit und Protagonismus befreien, die im modernistischen Lager vorherrschend seien, das von der Idee geprägt sei, „die Kirche neu zu gestalten“. Leere Gefühlsduselei, erfundene und oft unverständliche Symbolik seien das Zeichen für eine „eklatante Abkehr von der katholischen Theologie der Heiligen Messe“, wie es die Kardinäle Ottaviani und Bacci in ihrem Breve esame critico del novus ordo Missae vorhergesagt hatten.
„Deus non irridetur: Die schreckliche Warnung des Paulus ist auch heute noch aktuell.“
Giovannino Guareschi, der Autor von Don Camillo und ein großer Gegner der Reform, habe geschrieben, daß die lateinische Sprache nicht wegen irgendwelcher Erfordernisse des Fortschritts aufgegeben wird, sondern weil in der Zukunft Demagogen und Scharlatane, die bereit sind, alles zu propagieren, eine ungenaue und schwer faßbare Phraseologie wollen, mit der man stundenlang sprechen kann, ohne etwas zu sagen; etwas, das für das Latein mit seiner unverfälschten Festigkeit der Bedeutungen, der Präzision der Sprache, der Klarheit der Worte und Begriffe unmöglich ist.
Valli schloß mit dem Aufruf, inständig für die Modernisten zu beten, „denn sie wissen nicht, was sie tun; und wenn sie es wissen, laßt uns trotzdem beten, damit sie damit aufhören“.
Prof. Peter Kwasniewski: Die Liturgie ist keine Spielwiese des Papstes
Der US-amerikanische Liturgiker Peter Kwasniewski sprach mit großer Gelehrsamkeit über das heikle Thema der päpstlichen Befugnis, die Liturgie zu ändern.
Die Traditionalisten seien vielfach Angriffen ausgesetzt, weil ihnen Ungehorsam gegenüber der päpstlichen Autorität vorgeworfen wird. Der Papst, so der Vorwurf, der teils sogar unter Berufung auf Texte der Scholastik erhoben wird, besitze die volle und ausschließliche Jurisdiktion auch über die Liturgie. Es gebe aber Kriterien, so Kwasniewski, um beurteilen zu können, wie weit diese Macht reicht. So könne der Papst beispielsweise neue Riten einführen, solange die Kontinuität mit den bisherigen Riten gewahrt bleibt. So sei jede Editio typica des Römischen Meßbuchs einfach derselbe Text mit kleinen Änderungen und Korrekturen.
Damit sei man auch schon beim eigentlichen Problem angelangt, denn der Novus Ordo erhält nur dreizehn Prozent des vorherigen Missale von 1962, das bereits eine relativ größere Änderung gegenüber seinem Vorgänger eingeführt hatte.
Ohne in die Diskussion über die neue Messe einzutreten, so Kwasniewksi, bleibe die Tatsache bestehen, daß das neue Missale nicht als eine neue Editio typica betrachtet werden könne, die die vorherige ersetzt, sondern als ein völlig neuer liturgischer Text, der daher die vorherige nicht ersetzt, also auch nicht aufhebt.
Die Liturgie sei keine Spielwiese des Papstes, wie die Ultrapapisten behaupten, sondern das über Jahrhunderte geschichtete Glaubensgut, das veränderbar, aber nicht umstürzbar ist.
Er wolle nicht so weit gehen, so Kwasniewski, zu sagen, daß Alexander VI. besser war als Paul VI., denn dieser unmoralische, inzestuöse, nepotistische Papst habe sich zumindest nicht in die Lehre und die Liturgie eingemischt, nichtsdestotrotz sei der wenn auch heiliggesprochene Papst Montini in Fragen der Liturgie in die Irre geführt worden, denn die Messe von Paul VI. sei nicht die vom Konzil und seiner Konzilskonstitution Sacrosanctum Concilium gewünschte Messe. Die Konstitution hatte beispielsweise die Beibehaltung der lateinischen Sprache vorgeschrieben, kein Umdrehen der Altäre vorgesehen und die Beibehaltung des Gregorianischen Chorals angeordnet.
Pater Spadaro, der offiziöse Sprecher von Papst Franziskus, so Kwasniewski, habe argumentiert, daß in der Liturgie „zwei plus zwei nicht immer vier“ ergebe. Das aber entspreche nicht den Tatsachen, denn das Prinzip des Nicht-Widerspruchs und der Rationalität gelte auch für die Theologie, deren Ausdruck die Liturgie ist, gemäß dem alten Sprichwort lex credendi, lex orandi: Ohne diese Grundlagen der Vernünftigkeit und Folgerichtigkeit könne kein Diskurs über den objektiven und wahrhaftigen Glauben bestehen; es bleibt nur ein relativistischer und entheiligter Sentimentalismus.
Deshalb könne ein orthodoxer Ritus von keinem Papst abgeschafft werden: Das gelte für den überlieferten Ritus ebenso wie für die östlichen Riten.
Angesichts der abrogativen oder restriktiven Eingriffe in die Liturgie aller Zeiten sei es die Pflicht eines jeden Katholiken, Widerstand zu leisten, zum Wohle der Seelen und seiner selbst wegen. Es sei notwendig, wenn nötig, den Widerstandsgeist der 70er Jahre wiederzuentdecken, als die katholische Tradition unter großen persönlichen Opfern von mutigen Gläubigen aufrechterhalten wurde, die sie zum Wohle aller und der Kirche bewahrten.
Heute sei das noch einfacher, weil die Tradition viel zahlreicher sei als damals. Vielleicht ist der nächste Pius X. heute in irgendeinem Priesterseminar und vollendet seine Studien.
Christian Marquant: Traditionis custodes ist ein Zeichen der Schwäche der Verfolger
Der Franzose Christian Marquant, Gründer von Paix Liturgique, schloß die Tagung als letzter Redner mit dem ihm eigenen Optimismus ab, der ihn auszeichnet. Indem er sich die Rüstung der heiligen Jeanne d’Arc zu eigen machte: „Die Menschen kämpfen, Gott wird den Sieg geben“, konnte er bereits unzählige Schlachten gewinnen.
Marquant sprach über das Selbstverständnis als Traditionalisten. „Wir sind weder nostalgisch noch die letzten Mohikaner, weil sich die kirchliche Hierarchie seit mehr als fünfzig Jahren gegen uns stellt und behauptet: ‚Euch gibt es gar nicht‘, wir sind einfach Katholiken, weil das der volle und vollkommene Ausdruck unseres Glaubens, unserer lex credendi, ist.
Es gebe jene, die der Überzeugung waren, die Zeit werde die Sache erledigen, sobald die letzten, die sich noch an die Zeit vor der Liturgiereform erinnern können, nicht mehr sein werden. Das Gegenteil aber ist eingetreten: Wir sind hier und es zeigt sich die spirituelle Fruchtbarkeit der überlieferten Messe durch die Berufungen.
Marquant erinnerte an eine Umfrage, die 1976 von einer Tageszeitung in Lyon durchgeführt wurde. 43 Prozent der praktizierenden Katholiken in Frankreich äußerten die Ansicht, daß die neue Liturgie die Gläubigen aus den Kirchen vertrieben habe.
„Paix Liturgique hatte daraufhin die Idee, die Meinung der französischen Katholiken zu erkunden, um zu zeigen, daß es die Traditionalisten gibt: Das Ergebnis war immer, daß zwischen 25 und 45 Prozent in ihrer Gemeinde die überlieferte Messe besuchen möchten!
Nur zwischen 8 und 15 Prozent antworteten, daß sie niemals in den überlieferten Ritus gehen würden: Das sind die wahren Feinde der überlieferten Messe, die ‚nicht existieren‘ oder zumindest eine winzige Minderheit darstellen.“
Diese Ergebnisse wurden in allen befragten europäischen Ländern bestätigt. In Italien war das Ergebnis noch günstiger. Ähnliche Umfragen erfolgten auch in Südamerika, in Tansania und sogar in Südkorea, wo Latein eine Fremdsprache ist wie für uns das klassische Mandarin: überall die gleichen Ergebnisse.
Die Verfolgung durch Traditionis custodes sei in Wirklichkeit ein Zeichen für die Schwäche der Verfolger und die Stärke der Bewegung der Tradition.
„Wäre der Traditionalismus tatsächlich die Domäne einiger alternder Nostalgiker, würde sich niemand die Mühe machen, ihn zu behindern.“
Die Behinderung sei zum Scheitern verurteilt. Dem Klerus und den Ordensleuten können Probleme bereitet werden, aber als Laien „sind wird nicht verpflichtet, sinnlose Schikanen zu befolgen. Und unsere Kinder und Enkelkinder sind bei uns. Wir brauchen nur da zu sein und zu warten, denn die Nachfrage kommt von unten, und die missionarische Kraft der alten Messe ist wohlbekannt.“
Traditionis custodes sei der Abgesang des nachkonziliaren Fanatismus.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL
Ich kann dem, was Aldo Maria Valli sagt, nur voll zustimmen. Als ich die traditionelle Messe kennengelernt habe, habe ich gedacht, was wurde uns da genommen. Ich bin mir sicher, dass die allermeisten Gläubigen, die so wie ich nach dem 2. Vatikanum geboren und mit der Neuen Messe aufgewachsen sind, keine Ahnung haben, was ihnen genommen wurde. Ich kann nur sagen, dass ich mich nicht zwischen den beiden Formen der Hl. Messe entschieden habe, welche mir besser zusagt, sondern dass mich die traditionelle Messe in einer Weise angezogen hat, die unwiderstehlich war. Für nichts auf der Welt würde ich freiwillig wieder zum Novus Ordo zurückkehren.