(Nur-Sultan) Entgegen ersten Erwartungen kam Patriarch Kyrill I. von Moskau nicht zum Kongreß der Führer der Weltreligionen nach Nur-Sultan. Gestern traf sich Papst Franziskus dafür kurz mit der Delegation des Moskauer Patriarchats, die in die kasachische Hauptstadt gereist war.
Die Begegnung, die hinter verschlossenen Türen stattfand, dauerte nur fünfzehn Minuten. Zu wenig, um über den Austausch von Höflichkeiten hinauszugehen und Substantielles anzusprechen.
Die Delegation der russisch-orthodoxen Kirche wurde von Metropolit Antonij von Wolokolamsk angeführt, dem neuen Leiter des Außenamtes des Moskauer Patriarchats. Metropolit Antonij Sewrjuk übt dieses Amt seit Anfang Juni aus. Zuvor war er Metropolit von Korsun und Primas von Westeuropa. Kurzzeitig verwaltete er auch die Eparchie von Berlin und Deutschland der russisch-orthodoxen Kirche. Er folgte als Leiter des Außenamtes Metropolit Hilarion nach, der vom Heiligen Synod in der Sitzung vom 7. Juni überraschend zum Metropoliten von Budapest und Ungarn ernannt wurde. Der traditionell übliche Dank durch den Heiligen Synod entfiel bei der Entbindung Hilarions, was die Gerüchte bestärkte, daß Hilarion Alfejew in Ungnade gefallen war.
Metropolit Antonij bekräftigte nach der Begegnung mit Franziskus die Möglichkeit eines Treffens zwischen dem Papst und Patriarch Kyrill, aber es müsse sehr gut vorbereitet werden. Wörtlich sagte der Leiter des Außenamtes des Moskauer Patriarchats:
„Ja, das ist natürlich möglich, aber wir müssen uns gut auf dieses Treffen vorbereiten. Wir müssen sehen, wo und wann, und das Wichtigste ist, daß es am Ende etwas gibt, einen Aufruf, wie im Februar 2016 in Havanna. Dieses erste Treffen in der Geschichte zwischen einem Papst und dem Patriarchen war sehr wichtig, ebenso wie das Schlußdokument, und seitdem haben wir uns getroffen, um dieses Treffen in Havanna zu feiern und über das Dokument nachzudenken, das eine so starke Botschaft war. Wir müssen uns also auf dieses Treffen vorbereiten und sehen, wann es möglich sein wird.“
Zudem fügte er hinzu:
„Der Papst, der immer sehr herzlich ist, übermittelte Patriarch Kyrill seine Grüße, und wir erzählten ihm von der Präsenz der russisch-orthodoxen Kirche hier in Kasachstan.“
Über ein Treffen zwischen Papst und Patriarch sei „nicht ausführlich gesprochen“ worden, „aber es ist klar, daß das zweite Treffen bereits in der Vorbereitung war, dann aber verschoben wurde. Eines Tages wird es die Möglichkeit geben, sich wieder von Angesicht zu Angesicht zu treffen. Wir sind überzeugt, daß das Treffen zwischen dem Papst und dem Patriarchen etwas sehr Wichtiges ist. Deshalb muß es sehr gut vorbereitet sein, es ist nicht nur ein Treffen zum Kaffee.“ Zudem enthüllte der Metropolit, daß es der Heilige Stuhl war, der das Treffen zwischen Franziskus und Kyrill abgesagt hatte:
„Wie ich schon sagte, haben wir uns auf das zweite Treffen vorbereitet, das dann vom Vatikan abgesagt wurde. Wir waren zu diesem Treffen bereit, aber es wurde vom Heiligen Stuhl abgesagt.“
Die zweite Begegnung sollte Anfang Juni im Libanon stattfinden, alternativ war auch an Jerusalem gedacht worden. Wegen des russisch-ukrainischen Krieges gab der Vatikan unter westlichem Druck seine Pläne jedoch auf und hoffte auf eine Begegnung im Rahmen des gerade stattfindenden Kongresses der Führer der Weltregionen, zu dem Patriarch Kyrill aber nur eine Delegation entsandte. Franziskus hatte das Treffen im Nahen Osten in einem Interview mit dem Corriere della Sera abgesagt und dabei Patriarch Kyrill als „Putins Ministranten“ bezeichnet, was einer persönlichen Beleidigung gleichkommt. Das Moskauer Patriarchat hielt sich jedoch mit Reaktionen zurück. Auch jetzt sprach Metropolit Antonij nur von einer „Überraschung“.
„Der Papst gab das Interview, an das Sie sich erinnern, und sagte, daß er nicht nach Jerusalem reisen würde, um Kyrill zu treffen. Aber jetzt hat der Papst bestätigt, daß ein weiteres Treffen notwendig ist, und wir müssen sehen, wann und wie. Wir haben die Einzelheiten nicht besprochen. Vielleicht sollten wir das mit den Mitarbeitern des Papstes machen.“
„Ich kann sagen, daß dieses Interview etwas sehr Unerwartetes war. Es ist klar, daß ein solcher Ausdruck der christlichen Einheit nicht dienlich ist. Es war eine Überraschung, sagen wir es einmal so. Aber wir wissen, daß wir weitermachen müssen, es ist wichtig, daß die beiden religiösen Führer diesen Weg weitergehen, um alles zu tun, was wir Christen tun können, um den Menschen zu helfen, das ist das Wichtigste.“
Der Vatikan äußerte sich nicht zur gestrigen Begegnung.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican.va (Screenshot)