Mit der Macht von Papst Franziskus wächst das Chaos in der Kirche

Die Kurienreform und die neue Verfassung des Malteserordens offenbaren den päpstlichen Machtmißbrauch


Das Pontifikat von Franziskus neigt sich unweigerlich seinem Ende zu. Den lehramtlichen Irrtümern wurde bereits 2017 mit der Correctio filialis entgegengetreten. Unterdessen baut Franziskus seine Macht ohne Rücksicht auf Verluste aus, auch auf Kosten des Progressivismus.
Das Pontifikat von Franziskus neigt sich seinem Ende zu. Unterdessen baut Franziskus seine Macht ohne Rücksicht auf Verluste aus, auch auf Kosten des Progressismus. Das Chaos in der Kirche nimmt jedoch immer mehr zu.

Von Rober­to de Mattei*

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In die­ser ver­wir­ren­den Zeit am Ende des Pon­ti­fi­kats gibt es jene, die ihre Auf­merk­sam­keit auf die lehr­mä­ßi­gen Irr­tü­mer von Papst Fran­zis­kus rich­ten. Das Bemü­hen ist lobens­wert, vor allem wenn es sich um Fach­leu­te han­delt, aber es bleibt schwie­rig, der Cor­rec­tio filia­lis von 2016 etwas hin­zu­zu­fü­gen, die die umfas­send­ste theo­lo­gi­sche Kri­tik des zurück­lie­gen­den Jahr­zehnts bleibt.

Viel­mehr offen­ba­ren die Ereig­nis­se immer deut­li­cher den poli­ti­schen Cha­rak­ter der Regie­rung des amtie­ren­den Pap­stes und ihre inne­ren Wider­sprü­che. Zwei jün­ge­re Maß­nah­men sind in die­ser Hin­sicht bei­spiel­haft: die Reform der Römi­schen Kurie und die kom­mis­sa­ri­sche Ver­wal­tung des Sou­ve­rä­nen Mal­te­ser­or­dens.

In der Apo­sto­li­schen Kon­sti­tu­ti­on über die Römi­sche Kurie Prae­di­ca­te Evan­ge­li­um vom 9. März 2022 heißt es, daß „jeder Gläu­bi­ge einem Dik­aste­ri­um oder einem Orga­nis­mus“ der Römi­schen Kurie „kraft der Voll­macht, die sie vom Papst erhal­ten hat, in des­sen Namen sie mit stell­ver­tre­ten­der Gewalt in der Aus­übung des pri­ma­tia­len Amtes han­delt“, vor­ste­hen kann. Wie der neu­ernann­te Kar­di­nal Gian­fran­co Ghir­lan­da bei der Vor­stel­lung des Doku­ments im Pres­se­saal des Vati­kans erklär­te, ist „die stell­ver­tre­ten­de Voll­macht zur Aus­übung eines Amtes die­sel­be, egal ob sie von einem Bischof, einem Pres­by­ter, einem geweih­ten Mann oder einer geweih­ten Frau oder einem Lai­en emp­fan­gen wird“.

Das bedeu­tet, daß jeder Laie, auch eine Frau, zum Bei­spiel zum Staats­se­kre­tär oder zum Prä­fek­ten der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on ernannt wer­den könn­te, da sie ihre Befug­nis­se direkt vom Papst und nicht vom Wei­he­sa­kra­ment erhalten.

Wir ste­hen vor einem revo­lu­tio­nä­ren Akt, indem Papst Fran­zis­kus die eta­blier­te Tra­di­ti­on der Kir­che umstößt und Lai­en Auf­ga­ben über­trägt, die tra­di­tio­nell dem Kle­rus vor­be­hal­ten waren. Kar­di­nal Gia­co­mo Anto­nel­li (1806–1876), Staats­se­kre­tär von Pius IX., war zum Bei­spiel weder Bischof noch Prie­ster, son­dern gehör­te als Dia­kon dem Kle­rus an. Die Römi­sche Kurie ist ein Organ, das dem Papst bei der uni­ver­sel­len Lei­tung der katho­li­schen Kir­che zur Sei­te steht und seit jeher eine emi­nent kirch­li­che Struk­tur hat.

Um sei­ne Neue­rung zu recht­fer­ti­gen, leug­net der Papst jedoch ein grund­le­gen­des Prin­zip der pro­gres­si­ven Theo­lo­gie. Wäh­rend die tra­di­tio­nel­le Theo­lo­gie zwi­schen der Juris­dik­ti­ons­ge­walt, die dem Papst zusteht, und der Wei­he­ge­walt, die mit der Bischofs­wei­he ver­bun­den ist, unter­schei­det, geht in der theo­lo­gi­schen Visi­on, die sich seit dem Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil durch­ge­setzt hat, die Juris­dik­ti­ons­ge­walt, also die Regie­rungs­ge­walt, in der Wei­he­ge­walt, also der sakra­men­ta­len Gewalt, auf. In der Tat möch­te die neue Theo­lo­gie die Kir­che von ihrer juri­sti­schen Hül­le befrei­en, um ihr eine ethisch-pro­phe­ti­sche Funk­ti­on zu geben, indem sie den Papst auf einen Pri­mus inter pares inner­halb des Bischofs­kol­le­gi­ums reduziert.

Aus die­sem Grund defi­niert der Histo­ri­ker Alber­to Mel­lo­ni, Lei­ter der „Schu­le von Bolo­gna“, das Prin­zip, auf dem Prae­di­ca­te Evan­ge­li­um beruht, als „eine The­se, die das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil ins Herz trifft und einen Ori­en­tie­rungs­punkt für die Zukunft der Kir­che dar­stellt“ (La Repubbli­ca, 24. August 2022). Im Gegen­satz zur Kon­zils­theo­lo­gie wur­de näm­lich von Kar­di­nal Ghir­lan­da prä­zi­siert, daß die neue Kon­sti­tu­ti­on „die Fra­ge der Fähig­keit der Lai­en regelt, Ämter zu emp­fan­gen, die mit der Aus­übung der Lei­tungs­ge­walt in der Kir­che ver­bun­den sind, sofern sie nicht den Emp­fang der hei­li­gen Wei­hen vor­aus­set­zen, und indi­rekt bekräf­tigt, daß die Lei­tungs­ge­walt in der Kir­che nicht aus dem Sakra­ment der hei­li­gen Wei­hen, son­dern aus der kano­ni­schen Sen­dung stammt, da sonst das, was in der Apo­sto­li­schen Kon­sti­tu­ti­on selbst vor­ge­se­hen ist, nicht mög­lich wäre“.

Der Papst bekräf­tigt also, um einen Macht­miß­brauch zu bege­hen, einen tra­di­tio­nel­len Grund­satz, aber für die Ban­ner­trä­ger des Pro­gres­sis­mus han­delt es sich dabei um eine schwe­re theo­lo­gi­sche Niederlage.

Auch im zwei­ten Fall liegt ein schwe­rer Macht­miß­brauch vor.

Am 3. Sep­tem­ber 2022 ver­kün­de­te der Papst die neue Ver­fas­sung des Mal­te­ser­or­dens und ver­füg­te die Auf­lö­sung des der­zei­ti­gen Sou­ve­rä­nen Rates [Regie­rung]. Er setz­te einen pro­vi­so­ri­schen Sou­ve­rä­nen Rat ein, der den Orden bis Janu­ar 2023 lei­ten wird, wenn das außer­or­dent­li­che Gene­ral­ka­pi­tel ein­be­ru­fen wird, um den neu­en Groß­mei­ster zu wählen.

Wie schon 2017, als der Papst den Rück­tritt des dama­li­gen Groß­mei­sters Matthew Fest­ing erzwang, wur­de der Mal­te­ser­or­den wie jede ande­re Insti­tu­ti­on des päpst­li­chen Rechts behan­delt und die Tra­di­ti­on, Geschich­te und Erin­ne­rung an einen über neun­hun­dert Jah­re alten Orden igno­riert. Der Mal­te­ser­or­den hat näm­lich eine dop­pel­te Rechts­per­sön­lich­keit, die ihn auf der Ebe­ne des Kir­chen­rechts dem Hei­li­gen Stuhl unter­stellt, aber auf der Ebe­ne des Völ­ker­rechts sei­ne Unab­hän­gig­keit von die­sem gewährleistet.

Arti­kel 3 der vom Papst auf­ge­ho­be­nen bis­he­ri­gen Ver­fas­sung besagt im Absatz 1, daß „der Orden ein Völ­ker­rechts­sub­jekt ist und sou­ve­rä­ne Funk­tio­nen aus­übt“. Die­se Funk­tio­nen sind: die Exe­ku­ti­ve, ver­tre­ten durch den Groß­mei­ster, der vom Sou­ve­rä­nen Rat unter­stützt wird; die Legis­la­ti­ve, ver­tre­ten durch das Gene­ral­ka­pi­tel; und die Judi­ka­ti­ve, ver­tre­ten durch die Magi­stral­ge­rich­te. In Arti­kel 4 Absatz 6 heißt es: „Der reli­giö­se Cha­rak­ter schließt die Aus­übung der ihm zuste­hen­den Sou­ve­rä­ni­täts­be­fug­nis­se nicht aus, inso­fern der Orden ein von den Staa­ten aner­kann­tes Völ­ker­rechts­sub­jekt ist“. Es besteht kein Zwei­fel dar­an, daß der Papst das Recht hat, das reli­giö­se Leben der Pro­feß­rit­ter zu regeln, die fei­er­lich die drei monasti­schen Gelüb­de able­gen, aber er kann sich nicht in die auto­no­men poli­ti­schen und staat­li­chen Ent­schei­dun­gen des Ordens einmischen.

Kar­di­nal Ghir­lan­da, der auch die juri­sti­sche Begrün­dung für das Han­deln von Papst Fran­zis­kus in die­sem Fall ver­faßt hat, zitiert ein Urteil des von Pius XII. ein­ge­setz­ten Kar­di­nal­tri­bu­nals vom 24. Janu­ar 1953, in dem dar­an erin­nert wird, daß „die dem Orden […] als Völ­ker­rechts­sub­jekt eige­nen Vor­rech­te […], die der Sou­ve­rä­ni­tät eigen sind, […] im Orden jedoch nicht jenen Kom­plex von Befug­nis­sen und Vor­rech­ten bil­den, der sou­ve­rä­nen Gebil­den im vol­len Sinn des Wor­tes eigen ist“. Die­ses Urteil ist jedoch kein Akt des Lehr­am­tes und muß in einen jahr­hun­der­te­al­ten histo­ri­schen und recht­li­chen Kon­text ein­ge­ord­net wer­den, in dem der Hei­li­ge Stuhl stets den sou­ve­rä­nen Cha­rak­ter des Mal­te­ser­or­dens aner­kannt hat, „ohne Ein­mi­schung ande­rer welt­li­cher oder reli­giö­ser Auto­ri­tä­ten“, wie Bene­dikt XVI. bei sei­nem Emp­fang der Rit­ter anläß­lich des 900. Jah­res­ta­ges des Pri­vi­legs Pie postu­la­tio vol­un­ta­tis vom 15. Febru­ar 1113 in Erin­ne­rung rief.

Was aber waren die Fol­gen die­ses will­kür­li­chen päpst­li­chen Ein­griffs auf der fak­ti­schen Ebe­ne? Am 23. Janu­ar 2017 hat Papst Fran­zis­kus, ohne recht­lich dazu befugt zu sein, den Rück­tritt von Matthew Fest­ing als Groß­mei­ster des Mal­te­ser­or­dens ange­ord­net. Baron Albrecht von Boe­se­la­ger, Chef des deut­schen pro­gres­si­ven Flü­gels, der durch Fest­ing von sei­nem Amt als Groß­kanz­ler sus­pen­diert wur­de, tri­um­phier­te. Am dar­auf­fol­gen­den 28. Janu­ar bestä­tig­te der Sou­ve­rä­ne Rat mit Unter­stüt­zung des Pap­stes und von Kar­di­nal Paro­lin den Rück­tritt Fest­ings und hob das gegen Boe­se­la­ger ver­häng­te Sus­pen­die­rungs­de­kret auf, der somit als Groß­kanz­ler zurück­kehr­te. Nun wur­de auch Boe­se­la­ger vor die Tür gesetzt. Vor allem aber wur­de der Ver­such der deut­schen Grup­pe, den Mal­te­ser­or­den in eine welt­li­che NGO umzu­wan­deln, vereitelt.

Im Fall des Prae­di­ca­te Evan­ge­li­um beruht der Macht­miß­brauch von Papst Fran­zis­kus, der das Leben der Kurie stört, auf einem rich­ti­gen Prin­zip; im Fall der Beauf­tra­gung des Mal­te­ser­or­dens beruht die Will­kür auf einem fal­schen Prinzip.

Der Pro­gres­sis­mus ver­liert aber in bei­den Fäl­len: im ersten Fall im Prin­zip, im zwei­ten in der Tat.

In bei­den Fäl­len wächst jedoch mit der Macht des Pap­stes das Cha­os in der Kirche.

Rober­to de Mat­tei, Histo­ri­ker, Vater von fünf Kin­dern, Pro­fes­sor für Neue­re Geschich­te und Geschich­te des Chri­sten­tums an der Euro­päi­schen Uni­ver­si­tät Rom, Vor­sit­zen­der der Stif­tung Lepan­to, Autor zahl­rei­cher Bücher, zuletzt in deut­scher Über­set­zung: Ver­tei­di­gung der Tra­di­ti­on: Die unüber­wind­ba­re Wahr­heit Chri­sti, mit einem Vor­wort von Mar­tin Mose­bach, Alt­öt­ting 2017 und Das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil. Eine bis­lang unge­schrie­be­ne Geschich­te, 2. erw. Aus­ga­be, Bobin­gen 2011.

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Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Cor­ri­spon­den­za Romana

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