
1312 wurde die Arme Ritterschaft Christi und des Salomonischen Tempels zu Jerusalem, besser bekannt als Templerorden, von Papst Clemens V. aufgehoben. Der Papst handelt damals nicht frei, sondern auf Druck von Philipp IV., dem König von Frankreich. Eine Vielzahl von Gruppierungen von Katholiken, Protestanten, Gnostikern bis Freimaurern berufen sich heute auf die Templer und erheben den Anspruch, ihre Nachfolge angetreten zu haben. Was hat es damit auf sich?
Gegründet wurde der Templerorden 1118 von Kreuzrittern im Heiligen Land zum Schutz der Heiligen Stätten, denn die Kreuzzugsheere kehrten nach ihren erfolgreichen oder gescheiterten Militäroperationen wieder nach Europa zurück. Die Mönchsritterorden, ein solcher war auch der Orden der Tempelherren, sollten die Kreuzzugsheere unterstützen, vor allem aber für die Verteidigung und den Schutz der Heiligen Stätten in deren Abwesenheit sorgen. Der Templerorden, der seinen Schwerpunkt in der französischen Ritterschaft hatte, wurde zum militärisch und ökonomisch stärksten Ritterorden. Bis 1302 verteidigte diese Elite der abendländischen Ritterschaft den letzten Stützpunkt im Nahen Osten, die Insel Arwad vor der heutigen syrischen Küste.
Während der Deutsche Orden in Preußen und im Baltikum und der Malteserorden (damals noch Johanniterorden) in der Ägeis eine neue Aufgabe gefunden hatten, fehlte eine solche noch für die sich Anfang des 14. Jahrhunderts auf ihre europäischen Kommenden zurückziehenden Templer. Ob Frankreichs König auch ihre nun brachliegende militärische Macht fürchtete, ist ungeklärt. Als sicher gilt, daß er sie für obsolet geworden hielt und aufgrund seiner finanziellen Nöte Hand auf den sprichwörtlichen Templerschatz (besser Templerbesitz) legen wollte. Diesen hatte der Orden durch eine Vielzahl von Stiftungen in zwei Jahrhunderten zur Finanzierung der sehr kostenintensiven Präsenz im Heiligen Land (Bau und Instandhaltung der Burgen, Unterhalt und Bewaffnung der Brüder) aufgebaut. Im Gegensatz dazu stand Philipp IV. knapp vor dem Staatsbankrott.
Der größte Justizskandal der Kirchengeschichte
Der mit dem französischen König befreundete Papst Clemens V. hatte 1309 das Papsttum in das Avignoner Exil geführt und damit zum „Gefangenen“ des französischen Königs gemacht. Clemens V., ein schwacher Papst auf dem Stuhl Petri, führte im Auftrag Philipps IV. gegen die Templer einen langwierigen, verworrenen und undurchsichtigen Schauprozeß durch, an dessen Ende die Verurteilung und gewaltsame Aufhebung des Templerordens stand. Papst Benedikt XVI. ließ 2007 die Prozeßakten zugänglich machen. Seither besteht kein Zweifel mehr, daß die Templer Opfer eines Justizskandals wurden. Es ist auch belegt, daß Clemens V., von ihrer Schuld nicht überzeugt, zu schwach war, sich gegen Philipp IV. durchzusetzen. Von einer Wiederbelebung des Ordens wurde im Spätmittelalter dennoch abgesehen, weil das Ansehen des Ordens durch den Prozeß und seine Zerschlagung als zu beschädigt galt.
Die meisten Tempelherren ergaben sich enttäuscht und gebrochen ihrem Schicksal. Sie hatten sich im Verfahren gegen die abscheulichen Anschuldigungen so gut als möglich verteidigt. Sie hätten auch zu den Waffen greifen können, doch ein Kampf gegen die legitime Autorität des Papstes und des Königs lag außerhalb des Denkbaren.
Ihr dreiundzwanzigster und letzter Großmeister, Jacques de Molay, war 1307 wie zahlreiche andere Tempelritter auf Befehl Philipps IV. verhaftet worden. Unter schwerer Folter gestand er 1309 Abscheulichkeiten, die dem Orden zur Last gelegt wurden, widerrief sein Geständnis aber unmittelbar danach. Das Verfahren zog sich hin und die Ordensangehörigen legten ihre Hoffnung, da sie von der weltlichen Macht nichts zu erwarten hatten, ganz auf den Papst, von dem sie sich am Ende verraten sahen.

Um jeden Widerstand im Orden zu ersticken, ließ Philipp 1310 demonstrativ 54 Ordensritter hinrichten. Der durch die Verhaftungen führungslos gemachte Orden war wie gelähmt. 1314 ordnete der König auch die Hinrichtung des Großmeisters an, obwohl dieser zuvor zu lebenslanger Haft verurteilt worden war. Molay wurde in Paris auf dem Scheiterhaufen verbrannt, einer von zahlreichen Rechtsbrüchen bei dieser aufsehenerregenden Zerschlagung eines bis dahin so angesehenen und bedeutenden Ordens, dem in zwei Jahrhunderten so viele Mitglieder der vornehmsten Familien angehört hatten.
Die Aufhebung der Templer unterschied sich wegen der Gewalt, die gegen sie angewandt wurde, von der Aufhebung anderer Orden in der Geschichte, ansonsten aber verlief sie vergleichbar. Der Besitz wurde eingezogen und ging meist in weltliche, seltener in geistliche Hand über. Die überlebenden und nicht inhaftierten Ordensangehörigen mußten sich, jeder für sich, eine neue Bleibe suchen. Führungslos gemacht, enteignet und von schwerer Repression bedroht, löste sich der Orden einfach auf.
Nur auf der iberischen Halbinsel, wo die Reconquista gegen die Muslime noch im Gange war, wurden von den Königen von Aragon und Portugal neue Ritterorden gegründet, denen der Templerbesitz in diesen Ländern übertragen wurde, und damit den dortigen Tempelrittern, die ja Ritter und Mönche waren, was nicht vergessen werden darf, eine neue Heimat geboten.
Lebte der Orden im Geheimen fort?
Behauptungen, die Templer hätten in manchen Gegenden Europas im Verborgenen fortbestanden, entbehren jeder historischen Grundlage. Solche Thesen kamen erst im 18. Jahrhundert im Kontext der damals auftretenden Freimaurerbünde auf, die alles in sich aufsaugten, was an tatsächlichem und mehr noch vermeintlichem vorchristlichem und nicht orthodoxem „Wissen“, an historischen Persönlichkeiten, Organisationen und Strömungen für sie und ihre Absichten „greifbar“ war. Der Justizskandal, der aus politischen Gründen zum Ende der Templer geführt hatte, war besonders prädestiniert, von Freimaurern und Liebhabern des Geheimnisvollen vereinnahmt zu werden. Bis dahin hatte weniger der Orden, sondern emblematisch für ihn die tragische Figur des letzten Großmeisters im Interesse der Öffentlichkeit gestanden. Der offenbar instinktiv erkannte Justizskandal wurde in der Erzählung verdichtet, Großmeister Molay habe auf dem Scheiterhaufen Papst und König verflucht oder zumindest ihren Tod noch im selben Jahr prophezeit – und mit dem König das Ende der Kapetinger –, da sowohl Clemens V. als auch Philipp IV. noch 1314 verstarben.
Erst im Rahmen „aufgeklärter“ Kreise des 18. Jahrhunderts schossen phantasievolle Geschichten und Behauptungen rund um die Templer dann so richtig ins Kraut. Erst seither gibt es ex novo Behauptungen von einem geheimen Fortbestehen des Templerordens und geheimnisvollen Symbolen und Zeichen, an denen sie sich erkennen würden. Dem spektakulären und tragischen Justizskandal wurde Jahrhunderte später ein gigantischer Humbug zur Seite gestellt.

Da die Ritterorden, die Kreuzzüge, das Heilige Land, die Ideale der Kreuzritter, ihre Burgen, ihr Mönchs- und Rittersein, ihre militärische und politische Macht, ihr Verteidigungsgedanke und insgesamt ihre Streitbarkeit offensichtlich die Phantasie beflügeln und bis zum heutigen Tag eine gewisse Anziehungskraft ausüben, versuchen sich weltweit unterschiedlichste Gruppen, häufig mehr schlecht als recht in die Fußstapfen der Tempelherren zu stellen.
Nach kirchlichem Verständnis kann ein Orden aufgehoben, aber nicht abgeschafft werden. Er ruht demnach nur, denn der Orden existiert in den bereits verstorbenen Ordensangehörigen im Himmel und im Fegefeuer fort. Auch der Templerorden könnte daher mit kirchlicher Erlaubnis jederzeit wiederbelebt werden. Davon hat die Kirche aber bisher abgesehen. Es würde die Aufhebung der Verurteilung von 1312 notwendig machen, was aufgrund der zeitlichen Distanz, fehlender Dokumente und Zeugen lange als kaum durchführbares Unterfangen galt. Seit Benedikt XVI. die vatikanischen Archive dazu öffnete, weiß man, daß die Aufhebung des Urteils möglich ist und sogar geboten wäre. Allerdings ist niemand zu erkennen, der legitimerweise eine solche Aufhebung einfordern könnte. Vor allem aber würde dadurch die höchste kirchliche Autorität kompromittiert, die sich damals zum Instrument Philipps IV. machen ließ. Das gilt im Vatikan als unnötige Mea-culpa-Pflichtübung, da kein Bedarf für eine Wiederbelebung des Ordens gesehen wird.
Eine Wiederbelebung des Templerordens: Anspruch und Wirklichkeit
Gedanken über eine eventuelle Reaktivierung traten im kirchlichen Umfeld erst ab 1847 auf, als das Osmanische Reich – fünfeinhalb Jahrhunderte nach dem Untergang der Kreuzfahrerstaaten – die Wiedererrichtung einer kirchlichen Hierarchie im Heiligen Land erlaubte. Eine Wiederbelebung des Templerordens kontrastierte jedoch mit dem zur selben Zeit, 1870, vom Ersten Vatikanischen Konzil festgeschriebenen Verständnis des Papsttums. Den nun vorhandenen Bedarf für den Erhalt der Heiligen Stätten deckte die Kirche durch die 1868 erfolgte Konstituierung des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem. Das geschah, ohne die Osmanen durch ein Wiederauftreten der Templer möglicherweise zu provozieren und vor allem ohne in einem heiklen Moment die päpstliche Autorität durch ein Eingeständnis „zu beschädigen“, daß ein Papst 1312 einen schwerwiegenden Justizskandal unterstützt und ermöglicht hatte. Der „heikle Moment“ betraf das vielfach mißverstandene Unfehlbarkeitsdogma von 1870, das für ausreichend heftige Konflikte innerhalb der Kirche und mehr noch für Anfeindungen von außerhalb sorgte. Im kurz darauf ausgerufenen zweiten Deutschen Reich kam es deshalb zum „Kulturkampf“ gegen den öffentlichen Einfluß der katholischen Kirche.
Die Kirche erkennt heute jedoch eine Reihe von Laienvereinigungen an, die nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet wurden und sich in eine Nähe zum Templerorden stellen, ohne dessen Nachfolge beanspruchen zu können. Sie folgen den Idealen eines christlichen Lebens und der Mildtätigkeit, wie sie von den drei großen kirchlich anerkannten Ritterorden, den Maltesern, Deutschherren und Grabesrittern, für ihre Laienmitglieder angestrebt und gefördert werden. Daneben gibt es im katholischen Bereich auch mehrere kirchlich nicht anerkannte „Anknüpfungen“, die mehr oder weniger denselben Zielen verpflichtet sind. Sie leisten meist einen wertvollen Beitrag in Kirche und Gesellschaft, insbesondere für die verfolgten Christen.
Zudem existiert aber auch eine Vielzahl von Möchtegern-Templern außerhalb der Kirche und zumeist ohne einen religiösen Bezug. Diese Gruppen finden sich aus historischen, gesellschaftlichen oder manchmal auch politischen Gründen zusammen. Insgesamt gilt für die heutige „Templer-Landschaft“, daß eine hohe Fluktuation herrscht: Gruppen, manchmal kleine und kleinste, entstehen und lösen sich oft bald wieder auf.
Dazu gehört seit Ende des 19. Jahrhunderts auch eine Myriade von phantasievollen Organisationen im Dunstkreis von Esoterik und Gnosis und natürlich Gruppen, die dem freimaurerischen Kosmos zuzurechnen sind und sich irgendwie auf die Templer berufen.
Diese Unzahl ganz unterschiedlicher Gruppen, von denen keine eine tatsächliche Nachfolge des Templererbes beanspruchen kann, schafft ein Durcheinander und setzt manchmal selbst kirchlich anerkannte Organisationen Verdächtigungen aus, da der Name „Templer“ durch unseriöse, gnostische und freimaurerische Initiativen diskreditiert wird. Insgesamt wurde durch sie dem Andenken des Templerordens nicht geringer Schaden zugefügt. Eine genaue Unterscheidung ist also vonnöten.
Eine solche wird aber von Gruppen erschwert, die kirchennahe sind, sich aber am Rande zu zweifelhaftem Geistesgut bewegen. Mit ihnen befaßt sich Pater Paolo Maria Siano von den Franziskanern der Immakulata, einer der besten katholischen Kenner der Freimaurerei. Er zeigt die Verwirrung auf, die in einigen Kreisen zu herrschen scheint, die sich kirchlich geben und dem äußeren Auftreten nach auch sind. Dazu gehören die sogenannten Friedrichs-Templer oder Friderizianischen Templer. Allein die Selbstbezeichnung vermengt Kirchliches mit Weltlichem und sucht den Ruch des Geheimnisvollen, Widerständigen und der Kirchenkritik.
Siehe zu den Friderizianischen Templern (Friedrichs-Templern) den Aufsatz von P. Siano:

Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons/MiL