
(Madrid) Zur Ikonographie Spaniens und der spanischsprachigen Welt gehört die Darstellung von Santiago Matamoros. Sie zeigt den heiligen Jakobus als Maurentöter. Dabei handelt es sich um eine gläubige Darstellung mit historisch-politischem Hintergrund, die auf den Sieg der Christen in der Schlacht von Clavijo von 844 zurückgeht. Die militärische Auseinandersetzung gegen die Muslime betraf Europa über den enorme Zeitraum von 711 bis 1912. Im Zeitalter der politischen Korrektheit und der politisch geförderten Islamisierung durch Masseneinwanderung paßt die Darstellung aber nicht mehr allen ins Bild.
Die Schlacht von Cavijo gehört zu den berühmtesten Auseinandersetzungen der Reconquista, die jahrhundertelang gegen die Muslime ausgefochten wurde, um die iberische Halbinsel von ihrer Herrschaft zu befreien.
Der Beistand des Apostels Jakobus gegen die Islamisierung
Ein muslimisches Heer hatte 711 mit der Eroberung des heutigen Spaniens und Portugals begonnen. Im Juli jenes Jahres besiegten die Muslime das Heer der Westgoten. Deren König Roderich fand in der Schlacht am Rio Gaudalete den Tod.

Ab 718 organisierte sich unter Führung des Pelagius (Pelayo) im äußersten Norden des Landes der christliche Widerstand. Der westgotische Adelige hatte der Leibgarde Roderichs angehört. Unter seinem Kommando konnten die Christen noch im selben Jahr den Muslimen in der Schlacht von Covadonga eine erste Niederlage zufügen. Dieses Ereignis gilt als Beginn der Reconquista.
Aus dem Jahr 844 wird erzählt, daß der Apostel Jakobus (Santiago) eingegriffen habe, um den Christen zu helfen. Jakobus der Ältere hatte im Jahr 44 als erster Apostel das Martyrium erlitten. Herodes Agrippa ließ ihn hinrichten.
In der Nacht vor der Schlacht sei der Apostel in aussichtsloser Situation König Ramiro I. (Ranimir) von Asturien, der der westgotischen Königsdynastie von Leovigild (568–586) und Rekkared I. (586–601) entstammte, im Traum erschienen und habe ihm göttlichen Beistand zugesichert. Am nächsten Tag besiegten die Christen das muslimische Heer bei Clavijo in der Region La Rioja. Der heilige Jakobus kämpfte, so die Überlieferung, selbst als Ritter auf einem Schimmel an der Seite der Christen.
Heute geht die Geschichtswissenschaft davon aus, daß Elemente der Schlacht von Albelda in die Schilderung eingeflossen seien, die 852 von Ramiros Sohn Ordoño I. siegreich gegen die Muslime geschlagen wurde.
Die Darstellung des Maurentöters in der Kunst
Auf diese Überlieferung, die zu einer königlichen Stiftung für die Kirche des Heiligen in Santiago de Compostela führte, geht jedenfalls die Darstellung des Santiago Matamoros zurück, die vor allem in Spanien als Gemälde und Skulptur häufig zu sehen ist. Eine der bekanntesten Darstellungen findet sich in der Kathedrale von Santiago.

Die Darstellung des heiligen Kriegers, der die Muslime niederwirft, fand vor allem seit der Renaissance Verbreitung in der Kunst. Manche wollen eine Analogie zu Darstellungen des heiligen Georgs als Drachentöter erkennen, der das ritterliche Ideal repräsentierte und seit dem Mittelalter besonders in den germanischen Völkern verehrt wurde. Santiago Matamoros prägte die spanische und portugiesische Identität mit.
Auch außerhalb Spaniens finden sich Darstellungen des heiligen Jakobus als Maurentöter, da die Pilger aus Deutschland, Italien, Frankreich und Ungarn, die im Mittelalter zahlreich Santiago de Compostela besuchten, das Motiv und die Verehrung in ihre Heimatländer mitnahmen. Eine solche Darstellung findet sich beispielsweise als Deckengemälde in der Klosterkirche Ensdorf in der Oberpfalz, das 1714 von Cosmas Damian Asam geschaffen wurde. Berühmte Maler wie Martin Schongauer, Corrado Giaquinto und Giovanni Battista Tiepolo haben den heiligen Maurentöter dargestellt.
Der Patron Spaniens
Der heilige Jakobus wurde nach der Schlacht von Clavijo zum faktischen, später auch offiziellen Patron Spaniens. Seit dem 9. Jahrhundert erkämpften die Christen die Befreiung von den Muslimen unter seinem Schutz und seiner Führung. 1170 gründete eine Gruppe von christlichen Rittern, die als Brüder von Caceres bekannt wurden, den Santiagoorden. Der nach dem Heiligen benannte Ritterorden entstand nach dem Vorbild der Ritterorden, die damals zur Verteidigung der Heiligen Stätten im Nahen Osten kämpften, allen voran die Templer und die Johanniter. Der Deutsche Orden entstand 20 Jahre nach dem Santiagoorden.

Die Hauptaufgabe der Santiagoritter, zugleich Mönche und Krieger, war die Sicherung der Pilgerwege nach Santiago de Compostela und der Schutz der Pilger. Die Ordensritter nahmen auch aktiv an der Reconquista teil. Dadurch erhielt der Orden große Gebiete von Andalusien und Murcia. Drei Großmeister fielen im Kampf gegen die Muslime.
Der Großmeistersitz des Ordens befand sich seit 1174 im zentralspanischen Ucles, das die Ritter zu einer mächtigen Festung ausbauten. Wenige Jahre nach dem erfolgreichen Abschluß der Reconquista ging auf Wunsch der Habsburger die Großmeisterwürde auf die spanische Krone über. 1528 wurde ein Großteil der nicht mehr gebrauchten Ordensfestung abgetragen und an ihrer Stelle ein Kloster errichtet.
Der islamische Terrorismus des 21. Jahrhunderts
Seit der islamische Terrorismus Nordamerika und Europa heimsucht, sind die jahrhundertealten Santiago Matamoros-Darstellungen einigen weltlichen und kirchlichen Vertretern unangenehm. Nach dem Attentat auf das New Yorker World Trade Center am 9. September 2001 wurde in Spanien paradoxerweise darüber diskutiert, ob die Darstellung des heiligen Jakobus als Maurentöter nicht „zu blutrünstig“ sei und eine „Provokation“ darstelle. Der Eindruck dieser Logik war frappierend: Islamische Terroristen verüben ein Blutbad, und die Christen entschuldigen sich bei den Muslimen.

Nach den islamischen Terroranschlägen in Madrid 2004 hielt es der damalige Dompropst von Santiago de Compostela nicht mehr aus. Er entschied, die im 18 Jahrhundert von Jose Gambino geschaffene Skulptur des Heiligen müsse aus der Kathedrale entfernt werden.
Ein Aufschrei empörter Gläubiger, die eine „verrückt gewordene politische Korrektheit“ kritisierten, veranlaßte jedoch die Kirchenverantwortlichen, die Entscheidung wieder rückgängig zu machen. Allerdings sind die Maurenköpfe zu Füßen des berittenen Heiligen seither durch Blumen „unsichtbar“ gemacht. Die Darstellung erhielt auch einen neuen Namen: Sie heißt nur mehr Santiago. Der Zusatz Matamoros wurde gestrichen.
Von Santiago Matamoros zu Santiago Mataflores
Diese Distanzierung von der eigenen Geschichte kritisierte jüngst der argentinische Historiker P. Javier Olivera Ravasi, ein Priester der 1984 in Argentinien gegründeten Ordensgemeinschaft Institut des fleischgewordenen Wortes (IVE). Er spricht von einer Umdeutung des Santiago Matamoros in einen Santiago Mataflores. Aus dem Maurentöter, der untrennbar mit der opferreichen Befreiung Spaniens von der muslimischen Herrschaft zusammenhängt, sei ein Blumentöter geworden.
P. Olivera hatte vor seinem Ordenseintritt ein Studium der Rechtswissenschaften absolviert. An der Lateranuniversität promovierte er 2007 in Philosophie und an der staatlichen Universität de Cuyo (Argentinien) auch in Geschichte. 2008 wurde er zum Priester geweiht. Neben seinem pastoralen Einsatz lehrt er als Professor an der Rechts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der staatlichen Universität von Cordoba in Argentinien. Zugleich betreibt er den Blog Que no te la cuenten (Was sie dir nicht sagen) zu historischen, geistesgeschichtlichen und religiösen Fragen, den er als Beitrag zur Gegenaufklärung versteht.
In einer Zeit, die im Geist des Relativismus von einem Identitätsverlust geprägt ist, verstehe man gar nicht mehr, warum die Christen zur Verteidigung ihres Glaubens und ihrer Identität einst zu den Waffen gegriffen und sich gegen die islamische Eroberung gewehrt haben, so P. Olivera. Das im Westen erzählte Märchen vom „goldenen Zeitalter“ der muslimischen Herrschaft verstärke diese Geschichtslosigkeit. Die angeblich so tolerante islamische Herrschaft ist eine Erfindung der Aufklärung. Sie hatte nichts mit dem Islam zu tun, sondern richtete sich gegen die katholische Kirche, später insgesamt gegen das Christentum. Der Islam wurde in freier Erfindung dafür instrumentalisiert, um dem angeblich „dunklen“ Christentum, einen strahlenden Gegensatz gegenüberzustellen.
Das gefährliche Märchen der Aufklärung

Mit der Wirklichkeit hatte das allerdings nichts zu tun. Die Aufklärer und ihre romantischen oder revolutionär-freimaurerischen Adepten des 19. Jahrhunderts, das Märchen geht in der Hauptsache auf Pierre Bayle, Montesquieu, Voltaire, Herder und für Sizilien auf Michele Amari zurück, kannten keine islamische Bedrohung mehr. Der Islam war für sie nur mehr ein fernes, exotisches Phänomen, das sie problemlos zum Gegenstand ihrer Phantasie machen konnte. Heute hat der Islam in den genannten Ländern und für ganz Europa, wo ihr historisch haltloses Märchen propagandistisch aufgewärmt wird, aber eine ganz andere Bedeutung. In fast allen Ländern gibt es eine rasant wachsende islamische Bevölkerungsgruppe, die zunehmenden religiösen, politischen und kulturellen Einfluß auf die europäischen Staaten erlangt.
Der Umgang mit der Matamoros-Darstellung betrifft damit den Umgang mit der eigenen Geschichte und Identität.
Zur „Metamorphose“ des Matamoros zum „Mataflores“ bemerkte P. Olivera ironisch:
„Zum Glück haben wir die mittelalterliche Intoleranz überwunden und leben heute die muslimische Einwanderung endlich problemlos und in sozialer Harmonie.“
Ein Leser seines Blogs kommentierte ebenso ironisch:
„Dem heiligen Jakobus wird noch die Heiligkeit aberkannt werden. Er ist nämlich antiökologisch. Er tötet immer noch Blumen und zerstört damit unser ‚gemeinsames Haus‘“.
Andere Leser berichten aus Spanien von der Entsorgung weiterer Santiago Matamoros-Darstellungen im Namen einer politischen Korrektheit, „die sich um besondere Rücksichtnahme gegenüber Muslimen bemüht“, aber die eigene Identität gering achte, wie P. Olivera kritisiert.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Que no te la cuenten/Wikicommons