Buchbesprechung von Friedrich Romig*
Mit dem schmalen Band „Rechtskatholizismus“ legt der katholische Theologe Professor Dr. phil. Felix Dirsch (Jg. 1967) einen „typologischen“ Überblick über die Vertreter und die geschichtlichen Grundlinien einer heute immer größere Beachtung und Bedeutung findenden geistig-politischen Strömung vor, die dem vorherrschenden linken Mainstream die Stirn bietet.
Der auch im hohen Klerus und in kirchennahen Kreisen vertretene mainstreamaffine „Linkskatholizismus“ hat den Vorteil, auch einfachen Gemütern einzuleuchten. Gleichheit ist leichter zu begreifen als Ungleichheit, Grenzenlosigkeit leichter als Abgrenzung. Die Freiheit, alles zu genießen, was die Welt an Konsumgütern und lustvollen Gelegenheiten so zu bieten hat, ist leichter zu verstehen als die Einschränkungen, die Gemeinwohl, religiöse Gebote und Treupflichten auferlegen. „Antirassismus, Feminismus, eine Umverteilung im Sinne der benachteiligten Nationen…, Antidiskriminierung, Überwindung der herkömmlichen Präponderanz der Nationalstaaten und Gendermainstreaming“ liegen ganz im Trend eines von den heute herrschenden Eliten geforderten „Weltstaats“ mit einer globalen autoritären „Weltregierung“, welche die einst so unterschiedlichen Völker, Kulturen und Traditionen auslöscht.
„Man will die Gesichter der Staaten auf dem Altar der finanziellen Interessen opfern“, so Kardinal Sarah in seinem zusammen mit Nicolas Diat im Jahr 2019 verfasste Buch: „Herr bleibe bei uns. Denn es will Abend werden“ ( S. 323).
Se. Eminenz Robert Kardinal Sarah gehört mit dem Weihbischof Athanasius Schneider in Kasachstan, dem ehemaligen Apostolischen Nuntius in den USA Erzbischof Carlo Maria Viganò, dem US-amerikanischen Kirchenjuristen Raymond Kardinal Burke, dem Kirchenhistoriker Walter Kardinal Brandmüller, dem vormaligen Glaubenspräfekten Gerhard Kardinal Müller, dem Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer oder dem österreichischen emeritierten Weihbischof Andreas Laun zu jenen hohen und prominenten Klerikern, welche gegenwärtig durchaus in die Traditionslinien des „Rechtskatholizismus“ einzuordnen sind. Sie alle verstehen sich als ein Antidot gegen den Liberalismus in allen seinen Facetten, dem entfesselten globalisierten Kapitalismus ebenso wie dem längst internationalisierten Genderismus. Sie stehen hinter der überlieferten Lehrtradition der Kirche, in der keine Ansatzpunkte für eine „offene Gesellschaft“ à la George Soros zu finden sind oder Zugänge zu einer „Neuen Weltordnung“ unter der Suprematie der USA, wie sie uns Henry Kissinger vorstellt.
Unterstützung erhalten diese rechtskatholischen Kleriker heute sowohl durch eine Reihe von zivilen Organisationen als auch einschlägigen Zeitschriften. Dirsch verweist unter anderem auf die österreichische Zeitschrift „Abendland“, die im Grazer Stocker-Verlag erscheint, oder auf die von Götz Kubitschek gemeinsam mit seiner Ehefrau und Publizistin Ellen Kositza herausgegebene „Sezession“, in der rechtskatholische Strömungen, selbst nach Meinung ihrer Kritiker, ein herausragendes Echo finden. Als Organisation klar rechtskatholischer Ausrichtung gilt in Deutschland das „Forum deutscher Katholiken“, das von dem glaubenstreuen Fuldaer Bischof Johannes Dyba gefördert wurde. Die Autoren dieses Forums, von denen hier nur Hubert Gindert, Anton Ziegenaus, Gabriele Kuby und Konrad Löw genannt seien, werden von dem zeitgeistkonformen „Zentralkomitee deutscher Katholiken“ naturgemäß abgelehnt. Dieses neue ZK hat längst „liberalen“, „modernistischen“ Strömungen mit den Forderungen nach „Priesterinnen“, gemeinsamem Abendmahl für wiederverheiratete Geschiedene und Mischehen, Segnungen für Homosexuelle und dem Bevölkerungsaustausch durch Migration Raum gegeben.
Das Anliegen von Felix Dirsch ist es, zu zeigen, dass diese modernistischen Strömungen, welche nicht nur die römisch-katholische Kirche, sondern die ganze europäische Zivilisation und Kultur bedrohen, im Rechtskatholizismus zumindest seit der Französischen Revolution ihren entschiedenen Gegner gefunden hat. Er findet diese Gegnerschaft durch vier Typen vertreten und verweist dazu auf jene herausragenden Köpfe, die durch ihre Publizität die einzelnen Typen verkörpern.
- Für Typus 1, den „ordnungspolitischen Katholizismus“, nennt er beispielhaft Joseph de Maistre und Louis Gabriel-Ambroise de Bonald;
- Typus 2, den „Ordnungspositivismus und Dezisionismus“, macht er an Juan Donoso Cortés und Carl Schmitt fest;
- Typus 3, „den rechtskatholischen Universalismus mit seiner Suche nach verlorener Gemeinsamkeit“, sieht er repräsentiert durch Othmar Spann;
- Typus 4, „demokratischer Rechtskatholizismus der Gegenwart und Widerstand gegen den Verfall basaler Ordnungsstrukturen“, wird bei Dirsch zu einem Potpourri von Stimmen, die ihre Kritik an der religionsfeindlichen Interpretation der „freiheitlich demokratischen Grundordnung“ und der Ausgrenzung rechter Überzeugungen nicht verhehlen. Dirsch stellt sich hier ostentativ hinter den Dominikaner Wolfgang Ockenfels und die Alternative für Deutschland (AfD). In der AfD sieht Dirsch eine Kraft, die im Gegensatz zur heutigen CDU ihre christliche Grundierung nicht verleugnet.
Das 5. Kapitel besteht aus einer einprägsamen Zusammenfassung, in der die Lage der Kirche und der römisch-katholischen Religion gut in der etwas vagen Interviewbemerkung von Benedikt XVI. aus dem Jahr 2016 zum Ausdruck kommt:
„Wie Europa sich entwickeln wird, wie weit es noch Europa sein wird, wenn andere Bevölkerungsschichten es neu strukturieren, wissen wir nicht … Das Wort des Evangeliums kann natürlich aus Kontinenten verschwinden. Wir sehen ja, die christlichen Kontinente des Anfangs, Kleinasien und Nordafrika, sind nicht mehr christlich. Es kann auch aus Räumen verschwinden, in denen es groß war.“ (S. 65).
Um die von Benedikt angesprochene „Neustrukturierung“ durch andere Bevölkerungsschichten zu verhindern, ist der Beitrag über Othmar Spann („Typus 3″) von größter Wichtigkeit. Für Dirsch ist unter den Rechtskatholiken Spann der einzige Gelehrte, der „in seinem sehr umfangreichen Werk Disziplinen wie Recht, Kunst, Ökonomie und Staat behandelt“ (S. 50), ausgehend von dem aristotelischen Grundsatz, dass das Ganze mehr ist als die Summe der Teile.
„Er betrachtet in immer wieder neuen Anläufen die von ihm kritisierte individualistisch-mechanistische Grundlinie der Denkgeschichte. Sie führt von der Antike (Sophisten) über das Mittelalter (Nominalismus, Mystik) bis in die Neuzeit (Aufklärung des 17. und 18. Jahrhunderts und ihre politisch-sozialen Konsequenzen, etwa Liberalismus, Kapitalismus oder Marxismus). Dieser rationalistischen Strömung steht die von Spann favorisierte idealistische gegenüber. Sie reicht von der Philosophie der Antike (Platon, Aristoteles) über die mittelalterliche Scholastik bis in die Romantik, die vor allem von seiner Schule (Jakob Baxa, Walter Heinrich) erforscht wird. Verfolgt man wie Spann diese beiden stark verzweigten Richtungen, so liegt die grundlegend neuzeitkritische Zugangsweise auf der Hand. Die organizistische Betrachtungsweise ist im Kontrast zu vielfältigen Phänomenen der Moderne zu begreifen, zu denen auch Demokratie, Liberalismus und Parlamentarismus zählen. Diesen Kontrast spitzt Spann immer weiter zu“ (S. 50) und löst damit den bis heute nicht beendeten „Kampf um Othmar Spann“ aus.
„Großen Einfluss – weit über Österreich hinaus – kann er gewinnen, weil sich seine Auffassungen zumindest partiell mit denen herausragender Vertreter der katholischen Soziallehre decken“ (S. 52). Dirsch verweist hier auf Papst Pius XI. und seine Enzyklika „Quadragesimo anno“ von 1931 und so prominente katholische Gesellschafts- und Soziallehrer wie Johannes Messner (Naturrecht), Gustav Gundlach, Oswald von Nell-Breuning oder Pater Johannes Schasching, den Nestor der katholischen Soziallehre im deutschsprachigen Raum. Nach Dirsch steht Spann ganz in der Tradition der katholischen Soziallehre.
Zugleich ist Spann „der Ideengeber der Konservativen Revolution“ (S. 52). Was an konservativen Sozialgedanken an Bedeutung gewinnt, etwa der „Solidarismus“ eines Heinrich Pesch SJ, der „Distributismus“ eines Hilaire Belloc oder G. K. Chesterton, das „Naturrecht“ in der Fassung von Johannes Messner oder das „Staatsverfassungsrecht“ von Carl Schmitt, im Gesamtwerk Spanns findet es seine systematische Durchdringung. Eben deshalb hält Armin Mohler in seinem Handbuch über „Die Konservative Revolution in Deutschland 1918–1932“ fest:
„Der Österreicher Othmar Spann und seine Schule haben ihr (Anm.: der Konservativen Revolution) das durchgearbeitetste Denksystem geliefert“ (Handbuch, 2. Aufl. 1972, S. 203).
Dem tritt Dirsch durchaus bei. Ihn, Dirsch, fasziniert das Gesamtwerk Othmar Spanns „nicht zuletzt auf Grund seiner stringent holistischen Systematik und seines Ziels, die Welt als Ganzes begreifbar zu machen“ (S. 56). Und nicht zuletzt ist es für Dirsch „skandalös, den großen Universalismus-Theoretiker in die Nähe des Nationalsozialismus zu rücken, wird er doch von ihnen nicht nur schroff attackiert, sondern (mit seinem Sohn) auch mehrere Monate im KZ Dachau inhaftiert“ (S. 53). Spann wird von den Nationalsozialisten mit Lehrverbot belegt und kann auch nach 1945 durch Intervention der Kommunisten seine Universitäts-Vorlesungen nicht wieder aufnehmen.
Das Buch von Felix Dirsch ist mit einem umfangreichen Autorenregister versehen, das auch zahlreiche kritische Stimmen zum Rechtskatholizismus enthält. Außerdem nimmt Dirsch in zahlreichen Fußnoten zu Aussagen der von ihm behandelten Protagonisten und ihren Gegnern kommentierend und bewertend Stellung. Wer über den Rechtskatholizismus, seine Grundlagen und seiner Wirkung bis in unsere Gegenwart und sogar Zukunft hinein sich in konzentrierter Form informieren will, ist gut beraten, diesen schmalen Band zu seiner Lektüre zu machen. Er gehört, nach Ansicht des Rezensenten, zu den wichtigsten Neuerscheinungen auf dem Buchmarkt und schließt eine dort durch den linken Mainstream entstandene Lücke.
Felix Dirsch: Rechtskatholizismus. Vertreter und geschichtliche Grundlinien – ein typologischer Überblick. 111 Seiten. Romeon-Verlag, Kaarst 2020. Gebunden € 17,95. ISBN: 978–3‑96229–193‑8.
*Univ.-Doz. em. Dr. Friedrich Romig, zuletzt bei Katholisches.info erschienen:
- Wunder über Wunder: Rom, „die ewige Stadt“
- Alta Vendita
- Hilaire Belloc: Die Feinde der Katholischen Kirche
- Augustin Cochin: Die Französische Revolution „satanique“
- Was läuft falsch?
- Über die Notwendigkeit des gewaltsamen Widerstandes gegen das Böse
- „Consummatum est“ – Léon Bloy: Das Heil durch die Juden
Danke für den wertvollen Buchtipp.
Dazu eine Anmerkung:
Der diskussionsfreudige Konservative Erik Maria Ritter von Kuehnelt-Leddihn war ein Mann des leidenschaftlichen Einspruchs und stellte fest: „Rechts steht für Persönlichkeit, Vertikalität, Transzendenz, Freiheit, Subsidiarität und Vielfalt, links steht für Kollektivismus, Horizontalismus, Materialismus, Gleichheit-Nämlichkeit, Zentralismus und Einfalt (in beiden Sinnen des Wortes).“
Interessant heute: Das postmoderne Allerweltswort Vielfalt steht denn auch heute – in aller Einfalt – ganz dialektisch für „Homogenität“. An der von von Kuehnelt-Leddihn formulierten Zuordnung ändert dies also tatsächlich nichts.
Die Einteilung der weiten Felder der Religion, Philosophie und Politik in die Rechts-Links-Dichtonomie ist an sich eine brutale Simplifizierng derselben, um „einfache Gemüter“ in zwei leicht kontrollierbare Lager einzuteilen. Regt mich nicht wirklich an, dieses Bch zu lesen.
Der Eindruck der gewollten und schleichender Übernahme des lslam ‚ist für mich als Katholik nicht nachvollziehbar, ich vergleiche das ‚wie es in der Wirtschaft oft üblich ist
Das eine feindliche Übernahme ansteht , und die geschmierte Geschäftsleitung im Hintergrund es noch fördert, es ist dan für den Rest der Firma unmöglich sich zu wehren.
Faziet der Untergang unseres Landes mit all seinen Traditionen ist gewollt und nicht mehr zu stoppen.
Links, Rechts, Liberal sind rein weltliche Kategorien, für mich gibt es nur zu Gott hin oder von Gott weg.
Die Übergabe an und die Übernahme durch die Mohammedaner ist rein weltlich gesehen der Untergang des Christentums in Europa. Aber Gott hat alles in Seiner Hand, alles geschieht, weil Er es will oder weil Er es zulässt. Aber der Herr hat auch gesagt, bittet, so wird euch gegeben werden.
Wir müssen aus der Rolle der abwartenden Zuschauer heraus, wenn die Hirten nicht zum anhaltenden Gebetssturm, zur Umkehr und Buße aufrufen, müssen wir dem Propheten Jona folgen – es ist ernst.