Hilaire Belloc: Die Feinde der Katholischen Kirche

Scharfsinniger Denker, kompromißlose Aussagen


Die Feinde der Kirche, dargestellt in der Geschichtstheologie von Hilaire Belloc.
Die Feinde der Kirche, dargestellt in einer Geschichtstheologie von Hilaire Belloc.

Von Fried­rich Romig*

Anzei­ge

Ähn­lich wie John Hen­ry Kar­di­nal New­man (1801–1890) ist Hilai­re Bel­loc (1870–1953) ein typi­scher Reprä­sen­tant der bri­ti­schen Gei­ste­s­a­ri­sto­kra­tie. Ohne Rück­sicht auf gesell­schaft­li­che Kon­ven­tio­nen nimmt sie sich die Frei­hei­ten, die ihren Weg zur Wahr­heit stüt­zen. New­man ist Kon­ver­tit, er hat die angli­ka­ni­sche Reli­gi­ons­ge­mein­schaft ver­las­sen und ist in die Katho­li­sche Kir­che ein­ge­tre­ten. Bel­loc war als jun­ger Mann Athe­ist und muss­te sei­nen katho­li­schen Glau­ben erst wie­der fin­den. New­man wur­de ein hei­li­ger Kir­chen­fürst, Bel­loc ein Histo­ri­ker, Kriegs­be­richt­erstat­ter, Poli­ti­ker, Schrift­stel­ler, Dra­ma­ti­ker und Poet, der uner­müd­lich für den katho­li­schen Glau­ben in der säku­la­ren Welt eintrat.

Hilai­re Bel­loc publi­zier­te mehr als 150 Bücher. Er gehör­te mit H. G. Wells, Geor­ge Bern­hard Shaw und G. K. Che­ster­ton zu den „Gro­ßen Vier“ der Edwar­di­an Schrift­stel­le­rei. So berühmt er auch in der eng­lisch­spra­chi­gen Welt wur­de, so wenig ist er heu­te in deutsch­spra­chi­gen Län­dern bekannt. Es gehört zu den Ver­dien­sten des klei­nen Reno­va­men-Ver­lags, eini­ge von Bel­locs Büchern in guter
Deut­scher Über­set­zung nun her­aus­zu­brin­gen.

Es sind gleich drei Bücher, die der Reno­va­men-Ver­lag 2020 auf­ge­legt hat.1 Das im angel­säch­si­schen Raum wohl berühm­te­ste und in vie­le Spra­chen über­setz­te trägt den Titel: „Die gro­ßen Häre­si­en“. Das älte­ste, „Der Skla­ven­staat“, ist bereits 1912 in eng­li­scher Spra­che erschie­nen. Es wen­det sich gegen den Kom­mu­nis­mus. Und eines der wich­tig­sten kam nach dem Ersten Welt­krieg und der bol­sche­wi­sti­schen Revo­lu­ti­on her­aus und ist nun erst­mals in deut­scher Über­set­zung zugäng­lich: „Gegen Mäch­te und Gewal­ten – die alten und die neu­en Fein­de der katho­li­schen Kir­che“.

Hilai­re Bel­loc (1870–1953)

Alle drei Bücher sind jeweils mit einer instruk­ti­ven Ein­füh­rung des ame­ri­ka­ni­schen Lite­ra­tur­pro­fes­sors und aus­ge­wie­se­nen Bel­loc-Exper­ten Robert Hick­son ver­se­hen. Und in allen drei Büchern wagt es der pro­mo­vier­te Oxford-Histo­ri­ker Hilai­re Bel­loc die Geschich­te durch das suk­zes­si­ve Auf­tre­ten der Fein­de der katho­li­schen Kir­che zu inter­pre­tie­ren. Sie sind gekom­men, haben mit Macht und Gewalt die christ­li­che Kul­tur und Zivi­li­sa­ti­on ver­än­dert, sie schwer gefähr­det, ihr ihren Stem­pel auf­ge­drückt, sind nie ganz ver­schwun­den und zum Teil sogar kräf­ti­ger und ein­fluss­rei­cher gewor­den. Sie alle ziel­ten dar­auf ab, die katho­li­sche Kir­che zu schwä­chen und zu zer­stö­ren, indem sie die Fun­da­men­te des christ­li­chen Glau­bens in Fra­ge stell­ten, bezwei­fel­ten, zum Mythos erklär­ten oder als ver­nunft­wid­rig rund­weg ablehn­ten. In ihr Visier nah­men sie „die Inkar­na­ti­on und die voll­kom­me­ne Gott­heit Chri­sti, die Leh­re von der Hei­lig­sten Drei­fal­tig­keit, die gött­lich begrün­de­te auto­ri­ta­ti­ve Kir­che und deren zen­tra­le, uni­ver­sel­le geist­li­che Auto­ri­tät, die sie­ben Sakra­men­te und folg­lich das beson­de­re Prie­ster­tum Chri­sti mit sei­nen Opfer- und Los­spre­chungs­pflich­ten im Sakra­ment der Beich­te und dem hl. Mess­op­fer“ (H, 16). Dazu kommt der fol­gen­schwe­re „Angriff auf die Unauf­lös­lich­keit der Ehe“ (H, 14). 

Fünf „große“ Häresien

Bel­loc kon­zen­triert sich auf fünf „Gro­ße“ Häre­si­en: die „aria­ni­sche“, die „moham­me­da­ni­sche“, die „albi­gen­si­sche“, die „refor­ma­to­ri­sche“ und die „moder­ni­sti­sche“ (vgl. H, 31). Jede ein­zel­ne die­ser Häre­si­en hat­te das Poten­ti­al, die römisch-katho­li­sche Kir­che zu mar­gi­na­li­sie­ren oder gar aus­zu­lö­schen. In Sum­me haben ihre Wir­kun­gen dazu geführt, dass wir heu­te in einem Zeit­al­ter der Häre­sie leben, zumin­dest in Euro­pa und im gan­zen „Abend­land“.

Der Arianismus

Schon in den ersten drei Jahr­hun­der­ten nach Grün­dung der Kir­che am Pfingst­ta­ge des Jah­res 33 AD sind zahl­rei­che Bewe­gun­gen ent­stan­den, wel­che die Mensch­wer­dung Got­tes ablehn­ten. Die aria­ni­sche Häre­sie war gewis­ser­ma­ßen das Sam­mel­becken all die­ser Bewe­gun­gen. Ari­us (ca. 270–327 AD) argu­men­tier­te mit bezwin­gen­der Logik: Nur Gott ist uner­schaf­fen, alle ande­ren Wesen, daher auch der Sohn Got­tes, sind erschaf­fen. Der Sohn Got­tes kann daher nie­mals „wesens­gleich“ mit Gott sein. Er ist voll­kom­me­ner Mensch, Fürst aller Für­sten, „Gott-Kai­ser“, aber kein Gott. Die Kir­che als „Heils­an­stalt“ und Reprä­sen­tant des Rei­ches Got­tes auf Erden betrach­te­te sich als allen welt­li­chen Herr­schaf­ten und Gewal­ten vor­ge­ord­net. Ari­us, der das ablehn­te, fand Unter­stüt­zung bei den welt­li­chen Herr­schern, den Für­sten, Ade­li­gen, Heer­füh­rern, Beam­ten und allen Krei­sen, die die Schwä­chung ihrer welt­li­chen Macht durch die Sub­or­di­na­ti­on unter die Kir­che fürchteten.

Hilaire Belloc Die großen Häresien

Gegen Ari­us tra­ten zahl­rei­che Bischö­fe auf, die an der Leh­re der Drei­fal­tig­keit fest­hiel­ten, dar­un­ter auch der Patri­arch von Alex­an­dri­en und Metro­po­lit von Ägyp­ten. Kon­stan­tin der Gro­ße (Kai­ser von 306–337), dem an der reli­giö­sen Ein­heit als Grund­la­ge sei­nes Rei­ches gele­gen war, such­te den Streit zu schlich­ten und berief zu die­sem Zweck das Kon­zil zu Nicäa (325 AD) ein. Auf die­sem Kon­zil gelang es dem Erz­dia­kon von Alex­an­dri­en, dem spä­ter hei­lig­ge­spro­che­nen Atha­na­si­us (ca. 300–372 AD), den Kai­ser und die Mehr­heit der anwe­sen­den Bischö­fe von der tra­di­tio­nel­len Drei­fal­tig­keits­leh­re und der Wesens­gleich­heit des Got­tes­soh­nes mit dem Vater zu über­zeu­gen. Ari­us wur­de ver­bannt, spä­ter begnadigt.

Obwohl nach­fol­gen­de Kon­zi­le die Beschlüs­se von Nicäa immer wie­der bestä­tig­ten und die „zwei Natu­ren“ in Chri­stus – voll­kom­me­ner Mensch und voll­kom­me­ner Gott – in das kirch­li­che Dog­ma ein­ge­flos­sen sind, dau­ert die Aus­ein­an­der­set­zung mit Anhän­gern des Aria­nis­mus in zeit­an­ge­pass­ter Form bis heu­te an. Falls für den Groß­teil der Bevöl­ke­rung über­haupt noch theo­lo­gi­sche Fra­gen eine Rol­le spie­len, ist die Fra­ge der Wesens­gleich­heit oder Wesens­un­gleich­heit des Soh­nes mit dem Vater kaum noch The­ma. Bel­loc stellt mit Recht die Fra­ge, wie denn unse­re Kul­tur und Zivi­li­sa­ti­on sich ent­wickelt hät­ten, wäre die Kon­zils­ent­schei­dung in Nicäa nicht gefal­len. Wür­den wir dann von „gött­li­chen“ „Impe­ra­to­ren“, „Duces“, „Dik­ta­to­ren“ oder „Tyran­nen“ regiert wer­den? Wel­chen Ein­fluss hät­te das auf die Phi­lo­so­phie, bil­den­de Kunst, Lite­ra­tur, Musik, Archi­tek­tur, Erzie­hung und Moral gehabt? Und wie stün­de es dann mit unse­rer Freiheit?

Der Islam

Die­se Über­le­gun­gen wer­den mit dem anschlie­ßen­den Kapi­tel über „Die gro­ße Häre­sie des Moham­med“ (H, 65–132) fort­ge­setzt. Für Bel­loc war und ist der Islam „der größ­te und hart­näckig­ste Feind, den unse­re Zivi­li­sa­ti­on jemals hat­te“ (H, 79). Der Islam ent­stand nicht inner­halb der Kir­che wie der Aria­nis­mus, son­dern er kam von außen, aus der Wüste (vgl. H. 83). Moham­med (gebo­ren ca. 570, gestor­ben 673 AD) war ein Hei­de, ein Kamel­trei­ber, der eine rei­che Frau gehei­ra­tet hat­te (vgl. H, 76). Sei­ne Armee bestand aus Män­nern, die alle­samt Hei­den waren, bevor sie Moham­me­da­ner wur­den. Sie über­wäl­tig­ten in weni­gen Jah­ren die Hälf­te Klein­asi­ens und ganz Nord­afri­ka, über­setz­ten die Stra­ße von Gibral­tar, bevor sie Spa­ni­en über­flu­te­ten und schließ­lich ins Herz Frank­reichs vorstießen.

Erst in der Schlacht bei Tours und Poi­tiers wur­den sie (732 AD) durch Karl Mar­tell geschla­gen, doch mehr, als sie hin­ter die Pyre­nä­en zu drücken, gelang nicht, der Groß­teil Spa­ni­ens blieb noch meh­re­re hun­dert Jah­re in ihrem Besitz. Die Moham­me­da­ner kon­trol­lier­ten wei­ter­hin ganz Nord­afri­ka ein­schließ­lich Ägyp­ten und Groß­sy­ri­en. Sie domi­nier­ten das Mit­tel­meer mit sei­nen vie­len Inseln. Sie began­nen Kon­stan­ti­no­pel und das Kai­ser­reich zu bedro­hen und stie­ßen bis Mai­land vor. Sie über­wan­den das per­si­sche Reich und brei­te­ten sich mäch­tig in Vor­der­asi­en aus (vgl. H, 66). Sie hiel­ten den Kampf gegen die Chri­sten für über ein­tau­send Jah­re auf­recht. Die „Kreuz­zü­ge“ (1095–1300) schei­ter­ten, Jeru­sa­lem ging ver­lo­ren und konn­te nie mehr rück­erobert wer­den. Und wenn auch die Osma­nen vor Lepan­to (1571 AD) den Gut­teil ihrer Flot­te ver­lo­ren und die Euro­pä­er weit­ge­hend Nord­afri­ka kolo­nia­li­sier­ten, die Erfol­ge einer Chri­stia­ni­sie­rung der Bevöl­ke­rung blie­ben beschei­den. Lan­ge noch wur­den die Küsten und Inseln des Mit­tel­mee­res von Beu­te­zü­gen der moham­me­da­ni­schen Pira­ten aus der Levan­te nicht ver­schont. Im öst­li­chen Euro­pa konn­te das Vor­drin­gen der mus­li­mi­schen „Tür­ken“ oder Osma­nen vor Wien zwei­mal gestoppt wer­den (1529 und 1683 AD). Aus Ungarn wur­den die Tür­ken durch Prinz Eugen ver­trie­ben. Bel­loc nennt es einen „Trep­pen­witz der Geschich­te“, dass aus­ge­rech­net das katho­li­sche Frank­reich mit den isla­mi­schen Osma­nen sich ver­bün­de­te, um die Armee der katho­li­schen Habs­bur­ger zu schwä­chen. Doch mit der Befrei­ung Ungarns von den Tür­ken durch Prinz Eugen war die Geschich­te der Isla­mi­sie­rung Euro­pas, wie Bel­loc 1938 (!) schrieb, „noch kei­nes­wegs zu Ende“ (H, 67), denn es ist ja nicht aus­zu­schlie­ßen, dass die „moham­me­da­ni­sche Macht in der moder­nen Welt … wie­der erwa­chen könn­te“ (H, 76).

Hilaire Belloc: Gegen Mächte und Gewalten

Was den Islam für die Mas­sen so anzie­hend und kampf­stark macht, führt Bel­loc auf die Ein­fach­heit sei­ner reli­giö­sen Vor­stel­lun­gen zurück. Der Islam, so Bel­loc, hat viel vom Chri­sten­tum über­nom­men, aber er kennt nur einen Gott, kei­ne Drei­fal­tig­keit, kei­ne Tau­fe, fei­ert kei­ne Mes­se, ver­zich­tet auf die magi­sche Wand­lung von Wein in Blut oder Brot in Fleisch. Chri­stus ist, wie vie­le ande­re, nur ein Pro­phet, sei­ne leib­li­che Mut­ter kei­ne „Gott­ge­bä­re­re­rin“. Vom Dog­ma­ti­schen her ist der Islam der „Tod­feind des Chri­sten­tums“. Doch nur weni­ge sind es, die sich im „Abend­land“ für dog­ma­ti­sche Fra­gen inter­es­sie­ren. Vie­le nen­nen sich noch Chri­sten, sind aber kei­ne. Die Zehn Gebo­te haben für die mei­sten kei­ne Bedeu­tung mehr, ihr Cre­do wird nur noch her­un­ter­ge­lei­ert und, sofer­ne über­haupt ver­stan­den, wird jeder Satz von Men­tal­re­ser­va­tio­nen beglei­tet. Die „Auf­klä­rung“ hat, wie Bel­loc uns im letz­ten Kapi­tel nahe­bringt, gan­ze Arbeit geleistet.

Die Albigenser

Päd­ago­gisch geschickt, schiebt Bel­loc vor die „pro­te­stan­ti­sche Refor­ma­ti­on“ das Kapi­tel über die „albi­gen­si­sche Häre­sie“ ein. Der „albi­gen­si­sche Angriff auf die römisch-katho­li­sche Kir­che“ erfolg­te im 11. und 12. Jahr­hun­dert. Es war der Ver­such, eine Art Gegen­kir­che mit gleich zwei gleich­ran­gi­gen Göt­tern zu grün­den und durch­zu­set­zen, einem „bösen“ und einem „guten“ Gott.

Der gute Gott schuf die See­le und das Him­mel­reich, der böse Gott das „Fleisch“, den „Leib“, die Phy­sis, die mate­ri­el­le Welt. Das Leib­li­che, Phy­si­sche, Mate­ri­el­le hat für das See­li­sche und das See­len­heil, nach Auf­fas­sung der Albi­gen­ser oder Katha­rer („die Rei­nen“), kei­ne Bedeu­tung. Das Phy­si­sche, das ist das Begeh­ren, die Lust, der Trieb, die Gier, das „Tier“ im Men­schen. Der Leib kann lei­den, krank, gemar­tert, gekreu­zigt wer­den und abster­ben, die See­le lei­det dadurch nicht. Chri­stus hat am Kreuz see­lisch nicht gelit­ten. Er hat nicht unse­re Sün­den auf sich genom­men, für uns gebüßt oder uns gar „erlöst“. Chri­stus war ein Mensch, so wie wir alle, geschaf­fen, nicht „ein­ge­zeugt“. Er wur­de nicht vom „Geist“ gezeugt und von einer Jung­frau gebo­ren, son­dern „emp­fan­gen“ auf ganz natür­li­che Wei­se. Er leb­te ent­spre­chend sei­ner „Prä­de­sti­na­ti­on“, sei­ner Vor-Bestim­mung. Sein Wil­le war nicht frei, so wie auch unser Wil­le nicht frei ist. Ob der gute oder der böse Gott uns „ergreift“, ist von unse­rem Wil­len unab­hän­gig, wir tra­gen dafür kei­ne Ver­ant­wor­tung, es ist Fatum. Das Böse lässt sich durch Ethik und Moral nicht beein­flus­sen. Daher bedarf es auch kei­ner „Kir­che“, die uns vor­schreibt, wie wir leben sol­len. Sün­den­be­kennt­nis, Reue, Buße und das „Sakra­ment“ der Los­spre­chung durch beam­te­te Prie­ster sind Ein­rich­tun­gen, durch die sich die Kir­che unent­behr­lich macht. Das Glei­che gilt auch für die „Mes­se“ mit ihrer magi­schen Wand­lung von Brot in den „Leib“ und von Wein in das „Blut“ Chri­sti oder ähn­li­chem Hokuspokus.

Es klingt das alles für uns Chri­sten unglaub­lich, aber die­se „albi­gen­si­sche“ Leh­re fand Unter­stüt­zung von wei­ten Krei­sen der Bevöl­ke­rung, vom nied­ri­gen Adel, von her­ab­ge­kom­me­nen Prie­stern und ihren Frau­en, und sogar von dem einen oder ande­ren geist­li­chen Wür­den­trä­ger, der sei­ne Ein­künf­te aus dem Zehent nicht nach Rom abfüh­ren woll­te. An die Spit­ze die­ser „Bewe­gung“ stell­te sich der Graf von Tou­lou­se, der um sei­ne Besit­zun­gen bang­te. Die Leh­re brei­te­te sich vor allem in Süd­frank­reich, Tei­len Spa­ni­ens und im Nor­den von Ita­li­en rasch aus. Split­ter­grup­pen waren in ganz Euro­pa anzu­tref­fen. Und mit Recht betont Bel­loc, dass es uner­heb­lich sei, ob sich die­se Irr­leh­re von den Manich­ä­ern oder den Bogu­mi­len her­lei­te, das „Myste­ri­um ine­qui­ta­tis“, das Geheim­nis des Bösen, beschäf­ti­ge die Men­schen, Stäm­me und Völ­ker, seit sie in der Geschich­te auf­ge­tre­ten sind bis zum heu­ti­gen Tage.

Die Leh­re der Kir­che hat für die Fra­ge nach dem Ursprung des Bösen eine ein­deu­ti­ge Erklä­rung: Das Böse hat sei­nen Ursprung im Bruch mit Gott und sei­nen Gebo­ten. Die­ser Bruch voll­zog sich zuerst im Him­mel, durch den höch­sten der Engel, den „Licht­brin­ger“ oder „Luzi­fer“, der eben durch die­sen Bruch zum Satan und „Für­sten die­ser Welt“ wur­de. Ihm folg­ten nicht nur Heer­scha­ren von Engeln, son­dern auch die Stamm­eltern im Para­dies. Ver­trei­bung und Tod waren die Fol­ge und blie­ben es für alle, die es ablehn­ten, als „Söh­ne im Sohn Got­tes“ das Opfer Chri­sti anzu­neh­men, sich mit Ihm zu ver­ei­nen und die gött­li­che Natur wiederzuerlangen.

Der gro­ße Papst Inno­zenz III. (1198–1216) hat unend­li­che Geduld bewie­sen und alles getan, um auf güt­li­chem Wege glau­bens­un­treue Prie­ster und die meist ade­li­gen Anfüh­rer des Vol­kes von die­ser fata­len Irr­leh­re zu befrei­en (vgl. H, 124). Er beauf­trag­te mit die­ser Auf­ga­be die „Bet­tel­mön­che“ (Domi­ni­ka­ner). Den wort­ge­wal­ti­gen Pre­dig­ten des Dome­ni­cus ist man­che Bekeh­rung zu ver­dan­ken, doch die gro­ße Mas­se blieb bei ihrem Irr­glau­ben. Schließ­lich muss­te der Papst einen „hei­li­gen Kreuz­zug“ gegen die Ket­zer aus­ru­fen. Das Fass zum Über­lau­fen hat­te die Ermor­dung eines von Inno­zenz zu den Anfüh­rern ent­sand­ten Dele­ga­ten gebracht. Der Kreuz­zug wur­de auf grau­sa­me Wei­se und mit aller Här­te geführt: Wer sich nicht zum Glau­ben der Kir­che bekann­te, wur­de einer gründ­li­chen „Inqui­si­ti­on“ unter­zo­gen. Wur­de dem Glau­ben auch unter der Fol­ter nicht abge­schwo­ren, droh­te das Todes­ur­teil und die Ver­bren­nung auf dem Schei­ter­hau­fen. Erober­te Städ­te wur­den ein­ge­äschert und die nicht­ge­flo­he­ne Bevöl­ke­rung wur­de ermor­det. Der mili­tä­ri­sche Wider­stand der von spa­ni­schen Trup­pen unter­stütz­ten Rebel­len wur­de von glau­bens­treu­en Rit­tern unter Füh­rung des Gra­fen Mont­fort gebro­chen, ver­nich­tet aber wur­de die Irr­leh­re nicht. Die manich­äi­schen Grund­zü­ge der Irr­leh­re „ver­lie­fen unter­ir­disch“ (H, 131), sie ver­än­der­ten ihre For­men und erstan­den immer wie­der neu. Luther und Cal­vin wur­den ihre bedeu­tend­sten und wirk­mäch­tig­sten Ver­tre­ter. Phi­lo­so­phisch wur­de die Irr­leh­re durch die „Auf­klä­rung“ unter­mau­ert. In der Fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­on fei­er­te sie ihren poli­ti­schen Tri­umph. Sie spal­te­te nicht nur Frank­reich, son­dern ihre „Spal­tung setz­te sich mit sol­cher Kraft fort, dass unse­re euro­päi­sche Zivi­li­sa­ti­on im Westen ent­zwei­brach“ (H, 153).

Der Protestantismus

Die­ses Ent­zwei­bre­chen wur­de ganz ent­schie­den vor­an­ge­trie­ben durch die „pro­te­stan­ti­sche Refor­ma­ti­on“. Sie erschüt­ter­te und spal­te­te auf Gene­ra­tio­nen hin­aus die gei­sti­ge Welt (vgl. H. 140), und zwar nicht nur Euro­pas, son­dern des gan­zen „Abend­lan­des“. Von allen ande­ren Häre­si­en unter­schei­det sich der „pro­te­stan­ti­sche Angriff“ dadurch, „dass er nicht in der Ver­kün­di­gung einer neu­en Leh­re oder einer neu­en Auto­ri­tät bestand noch einen kon­zen­trier­ten Ver­such der Errich­tung einer Gegen­kir­che unter­nahm. Sein Prin­zip war die Ver­leug­nung der Ein­heit. Es war die Bemü­hung, einen Gei­stes­zu­stand zu för­dern, in dem eine Kirche…als unfehl­ba­rer, ver­ein­ter Lehr­kör­per, eine Per­son, die mit gött­li­cher Auto­ri­tät spricht, zurück­ge­wie­sen wird“ (H, 32). Für Pro­te­stan­ten ist „die Kir­che kei­ne sicht­ba­re, defi­nier­ba­re und ver­ein­te Per­sön­lich­keit, … kei­ne unfehl­ba­re Zentralautorität…und kei­ne durch die Zen­tral­au­tori­tät garan­tier­te Ein­heit“ (H, 33).

Luthers Auf­stand hat­te gute Grün­de. Im alten katho­li­schen Euro­pa gab es vor dem Auf­stand Luthers eine Fül­le kle­ri­ka­ler Pfrün­den, Pacht­zin­sen, Feu­dal­ab­ga­ben, alle mög­li­chen Arten von Ein­nah­men für den Unter­halt von Bischofs­sit­zen, Dom­ka­pi­teln, Pfar­ren, Klö­stern und Kon­ven­ten (vgl. H, 161). “Das Ereig­nis, das eine Explo­si­on pro­vo­zier­te, war ein klei­nes und unbe­deut­sa­mes“: der Han­del mit Abläs­sen (vgl. H, 147). Die­ser Miss­brauch, die Käuf­lich­keit des See­len­heils, beruh­te auf einem Pro­zess, der die gan­ze Kir­chen­ge­schich­te durch­zog: dem Pro­zess der „Ver­welt­li­chung“, Die „Welt­lich­keit des Amts­kle­rus“ (H, 147) sorg­te lan­ge vor Luther für Unmut und „Que­re­len zwi­schen den Lai­en und dem Kle­rus“ (H, 166).

Der Hei­li­ge Stuhl als Zen­tral­au­tori­tät der gesam­ten Chri­sten­heit war schon lan­ge (Anm.: vor Luther) in einen töd­li­chen Streit mit der Lai­en­macht ver­wickelt, die „das Reich“ genannt wur­de, „d. h. den Kai­sern deut­scher Her­kunft, die eine all­ge­mei­ne, aber sehr kom­pli­zier­te und viel­ge­stal­ti­ge und oft nur schat­ten­haf­te Auto­ri­tät nicht nur in den deutsch­spra­chi­gen Län­dern, son­dern auch über Nord­ita­li­en und einen Gür­tel des heu­ti­gen Ost­frank­reichs sowie über die Nie­der­lan­de und gewis­se Grup­pen von Sla­wen“ aus­üb­te (H, 141). Bel­loc emp­fiehlt des­halb zur Erklä­rung der pro­te­stan­ti­schen Refor­ma­ti­on min­de­stens auf die Aus­ein­an­der­set­zung des Stau­fer-Kai­sers Fried­rich II.(1194–1250) mit Rom zurück­zu­ge­hen (vgl. H, 141f). Das Papst­tum sieg­te zwar über die Stau­fer, doch sei­ne Kräf­te waren erschöpft. Von neu­em bedrängt, muss­te der Papst im 14. Jahr­hun­dert Rom auf­ge­ben und in Avi­gnon resi­die­ren (1307–1377). In die­ser Zeit der Wir­ren brach die Pest aus (1347) und raff­te gut ein Drit­tel der erwach­se­nen Bevöl­ke­rung hin­weg. Die ein­an­der bekrie­gen­den Köni­ge Eng­lands und Frank­reichs mit ihren wech­seln­den Ver­bün­de­ten stell­ten den Päp­sten immer wie­der Gegen­päp­ste ent­ge­gen und hal­fen dadurch mit, die Auto­ri­tät und Glaub­wür­dig­keit der Kir­che zu unter­gra­ben (vgl. H, 145). Was als eine Art Fami­li­en­strei­tig­keit begann, ende­te mit der Tei­lung des Abend­lan­des in zwei Kul­tu­ren, die pro­te­stan­ti­sche und die katho­li­sche. Dafür sorg­te der Drei­ßig­jäh­ri­ge Reli­gi­ons­krieg (1628–1648), der in einer „Sack­gas­se“ ende­te (H, 157). Reli­gi­on wur­de durch den Für­sten­ab­so­lu­tis­mus zu einer Sache staat­li­cher Will­kür – „cui­us regio, eius reli­gio“. Der auf dem Reichs­tag zu Augs­burg (1555) beschlos­se­ne „Reli­gi­ons­frie­de“ stell­te die pro­te­stan­ti­sche Reli­gi­on mit der katho­li­schen gleich und wer­te­te damit die letz­te­re und älte­re ab. Durch Cal­vin (1509–1564) wur­de die pro­te­stan­ti­sche Reli­gi­on auf puri­ta­ni­sche („rei­ni­gen­de“) Wei­se gefe­stigt und gestärkt. Cal­vin wur­den bei den Fei­ern zu sei­nem 500. Geburts­tag als Nach­wir­kun­gen sei­nes rigo­ro­sen Ein­tre­tens für die pro­te­stan­ti­sche Sache die Schaf­fung der neu­zeit­li­chen Demo­kra­tie und der Men­schen­rech­te, die Glo­rious Revo­lu­ti­on, die Ame­ri­ka­ni­sche Unab­hän­gig­keits­er­klä­rung und die Bill of Rights, die Erklä­rung der Bür­ger- und Men­schen­rech­te, die Fran­zö­si­sche Revo­lu­ti­on, die Char­ta der Ver­ein­ten Natio­nen und die All­ge­mei­ne Erklä­rung der Men­schen­rech­te, die Deut­sche Reichs­ver­fas­sung von 1849, die Wei­ma­rer Ver­fas­sung und sogar das Grund­ge­setz für die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land samt dem Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt zuge­schrie­ben. Ganz im Gegen­satz dazu sieht Bel­loc in Cal­vin die Haupt­fi­gur unter jenen, „die für die Zer­stö­rung der alten Reli­gi­on waren“, den Grün­der „einer neu­en Reli­gi­on“ und einer „Gegen­kir­che“ (H, 155): „Er (Anm.: Cal­vin) for­mu­lier­te eine völ­lig neue Theo­lo­gie, in der kein Platz war für Prie­ster­tum und Sakra­men­te. Er star­te­te einen Angriff, der nicht nur anti­kle­ri­kal, son­dern destruk­tiv war…“ (H, 155). Der Kern sei­ner Theo­lo­gie besteht – nach Bel­loc – in „einer Zuschrei­bung des Bösen in die gött­li­che Natur selbst“, die Vor­stel­lung „eines Moloch-Got­tes“. (H, 155). In gewis­sem Sin­ne wur­de die­se Zuschrei­bung von Luther vor­weg­ge­nom­men, denn, so lehr­te er, „muss Gott zum Teu­fel wer­den, bevor er Gott wird“. (WA 31,I, 249, 25–26) Von Gott sagt Luther „ego sum qui creo bonum et malum, so mäch­tig ist Gott, dass er den größ­ten Wider­spruch mit sei­ner eige­nen ewi­gen Natur ver­ei­nen kann“ (WA 40 II, 417).2

Wie dem auch sei: Die mit dem Augs­bur­ger Reli­gi­ons­frie­den erfolg­te Gleich­stel­lung des Pro­te­stan­tis­mus mit der Reli­gi­on der Römisch-Katho­li­schen Kir­che ließ das Inter­es­se an reli­giö­sen Fra­gen in den Hin­ter­grund tre­ten. Poli­tisch tra­ten die Macht­aus­wei­tung auf die neu ent­deck­ten Gebie­te Ame­ri­kas sowie die Kolo­nia­li­sie­rung Afri­kas und Indi­ens in den Vor­der­grund. Eng­land, Hol­land, Spa­ni­en, Por­tu­gal, Frank­reich und das Habs­bur­ger Impe­ri­um, „in dem die Son­ne nicht unter­ging“, streb­ten nach Reich­tum durch Beherr­schung von Land­mas­sen und Mee­ren. In den Natur­wis­sen­schaf­ten sorg­te die „Koper­ni­ka­ni­sche Wen­de“ (Koper­ni­kus 1473–1543) für die Ablö­sung des kirch­lich-geo­zen­tri­schen durch das helio­zen­tri­sche Welt­bild. Die Erde war nicht mehr der Nabel der Schöp­fung. Und auch das Ver­hält­nis des Men­schen zur Natur änder­te sich. Geforscht wur­de nach Ursa­che und Wir­kung, nicht nach Gott. Die kau­sa­le Metho­de ver­bann­te Gott in den Him­mel. Aber auch dort wur­den ihm Fes­seln auf­er­legt. Mit der Ent­deckung der Regeln für die Bewe­gung der Him­mels­kör­per durch Kep­ler (1571–1630) und dem Gra­vi­ta­ti­ons­ge­setz durch New­ton (1571–1630) wur­de Gott zu einer ent­behr­li­chen Hypothese.

Gei­stig und poli­tisch war der römi­sche Katho­li­zis­mus der­art erschüt­tert, dass bei Aus­bruch des Drei­ßig­jäh­ri­gen Krie­ges (1618–1648) der jun­ge, ener­gi­sche Schwe­den­kö­nig Gustav Adolf II. (1594–1632) bei­na­he mühe­los gro­ße Tei­le der dem Kai­ser treu­en Gebie­te in Deutsch­land beset­zen und aus­plün­dern konn­te. Für Bel­loc ist es ein wei­te­rer „Trep­pen­witz der Geschich­te“, dass das katho­li­sche Frank­reich die pro­te­stan­ti­schen Schwe­den auf­hetzt, gegen die katho­li­schen Habs­bur­ger in den Krieg zu zie­hen, und aus­ge­rech­net Kar­di­nal Riche­lieu den Schwe­den drei Ton­nen Gold schenkt, damit sie in ihren Kriegs­an­stren­gun­gen nicht erlah­men (vgl. H, 160). Kein Wun­der, dass das reli­giö­se The­ma „sich ver­lor“ (H, 163) und auf ver­brei­te­ten Skep­ti­zis­mus stieß (vgl. H, 171). Phi­lo­so­phi­sche Debat­ten wur­den unter Pro­te­stan­ten, die kei­ne Lehr­au­tori­tät aner­kann­ten, frei­er geführt als unter Katho­li­ken. Das kam dem Wett­be­werb und Inno­va­ti­ons­geist zugu­te. „Die pro­te­stan­ti­sche Kul­tur war (Anm.: im 17. und 18. Jahr­hun­dert) zum ein­deu­ti­gen Füh­rer der wei­ßen Zivi­li­sa­ti­on gewor­den“ (H, 177).

Eng­land wur­de zur beherr­schen­den See­macht und ver­leib­te sich Indi­en ein. Eine gro­ße Mehr­heit unter den Eng­län­dern und Schot­ten „sah den Katho­li­zis­mus als etwas den Lan­des­in­ter­es­sen Frem­des an.… und (war) von einem hef­ti­gen Hass auf den Katho­li­zis­mus erfüllt, wie man ihn sonst in Euro­pa nir­gend­wo vor­fand“ (H, 167f). Frank­reich war inner­lich zer­strit­ten, Kle­ri­ka­le und Anti­kle­ri­ka­le rit­ter­ten um die Vor­macht. Ita­li­en fehl­te es an Ein­heit. Unter König Fried­rich II. wur­de Preu­ßen zur füh­ren­den Land­macht in Euro­pa. Das Habs­bur­ger­im­pe­ri­um begann zu zer­fal­len. Die pro­te­stan­ti­schen hol­län­di­schen Kauf­leu­te „waren in den Anfän­gen des moder­nen Bank­we­sens rich­tungs­wei­send, Eng­land folg­te sogleich“ (H, 170f). Und nur „sehr weni­ge sahen vor­aus, was die neue Repu­blik in Nord­ame­ri­ka für die Zukunft bedeu­ten wür­de“ (H, 174).

„Am Ende des acht­zehn­ten und bis ins neun­zehn­te Jahr­hun­dert hin­ein fan­den die Reli­gi­ons­krie­ge und die Napo­leo­ni­schen Krie­ge statt. Auch sie ver­mehr­ten die all­ge­mei­ne Stär­ke des Pro­te­stan­tis­mus und schwäch­ten die katho­li­sche Kul­tur“ (H, 174). Die Fran­zö­si­sche Revo­lu­ti­on war eine anti­kle­ri­ka­le Bewe­gung und ihr Erbe, Napo­lé­on, war selbst kein gläu­bi­ger und prak­ti­zie­ren­der Katho­lik (vgl. H, 174): Sein Schei­tern im Russ­land­feld­zug trug zum Abstieg Frank­reichs ent­schei­dend bei. Die Errich­tung der par­la­men­ta­ri­schen fran­zö­si­schen Repu­blik begann die fran­zö­si­sche Zivi­li­sa­ti­on und mili­tä­ri­sche Wider­stands­kraft zu rui­nie­ren und stärk­te die anti­ka­tho­li­sche Par­tei (vgl. H, 176). Das mili­tä­risch dis­zi­pli­nier­te Preu­ßen besieg­te die fran­zö­si­sche Armee in der zwei­ten Hälf­te des neun­zehn­ten Jahr­hun­derts „plötz­lich und voll­stän­dig, nahm Paris ein und annek­tier­te an fran­zö­si­schem Ter­ri­to­ri­um, was ihm gefiel“ (H, 176).

Doch auch der preu­ßi­sche Traum von einer Neu­ord­nung Euro­pas zer­stob in weni­gen Jahr­zehn­ten. Spä­te­stens gegen Ende des neun­zehn­ten Jahr­hun­derts rühr­ten sich die Gegen­kräf­te und schnit­ten die pro­te­stan­ti­sche Kul­tur von ihrer Wur­zel ab (H, 179).

Der „moderne Geist“

Ihm wid­met Bel­loc das letz­te Kapi­tel „Die moder­ne Pha­se“ (H, 187–209). Für sie ist kenn­zeich­nend, dass sie kei­ne bestimm­te Glau­bens­hä­re­sie dar­stellt, son­dern die Exi­stenz des Glau­bens selbst angreift und ihn ver­nich­ten will (vgl. 187). Die Moder­ne kann zwar die Kir­che nicht zer­stö­ren, doch die Kir­che wird aus den Sach­ge­bie­ten, in denen sie über­lebt, „bis auf letz­te Stel­lun­gen“ zurück­ge­drängt, „bis es so aus­se­hen könn­te, als sei der Anti­christ gekom­men..“ (H, 187). 

Hilaire Belloc: Der Sklavenstaat

Der Streit fin­det in der heu­ti­gen moder­nen Pha­se „statt zwi­schen der Kir­che und der Anti­kir­che, der Kir­che Got­tes und der des Anti­got­tes, der Kir­che Chri­sti und der des Anti­chri­sten“ (H, 188f). Der anti­christ­li­che Vor­marsch hat zum Ziel „die Zer­stö­rung der katho­li­schen Kir­che und der Zivi­li­sa­ti­on, die aus ihr her­vor­geht“ (H, 190). Für die Moder­ne ist Gott „nichts ande­res als eine Aus­ge­burt der Phan­ta­sie“, „ein Hirn­ge­spinst“ und kei­ne Rea­li­tät oder „Wirk­lich­keit“ (H, 194). Die Leug­nung der Wirk­lich­keit Got­tes nimmt dem Men­schen sei­ne Wür­de, ver­neint sei­nen frei­en Wil­len und macht ihn zum Skla­ven. Am deut­lich­sten wird dies im Kom­mu­nis­mus. „Kom­mu­nis­mus ist die Aus­beu­tung durch den Staat“ (H, 196). 

„Der Kom­mu­nis­mus leug­net Gott, die Wür­de und macht den Men­schen zum Skla­ven des­sen, was er Staat nennt – was jedoch tat­säch­lich nichts ande­res ist als eine Grup­pe von begün­stig­ten Beam­ten“ (H, 197), der Nomenklatura. 

In kei­nem System ist die Aus­beu­tung von Men­schen durch Men­schen so fort­ge­schrit­ten und voll­kom­men wie im Kom­mu­nis­mus. Einen Wesens­un­ter­schied macht es für Bel­loc aller­dings nicht, ob die Aus­beu­tung und Ver­skla­vung durch die Nomen­kla­tu­ra oder im moder­nen Kapi­ta­lis­mus „durch weni­ge Besit­zer der Produktions‑, Trans­port- und Tausch­mit­tel“ erfolgt (H, 195), die Mas­se der Men­schen ent­eig­net ist und die Fähig­keit ver­lo­ren hat„ „ihr eige­nes Leben zu bestim­men“ und außer­dem „Not und Unsi­cher­heit“ erlei­det“ (H, 195). „Wenn der Groß­teil der Fami­li­en eines Staa­tes ohne Eigen­tum ist, dann wer­den die­je­ni­gen, die einst Bür­ger waren, zu Skla­ven. Je mehr der Staat ein­springt, um die Sicher­heits- und Lebens­be­din­gun­gen durch­zu­set­zen: je mehr er Löh­ne regu­liert, für obli­ga­to­ri­sche Ver­si­che­rung, ärzt­li­che Ver­sor­gung und Erzie­hung sorgt und im All­ge­mei­nen das Leben der Lohn­ar­bei­ter zum Vor­teil der Fir­men und Arbeit­ge­ber in Beschlag nimmt“, dann wird nach weni­gen Gene­ra­tio­nen eine „Art von Staats­so­zia­lis­mus auf das Gemein­we­sen geschweißt und genie­tet, dass kein Ent­flie­hen mög­lich ist“ (H, 196).

Bel­loc beschließt sein Buch über „die gro­ßen Häre­si­en“ mit dem Hin­weis, dass wir in der moder­nen Pha­se nun an einem Schei­de­punkt ange­kom­men sind, in dem auf der einen Sei­te die katho­li­sche Kir­che steht und ihr anti­christ­li­cher Tod­feind auf der ande­ren. Offen lässt Bel­loc, wel­cher „Ant­ago­nist sie­gen wird“ (H, 209).

Die Feinde der Kirche

„Die Gro­ßen Häre­si­en“ sind im Wesent­li­chen eine reli­gi­ons- und kir­chen­ge­schicht­li­che Ana­ly­se. Ihr vor­aus lie­fer­te Bel­loc eine mehr gei­stes- und phi­lo­so­phie­ge­schicht­li­che Unter­su­chung über „Die alten und die neu­en Fein­de der Kir­che“ unter dem eng­li­schen Titel „Sur­vi­val and Arri­val“ (1929), die nun auch in deut­scher Spra­che vor­liegt: „Gegen Mäch­te und Gewal­ten“ (GMG). Gleich in der Ein­lei­tung zu sei­nem Buch weist Bel­loc dar­auf­hin, dass „die Aus­ge­stal­tung jeder Gesell­schaft abhän­gig von ihrer Phi­lo­so­phie“ sei (GMG, 22). „Unser Schick­sal wird nicht durch wirt­schaft­li­che Ver­hält­nis­se bestimmt (GMG, 23), son­dern durch unse­re Gei­stes­hal­tung und den aus ihr her­vor­ge­hen­den „Moral­kom­plex“: “Jedes wich­ti­ge poli­ti­sche Pro­blem, jede wirt­schaft­lich wich­ti­ge Fra­ge ist ein Ergeb­nis der Phi­lo­so­phie, die dahin­ter­steht“ (GMG, 25). Als Bei­spiel führt Bel­loc den „Indu­strie­ka­pi­ta­lis­mus“ an, der sich aus einer „fal­schen Reli­gi­on“ ent­wickelt habe, näm­lich „aus der Refor­ma­ti­on, ins­be­son­de­re auf­grund cal­vi­ni­sti­scher Ein­flüs­se“ (GMG, 23). Ohne auf ihn zu ver­wei­sen, nimmt Bel­loc hier die berühm­te The­se von Max Weber aus den Jah­ren 1904 und 1905 auf, die pro­te­stan­ti­sche Ethik prä­ge den „Geist des Kapi­ta­lis­mus“3. Bel­loc sieht im Vor­drin­gen die­ser „fal­schen Reli­gi­on“ in der Moder­ne den Rück­fall in die Skla­ve­rei oder, wie Max Weber es aus­drückt, „in die stäh­ler­nen Gehäu­se der Hörig­keit“ ver­ur­sacht. In sei­nem 1912 erschie­ne­nen Buch „Der Skla­ven­staat“ beschreibt Bel­loc die­sen Rück­fall in die Skla­ve­rei, von dem vor allem jene Gesell­schaf­ten betrof­fen sind, „wel­che im 16. Jahr­hun­dert mit der Kon­ti­nui­tät der christ­li­chen Kul­tur gebro­chen haben“ (Der Skla­ven­staat, 174). Bel­loc heg­te noch die Hoff­nung, dass die­ser Rück­fall auf­ge­hal­ten wird. Für uns wur­de die­se Hoff­nung mit der „Bra­ve New World“, der „Ani­mal Farm“, „1984“, der „Digi­ta­li­sie­rung“, der „Künst­li­chen Intel­li­genz“ und dem sozi­al­staat­li­chen „Tit­ti­tain­ment“ end­gül­tig begraben.

Für Bel­loc sind es „die Fein­de der Kir­che“, wel­che mit ihrer durch Macht und Gewalt durch­ge­setz­ten „fal­schen Reli­gi­on“ die­sen Rück­fall in die „neu­heid­ni­sche“ Skla­ve­rei bewirkt haben. Als gei­stes- und phi­lo­so­phie­ge­schicht­lich in die­ser fal­schen Reli­gi­on wirk­sa­me Ele­men­te gibt Bel­loc uns zu erkennen:

  1. Den ver­brei­te­ten MATERIALISMUS
    Also jene Auf­fas­sung, wonach alle gesell­schaft­lich bedeut­sa­men Hand­lun­gen auf mate­ri­el­le Beweg­grün­de oder „Inter­es­sen“ zurück­zu­füh­ren sind (vgl. GMG, 54). Es wider­spricht dies der „rich­ti­gen Reli­gi­on“ und kirch­li­chen Auf­fas­sung, dass das „Heil“ von der Erfül­lung der Bestim­mung des Men­schen und der Gesell­schaft abhängt, „das Reich Got­tes und sei­ne Gerech­tig­keit zu suchen“ (vgl. Mt 6, 25–34).
  2. Den FUNDAMENTALISMUS
    Er ist vor allem bei Evan­ge­li­ka­len, Pfingst­lern und ande­ren Sek­ten anzu­tref­fen, die die Ein­heit der Kir­che zer­stö­ren. Sie bezeich­nen sich als „bibel­treu“, leh­nen jedoch das Lehr­amt der katho­li­schen Kir­che und des Pap­stes ab (GMG, 60).
  3. Den NATURALISMUS
    Er führt alle Erschei­nun­gen, Ereig­nis­se, Ent­wick­lun­gen, Erkennt­nis­se, Hand­lun­gen und Gefüh­le auf natür­li­che Ursa­chen zurück und erklärt sie auf natur­wis­sen­schaft­li­che Wei­se. Astro­phy­si­ka­li­sche, mecha­ni­sche, ato­ma­re, sub­ato­ma­re, evo­lu­ti­ve, asso­zia­tiv-psy­cho­lo­gi­sche Vor­gän­ge und Spe­ku­la­tio­nen erset­zen den Glau­ben an Gott, den Schöp­fer aller sicht­ba­ren und unsicht­ba­ren Din­ge. „Alles Über­na­tür­li­che: die Geburt unse­res Herrn aus einer Jung­frau, die Wun­der, die Inkar­na­ti­on, die Eucha­ri­stie, die Offen­ba­rung, die Unsterb­lich­keit – das gesam­te Glau­bens­be­kennt­nis“ wird bestrit­ten und „die gan­ze Grund­la­ge des Glau­bens­be­kennt­nis­ses“ abge­lehnt (vgl. GMG, 107). „Das Über­na­tür­li­che, das Außer­ge­wöhn­li­che war unmög­lich“ (GMG, 106). Bel­loc hält die Aus­deh­nung natur­wis­sen­schaft­li­cher Metho­den auf Reli­gi­on, Meta­phy­sik, Phi­lo­so­phie und Kul­te für eine unzu­läs­si­ge Grenz­über­schrei­tung. (vgl. GMG, 106).
  4. Den LAIZISMUS
    Nach der Fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­on ver­brei­te­te sich die Vor­stel­lung vom lai­zi­sti­schen Staat in ganz Euro­pa (vgl. GMG, 50). Der Lai­zis­mus als Bil­dungs­ide­al kommt jenen ent­ge­gen, die Reli­gi­on für Pri­vat­sa­che und für gewöhn­lich auch als Ein­bil­dung anse­hen (vgl. GMG, 51) „Die katho­li­sche Posi­ti­on geht vom Prin­zip aus, dass eine katho­li­sche Gesell­schaft, in der Kir­che und Staat mit­ein­an­der ver­bun­den sind, das Ide­al dar­stellt“ (GMG, 51).
  5. Den REPUBLIKANISMUS
    Er beruht auf der The­se, nach der allein die bür­ger­li­che Gesell­schaft im Besitz der legi­ti­men Gewalt sein kön­ne und der Glau­be nicht mehr sei als eine pri­va­te Mei­nung ein­zel­ner Bür­ger. Nach kirch­li­cher Auf­fas­sung „geht alle Gewalt von Gott aus“ (vgl. Röm 13, 1), auch die des „Kai­sers“. „Außer­dem grün­det sich auch die all­ge­mei­ne Gesell­schafts­ord­nung auf den­sel­ben hier­ar­chi­schen Vor­stel­lun­gen, die die hier­ar­chi­sche Orga­ni­sa­ti­on der katho­li­schen Kir­che bestim­men“ (GMG, 48). In wohl­ge­ord­ne­ten Gesell­schaf­ten erfolgt die legi­ti­me Über­tra­gung von Macht und Regie­rungs­ge­walt von oben nach unten (top down), nicht von unten nach oben (bot­tom up) (vgl. GMG, 48).
  6. MACHT UND WOHLSTAND
    Nach Bel­loc ver­weist die­ses Argu­ment auf den Ver­fall der mili­tä­ri­schen Stär­ke und des Wohl­stan­des in katho­li­schen Län­dern im Ver­gleich zum Auf­stieg in pro­te­stan­ti­schen Län­dern (vgl. GMG, 54 und 75). Gegen die­ses Argu­ment wen­det Bel­loc ein, dass der Zweck einer Reli­gi­on oder einer Phi­lo­so­phie nicht dar­in besteht, Men­schen reich oder mäch­tig, son­dern end­gül­tig glück­lich zu machen, d. h. ihrem Daseins­zweck gerecht zu wer­den. „Wenn ein der­ar­ti­ges Glück für unsterb­li­che Men­schen­see­len erreich­bar ist, kann es nicht in einem sterb­li­chen und ver­gäng­li­chen, son­dern nur in einem end­gül­ti­gen und unver­gäng­li­chen Glück gesucht wer­den“ (GMG, 76). Bel­loc führt gegen die Wohl­stands­il­lu­si­on Tho­mas von Aquin mit der Ant­wort auf die berühm­te Que­stio ins Tref­fen, „Ob die Selig­keit des Men­schen im Reich­tum besteht?“ (Sum­ma theo­lo­giae I–II q.2 a. 1), muss aller­dings zuge­ben, dass „selbst dort, wo der Glau­be erhal­ten geblie­ben ist, die Men­schen über­mä­ßig nach Wohl­stand und Macht stre­ben. Wo der Glau­be ver­lo­ren ist, stre­ben sie nach gar nichts ande­rem mehr“ (GMG, 77).
  7. Den RATIONALISMUS
    Für den Ratio­na­lis­mus ist allein die­ses Stre­ben nach Macht und Wohl­stand „ver­nünf­tig“. Der Ratio­na­lis­mus ist die Denk­wei­se der „Auf­klä­rung“. Sie hofft, alle Pro­ble­me und Erschei­nun­gen durch die Ver­nunft auf­klä­ren und den Erkennt­nis­fort­schritt lösen zu kön­nen. Die Auf­klä­rung lässt kei­nen Raum für Meta­phy­sik und Offen­ba­rung. Sie gip­felt in der Feu­er­bach­the­se, wonach Gott ein Geschöpf des Men­schen ist und nicht der Mensch ein Geschöpf Got­tes. Für Bel­loc gehö­ren jene, „die in den alten Kate­go­rien von Auf­klä­rung und Fort­schritt den­ken“, zu den „Begriffs­stut­zi­gen“ (GMG, 76).
  8. Den SKEPTIZISMUS
    Skep­ti­zis­mus ist die Ein­stel­lung, alle Aus­sa­gen zu bezwei­feln und als nicht­wis­sen­schaft­lich ein­zu­stu­fen, die nicht empi­risch oder auf mathe­ma­ti­sche Wei­se logisch bewie­sen wer­den kön­nen. Die Theo­lo­gie ist daher kei­ne „Wis­sen­schaft“. Für die Exi­stenz Got­tes gibt es kei­nen Beweis. Der Skep­ti­zis­mus lehnt Wahr­heits­aus­sa­gen grund­sätz­lich ab. Er kennt nur „Hypo­the­sen“, die stän­di­ger Ver­än­de­rung und Erwei­te­rung unter­lie­gen (vgl. GMG, 103 und 161). Hypo­the­sen gel­ten nur so lan­ge, als sie nicht durch Beob­ach­tung und Expe­ri­ment „fal­si­fi­ziert“ sind. Für Bel­loc ist der Skep­ti­zis­mus Aus­druck des „moder­nen Gei­stes“, der reli­giö­se Über­zeu­gun­gen nur als „pri­va­te Mei­nung“ tole­riert und die Kir­che als „huma­ni­tä­re Orga­ni­sa­ti­on“ gel­ten lässt. Bel­loc sieht dar­in die Wider­spie­ge­lung frei­mau­re­ri­scher Auf­fas­sun­gen (GMG, 147). Das Pro­gramm der Frei­mau­re­rei ist die „Zer­stö­rung der Kir­che“ (eben­da).
  9. Den NATIONALISMUS
    Patrio­tis­mus hat es immer schon gege­ben. Er ist sorg­fäl­tig vom Natio­na­lis­mus zu unter­schei­den, der die Nati­on zum Selbst­zweck macht (GMG, 123). Natio­na­lis­mus steht „im Wider­spruch zur Uni­ver­sa­li­tät des Katho­li­zis­mus“ (GMG, 126). Die nach­tei­li­gen Aus­wir­kun­gen auf die Erzie­hung und Bil­dung der Jugend durch die Ver­ein­nah­mung die­ser Funk­tio­nen durch den Staat sind für die christ­li­che Zivi­li­sa­ti­on und Moral höchst abträg­lich. Sie rei­chen hin­ein in die Berei­che Lite­ra­tur, Geschich­te, Geo­gra­phie und ver­stär­ken anti­ka­tho­li­sche Ten­den­zen. Poli­tisch füh­ren sie zur Dis­kri­mi­nie­rung von Katho­li­ken, die unter dem Deck­man­tel der Neu­tra­li­tät immer mehr zunimmt. Beken­nen­den Katho­li­ken wird häu­fig die Anstel­lung im öffent­li­chen Dienst ver­wei­gert und öffent­li­che Gel­der jenen katho­li­schen Schu­len und Insti­tu­tio­nen nicht gewährt, die das „libe­ra­le“ Staats­sy­stem ableh­nen (vgl. GMG, 146).
  10. Den ANTIKLERIKALISMUS
    In sei­nem Rei­fe­sta­di­um bezweckt der Anti­kle­ri­ka­lis­mus „die katho­li­sche Kir­che mit Stumpf und Stiel aus­zu­rot­ten“ (GMG, 148). Zwi­schen der Kir­che und dem Anti­kle­ri­ka­lis­mus herrscht ein „Kampf um Leben und Tod“ (GMG, 148). Im Zeit­punkt der Abfas­sung sei­ner Schrift (1929) äußert Bel­loc die Befürch­tung, dass zumin­dest in Frank­reich der Anti­kle­ri­ka­lis­mus den Sieg errin­gen konn­te „und der Glau­be dort nur noch bei einer Split­ter­grup­pe erhal­ten blei­ben wird“ (GMG, 150).
  11. Den „MODERNEN GEIST“
    Nach Bel­loc hat der Anti­kle­ri­ka­lis­mus ein „Neu­hei­den­tum“ her­vor­ge­bracht, wel­ches das Wesen des „moder­nen Gei­stes“ kenn­zeich­net: Die­sem Neu­hei­den­tum ist im Prin­zip gemein, „dass der Mensch sich selbst genügt“ und „das Han­deln einer abso­lu­ten gött­li­chen Auto­ri­tät durch Offen­ba­rung“ zurück­ge­wie­sen wird (GMG, 203). Doch der Mensch, auf sich selbst gestellt, steht vor dem Nichts, wie uns der Exi­sten­tia­list Sart­re gezeigt hat. Um die­sem Nichts zu ent­ge­hen, ver­schreibt er sich „toten oder ster­ben­den Ideo­lo­gien“ (GMG, 165) oder „Pseu­do­re­li­gio­nen“: dem Libe­ra­lis­mus, Sozia­lis­mus, Kom­mu­nis­mus, Natio­na­lis­mus, Faschis­mus und ähn­li­chen „Sumpf­ge­wäch­sen“, aus denen das Neu­hei­den­tum besteht (vgl. GMG, 193). Das Neu­hei­den­tum „wirkt mit­tels einer ver­such­ten Leug­nung von Gut und Böse, das alles zer­setzt, was es berührt“ (GMG, 197). „Man kann es in der Archi­tek­tur, in der Male­rei, Lite­ra­tur und Moral wahr­neh­men“ (GMG, 227). Es ver­brei­tet sich wie „die Fäul­nis über die Ern­te“ (GMG, 227), und endet in der Ver­zweif­lung (GMG, 197) oder, wie das der Hei­li­ge Papst Johan­nes Paul II. nicht müde wur­de, uns vor Augen zu stel­len, mit „der Kul­tur des Todes“4

Für deut­sche Leser sind die Bücher von Hilai­re Bel­loc wohl „gewöh­nungs­be­dürf­tig“. Es ist nicht jeder­manns Sache, mit kom­pro­miss­lo­sen Aus­sa­gen kon­fron­tiert zu wer­den. Doch wir ste­hen an einem Schei­de­weg. Auf der einen Sei­te steht die katho­li­sche Kir­che, auf der ande­ren ihr Feind, der Anti­christ. Von unse­rer Ent­schei­dung hängt ab, ob die christ­lich gepräg­te Kul­tur und Zivi­li­sa­ti­on Euro­pas über­le­ben wird oder untergeht.

*Univ.-Doz. em. Dr. Fried­rich Romig, der Bei­trag fin­det sich in gedruck­ter Aus­ga­be mit gering­fü­gi­gen Unter­schie­den auch in der aktu­el­len katho­li­schen Monats­zeit­schrift Theo­lo­gi­sches, Nr. 11/​12 (Nov/​Dez 2020).

Alle drei Bel­loc-Bücher kön­nen über unse­re Part­ner­buch­hand­lung erwor­ben wer­den.

Wei­te­re Bei­trä­ge von Fried­rich Romig:

Bild: Reno­va­men-Ver­lag (Screen­shots)


1 · Hilai­re Bel­loc: Die Gro­ßen Häre­si­en. Der Kampf gegen Euro­pa. Aus dem Eng­li­schen über­setzt von Juli­an Voth. 209 Sei­ten, 3. Aufl. Reno­va­men-Ver­lag, Bad Schmie­de­berg 2020 (zitiert als H + Sei­te), ISBN 978–395621-135–2- Brosch. € 16,–

· Hilai­re Bel­loc: Gegen Mäch­te und Gewal­ten – die alten und die neu­en Fein­de der katho­li­schen Kir­che. Aus dem Eng­li­schen über­setzt von Juli­an Voith. 239 Sei­ten. 1. Aufl., Reno­va­men-Ver­lag, Bad Schmie­de­berg 2020 (zitiert als GMG + Sei­te), ISBN 978–95622-138–6. Brosch. € 16,–

· Hilai­re Bel­loc: Der Skla­ven­staat. Aus dem Eng­li­schen über­setzt von Arthur Salz. 176 Sei­ten. 2. Aufl. Reno­va­men-Ver­lag, Bad Schmie­de­berg 2020 (zitiert als Skla­ven­staat + Sei­te), ISBN 976–395622-137–9. Brosch. € 16,–

2 Aus: Prof. Alma von Stock­hausen: Vor­trä­ge und Auf­sät­ze, Bd. 2: Von Luther über Hegel zu Karl Rah­ner. Luthers Theo­lo­gie – eine Auto­bio­gra­fie. Ver­lag Wil­helm Bier­bron­nen: Gustaf-Sie­verth-Aka­de­mie, 2. Aufl. 1995. S. 150–176.

3 Max Weber: Die pro­te­stan­ti­sche Ethik und der Geist des Kapi­ta­lis­mus, in: Archiv für Staats­wis­sen­schaft und Sozi­al­po­li­tik. H. 20/​1904, S 1–54 und H. 21/​1905, S. 1–110.

4 Johan­nes Paul II.: Enzy­kli­ka Evan­ge­li­um vitae, Rom, 25. März 1995.

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