
Buchbesprechung von Friedrich Romig*
Umfassende, tiefgründige, logisch und argumentativ überzeugende Fundamentalkritik am politischen Leben ist selten geworden in unseren Tagen. Dem in Genf 1973 geborenen, einer berühmten Tiroler Politikerfamilie entstammenden, zweisprachig aufgewachsenen Schweizer Jan Mahnert ist sie gelungen.
Schon als Herausgeber der Zeitschrift „L’Ésprit Européen“ war Mahnert davon überzeugt, dass von der Schweizer Eidgenossenschaft die europäische Idee weit besser und lebendiger repräsentiert würde als von der ganzen Europäischen Union mit ihrer undefinierten „finalité“. Trotz staatlicher Einheit bewahrte und förderte der schweizerische „Bund“ die kulturellen, sozialen, sprachlichen und traditionellen Eigenheiten seiner zusammengeschlossenen Völker, der Deutschen, der Franzosen, der Italiener, der Rätoromanen und der Jurassen. Mag sein, dass diese Verfassung die Schweiz zu einem besonders guten „Beobachtungsposten“ macht, um politische Bewegungen und Spannungen, die anderswo stattfinden, zu erfassen und zu beurteilen.
Jedenfalls fasziniert das Buch von Mahnert schon vom Titel her: „Demokratie und Homokratie – Wie die Gleichheitsideologie die Demokratie und die Völker bedroht“.
„Homokratie“ ist eine Wortschöpfumg, der die meisten unter uns wohl noch nie begegnet sind. Der Begriff wirkt irgendwie „elektrisierend“. Demokratie kennt man, „Herrschaft des Volkes“. Aber „Homokratie“? „Herrschaft des Menschen“? „Volk“ und „Mensch“ ein Gegensatz, und beide bedroht durch die „Gleichheitsideologie“ der Menschenrechte? Eine steile These, die uns Mahnert da vorsetzt. Sie widerspricht allem, was den meisten von uns von Kindesbeinen an durch die „öffentlichen“ Erziehung- und Bildungseinrichtungen als unbezweifelbarer „Glaube“ im Auftrag der einflußreichen Eliten, der ihnen hörigen Medien und gesellschaftlichen Institution eingetrichtert wurde und noch immer wird. Glücklich jene, die, wie Mahnert, in Elternhäusern aufwuchsen oder Erziehern begegneten, die noch die „gesunde Lehre“ (Paulusbriefe 1 Tim 1, 10; 6, 3; Tit 1,9: 2 Tim 1, 13–14) vertraten.
Ideologien, das wissen wir, sind „falsches Bewußtsein“. Aber die heute tabuisierte, verfassungs- und „grundrechtlich“ abgesicherte Gleichheits- und Menschenrechtsideologie als „falsches Bewußtsein“ zu erweisen, dazu bedarf es eines messerscharfen Verstandes und eines klassisch-historischen Bildungsniveaus, das unter den jüngeren Köpfen und Journalisten nur noch selten anzutreffen ist. Mahnert verfügt über beides, nicht zuletzt durch die familiäre Tradition, den geerbten „politischen Genpool“.
Kritiker an den herrschenden politischen Zuständen gibt es sonder Zahl. Doch die meisten unter ihnen gründen ihre Kritik auf die Menschenrechts- und Gleichheitsideologie, die sie zu radikalisieren trachten, statt zu bekämpfen. Der Sympathie, die sie in oft großen Teilen der Bevölkerung erringen, ist daher meist wenig Nachhaltigkeit beschieden. Linke, Rechte, Liberale, Grüne, Humanisten und sogar Christen spülen oft nur Wasser auf die Mühlen der „Homokraten“ und werden von diesen zu immer neuen Konzessionen an die Menschenrechtsideologie gezwungen, um nicht verfemt zu werden.
„Homokratismus“ definiert Mahnert als eine Staatsform, die durch „den totalen Willen der Gleichberechtigung gekennzeichnet ist“ (S. 11). Er leitet diesen Kunstbegriff ab vom lateinischen Wort „homo“ (Mensch) und dem griechischen Wort „kratein (herrschen, Herrschgewalt oder Macht ausüben). Der besondere Vorzug dieses neuen Begriffs besteht für Mahnert darin, dass Homokratie den Worteil „Demos“ (Volk) vermeidet, wie er in dem Begriff „Demokratie“ vorkommt und eine zwangsläufige Verbindung von Volk und Macht unterstellt, die zwar in der Realität des politischen Lebens nirgends anzutreffen ist, in den demokratischen Verfassungen der „zivilisierten“ Staaten jedoch unterstellt, und den „unzivilisierten“ oft genug „mit Bombenteppichen“ (S.62) aufgezwungen wird. Wie immer auch Demokratie definiert wird, die unterstellte Souveränität des „Demos“, die „Volkssouveränität“, schließt jene aus, die nicht zum „Volk“ gehören, und „diskriminiert“ sie. Der Menschenrechts- und Gleichheitswahn will jedoch jede „Diskriminierung“ von Menschen vermeiden und muß dadurch aus innerer Logik zum „Feind“ der Völker und der Demokratie werden. An diesem Widerspruch arbeitet sich nicht nur Mahnert Kapitel für Kapitel in seinem Buch ab, sondern, was noch viel tragischer ist, er häuft Fakten über Fakten auf, die uns den unaufhaltsamen, irreversiblen „Untergang des Abendlandes“ vor Augen führen.
Wegschauen hilft nicht mehr. Auf der letzten Seite seines Buches fordert Mahnert uns auf, die Homokraten entschlosssen zu bekämpfen, doch es erscheint ihm äußerst fraglich, ob dabei „viel an verlorenem Boden zurück gewonnen werden kann – zum einen, weil wir mit erheblichem Widerstand rechnen müssen, zum anderen, weil zahlreiche Europäer resigniert haben oder sich schlicht nicht mehr für die Zukunft ihres Volkes interessieren“ (S. 166). Mahnert will sich und uns noch Hoffnung auf „Quantensprünge“ machen, welche die Geschichte kenne, „wie etwa den raschen Zusammenbruch des Ostblocks oder den ‚arabischen Frühling‘“ (S.166). Doch viel Hoffnung versprüht er damit nicht. Die „Quantensprünge“ haben nicht verhindert, dass die Welt immer mehr aus den Fugen geriet. Jetzt müssen wir uns eingestehen: Das homokratische System funktioniert nicht, menschengemachte Ordnungen versagen. Kyrie eleison! Ohne den Herrn verlaufen sich die Schafe. Homokratismus verstößt gegen „the God given norm of a well ordered society“ (Benedikt XVI.). Das spürt das Wahlvolk. Es vertraut seinen Politikern immer weniger, „die das Volk als Legitimationsquelle der Macht“ umschmeicheln, es aber gleichzeitig verachten und auflösen wollen ( vgl. S.13).
Jan Mahnert: Demokratie und Homokratismus – Wie die Gleichheitsideologie der Menschenrechte die Demokratie und die Völker bedroht. Edition Genius, Wien 2011. 173 Seiten. ISBN 978–3‑9502238–2‑8.
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