(Peking) Im kommunistischen Großreich China, das seine Bürger mit Hilfe der Digitaltechnik immer totaler überwacht, hat alles begonnen. In Wuhan nahm das Coronavirus SARS CoV‑2 seinen Ausgang. Von dort berichtete im Januar 2020 das westliche Fernsehen, die Chinesen würden massenweise an einer geheimnisvollen Viruserkrankung sterben. Die Menschen würden umfallen und tot sein. Auf den Straßen lägen die Leichen herum. Nichts dergleichen stimmte, versetzte die ganze Welt jedoch in Angst und Schrecken. Noch immer sind die genauen Umstände der Entstehung dieses Coronavirus nicht wirklich geklärt. Am 15. August, als westliche Politiker der zweiten Corona-Welle entgegenfieberten, erklärte das Regime in Peking die „Pandemie“ für beendet. Nun zeigt sich, daß die Chinesen alles andere als bereit sind, sich impfen zu lassen. Obwohl die Regierung bereit ist, die Menschen für die Impfung sogar zu bezahlen, liegt die Impfquote bei nur vier Prozent.
Die Volksrepublik China hat bisher nur vier Prozent der Bevölkerung geimpft. In manchen US-Staaten sind bereits Werte im Bereich des Acht- und Zehnfachen erreicht. In Israel sogar 58 Prozent. Und das, obwohl die kommunistische Regierung fünf verschiedene chinesische Impfstoffe zugelassen hat und sich mit Nachdruck bemüht, die Bewohner zur Impfung zu bewegen. Bereits jetzt ist es unwahrscheinlich, daß bis Juni das erklärte Ziel erreicht wird, 40 Prozent der Bevölkerung zu impfen. Die Nationale Gesundheitskommission erklärte zwar, daß bald zehn Millionen Chinesen pro Tag geimpft werden, während es derzeit drei Millionen sind, und daß noch diese Woche 140 Millionen Dosen landesweit verteilt würden. Das Problem sind nicht so sehr fehlende Impfdosen, sondern die Tatsache, daß die Chinesen nicht geimpft werden wollen.
Das Coronavirus macht den Chinesen keine Angst mehr
Die Gründe, die die große Zurückhaltung der Chinesen befeuern, sind unterschiedlich. Erstens rühmt sich die Regierung seit Mitte August 2020, die Infektionen beseitigt zu haben. Wenn es dennoch im ganzen Land immer noch ungefähr zwanzig neue Fälle pro Tag gibt – eine im westlichen Vergleich zugegeben lächerlich geringe Zahl –, besteht die Kommunistische Partei darauf, daß es sich ausnahmslos um Ansteckungen aus dem Ausland handelt. Darüber hinaus besagt die offizielle Sprachregelung, daß das Virus selbst von amerikanischen Soldaten nach China gebracht wurde, während Peking am Beginn der weltweiten Ausbreitung des Virus noch behauptete hatte, der chinesische Drache sei durch Italien infiziert worden.
Aber wenn es stimmt, daß seit acht Monaten unter 1,4 Milliarden Einwohnern jeden Tag gerade einmal eine Handvoll neuer Fälle auftreten, und wenn es stimmt, daß in den letzten 12 Monaten im bevölkerungsreichsten Land der Erde an oder mit Corona nur vier Menschen gestorben sind, warum sollten die Chinesen dann das Virus fürchten? Und warum sollten sie sich gegen etwas, das keine Bedrohung darstellt, impfen lassen?
Angaben zu chinesischen Impfstoffen fehlen
Der zweite Grund, der die Chinesen dazu drängt, sich nicht impfen zu lassen, ist einerseits die historische Unzuverlässigkeit der chinesischen Regierung und der Pharmaunternehmen inbezug auf Impfstoffe und andererseits das Fehlen von näheren Angaben zu den von Peking angebotenen Impfstoffen. CoronaVac, das Serum von Sinovac, hat die dritte Testphase noch nicht abgeschlossen. Über die Wirksamkeit westlicher Impfstoffe weiß man nur sehr wenig. Sie wird zwar mit 91 bis 96 Prozent angeben, doch scheinen die Regierungen dem versprochenen Schutz nicht zu trauen. Vom chinesischen weiß man gar nichts, jedenfalls nichts aus China. Teildaten aus der Türkei, Indonesien und Brasilien zeigen, daß das Serum in 91 Prozent, 65 Prozent bzw. 50 Prozent der Fälle wirksam sei. Diese großen Unterschiede sind kaum geeignet, das Vertrauen der Chinesen in den Impfstoff zu erhöhen.
Auch von den beiden Impfstoffen, die Sinopharm entwickelt hat, sind noch keine endgültigen Daten der Testphase 3 vorhanden. Ein Unternehmenssprecher sagte am 30. Dezember, daß sie zu 79 Prozent wirksam seien, aber es gibt noch keine veröffentlichten Studien. Während nach Angaben der Vereinigten Arabischen Emirate, wo ein zweiter Versuch stattfindet, die Wirksamkeit bei 86 Prozent liegt. Wegen der fehlenden Veröffentlichungen der Studiendetails ist unklar, was der Grund für diese Diskrepanzen ist. Darüber hinaus befinden sich die in Saudi-Arabien getesteten Impfstoffe von CanSino Biologics und Anhui Zhifei Longcom noch in der dritten Testphase.
Es gibt noch ein Problem: Sinovac kann „nur“ 300 Millionen Dosen pro Jahr produzieren. Das kommunistische Regime kündigte aber an, in den nächsten zwei Monaten 700 Millionen Menschen impfen zu wollen. Zugleich gewährte die Regierung in Peking zahlreichen afrikanischen und lateinamerikanischen Staaten Milliardenkredite, damit sie damit chinesische Impfstoffe kaufen. Allerdings gibt es derzeit keine Impfdosen, die exportiert werden könnten.
Zu viele Impfstoffskandale
Abgesehen von dem Mangel an Daten und Impfdosen vertrauen die Chinesen Impfstoffen auch wegen einer langen Reihe von Skandalen nicht. Im Jahr 2019 erhielten Hunderte von Kindern in der Provinz Jiangsu einen abgelaufenen Polio-Impfstoff. Im Sommer 2018 wurden mindestens 250.000 Kinder mit unwirksamen Impfstoffen gegen Diphtherie, Keuchhusten, Tetanus und Tollwut geimpft. Um seine Produkte vermarkten zu können, hatte der Hersteller Changchun Changsheng die Daten mit der Komplizenschaft jener geändert, die diese Daten überprüfen mußten: dem Wuhan Institute of Biological Products. Wuhan ist der Dreh- und Angelpunkt der chinesischen Pharmaindustrie und genießt in diesem Zusammenhang keinen guten Ruf.
Im Jahr 2013 starben 17 Kinder, nachdem sie den Hepatitis-B-Impfstoff von Shenzhen Kangtai Biological Products erhalten hatten, der dem „Impfstoffkönig“ Du Weimin gehört, mit dem AstraZeneca bei der Herstellung seines Serums in China zusammenarbeitet. Im Jahr 2010 berichtete die staatliche China Youth Daily, daß 180.000 Dosen eines Tollwutimpfstoffs unwirksam waren. Obwohl das bereits Monate vorher bekannt war, wurden die entsprechenden Informationen erst verspätet gemeldet. In der Zwischenzeit verkaufte Du Weimin seine Anteile an der Firma (Jiangsu Yanshen), die den gefälschten Impfstoff hergestellt hatte.
2016 gab die Regierung ein Jahr nach der Entdeckung des Vorfalls zu, daß Impfstoffe gegen Polio, Tollwut, Hepatitis‑B und verschiedene andere Krankheiten im Wert von 88 Millionen US-Dollar in der Provinz Shandong geimpft worden waren, obwohl wertlos. Das Unternehmen, das sie hergestellt hatte, hatte beschlossen, Kühlkosten einzusparen, was die Impfdosen potentiell tödlich machte.
Das chinesische Regime zahlt für die Impfung
Diese lange Geschichte von Skandalen hat die Glaubwürdigkeit der chinesischen Impfkampagnen untergraben. Und obwohl die Regierung jetzt versucht, die Bürger mit Peitsche und Karotte zu „ermutigen“, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen, machen die meisten Chinesen einen großen Bogen um die Impfzentren. Im Gegenzug verweigern viele Schulen im ganzen Land ungeimpften Schülern den Abschluß. In Peking werden allen, die einer Impfung zustimmen, 50 oder 100 Yuan (6–12 Euro) gezahlt. In einigen Bezirken der Hauptstadt stehen Transparente mit der Aufschrift: „Impfung ist gut für Land und Leute.“ Viele Restaurants bieten den Geimpften kostenlose Mahlzeiten an.
In anderen Landesteilen wird der Stock benutzt. In der Stadt Wancheng in der Provinz Hainan drohten kommunistische Funktionäre, daß diejenigen, die sich nicht impfen lassen, auf eine „schwarze Liste“ gesetzt werden und keine Lebensmittel mehr auf dem Markt kaufen oder in öffentliche Verkehrsmittel einsteigen dürfen. Die Nachricht verursachte einen Skandal im ganzen Land und die örtliche Führung der Kommunistischen Partei entschuldigte sich öffentlich. Es ist unwahrscheinlich, daß solche Vorfälle die Bevölkerung anspornen könnten, sich impfen zu lassen.
Text: Andreas Becker
Bild: Tempi