(Rom) Die gestern begonnene Visitation der römischen Gottesdienstkongregation sei keine kanonische, sondern nur eine „konsultative“ Visitation. Ist nichts mehr, was es scheint?
Neun Kongregationen gibt es an der Römischen Kurie. Sie bilden die ranghöchste Stufe unter den päpstlichen Ministerien und stehen über den Sekretariaten, Päpstlichen Räten und Dikasterien neuerer Art. Wann zuletzt eine Visitation einer Kongregation stattfand, weiß auf Anhieb niemand zu sagen. Was auch immer damit bezweckt sein mag, eine Ohrfeige für den soeben emeritierten Kardinal Robert Sarah soll sie allemal sein. Darin sind sich die römischen Beobachter einig.
Die britische katholische Zeitschrift The Tablet steuert einige Neuigkeiten zum aufsehenerregenden Vorgang bei. Die Visitation, die keine sei, soll, so das progressive Blatt, Papst Franziskus dabei „helfen“, einen Nachfolger für Kardinal Sarah zu finden. Eine Visitation war bis gestern allerdings kein Teil des Nominierungsverfahrens.
The Tablet nennt die Visitation unter Berufung auf vatikanische Quellen einen „Konsultativprozeß“, um Franziskus „zu helfen, einen neuen Leiter für das liturgische Amt des Heiligen Stuhls zu ernennen und dessen zukünftige Richtung festzulegen.“
Gerade letzteres wird von anderer Seite gefürchtet.
„Die Entscheidung von Franziskus eine Visitation durchzuführen, zeigt die Ernsthaftigkeit, mit der er die Arbeit der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung bei der Überwachung der liturgischen Praxis auf der ganzen Welt betrachtet. Sie deutet auch darauf hin, daß der Papst noch keine Entscheidung getroffen hat, wer Kardinal Robert Sarah ersetzen soll.“
The Tablet weiß zudem zu berichten, daß die Visitation nicht sei, was sie scheint.
„Obwohl es sich bei der Konsultation um eine Visitation handelt, handelt es sich nicht um eine vollständige kanonische Visitation. Letztere ist ein Prozeß, der manchmal, aber nicht immer, zur Untersuchung von Gemeinschaften oder Institutionen verwendet wird, in denen Disziplinarverstöße oder Mißbräuche aufgetreten sind.“
Die Quelle des Tablet ist niemand Geringerer als Kurienerzbischof Arthur Roche, der Sekretär der Gottesdienstkongregation und ihr derzeit ranghöchster Vertreter. Papst Franziskus hatte Kardinal Sarah, dessen Ernennung im Herbst 2014 im päpstlichen Umfeld schon bald als „Betriebsunfall“ bezeichnet wurde, zwar mehr als sechs Jahre im Amt belassen, allerdings in der Kongregation isoliert. Der eigentliche Mann des Papstes war Erzbischof Roche und nicht der Kardinalpräfekt.
Msgr. Roche bemüht sich, die Visitation mit Konsultationen zu vergleichen, wie sie ein Diözesanbischof oder sein Generalvikar bei der Besetzung einer Pfarrstelle führen würde. Der Vergleich vermag natürlich nicht zu überzeugen. Bei keiner seiner zahlreichen Ernennungen an der Kurie setzte Franziskus bisher ein solches Mittel ein. Es will eine Botschaft sein. Die Ohrfeige, die Kardinal Sarah damit hinterhergeworfen wird, wurde bereits genannt. Es gibt auch die Befürchtung, daß sich die Visitation gegen den überlieferten Ritus richten könnte, oder darum, den Weg für die nächste liturgische „Revolution“ durch die Einführung einer „ökumenischen Messe“ zu ebnen.
Das ist aber vorerst Spekulation, wenn auch nicht ganz. Die Sorge über einen drohenden „Angriff“ (Monika Rheinschmitt) auf den überlieferten Ritus hat mit dem Apostolischen Visitator, Bischof Claudio Maniago von Castellaneta, zu tun, dessen erklärte Abneigung gegen das Motu proprio Summorum Pontificum bekannt ist.
Gesichert ist derzeit, daß Kardinal Sarah für seine Beteuerung, nie in Opposition zum Papst gestanden zu haben, die er in seinem ersten Interview nach seiner Emeritierung zu Protokoll gab, nicht gedankt wird. Die Sorge über die Ankündigung des Kardinals, in Rom bleiben und Menschen aus aller Welt empfangen und weltweit im Dienst der Kirche tätig sein zu wollen – nun nicht mehr durch ein hohes Amt und seine Verpflichtungen eingeschränkt –, scheint im päpstlichen Umfeld die versöhnlichen Worte des Kardinals zu überwiegen, den manche gerne als ersten schwarzen Papst der Geschichte sehen würden.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: The Tablet (Screenshot)