Ein vergessenes Kapitel: Die katholischen Armenier von Nachitschewan

Die Dominikanermission im Mongolenreich der Ilchane


Mehrere Jahrhunderte existierte ein Bistum armenischer Katholiken in Nachitschewan, das heute nur mehr von Muslimen bewohnt ist. Im Bild: armenische Kreuze im Geghard-Kloster.
Mehrere Jahrhunderte existierte ein Bistum armenischer Katholiken in Nachitschewan, das heute nur mehr von Muslimen bewohnt ist. Im Bild: armenische Kreuze im Geghard-Kloster.

(Jere­wan) Die der­zei­ti­ge Flucht der arme­ni­schen Chri­sten aus Berg­ka­ra­bach spie­gelt auf tra­gi­sche Wei­se wider, wie sich Vor­gän­ge in der Geschich­te wie­der­ho­len, die für über­wun­den geglaubt wur­den. Doch es beküm­mert kaum jeman­den. Bereits im 17. Jahr­hun­dert ereig­ne­te sich in der Regi­on ein ver­gleich­ba­res Sze­na­rio. Damals ver­lie­ßen die arme­ni­schen Bewoh­ner einer gan­zen Diö­ze­se, ange­führt von ihrem Bischof, ihre Hei­mat und zogen 1.800 Kilo­me­ter west­wärts, um in Smyr­na (heu­te Izmir) Schutz und Zukunft zu finden.

Anzei­ge

Die Ein­stel­lung der Kampf­hand­lun­gen zwi­schen Aser­bai­dschan und Arme­ni­en am 9. Novem­ber hat einen Mas­sen­ex­odus der Arme­ni­er aus Berg­ka­ra­bach zur Fol­ge. In der Repu­blik Arme­ni­en, mit der sich Berg­ka­ra­bach seit 100 Jah­ren ver­ei­ni­gen will, wur­de vor zwei Jah­ren die pro-rus­si­sche Regie­rung durch eine west­lich ori­en­tier­te Regie­rung aus­ge­tauscht. Doch der Westen lohnt den Arme­ni­ern die­sen Sei­ten­wech­sel nicht. Ent­ge­gen den Erwar­tun­gen schaut der Westen weg, seit Trup­pen aus Aser­bai­dschan, unter­stützt von der Tür­kei und ange­wor­be­nen Dschi­ha­di­sten aus Syri­en und dem Irak, ihre Offen­si­ve gestar­tet haben. In die­sem alten Kon­flikt kämp­fen Mus­li­me gegen Chri­sten und natür­lich ist es auch ein Reli­gi­ons­krieg. Ruß­land, die histo­ri­sche Schutz­macht der Arme­ni­er, ver­hin­der­te zwar das Schlimm­ste, läßt die Arme­ni­er aber spü­ren, daß man den arme­ni­schen Sei­ten­wech­sel nicht ver­ges­sen hat.

Berg­ka­ra­bach ist eine arme­ni­sche Insel inmit­ten von ase­ri­schem Gebiet. Die Berg­ge­gend ist altes arme­ni­sches Sied­lungs­ge­biet. So war es auch am Ende des Zaren­rei­ches. Wäh­rend der Sowjet­herr­schaft wur­de Berg­ka­ra­bach 1921 gegen den Wil­len sei­ner Bevöl­ke­rung der Sozia­li­sti­schen Sowjet­re­pu­blik Aser­bai­dschan zuge­schla­gen, die Chri­sten also dem mus­li­mi­schen Nach­bar­volk unter­stellt. Seit­her schwelt der Kon­flikt. Es kam zur Zuwan­de­rung von Mus­li­men und der Ver­drän­gung der Chri­sten. Als 1991 die kom­mu­ni­sti­sche Dik­ta­tur end­lich zusam­men­brach, kam es zum offe­nen Kon­flikt, aus dem die Arme­ni­er sieg­reich her­vor­gin­gen. Die inter­na­tio­na­le Staa­ten­ge­mein­schaft wei­ger­te sich in den ver­gan­ge­nen 25 Jah­ren jedoch, sowohl die ver­än­der­te Grenz­zie­hung als auch die Anglie­de­rung der Regi­on an Arme­ni­en anzu­er­ken­nen. Das ermög­lich­te den Ase­ris, in einem Moment der arme­ni­schen Schwä­che, eine gefähr­li­che Alli­anz mit der Tür­kei zu schmie­den und zum Gegen­an­griff überzugehen.

Rot das von Arme­ni­ern bewohn­te Gebiet (um 1890)

An die­ser Stel­le soll jedoch wei­ter in die Geschich­te der bei­den kau­ka­si­schen Exkla­ven zurück­ge­gan­gen wer­den. Neben dem noch heu­te arme­ni­schen Berg­ka­ra­bach, das eine eth­nisch-reli­giö­se Insel inmit­ten eines frem­den Staa­tes bil­det, gibt es noch eine zwei­te, die das Ver­hält­nis zwi­schen dem isla­mi­schen Aser­bai­dschan und den christ­li­chen Arme­ni­ern bela­stet: die Regi­on Nach­it­sche­wan. Sie wird nicht nur mehr­heit­lich von mus­li­mi­schen Ase­ris bewohnt, son­dern ist im Gegen­satz zu Berg­ka­ra­bach auch völ­ker­recht­li­cher Teil Aser­bai­dschans. Aller­dings kann es auf direk­tem Wege nur über arme­ni­sches Gebiet erreicht wer­den. Die Mus­li­me von Nach­it­sche­wan haben, was die Chri­sten von Berg­ka­ra­bach möch­ten. Aller­dings war auch Nach­it­sche­wan einst Teil des arme­ni­schen Sied­lungs­ge­bie­tes. Die rus­si­schen Erhe­bun­gen wei­sen Ende des 19. Jahr­hun­derts noch zahl­rei­che arme­ni­sche Sied­lun­gen in Nach­it­sche­wan aus (sie­he Kar­te). Seit den Kämp­fen in den 90er Jah­ren leben in Berg­ka­ra­bach kei­ne Ase­ris und in Nach­it­sche­wan kei­ne Arme­ni­er mehr.

Das gan­ze Land der Arme­ni­er wur­de bereits im 7. Jahr­hun­dert vom Islam über­rollt und unter­wor­fen. Den­noch bewahr­te sich die­ses Berg­volk stand­haft und mit außer­ge­wöhn­li­chem Behar­rungs­wil­len sei­nen christ­li­chen Glau­ben. Die arme­ni­sche Geschich­te von Nach­it­sche­wan ent­hält dabei ein beson­de­res Kapitel.

Dominikanermission in Nachitschewan

Ende des 13. Jahr­hun­derts ent­fal­te­te der noch ganz jun­ge Domi­ni­ka­ner­or­den eine inten­si­ve Mis­si­ons­tä­tig­keit unter den Arme­ni­ern. Die Kon­tak­te zu ihnen waren im Zuge der Kreuz­zü­ge über Kili­ki­en zustan­de­ge­kom­men. In Kili­ki­en an der Mit­tel­meer­kü­ste war durch eine gro­ße Flucht­be­we­gung das König­reich Klein­ar­me­ni­en ent­stan­den, als die isla­mi­schen Sel­dschu­ken im 11. Jahr­hun­dert das in Ober­me­so­po­ta­mi­en und im Kau­ka­sus gele­ge­ne Land der Arme­ni­er (Groß­ar­me­ni­en) eroberten.

Der byzan­ti­ni­sche Kai­ser nahm die ersten Flücht­lin­ge in Hin­ter­ana­to­li­en auf. Da der dama­li­ge byzan­ti­ni­sche Gou­ver­neur von Kili­ki­en Arme­ni­er war, bot auch er sei­nen Lands­leu­ten am Mit­tel­meer eine Zuflucht. Dar­aus wur­de eine gro­ße Flucht­be­we­gung, die 1079 mit Hil­fe der Kreuz­rit­ter in der byzan­ti­ni­schen Pro­vinz Kili­ki­en zur Grün­dung des König­reichs Klein­ar­me­ni­en führ­te. Die­ses zwei­te arme­ni­sche König­reich, im Grenz­ge­biet zwi­schen dem Byzan­ti­ni­schen Reich, den expan­sio­ni­sti­schen isla­mi­schen Staa­ten und den sich gegen die­se stem­men­den Kreuz­fah­rer­staa­ten, hat­te Bestand bis 1375, als es von den ägyp­ti­schen Mame­lucken über­rannt wur­de. Dann wur­de es von den Tür­ken unter­wor­fen. Papst Gre­gor IX. (1227–1241) hat­te die ersten acht Domi­ni­ka­ner in den Osten geschickt, kon­kret nach Geor­gi­en. Damit begann eine aus­ge­dehn­te Domi­ni­ka­ner­mis­si­on, die durch ganz Asi­en hin­durch bis an die Gren­zen Chi­nas reich­te. Dort begann die Fran­zis­ka­ner­mis­si­on. In die­sem Rah­men wur­de 1265 das erste Domi­ni­ka­ner­klo­ster in Klein­ar­me­ni­en gegründet.

Wap­pen des Dominikanerordens

Von dort aus gelang­ten Ende des 13. Jahr­hun­derts die ersten Domi­ni­ka­ner in das arme­ni­sche Stamm­land. 1318 grün­de­ten sie in Nach­it­sche­wan, das zum Zen­trum der Domi­ni­ka­ner­mis­si­on wur­de, ein latei­ni­sches Bis­tum, die Dioe­ce­sis Naxi­va­nen­sis. Die Gegend hat­te der aus Flan­dern stam­men­de Fran­zis­ka­ner Wil­helm von Rubruk 1253 bereist. Durch sei­nen Rei­se­be­richt waren die Domi­ni­ka­ner dar­auf auf­merk­sam gewor­den. Die Arme­ni­er des Lan­des waren nach Auf­stän­den gegen die isla­mi­sche Herr­schaft stark dezi­miert wor­den. Von den einst acht­zig Kir­chen der Stadt, so hat­te der Fran­zis­ka­ner berich­tet, waren nur mehr zwei übriggeblieben.

Das Ziel der Domi­ni­ka­ner war es, die Apo­sto­lisch-Arme­ni­sche Kir­che in die Ein­heit mit Rom zurück­zu­füh­ren. Die Arme­ni­er hat­ten sich 506 von der Reichs­kir­che getrennt, indem sie die Zweina­tu­renleh­re des Kon­zils von Chal­ce­don ablehn­ten und Mono­phy­si­ten wur­den.
Die Pre­dig­ten der Domi­ni­ka­ner weck­ten jedoch das Inter­es­se von Abt Yohan, dem Vor­ste­her des Basi­lia­ner­klo­sters von Kir­na (Qrna) bei Nach­it­sche­wan. Er und sei­ne Mön­che bekehr­ten sich zur katho­li­schen Kir­che und bil­de­ten ab 1330 als Fra­tres Unito­res einen mit Rom unier­ten Orden arme­ni­scher Mön­che, die mit dem Domi­ni­ka­ner­or­den ver­bun­den waren. Ab 1344 über­nah­men sie auch das Ordens­kleid der Dominikaner.

Aus den Fratres Unitores werden armenische Dominikaner

Ins­ge­samt errich­te­ten die Päp­ste mit Nach­it­sche­wan sechs Bis­tü­mer auf dem Gebiet die­ser Domi­ni­ka­ner­mis­si­on. Ihr Mit­tel­punkt war die eben­falls 1318 geschaf­fe­ne Erz­diö­ze­se Sol­ta­nia, das heu­ti­ge Sol­ta­ni­yeh im Nord­iran. Die­se Kir­chen­pro­vinz umfaß­te das gesam­te Mon­go­len­reich der Ilch­a­ne, das von Ana­to­li­en über den Kau­ka­sus und Meso­po­ta­mi­en bis Afgha­ni­stan und Paki­stan reich­te. Die Mon­go­len erwie­sen sich dem Chri­sten­tum gegen­über als sehr auf­ge­schlos­sen. Allein in Sol­ta­nia ent­stan­den in der Fol­ge­zeit 25 Kir­chen. Bereits 1307 hat­te Papst Cle­mens V. mit der Errich­tung des Erz­bis­tums Khan Baliq (heu­te Peking) eine Kir­chen­pro­vinz für das öst­li­che Mon­go­len­reich in Chi­na errich­tet, die er dem Fran­zis­ka­ner­or­den anver­trau­te. Wäh­rend das Mis­si­ons­werk der Fran­zis­ka­ner in Chi­na noch im 14. Jahr­hun­dert mit dem Ende der Mon­go­len­zeit schei­ter­te, soll­te sich auch vom Mis­si­ons­werk der Domi­ni­ka­ner nur jenes unter den Arme­ni­ern als lang­le­big und frucht­bar erweisen.

Geg­hard-Klo­ster apo­sto­li­scher Armenier

Es fehl­te nicht an Vor­wür­fen gegen die Domi­ni­ka­ner und ihre arme­ni­schen Fra­tres, das arme­ni­sche Volk spal­ten zu wol­len. Ein Vor­wurf, der sich teils bis in die heu­ti­ge Geschichts­schrei­bung fort­setzt. Neu­er­dings haben Histo­ri­ker aller­dings die Bedeu­tung unter­stri­chen, die die­se unier­ten Brü­der für die Ver­tei­di­gung des Chri­sten­tums und die Abwehr des Islams hatten.

Die­se Keim­zel­le der arme­nisch-katho­li­schen Gemein­schaft wuchs rasch an. Der Uni­ons­ge­dan­ken fiel auf frucht­ba­ren Boden. 28 Orte in Nach­it­sche­wan nah­men den katho­li­schen Glau­ben an. Bald fin­den sich mit Rom unier­te Gemein­schaf­ten in allen Län­dern und Orten mit arme­ni­scher Bevöl­ke­rung von Groß- und Klein­ar­me­ni­en über Kon­stan­ti­no­pel bis auf die Krim. Alle die­se Gebie­te lagen damit nicht nur im Span­nungs­feld zwi­schen Ost- und West­kir­che und der Arme­ni­schen Kir­che, son­dern vor allem auch dem Islam. Des­sen Druck war all­ge­gen­wär­tig. Die Arme­ni­er lern­ten unter die­sen schwie­ri­gen Bedin­gun­gen aus­zu­har­ren und ihre Spra­che, Kul­tur und ihren Glau­ben zu verteidigen.

Das Klo­ster der Fra­tres Unito­res in Apa­ran (heu­te Arme­ni­en) war wegen sei­ner Gast­freund­schaft so bekannt, daß dort ein­fa­che Rei­sen­de eben­so Unter­kunft such­ten wie Dele­ga­tio­nen des turk­me­ni­schen Groß­reichs der Aq Qoy­un­lu und der per­si­schen Safa­wi­den-Herr­scher. Um 1600 zähl­te das Klo­ster 65 Brüder.

Die Chro­ni­ken der Fra­tres Unito­res berich­ten Ende des 14. Jahr­hun­derts von ver­hee­ren­den Mon­go­len­ein­fäl­len unter Tame­r­lan. Die arme­ni­schen Katho­li­ken waren aber auch mit den Feind­se­lig­kei­ten der Arme­nisch-Apo­sto­li­schen Kir­che kon­fron­tiert, die ihnen um die­sel­be Zeit gewalt­sam meh­re­re Klö­ster ent­riß, indem vie­le Brü­der ein­ge­sperrt und mit dem Tode bedroht wur­den. Eini­ge wur­den tat­säch­lich hingerichtet.

Laut Berich­ten des 15. Jahr­hun­derts zähl­ten die Fra­tres Unito­res in ihrer Blü­te­zeit etwa 700 Brü­der, 50 Klö­ster und sechs Bis­tü­mer. Die in die­sem Grenz­land immer wie­der auf­flam­men­den Kämp­fe zwi­schen isla­mi­schen Macht­ha­bern setz­ten der christ­li­chen Gemein­schaft aber schwer zu. Anfang des 17. Jahr­hun­derts, nach per­si­schen Depor­ta­tio­nen nach Süd­osten und einer dadurch aus­ge­lö­sten Flucht­be­we­gung nach Westen, bestan­den nur mehr zwölf Klö­ster. Die Brü­der betreu­ten noch an die 20.000 Gläu­bi­ge. Ende des Jahr­hun­derts waren es nur mehr 7.000.

Armenische Ordensprovinz

1583 war der Orden der Fra­tres Unito­res auf­ge­löst und als Pro­vin­cia Naxi­va­nen­sis (Pro­vinz Nach­it­sche­wan) direkt dem Domi­ni­ka­ner­or­den ein­ge­glie­dert wor­den. Aller­dings wur­den in der neu­en Ordens­pro­vinz eini­ge Beson­der­hei­ten bewahrt, so behiel­ten die arme­ni­schen Domi­ni­ka­ner Arme­nisch als Lit­ur­gie­spra­che bei. Papst Paul III. hat­te den katho­li­schen Arme­ni­ern 1544 die­ses Pri­vi­leg mit der Bul­le Etsi ex debi­to gewährt. Der arme­ni­schen Domi­ni­ka­ner­pro­vinz ent­stamm­ten nicht nur die Prie­ster des Bis­tums Nach­it­sche­wan, son­dern auch fast alle Bischöfe.

Das arme­nisch-apo­sto­li­sche Geghard-Kloster

Erst im 17. Jahr­hun­dert soll­te sich das ändern. Mit der Errich­tung der Pro­pa­gan­da Fide, der heu­ti­gen römi­schen Kon­gre­ga­ti­on für die Evan­ge­li­sie­rung der Völ­ker, wur­den ver­stärkt euro­päi­sche Brü­der nach Arme­ni­en geschickt, vor allem Ita­lie­ner. Aus­lö­ser dafür war die star­ke Aus­dün­nung durch die sich abwech­seln­den Ver­fol­gun­gen durch Tür­ken und Per­ser, aber auch ein im Zuge der Gegen­re­for­ma­ti­on geän­der­tes Ver­ständ­nis in Rom. Von den Arme­ni­ern wur­de die­se Ent­wick­lung nicht gut auf­ge­nom­men, sodaß der Ver­fall von Ordens­pro­vinz und Bis­tum nicht gestoppt wer­den konn­te, viel­leicht sogar beschleu­nigt wurde.

Die erste Aus­nah­me auf dem Bischofs­stuhl von Nach­it­sche­wan war der aus Faen­za im Kir­chen­staat stam­men­de Kar­täu­ser Ange­lus Maria Cit­ta­di­ni, der von 1624 bis 1629, zuerst als Koad­ju­tor, dann als Bischof die Diö­ze­se lei­te­te. Er war weder Arme­ni­er noch Domi­ni­ka­ner. Aller­dings soll­te er der ein­zi­ge Bischof blei­ben, der nicht dem Orden des hei­li­gen Domi­ni­kus angehörte.

Der erste nicht arme­ni­sche Domi­ni­ka­ner als Bischof war dann der Ita­lie­ner Pao­lo Piro­m­al­li OP. Mit sei­ner Ernen­nung wur­de das Bis­tum von Papst Urban VIII. zum Erz­bis­tum erho­ben, dem er von 1633 bis 1652 vor­stand. Mit Seba­sti­an Knab aus Bam­berg war von 1682 bis 1690 sogar ein deut­scher Domi­ni­ka­ner Erz­bi­schof von Nach­it­sche­wan. Ihm folg­ten noch ein­mal arme­ni­sche Domi­ni­ka­ner, deren letz­ter, Ste­pha­nus Sci­ran, 1707 starb.

Wäh­rend in Nach­it­sche­wan aus­wär­ti­ge Domi­ni­ka­ner die arme­ni­schen ver­dräng­ten, muß­ten die arme­ni­schen Domi­ni­ka­ner in ande­ren Gebie­ten dem tür­ki­schen oder per­si­schen Druck wei­chen. Die Katho­li­ken von Nach­it­sche­wan hiel­ten jedoch bis ins 18. Jahr­hun­dert stand. In der Mit­te die­ses Jahr­hun­derts spitz­te sich die chri­sten­feind­li­che Gewalt so zu, daß die Lage uner­träg­lich wur­de. 1750 erin­ner­te der dama­li­ge Domi­ni­ka­ner­pro­vin­zi­al Pater E. Fran­zo­si­ni dar­an, daß der Domi­ni­ka­ner­mis­si­on zu ihrer Blü­te­zeit sechs Bis­tü­mer anver­traut waren, von denen nach „Auf­stän­den, Krie­gen und Pest“ nur mehr das arme­ni­sche Erz­bis­tum Nach­it­sche­wan übrig war. Er ver­merk­te, daß die Chri­sten zu sei­ner Zeit mehr als alle ande­ren unter den angren­zen­den isla­mi­schen Mäch­ten zu lei­den hat­ten. Mehr als fünf­zehn Jah­re zogen sich die Über­fäl­le, Plün­de­run­gen und Brand­schat­zun­gen bereits hin. Der Pro­vin­zi­al berich­te­te von „unglaub­li­cher Bar­ba­rei“ gegen die arme­ni­schen Fami­li­en in Nach­it­sche­wan. Hat­ten sie kein Hab und Gut mehr, das sie den isla­mi­schen Ein­dring­lin­gen ablie­fern konn­ten, nah­men sich die­se ihre Frau­en und Töchter.

Der Exodus

1732 hat­te Papst Cle­mens XII. den ita­lie­ni­schen Domi­ni­ka­ner Dome­ni­co Maria Sal­vi­ni zum 34. Bischof von Nach­it­sche­wan ernannt. Er soll­te auch der letz­te sein. P. Sal­vi­ni war zuvor Gene­ral­vi­kar der Ordens­pro­vinz mit Sitz in Kon­stan­ti­no­pel gewe­sen. Der Krieg zwi­schen dem osma­ni­schen Sul­tan und dem safa­wi­di­schen Schah nahm immer grau­sa­me­re Züge an, je mehr die Macht der Safa­wi­den in Per­si­en zer­fiel und sich neue Macht­ha­ber eta­blier­ten. Ein­mal gewan­nen die Osma­nen die Ober­hand, ein­mal die Per­ser. Die Arme­ni­er dazwi­schen wur­den zum Opfer bei­der Sei­ten. Papst Bene­dikt XIV. beklag­te 1748, daß die Klö­ster der katho­li­schen Arme­ni­er nie­der­ge­brannt und vie­le Brü­der getö­tet wur­den, ande­re ver­hun­gern muß­ten oder ver­schleppt wurden.

Aus der Abwan­de­rung der katho­li­schen Arme­ni­er in die Dia­spo­ra, die schon seit eini­ger Zeit im Gan­ge war, beson­ders seit den erwähn­ten Depor­ta­tio­nen von 1603, wur­de nun ein gro­ßer Exodus. Erz­bi­schof Sal­vi­ni sah kei­nen ande­ren Aus­weg, als den ver­blie­be­nen Rest sei­nes Bis­tums an einen siche­re­ren Ort zu füh­ren. An der Spit­ze von 90 Domi­ni­ka­nern und rund tau­send Gläu­bi­gen brach er zu einem Gewalt­marsch auf. 1.800 Kilo­me­ter führ­te er sei­ne Gemein­schaft durch Ober­me­so­po­ta­mi­en über den Euphrat nach Ana­to­li­en, das sie west­wärts durch­quer­ten, um schließ­lich die Stadt Smyr­na an der Ägä­is­kü­ste zu errei­chen. Die Stadt, das heu­ti­ge Izmir, war bereits 1402 von den Tür­ken erobert wor­den, doch die Chri­sten stell­ten nach wie vor den Groß­teil der Ein­woh­ner­schaft. Bald nach 1600 hat­ten sich in der Stadt Arme­ni­er nie­der­ge­las­sen, auch katho­li­sche Arme­ni­er aus Nach­it­sche­wan. Die arme­ni­schen Domi­ni­ka­ner waren zu ihrer seel­sorg­li­chen Betreu­ung 1718 in die Stadt gekom­men und hat­ten dort ein Klo­ster gegründet.

Nach der Ankunft des von Bischof Sal­vi­ni eva­ku­ier­ten Bis­tums Nach­it­sche­wan errich­te­ten sich die katho­li­schen Arme­ni­er 1755 in Smyr­na die Kir­che zu den Hei­li­gen Petrus und Pau­lus, die heu­ti­ge Kir­che zum hei­li­gen Rosen­kranz, die zu ihrem neu­en geist­li­chen Zen­trum wurde.

Kir­che zum hei­li­gen Rosen­kranz in Smyr­na (Izmir) heute

Smyrna – Zuflucht und Untergang

Die katho­li­schen Arme­ni­er wur­den in der grie­chisch gepräg­ten Stadt, zur Unter­schei­dung von den apo­sto­li­schen Arme­ni­ern, kurio­ser­wei­se als „Per­ser“ bezeich­net. Ihre Gemein­de, die durch den Exodus zu ansehn­li­cher Zahl ange­wach­sen war und durch den Han­del bald auch wirt­schaft­lich flo­rier­te, bestand bis zum tür­ki­schen Geno­zid an den Arme­ni­ern Anfang des 20. Jahr­hun­derts. Ihr eigent­li­ches Ende kam durch den Brand von Smyr­na am 13. Sep­tem­ber 1922, der letz­ten Ver­nich­tungs­tat der Jung­tür­ken gegen die christ­li­chen Mil­lets. Im Mil­let-System hat­ten die Osma­nen auf der Grund­la­ge der Scha­ria, des isla­mi­schen Rechts, ihr Ver­hält­nis zu den Chri­sten und Juden gere­gelt. Zu den aner­kann­ten christ­li­chen Gemein­schaf­ten gehör­ten auch die Armenier.

Als der Erste Welt­krieg aus­brach, war Smyr­na noch mehr­heit­lich von Chri­sten bewohnt. Der Groß­teil davon waren Grie­chen. Es gab in der Stadt aber auch vier Pro­zent Arme­ni­er. Smyr­na und sein gro­ßes Hin­ter­land wur­den 1920 im Ver­trag von Sèv­res – die Tür­kei gehör­te zu den Besieg­ten – Grie­chen­land zuge­spro­chen, was die Tür­ken aber nicht akzep­tier­ten. Der letz­te Akt des tür­ki­schen Völ­ker­mords an den Chri­sten fand in Smyr­na statt.

Tür­ki­sche Trup­pen unter dem Kom­man­do von Nurre­din Pascha erober­ten 1922 die Stadt zurück. Dabei töte­ten sie etwa 30.000 Chri­sten, Grie­chen und Arme­ni­er, und zwan­gen 250.000 von ihnen zur Flucht. Den grie­chisch-ortho­do­xen Erz­bi­schof der Stadt, Chry­so­sto­mos Kal­a­fa­tis, ließ Nurre­din Pascha von einem mus­li­mi­schen Mob auf offe­ner Stra­ße lyn­chen und den christ­li­chen Teil der Stadt nie­der­bren­nen. Win­s­ton Chur­chill bezeich­ne­te das tür­ki­sche Mas­sa­ker von Smyr­na als „infer­nal orgy“.

Das bren­nen­de Smyr­na im Sep­tem­ber 1922 (vom Meer aus gesehen)

Was geblieben ist

Doch zurück zum katho­li­schen Bis­tum Nach­it­sche­wan. Erz­bi­schof Sal­vi­ni kehr­te 1759 nach Ita­li­en zurück, wo er 1765 im römi­schen Domi­ni­ka­ner­klo­ster San­ta Sabi­na starb. Der Bischofs­stuhl wur­de nach sei­nem Tod nicht mehr besetzt. Bis 1782 bestan­den in Smyr­na aber noch Tei­le der alten Bistumsorganisation.

1818, genau fünf­hun­dert Jah­re nach der Grün­dung des Bis­tums Nach­it­sche­wan durch den Domi­ni­ka­ner­or­den, starb in Smyr­na der letz­te arme­ni­sche Domi­ni­ka­ner. Die Reste der ver­las­se­nen katho­li­schen Aller­hei­li­gen­ka­the­dra­le von Nach­it­sche­wan wur­den 1845 durch ein Erd­be­ben zer­stört. 1847 wur­de das vakan­te Erz­bis­tum durch den Hei­li­gen Stuhl aufgehoben.

Rosen­kranz­ma­don­na, Smyr­na (Izmir)

Die Domi­ni­ka­ner­mis­si­on unter den Arme­ni­ern ist heu­te vor allem Gegen­stand der wis­sen­schaft­li­chen For­schung. So befaß­te sich der nie­der­län­di­sche Domi­ni­ka­ner Mar­cus Anto­ni­us van den Ouden­ri­jn, Theo­lo­gie­pro­fes­sor in Frei­burg im Üecht­land und in Rom, am Insti­tu­tum Histo­ri­cum des Domi­ni­ka­ner­or­dens in San­ta Sabi­na mit einer Beson­der­heit der katho­li­schen Arme­ni­er und ver­öf­fent­lich­te dazu in deut­scher Spra­che die Arbeit: „Das Offi­zi­um des hei­li­gen Domi­ni­cus des Beken­ners im Bre­vier der Fra­tres Unito­res von Ost­arme­ni­en. Ein Bei­trag zur Mis­si­ons- und Lit­ur­gie­ge­schich­te des vier­zehn­ten Jahr­hun­derts“. In der Biblio­thek des Deut­schen Lit­ur­gi­schen Insti­tuts wird man dazu fündig.

Den­noch ist die­ses Kapi­tel der arme­ni­schen Geschich­te und das des Domi­ni­ka­ner­or­dens nicht zur blo­ßen Ver­gan­gen­heit gewor­den. Zur sel­ben Zeit, als das Bis­tum Nach­it­sche­wan unter­ging, errich­te­te der Papst die Arme­nisch-Katho­li­sche Kir­che als mit Rom unier­te Ost­kir­che. Sie zählt heu­te 18 Juris­dik­tio­nen, davon elf Bis­tü­mer mit welt­weit rund 800.000 Gläu­bi­gen. Ihr Ober­haupt ist seit 2015 Krikor Bedros XX., Patri­arch von Kili­ki­en der Arme­ni­er, so sein offi­zi­el­ler Titel. Sitz des Patri­ar­chen ist seit der Errich­tung der Kir­che das Klo­ster Bzom­mar bei Bei­rut (Liba­non).

Auch ein klei­ner Teil der ein­sti­gen arme­ni­schen Domi­ni­ka­ner­mis­si­on lebt wei­ter. Die 1755 in Smyr­na errich­te­te Rosen­kranz­kir­che ist noch heu­te das Zen­trum der katho­li­schen Gemein­de von Izmir und wird nach wie vor von Domi­ni­ka­nern betreut, heu­te von ita­lie­ni­schen Ordens­brü­dern des hei­li­gen Dominikus.

Geblie­ben ist auch die Mög­lich­keit einer fas­zi­nie­ren­den Spu­ren­su­che nach einer vie­le Jahr­hun­der­te wäh­ren­den katho­li­schen Mis­si­ons­tä­tig­keit unter den Armeniern.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Wikicommons/Levantineheritage.com (Screen­shots)

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