
(Rom) Die römische Kleruskongregation will die Priesterseminare reduzieren. Ein entsprechendes Schreiben erhielt Juan José Kardinal Omella, der neue Vorsitzende der Spanischen Bischofskonferenz.
Während Bischöfe in anderen westeuropäischen Ländern die Seminare für die Priesterausbildung aus Mangel an Berufungen bereits neu organisiert, zusammengelegt oder geschlossen haben, drängt in Spanien die Kleruskongregation auf eine Reduzierung.
Noch vor nicht langer Zeit war man in der Kirche stolz darauf, daß von der iberischen Halbinsel aus „die Welt“ evangelisiert wurde. Gemeint war damit die Christianisierung der außereuropäischen Welt, die im Spätmittelalter mit der Entdeckung neuer Länder, Schiffswege und Kontinente einsetzte.
Erstaunlich ist, daß die römische Kleruskongregation auf eine Reduzierung der Priesterseminare drängt und damit „strukturelle“ Fragen in den Vordergrund stellt, wo es doch vor allem um die geistliche Frage der Berufungsförderung geht. Ein genauerer Blick auf die Maßnahme ergibt, daß sich in der „Anregung“ noch eine zweite Anregung versteckt: Rom empfiehlt, die internationalen Priesterseminare Redemptoris Mater des Neokatechumenalen Weges zu „integrieren“ und damit aufzuheben. Aus diesen Seminaren kommen in manchen westlichen Diözesen derzeit die meisten Neupriester.
Ein römischer Versuch, Spaniens Bischöfe zur Zusammenlegung der Priesterseminare zu bewegen, erfolgte bereits vor wenigen Jahren, als noch Ricardo Kardinal Blázquez Pérez, der Erzbischof von Valladolid, Vorsitzender der Spanischen Bischofskonferenz war. Er wurde jedoch von den Bischöfen auf der Frühjahrsvollversammlung 2018 abgelehnt.
Im vergangenen März übernahm Kardinal Omella den Vorsitz der Bischofskonferenz, und so unternimmt Rom einen neuen Versuch, das angestrebte Ziel zu erreichen. Aus Omellas Umfeld wurde bestätigt, daß der Kardinal ein Schreiben von Kardinalpräfekt Beniamino Stella erhielt, in dem dieser die spanischen Bischöfe auffordert, einem „Prozeß“ zur Zusammenlegung der spanischen Priesterseminare zuzustimmen.
Dieser „Prozeß“ soll eine Halbierung der diözesanen Priesterseminare bringen. In besonderem Maße sollen die diözesanen Missionsseminare Redemptoris Mater des Neokatechumenalen Weges aufgelöst werden. Sie sollen mit anderen diözesanen Priesterseminaren zu „interdiözesanen Seminaren“ zusammengelegt bzw. in solche integriert werden.
Diese Anregung war von Kardinal Stella der neuen Führungsspitze der Spanischen Bischofskonferenz bereits bei ihrem jüngsten Besuch in Rom unterbreitet worden, der im September stattfand.

Beim ersten, gescheiterten Versuch hatte Rom vorgeschlagen, eine Kommission der residierenden spanischen Kardinäle Omella, Osoro, Blázquez und Cañizares zu bilden, um die Durchführung einer Reduzierung zu studieren. Nun wurde der Ton deutlicher: Kardinal Stella habe mit einer Apostolischen Visitation gedroht, sollte die Schließung von Priesterseminaren nicht angegangen werden. Beobachter gehen davon aus, daß die von Franziskus eingesetzten Kardinäle Omella und Osoro (Erzbischof von Madrid), den römischen Vorschlag unterstützen werden.
Im vergangenen Studienjahr bereiteten sich in Spanien 1.129 Seminaristen auf das Priestertum vor. In diesem Jahr gab es in den 70 spanischen Bistümern 130 Neupriester. 24 Diözesen hatten im vergangenen Jahr nur fünf oder weniger Seminaristen. In den spanischen Missionsseminaren Redemptoris Mater bereiten sich mehr als 200 Seminaristen auf das Priestertum vor.
1988 errichtete das Bistum Rom das erste diözesane Missionskolleg Redemptoris Mater, das von der kirchlich anerkannten geistlichen Gemeinschaft Neokatechumenaler Weg geführt wird. In diesen Priesterseminaren, die der Autorität des jeweiligen Diözesanbischofs unterstehen und neben dem diözesanen Priesterseminar existieren, werden Kandidaten aus der ganzen Welt für die Seelsorge in den Diözesen ausgebildet. Grundgedanken ist, daß inzwischen auch die westliche Welt Missionsgebiet ist und der Neuevangelisierung bedarf. Charakteristisch ist daher neben der internationalen Zusammensetzung der Seminaristen der missionarische Schwerpunkt in der Ausbildung.
Weltweit gibt es heute über 100 dieser Priesterseminare. Im deutschen Sprachraum existieren Priesterseminare Redemptoris Mater in den Erzbistümern Köln, Berlin, Wien und Luxemburg, ebenso eines in Lugano in der italienischen Schweiz und ein weiteres im Bistum Lausanne, Genf und Freiburg in der Welschschweiz. Seminare bestehen auch im Bistum Straßburg, dem Erzbistum Brüssel und dem Bistum Namur sowie im niederländischen Bistum Haarlem-Amsterdam. Diese Seminare finanzieren sich hauptsächlich aus Spenden und belasten daher die diözesanen Kassen kaum.
Ihre „Integration“ in interdiözesane Priesterseminare, wie es der römische Vorschlag für Spanien wünscht, würde ihren Charakter annullieren.
Wegen liturgischer Sonderformen des Neokatechumenalen Weges hatte Papst Benedikt XVI. Korrekturen verlangt. Entsprechende Angleichungen wurden vorgenommen. Unter Papst Franziskus wurde es in dieser Frage ruhiger. Der argentinische Papst pflegt aus anderen Gründen eine Distanz zu dieser geistlichen Gemeinschaft. Diese vertritt in Fragen von Ehe und Moral traditionelle Positionen und beteiligte sich beispielsweise in Italien massiv an den Family Days für das Leben, die Ehe und die Familie, das heißt, gegen Abtreibung, „Homo-Ehe“ und Gender-Ideologie. Eine solche Konfrontation mit dem vorherrschenden Denken wünscht Franziskus aber nicht.
Nicht bekannt ist, ob für das Bestreben, die Missionsseminare Redemptoris Mater aufzulösen, auch deren missionarischer Charakter eine Rolle spielt, demgegenüber sich Franziskus ambivalent verhält.
Der neue Auftrag für den „Papstflüsterer“
Laut der spanischen Nachrichtenseite Religion Confidencial spielt P. German Arana SJ eine zentrale Rolle bei den römischen Bestrebungen. P. Arana nimmt an der Päpstlichen Diplomatenakademie in Rom eine faktisch unsichtbare, aber wesentliche Stellung bei der Auswahl der jährlich zwölf Kandidaten ein, die zur Ausbildung zugelassen werden. Kardinal Stella, dem in besonderer Weise das Ohr des Papstes gehört, war vor seiner Berufung in die höchste Führungsebene des Vatikans Direktor der Diplomatischen Akademie. Der enge Kontakt von P. Arana zu Kardinal Stella und zu Papst Franziskus führte nun dazu, daß dem spanischen Jesuiten eine zentrale Rolle bei der Neuorganisation der spanischen Priesterseminare übertragen wurde.

P. Arana wurde Insidern vor allem wegen seiner Rolle im Fall Barros bekannt, was ihm die Bezeichnung als „Papstflüsterer“ einbrachte. Der Mitbruder von Papst Franziskus aus dem Jesuitenorden hatte 2014 die Eignung des Karadima-Zöglings Msgr. Juan Barros Madrid zum Diözesanbischof von Osorno in Chile zu prüfen. Er empfahl Franziskus nicht nur die Eignung, obwohl längst schwerwiegende Anschuldigungen gegen Barros vorlagen, sondern veranlaßte den Papst auch zu jenem „fatalen Fehler“, an Barros festzuhalten. Als Barros Anfang 2015 als Bischof von Osorno inthronisiert wurde, was er als „schwersten Gang“ seines Lebens bezeichnete, wich P. Arana keinen Augenblick von seiner Seite.
Franziskus ging in den folgenden drei Jahren soweit, Barros-Kritikern „Verleumdung“ zu unterstellen. Im Zuge des Papstbesuchs in Chile im Januar 2018 kam es schließlich zum Eklat und zur ersten großen Krise des derzeitigen Pontifikats. Wegen des verlorenen Vertrauens der Gläubigen und der Spannungen, die das uneinsichtige Festhalten des Papstes innerhalb der Chilenischen Bischofskonferenz provozierte, stürzte der Fall Barros die ganze Kirche in Chile in eine Krise. Um Franziskus endlich zum Handeln zu zwingen, boten in einem beispiellosen Schritt alle chilenischen Bischöfe dem Papst ihren Rücktritt an. Das war zugleich auch der Preis, der gefordert wurde, damit der Papst nicht sein Gesicht verliert.
Als Franziskus im Juni 2018 Barros emeritierte, wurde von Bergoglianern mit dem Finger auf Arana gezeigt, um von Franziskus abzulenken. Es wurde deshalb angenommen, daß Aranas Stern für Santa Marta gesunken sei. Katholisches.info schrieb damals:
„Ob er auch im Sturm ein treuer Diener oder nur ein Bauernopfer ist, muß sich erst noch zeigen. Franziskus wird sich aber fragen müssen, ob er sein engstes Umfeld richtig ausgewählt hat, und auf den Prüfstand stellen, wem er sein Vertrauen schenkt.“
Aranas Rolle beim jüngsten Vorstoß, die spanischen Priesterseminare zu halbieren, liefert die Antwort und bestätigt, daß Papst Franziskus „treue Diener“ nicht fallenläßt.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Erzbistum Valladolid/Iglesianavarra/Infovaticana (Screenshot)
Zusammenlegung an sich ist ja nicht schlecht, die FSSPX hat überhaupt nur Seminare, die sich als international, also interdiözesan begreifen. Und wenn es signifikant weniger Berufungen gibt, kann es dazu auch rein praktische Gründe geben.