Amerikas älteste öffentliche Bibliothek

Juan de Palafox, "der beste Diözesanbischof, den Amerika je hatte"


Biblioteca Palafoxiana, die älteste öffentliche Bibliothek Amerikas, wurde von einem Bischof gegründet.
Die Biblioteca Palafoxiana, die älteste öffentliche Bibliothek Amerikas, wurde von einem Bischof gegründet.

(Mexi­ko-Stadt) Fana­ti­sche Kräf­te möch­ten die Geschich­te Ame­ri­kas umschrei­ben. Die Ent­deckung und Kolo­ni­sie­rung Ame­ri­kas durch Euro­pa und die damit ein­her­ge­gan­ge­ne Chri­stia­ni­sie­rung sol­len aus­ge­löscht, jeden­falls dis­kre­di­tiert wer­den. Gegen die Kir­che wer­den schon län­ger, aus­ge­hend von Euro­pa und beson­ders seit der Auf­klä­rung, absur­de Ver­zer­run­gen ver­brei­tet. Meh­re­re davon, da von wirk­mäch­ti­gen Ideo­lo­gien ver­tre­ten, haben Ein­gang in das kol­lek­ti­ve Gedächnt­nis gefun­den. Dazu gehört die Behaup­tung, die Kir­che sei wis­sens- und wis­sen­schafts­feind­lich. Ein Blick in die Wis­sen­schafts­ge­schich­te zeigt das Gegen­teil. Ein präch­ti­ger Beleg ist auch die Pal­a­foxia­na, die älte­ste öffent­li­che Biblio­thek Amerikas.

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Die Biblio­te­ca Pal­a­foxia­na ent­stand 1646 auf Initia­ti­ve des spa­ni­schen Bischofs Juan de Pal­a­fox y Men­do­za in der 1531 gegrün­de­ten Stadt Pue­bla de los Ànge­les (deutsch frü­her Engelstadt, heu­te amt­lich Heroi­ca Pue­bla de Zara­go­za, aber meist nur Pue­bla genannt) in der Pro­vinz Neu­spa­ni­en des dama­li­gen spa­ni­schen Vize­kö­nig­reichs Las Indi­as (heu­te Mexiko).

Juan de Palafox y Mendoza und die Diözese Tlaxcala 

Bischof Juan de Pal­a­fox (1600–1659)

Juan de Pal­a­fox y Men­do­za war der unehe­li­che Sohn des zwei­ten Mar­qués de Ari­za Jai­me de Pal­a­fox Rebol­le­do y Pro­xi­ta de Perel­lós und von Ana de Casa­na­te y Espés, einer Wit­we und zwei­fa­chen Mut­ter aus einer ange­se­he­nen Fami­lie aus Tara­zo­na. Um den Sei­ten­sprung zu ver­tu­schen, ging die Mut­ter 1600 zur Geburt nach Navar­ra, wo das neu­ge­bo­re­ne Kind ertränkt wer­den soll­te. Ein Die­ner ret­te­te den Jun­gen jedoch, der in beschei­de­nen Ver­hält­nis­sen auf­wuchs, bis ihn sein Vater aner­kann­te und legi­ti­mier­te. Die­ser för­der­te dann auch sei­nen Sohn und ermög­lich­te ihm das Stu­di­um an den Uni­ver­si­tä­ten von Sala­man­ca und Alcalá de Hena­res. Sei­ne Mut­ter hin­ge­gen wur­de, von Scham und Reue getrie­ben, Ordens­frau und trat in den Kar­mel der Unbe­schuh­ten Kar­me­li­tin­nen von Tara­zo­na ein. Spä­ter wur­de sie zur Grün­de­rin des Kar­mels San­ta Tere­sa de Saragossa.

Kurz nach dem Tod sei­nes Vaters 1625, der ihn zu sei­nem Testa­ments­voll­strecker und zum Vor­mund des jün­ge­ren Stief­bru­ders, des drit­ten Mar­qués von Ari­za, ein­ge­setzt hat­te, wur­de Juan de Pal­a­fox in den ein­fluß­rei­chen Indi­en­rat der spa­ni­schen Kro­ne beru­fen. Doch dann erschüt­ter­ten ihn die Hin­ga­be sei­ner Mut­ter und die Krank­heit einer Tan­te inner­lich so sehr, daß es ihn zum Prie­ster­tum drängte. 

1629 emp­fing er die Prie­ster­wei­he und wur­de wegen sei­nes Anse­hens Kaplan der Infan­tin Maria Anna von Öster­reich, Toch­ter des spa­ni­schen Königs Phil­ipp III. (spa­ni­sche Linie der Habs­bur­ger). 1629 beglei­te­te er Maria Anna inmit­ten des Drei­ßig­jäh­ri­gen Krie­ges nach Wien, wo sie Fer­di­nand III. aus der öster­rei­chi­schen Linie der Habs­bur­ger hei­ra­te­te. Fer­di­nand war bereits König von Ungarn und Böh­men. An sei­ner Sei­te wur­de Maria Anna 1637 auch römisch-deut­sche Kai­se­rin. Meh­re­re Jah­re beglei­te­te Juan de Pal­a­fox die Köni­gin und Kai­se­rin, bis er 1639 vom spa­ni­schen König zum neun­ten Bischof von Tla­x­ca­la im über­see­ischen Neu­spa­ni­en ernannt wur­de, des­sen Sitz Angeló­po­lis, das bereits erwähn­te Pue­bla de los Ànge­les, war. 

Die Diö­ze­se Tla­x­ca­la war 1525 von Papst Cle­mens VII. errich­tet wor­den und ist die älte­ste Diö­ze­se auf dem ame­ri­ka­ni­schen Fest­land. Ihre Grün­dung erfolg­te eigent­lich bereits 1519 durch Papst Leo X. als Dioe­ce­sis Caro­len­sis zu Ehren von Kai­ser Karl V. in Yuca­tán. Aller­dings wuß­te man damals noch nicht ein­mal, ob Yuca­tán Fest­land oder eine gro­ße Insel war. Wegen der ungün­sti­gen Bedin­gun­gen und der wei­te­ren Ent­deckun­gen wur­de die Diö­ze­se nach weni­gen Jah­ren de fac­to, wenn auch nicht de jure nach Tla­x­ca­la ins Lan­des­in­ne­re ver­legt. Da die­ser Ort aber so ärm­lich war, ent­schloß sich der erste Bischof zur Grün­dung der neu­en Stadt Pue­bla de los Ànge­les, die dann auch Bischofs­sitz wur­de. Der Bischof war zunächst ein Suf­fra­gan des Erz­bi­schofs von Sevil­la, dann ab 1546 des Erz­bi­schofs von Mexiko.

„Der beste Diözesanbischof, den Amerka je hatte“

Papst Urban VIII. bestä­tig­te noch 1639 die Ernen­nung von Juan de Pal­a­fox zum Bischof von Tla­x­ca­la, der sich auf den Weg mach­te und 1640 sein Amt in der Neu­en Welt antre­ten konn­te. Wegen sei­ner Anstren­gun­gen zum Schutz der India­ner mach­te er sich als Bischof schnell einen Namen. Unter ande­rem unter­sag­te er jede Form der Kon­ver­si­on, die nicht aus frei­en Stücken erfolg­te. Zugleich ließ er heid­ni­sche Göt­zen­bil­der und ande­re heid­ni­sche Sym­bo­le, die von den Vize­kö­ni­gen gesam­melt wor­den waren, zer­stö­ren. Der König von Spa­ni­en setz­te ihn wie­der­holt als Visi­ta­tor der Zivil­ver­wal­tung, der Uni­ver­si­tät von Mexi­ko, aber auch der Gerichts­hö­fe im Vize­kö­nig­reich Neu­spa­ni­en ein. Sei­ne gehei­men Berich­te, in denen er nüch­tern Feh­ler, Schwä­chen und Ver­ge­hen auf­zeig­te, ver­an­laß­ten die Kro­ne den Vize­kö­nig abzu­be­ru­fen und Juan de Pal­a­fox selbst, wenn auch nur vor­über­ge­hend, bis zum Ein­tref­fen des Nach­fol­gers, zum Vize­kö­nig von Neu­spa­ni­en zu ernen­nen. In den weni­gen Mona­ten sei­ner Amts­zeit erwies er sich als ent­schei­dungs­stark und ent­schlos­sen: Er hob die Beschrän­kun­gen für Kreo­len beim Zugang zu öffent­li­chen Ämtern auf, redu­zier­te die Steu­er­last, um die Wirt­schaft anzu­kur­beln, ver­tei­dig­te den Han­del zwi­schen den Kolo­nien, ord­ne­te die Ver­tei­di­gung, ver­faß­te neue Sta­tu­ten für die Uni­ver­si­tät und syste­ma­ti­sier­te die Bestim­mun­gen der Rechtspflege.

Als Bischof grün­de­te er das Domi­ni­ka­ne­rin­nen­klo­ster San­ta Inés, setz­te neue Sta­tu­ten für das Prie­ster­se­mi­nar San Juan in Kraft und errich­te­te zwei Kol­le­gi­en, ein Gym­na­si­um und eine Hoch­schu­le, die er mit einer exzel­lent aus­ge­stat­te­ten Biblio­thek ver­sah, der heu­te nach ihrem Grün­der benann­ten Biblio­te­ca Pal­a­foxia­na.

Die Kathe­dra­le von Pue­bla, rechts im Bild die Biblio­te­ca Palafoxiana

Unter ihm wur­den in sei­ner Diö­ze­se mehr als 50 Pfarr­kir­chen errich­tet. Neben wei­te­ren Bil­dungs­ein­rich­tun­gen, der Errich­tung einer Drucke­rei und der För­de­rung der schö­nen Kün­ste voll­ende­te er unter gro­ßen Anstren­gun­gen den Bau der Kathe­dra­le Nue­stra Seño­ra de la Inma­cu­la­da Con­cep­ción von Pue­bla, die er am 18. April 1649 weih­te. Mit dem Kir­chen­bau war 1575 noch unter König Phil­ipp II. begon­nen wor­den. Zuvor hat­ten seit 1531 eine Kapel­le und ab 1537 eine erste Bischofs­kir­che exi­stiert. Die Bau­ar­bei­ten an der unvoll­ende­ten Kathe­dra­le waren 1618 ein­ge­stellt wor­den, bis 1640 Juan de Pal­a­fox nach Pue­bla kam und sie mit gro­ßem Ein­satz wie­der­auf­nahm. In sei­nen Auf­zeich­nun­gen schrieb er: 

„Ich fand die­ses Got­tes­haus nur bis zur Hälf­te der Säu­len vor und alles unbe­deckt, ohne ein Gewöl­be begon­nen zu haben und ohne Hoff­nung auf Fort­set­zung. Dar­in ver­sam­mel­ten sich die Geäch­te­ten, weil es als hei­lig galt. In den Kapel­len leb­ten India­ner mit ihren Fami­li­en. Ein untrag­ba­rer Zustand.“

Er star­te­te eine Spen­den­samm­lung unter den Stadt­bür­gern, brach­te sein eige­nes Ver­mö­gen ein, bat die welt­li­chen Insti­tu­tio­nen um Unter­stüt­zung und trieb den Zehnt ein, was ihn in Kon­flikt mit den Orden brach­te, vor allem mit dem Jesui­ten­or­den. Mit den Orden kam es auch des­halb zu erheb­li­chen Aus­ein­an­der­set­zun­gen, weil Pal­a­fox die Bestim­mun­gen des Kon­zils von Tri­ent umset­zen woll­te, die ver­lang­ten, daß Pfar­rei­en im Nor­mal­fall vom Welt­kle­rus betreut wer­den soll­ten. In Tla­x­ca­la waren die Pfar­rei­en fast aus­nahms­los in der Hand der Orden, die seit hun­dert Jah­ren die Trä­ger der Mis­sio­nie­rung waren.

Weni­ge Tage nach der Wei­he der fünf­schif­fi­gen Kathe­dra­le ließ Msgr. Pal­a­fox fei­er­lich die sterb­li­chen Über­re­ste aller Vor­gän­ger in die­se über­tra­gen, die in der Diö­ze­se bestat­tet waren. Die Fei­er­lich­kei­ten wur­den über­schat­tet von der „Trau­er“, wie es heißt, wegen der bevor­ste­hen­den Abrei­se des Bischofs aus sei­ner Diö­ze­se. Die­ser hat­te sich eini­ge Fein­de gemacht, dar­un­ter den ehe­ma­li­gen Vize­kö­nig, die Jesui­ten und die Inqui­si­ti­ons­be­hör­de von Neu­spa­ni­en. Dem Jesui­ten­or­den war es gelun­gen, am Königs­hof die Abbe­ru­fung von Msgr. de Pal­a­fox zu erwir­ken, nach­dem die­ser in einem drit­ten Beschwer­de­brief an den Papst soweit gegan­gen war, des­sen Exkom­mu­ni­ka­ti­on zu fordern.

Anfang Juni 1649 bestieg Juan de Pal­a­fox das Schiff und kehr­te nach Spa­ni­en zurück. Fran­cis­co Anto­nio Kar­di­nal de Lorenz­a­na (1722–1804), der nach­ma­li­ge Erz­bi­schof von Mexi­ko und spä­te­re Groß­in­qui­si­tor von Spa­ni­en, nann­te ihn „den besten Diö­ze­san­bi­schof, den Ame­ri­ka je hat­te“. Doch damals war er, da gegen ihn intri­giert wur­de, gera­de beim König in Ungna­de gefal­len. Die Rück­kehr war offi­zi­ell ange­ord­net wor­den, weil er Bischof von Osma wer­den soll­te. Doch in Spa­ni­en ange­kom­men ließ man ihn war­ten. Bei Hof war die Stim­mung feind­se­lig und aus der Neu­en Welt kamen die abson­der­lich­sten Anschul­di­gun­gen gegen ihn.

Die Biblioteca Palafoxiana und das „Innere Leben“

In die­ser Zeit des War­tens, aus dem meh­re­re Jah­re wer­den soll­ten, wur­de er zu einem der Grün­der der Schu­le Chri­sti, die auf der Spi­ri­tua­li­tät des hei­li­gen Phil­ipp Neri beruh­te, und ver­faß­te eine Rei­he von aske­ti­schen und mysti­schen Schrif­ten. In sei­nem Buch „Inne­res Leben“ berich­tet er meh­re­re Schau­un­gen und Erschei­nun­gen, die er selbst gehabt haben soll.

Das „Inne­re Leben“ von Juan de Palafox

Mit Nach­druck dräng­te er dar­auf, ihm sei­ne Diö­ze­se Pue­bla zurück­zu­ge­ben, doch dazu kam es nicht, obwohl er erst 1655 vom Papst dort ent­bun­den wur­de. Pal­a­fox wur­de schließ­lich doch wie­der Diö­ze­san­bi­schof, aller­dings im spa­ni­schen Osma. Die­ses Amt füll­te er von 1653 bis zu sei­nem Tod aus, der ihn bereits 1659 nach einer län­ge­ren Krank­heit ereilte.

15 Tage vor sei­nem Tod schick­te er sei­ne Schrift über sein inne­res Leben dem Gene­ral­obe­ren der bar­fü­ßi­gen Kar­me­li­ten. Soll­te die­ser sie der Ver­öf­fent­li­chung wür­dig befin­den, sol­le dies gesche­hen, aber erst zwan­zig Jah­re nach sei­nem Able­ben, bis dahin, so de Pal­a­fox‘ Anwei­sun­gen, sol­le sie ver­bor­gen blei­ben. Auch dür­fe kei­ne Abschrift davon ange­fer­tigt wer­den. Pal­a­fox hat­te Sor­ge, daß sei­ne Geg­ner aus Bos­heit Hand an den Text anle­gen könn­ten, um ihn zu dis­kre­di­tie­ren. In der Tat blieb die Pole­mik gegen ihn nicht aus, da Pal­a­fox wegen sei­ner Schar­müt­zel mit den Jesui­ten Auf­merk­sam­keit im Jan­se­ni­sten­streit fand, aber auch sei­ne Selig­spre­chung betrie­ben wurde.

Sein drit­ter Beschwer­de­brief an den Papst und sei­ne Schrift „Inne­res Leben“ soll­ten zu einem nicht uner­heb­li­chen Hin­der­nis in sei­nem Hei­lig­spre­chungs­ver­fah­ren wer­den. Die Stren­ge sei­ner per­sön­li­chen Buß­übun­gen, die dar­in fest­ge­hal­ten sind, wur­den zum Gespött der Aufklärer.

Unge­ach­tet des­sen hin­ter­ließ er in Pue­bla, sei­nem ersten Bischofs­sitz, eine präch­ti­ge Kathe­dra­le und eine monu­men­tal aus­ge­stat­te­te Biblio­thek, die der Bedeu­tung die­ser Stadt in reli­giö­ser, wirt­schaft­li­cher und sozia­ler Hin­sicht ent­sprach, die sie damals in Mit­tel­ame­ri­ka hat­te. Die Stren­ge gegen­über sich selbst stand im direk­ten Gegen­satz zu sei­ner Mil­de in der Seel­sor­ge, die durch zahl­rei­che Wer­ke der Näch­sten­lie­be ergänzt wurde.

2005 wur­de die Pal­a­foxia­na von der UNESCO als Kul­tur­er­be der Mensch­heit aner­kannt. „Jeder Buch­rücken, jeder gol­de­ne Rand einer Sei­te und jedes Buch in sei­nen Rega­len erscheint wie ein Schatz, die die Weis­heit unse­rer Spe­zi­es bewahrt“, schrieb die inter­na­tio­na­le Pres­se­agen­tur Asso­cia­ted Press.

Der gro­ße Lese­saal beher­bergt 45.000 Bücher unter einem Gewöl­be, das an eine Kapel­le erin­nert. Die Bedeu­tung des hier gesam­mel­ten Wis­sens wird durch das Bau­werk zum Aus­druck gebracht. Die Anord­nung der Bücher, die the­ma­tisch auf drei Ebe­nen zusam­men­ge­faßt sind, folgt dem scho­la­sti­schen Menschenbild.

„Das gesam­te Wis­sen und Den­ken jener Zeit befin­det sich hier“, so Juan Fernán­dez del Cam­po, der der­zei­ti­ge Direk­tor der Pal­a­foxia­na.

Von 1600 bis 1659 dau­er­te das schaf­fens­rei­che und beweg­te Leben von Bischof Juan de Pal­a­fox y Mendoza

Wie die Stadt kirch­li­chen Usprungs ist und auf die Grün­dung durch einen Bischof zurück­geht, nur zehn Jah­re nach der Ankunft der Spa­ni­er auf dem ame­ri­ka­ni­schen Fest­land, so geht auch die Biblio­thek, wie­der­um als Grün­dung eines Bischofs auf die Kir­che zurück. Msgr. Pal­a­fox stif­te­te der Biblio­thek fünf­tau­send Bücher aus sei­ner per­sön­li­chen Samm­lung, um sie allen zur Ver­fü­gung zu stel­len, die lesen kön­nen. Das war die Bedin­gung: Die Biblio­thek hat­te eine öffent­li­che Ein­rich­tung zu sein. Das ist nicht das Werk eines „Obsku­ran­ti­sten“, der den Zugang zum Wis­sen als Macht­in­stru­ment miß­braucht oder als Herr­schafts­in­stru­ment des Kolonialismus.

Vor dem Betre­ten der Biblio­thek stößt der Besu­cher auf ein Mosa­ik mit einem Zitat von Juan de Palafox:

„Wer sich in einer Wohl­tä­tig­keits­ein­rich­tung ohne Bücher befin­det, befin­det sich in der Ein­sam­keit ohne Trost.“

Das ist wohl auch der Grund, wes­halb Pal­a­fox an der Ost­sei­te der Biblio­thek einen Altar errich­ten ließ mit der Nach­bil­dung einer bekann­ten Mari­en­dar­stel­lung sei­ner spa­ni­schen Hei­mat. Denn der wah­re Trost kommt von woan­ders, die Bücher sind nur ein Hilfs­mit­tel. Auch sonst ist das Andenken an den Bischof in sei­ner Biblio­thek noch greif­bar. Sie trägt heu­te sei­nen Namen, sein Wap­pen ist in eine Tür geschnitzt und eine Skulp­tur, die ihn dar­stellt, blickt auf die Besu­cher herab.

Die Samm­lung der Pal­a­foxia­na erwei­ter­te sich im Lau­fe der Zeit erheb­lich. Bemer­kens­wer­ter­wei­se tru­gen vor allem die Jesui­ten unfrei­wil­lig dazu bei. Ihnen war es gelun­gen, Bischof Pal­a­fox aus Pue­bla zu ver­drän­gen, doch kaum mehr als hun­dert Jah­re spä­ter wur­den die Jesui­ten selbst ver­trie­ben. Die Bücher­be­stän­de, die sie in ihren fünf Kol­le­gi­en zurück­las­sen muß­ten, wur­den in die Pal­a­foxia­na inte­griert. Wei­te­re Zustif­tun­gen run­de­ten den Bestand ab.

Bischof Pal­a­fox selbst hin­ter­ließ ein umfang­rei­ches schrift­stel­le­ri­sches Werk, das heu­te auf zahl­rei­che Archi­ve und Biblio­the­ken in meh­re­ren Län­dern ver­streut ist. Es umfaßt Berei­che wie dog­ma­ti­sche und exege­ti­sche Theo­lo­gie, pasto­ra­le, aske­ti­sche und mysti­sche Theo­lo­gie, geist­li­che Gedich­te, poli­ti­sche und histo­ri­sche Wer­ke, aber auch Denk­schrif­ten zur Ver­tei­di­gung sei­ner Wür­de und sei­nes Wir­kens in Neu­spa­ni­en und in Osma. Zudem gibt es juri­sti­sche Wer­ke und sogar eine Abhand­lung für sei­ne Kle­ri­ker über Rechtschreibung.

Kathe­dra­le von Osma: Kapel­le mit dem Grab des Bischofs

Wie von Bischof Pal­a­fox gewollt, ist die Biblio­thek nach wie vor öffent­lich. Aller­dings ist sie heu­te nicht mehr so ohne wei­te­res zugäng­lich. Der Zutritt wird vor allem For­schern gewährt, die eine kla­re Begrün­dung vor­le­gen kön­nen, wes­halb sie Zugang zum histo­ri­schen Buch­be­stand haben wollen.

Sein Nef­fe Jai­me de Pal­a­fox y Car­do­na (1641–1701) wur­de, der Onkel war bereits ver­stor­ben, Rek­tor der Uni­ver­si­tät von Sara­gos­sa, dann der Uni­ver­si­tät von Sala­man­ca sowie Erz­bi­schof von Paler­mo und schließ­lich Erz­bi­schof von Sevil­la. In die­ser Zeit wur­de 1691 die per­sön­lich­ste Schrift sei­nes Onkels, das „Inne­re Leben“, in Buch­form herausgegeben.

Die sterb­li­chen Über­re­ste von Msgr. Juan de Pal­a­fox y Men­do­za ruhen in einer Kapel­le der Kathe­dra­le von El Bur­go de Osma, wäh­rend sich ein zwei­tes, lee­res Grab meh­re­re tau­send Kilo­me­ter ent­fernt in der Kathe­dra­le von Pue­bla befin­det, das bis heu­te von den Gläu­bi­gen ver­ehrt wird. Sein Wunsch war es, in der Bischofs­kir­che in Pue­bla bei­gesetzt zu wer­den, doch dazu ist es nicht gekommen.

Bischof Pal­a­fox wur­de am 5. Juni 2011 in El Bur­go de Osma vom päpst­li­chen Lega­ten Kar­di­nal Ange­lo Ama­to seliggesprochen.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Wikicommons/​MiL/​AHM (Screen­shot)

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1 Kommentar

  1. Vie­len Dank für die­se groß­ar­ti­ge Recher­che! Histo­ri­sche Abhand­lun­gen sind eine zusätz­li­che Emp­feh­lung für die­ses Internetmagazin.

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