„Der Drache des Traditionalismus“

Erzbischof von Aparecida greift Bolsonaro und die gläubigen Katholiken an


Erzbischof Brandes bei seiner Predigt in Aparecida.
Erzbischof Brandes bei seiner Predigt in Aparecida.

(Bra­si­lia) Apa­re­ci­da ist der bedeu­tend­ste Mari­en­wall­fahrts­ort in Bra­si­li­en. Er spielt aber auch für Papst Fran­zis­kus eine beson­de­re Rol­le. 2016 ernann­te er den der­zeit amtie­ren­den Erz­bi­schof, der die bra­si­lia­ni­sche Regie­rung angreift und im „Dra­chen des Tra­di­tio­na­lis­mus“ die größ­te Bedro­hung für die Kir­che sieht.

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1534 kamen die ersten Mis­sio­na­re, Jesui­ten, in die küsten­na­he Gegend des heu­ti­gen Bra­si­li­en. 1717 erschien hier die Got­tes­mut­ter Maria. Dar­aus ent­stand der mit acht Mil­lio­nen Pil­gern jähr­lich, größ­te Wall­fahrts­ort des Landes. 

Apa­re­ci­da hat auch für Papst Fran­zis­kus eine beson­de­re Bedeu­tung. Dort fand 2007 die V. und bis­her letz­te Gene­ral­kon­fe­renz des Latein­ame­ri­ka­ni­schen Bischofs­ra­tes CELAM statt. Der dama­li­ge Erz­bi­schof von Bue­nos Aires, Jor­ge Mario Kar­di­nal Berg­o­glio, lei­te­te die Redak­ti­on des Schluß­do­ku­ments. Die Bedeu­tung für ihn hat aber auch mit einer in man­chen Kir­chen­krei­sen gera­de­zu mysti­schen Ver­klä­rung der II. Gene­ral­kon­fe­renz zu tun, die 1968 in Medel­lin statt­fand. Die Medel­lin-Kon­fe­renz war stark mar­xi­stisch geprägt und wur­de zur Initi­al­zün­dung für die mar­xi­sti­sche Befrei­ungs­theo­lo­gie als eigen­stän­di­ger, kirch­li­cher Strö­mung. 2013 besuch­te Papst Fran­zis­kus Apa­re­ci­da im Rah­men sei­ner ersten Aus­lands­rei­se zum Welt­ju­gend­tag in Rio de Janeiro.

Beob­ach­ter sehen in der der­zeit im Vati­kan tagen­den Ama­zo­nas­syn­ode das Bestre­ben, an Medel­lin anzu­knüp­fen und auf die Welt­kir­che zu übertragen.

Am ver­gan­ge­nen Sams­tag, den 12. Okto­ber, fand das Natio­nal­fest Unse­rer Lie­ben Frau von Apa­re­ci­da in Bra­si­li­en statt. Papst Fran­zis­kus über­mit­tel­te eine Gruß­bot­schaft. Die rie­si­ge, zwi­schen 1955 und 1980 erbau­te Wall­fahrts­kir­che wur­de 1981 zur Basi­li­ca minor erho­ben und ist seit 1984 Natio­nal­hei­lig­tum von Bra­si­li­en. 2016 mach­te sie Papst Fran­zis­kus zur Kathe­dra­le des Erz­bis­tums Apa­re­ci­da, das 1958 von Pius XII. errich­tet wor­den war. Die erste Bischofs­er­nen­nung erfolg­te aber erst unter Paul VI. 1964.

Die Kathedrale und Wallfahrtskirche am vergangenen Samstag.
Die Kathe­dra­le und Wall­fahrts­kir­che am ver­gan­ge­nen Samstag.

Von 1995–2004 war der Befrei­ungs­theo­lo­ge Aloi­sio Kar­di­nal Lor­schei­der OFM Erz­bi­schof von Aparecida. 

2016 ernann­te Papst Fran­zis­kus Msgr. Orlan­do Bran­des zum neu­en Erz­bi­schof und über­gab ihm zugleich die größ­te Kir­che Bra­si­li­ens als Bischofs­kir­che. Das Mari­en­hei­lig­tum, von Redempto­ri­sten betreut, die – von Erz­bi­schof Bran­des gedul­det – aus der Sym­pa­thie für die Sozia­li­sti­sche Par­tei und Ex-Staats­prä­si­dent Luiz Igna­cio Lula da Sil­va kein Hehl machen.

Erz­bi­schof Bran­des, der selbst nicht Syn­oda­le der Ama­zo­nas­syn­ode ist, hielt zum bra­si­lia­ni­schen Natio­nal­fest Unse­rer Lie­ben Frau von Apa­re­ci­da die Pre­digt. Was der Erz­bi­schof dabei sag­te, sorgt seit­her für empör­te Reak­tio­nen in Bra­si­li­en und in der gan­zen katho­li­schen Welt.

Eine „der Absur­di­tä­ten“ des Ober­hir­ten, wie bra­si­lia­ni­sche Medi­en berich­ten, lau­te­te, daß „die Rech­te gewalt­tä­tig und unge­recht“ ist. Da der neue, von lin­ken Kir­chen­krei­sen in Bra­si­li­en ange­fein­de­te, katho­li­sche Staats­prä­si­dent Jair Bol­so­n­a­ro zum Hoch­fest per­sön­lich in der Kathe­dra­le anwe­send war, bestand für Beob­ach­ter kein Zwei­fel, daß er der Haupt­adres­sat der erz­bi­schöf­li­chen Angrif­fe war. 

Im Anschluß bemüh­te sich das Erz­bis­tum die Wogen zu glät­ten mit dem Hin­weis, der Erz­bi­schof habe „die Ideo­lo­gien“ und nicht die Regie­run­gen gemeint.

Seit­her kle­ben sei­ne Wor­te auf der Welt­kir­che, in der er ein bedroh­li­ches Mon­ster aus­ge­macht haben will. Sei­ne Wor­te klin­gen unter die­sem Blick­win­kel nun so:

„Wir haben den Dra­chen des Tra­di­tio­na­lis­mus. Die Rech­te ist gewalt­tä­tig und unge­recht, sie rich­tet den Papst, die Syn­ode, das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil hin.“

Der „Dra­che“ ist der Gehei­men Offen­ba­rung des Johan­nes ent­lehnt und meint den Feind, der gegen die Frau, Sinn­bild der Got­tes­mut­ter, kämpft. Er wird am Ende vom Erz­engel Micha­el und den Engeln besiegt und Um jeden Zwei­fel aus­zu­schlie­ßen, frag­te der Fern­seh­sen­der Glo­bo 1 den Erz­bi­schof direkt. Sei­ne Antwort:

„Die gan­ze Welt weiß, daß wir auf der Rech­ten vie­le Per­so­nen haben, die wegen ihrer tra­di­tio­na­li­sti­schen Sicht das Vati­ca­num und den Papst nicht akzep­tie­ren – manch­mal unter ver­schie­de­nen Namen, manch­mal unter alten Namen.“

Für die bra­si­lia­ni­sche Inter­net-Tages­zei­tung Jour­nal da Cida­de kom­men­tier­te der Rechts­an­walt Guil­ler­mo Feder­i­co Pia­ce­si Ramos in sei­ner Kolum­ne entsetzt:

„Wenn die Kir­che heu­te mit einer Syn­ode die Schaf­fung eines heid­ni­schen Öko­so­zia­lis­mus pre­digt, den christ­li­chen Glau­ben ver­höhnt und ent­weiht, dann ist dies aus­schließ­lich der Befrei­ungs­theo­lo­gie zu verdanken.“

Und wei­ter:

„Der pom­pö­se Name ‚Befrei­ungs­theo­lo­gie‘ ist in der Tat ein bös­ar­ti­ger Plan der kom­mu­ni­sti­schen Des­in­for­ma­ti­on, um die Kir­che von innen zu unter­gra­ben und zu schwä­chen, denn eine Koexi­stenz von Sozia­lis­mus und christ­li­chem Glau­ben kann es nicht geben.“

Die Ama­zo­nas­syn­ode und die Pre­digt von Erz­bi­schof Bran­des sei­en bezeich­nen­de Bele­ge dafür

Ande­re Kom­men­ta­to­ren sehen die Pre­digt unter dem Aspekt „Angriff als bestes Mit­tel der Ver­tei­di­gung“. Der Erz­bi­schof habe sehr wohl die Regie­rung Bol­so­n­a­ro gemeint und zugleich inner­kirch­li­che Kri­ti­ker attackiert. Bei­de wer­fen füh­ren­den Krei­sen der bra­si­lia­ni­schen Kir­che und Papst Fran­zis­kus vor, mit der Ama­zo­nas­syn­ode die mar­xi­sti­sche Befrei­ungs­theo­lo­gie unter dem neu­en Schlag­wort einer Öko­be­frei­ungs­theo­lo­gie nicht nur reha­bi­li­tie­ren, son­dern zum Maß­stab für die Welt­kir­che machen zu wollen.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Jour­nal da Cidade/​Youtube (Screen­shots)

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