(Rom) Die EU hat sich in den vergangenen Jahren in zwei Gruppen gespalten. Die Verantwortung dafür liegt in erster Linie bei den derzeit Regierenden, da nur sie wirklichen Einfluß ausüben können. Was Papst Franziskus davon hält, sagte er vor zwei Tagen auf eindeutige Weise.
Grund für die Spaltung ist das Ziel der derzeitigen Mehrheit im EU-Parlament und der EU-Kommission, ohne Zustimmung der Völker die EU zu einem Einheitsstaat mit offenen Grenzen für die Masseneinwanderung umbauen zu wollen. Zu dieser Mehrheit gehören EVP und Sozialisten&Sozialdemokraten, die derzeit die Mehrheit im EU-Parlament stellen, aber auch Grüne und Liberale. Die radikale Linke kocht ohnehin ihr eigenes Süppchen.
Dagegen formierte sich, besonders seit dem Massenansturm von 2015, in zahlreichen EU-Mitgliedsstaaten der Widerstand der Bürger. Da die Regierenden von ihrem Plan nicht abrücken wollen, sondern sich auf arrogante Weise sogar blind und taub stellen, artikuliert sich der Widerstand durch Wählerverschiebungen zu neuen (oder älteren) Parteien, die das Anliegen der Menschen ernstnehmen. Die Oberen sehen darin nicht nur eine Bedrohung ihrer Pläne, sondern auch ihrer Posten, und reagieren entsprechend massiv.
In diesem Konflikt, der sich herausbildete, stehen Globalisten gegen Souveränisten. Der Begriff klingt für deutsche Ohren ziemlich sperrig. Er meint etwas, was in der Vergangenheit von allen gemäßigten Parteien selbstverständlich vertreten wurde: die Betonung der nationalen Souveränität der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten. Sie sollen nicht durch einen EU-Einheitsstaat ersetzt werden. Ebensowenig sollen die europäischen Völker durch Masseneinwanderung zertrümmert und ersetzt werden.
Papst Franziskus machte in den vergangenen Jahren klar, wo er in dieser Frage steht. Auf dem Höhepunkt der unkontrollierten und illegalen Masseneinwanderung im Sommer 2015, von den Globalisten damals noch euphemistisch „Flüchtlingswelle“ genannt (heute wird schon ungeniert und direkt für Migration geworben), forderte Franziskus die europäischen Staaten auf: „Nehmt alle auf, Guten und Schlechte“. So verwundert es nicht, daß er zu den bevorstehenden EU-Wahlen als Wahlhelfer für die Globalisten auftritt – und das sogar eindeutig.
Die Artikel in der römischen Jesuitenzeitschrift La Civiltà Cattolica und im Avvenire, der Tageszeitung der Italienischen Bischofskonferenz, sowie die Aussagen des gewesenen und des amtierenden Vorsitzenden der Kommission der Bischofskonferenzen in der EU (Comece), Kardinal Reinhard Marx und Erzbischof Jean-Claude Hollerich, lassen seit Wochen keine Zweifel.
Am 2. Mai ergriff Papst Franziskus selbst das Wort. Er empfing die Mitglieder der Päpstlichen Akademie der Sozialwissenschaften in Audienz, die sich im Vatikan zu einer Tagung gegen nationale Souveränität und Identität versammelt hatten, die gestern zu Ende ging. In seiner Ansprache sagte Franziskus:
„Unglücklicherweise haben wir Situationen vor Augen, in denen einige Nationalstaaten ihre Beziehungen eher im Geist des Gegensatzes als der Zusammenarbeit umsetzen.“
Zur Abwehr der Kritik an ihren Plänen versuchen die Globalisten die Souveränisten ins rechtsradikale Eck zu drängen, zu denunzieren und als unwählbar hinzustellen. Bei der Anwendung der Mittel zur Bekämpfung des politischen Gegners ist man dabei wenig zimperlich (dabei legten dieselben Kräfte vor kurzem noch wert daruaf, daß politische Gegner als „Mitbewerber“ zu bezeichnen seien, aber das wahr einmal). Dialog und ehrliche Konfrontation sind nicht erwünscht. Die Globalisten scheinen von großer Angst vor der Wirkkraft der souveränistischen Ideen getrieben zu sein. So sehr, daß sogar der gewalttätige Linksextremismus als Fußtruppe des Establishments zum Einsatz gebracht wird, bzw. dessen Aggressionen stillschweigend geduldet werden.Die Bürger sollen möglichst gar nicht mit den Ideen der Souveränitätsbewegung in Kontakt kommen, weshalb durch die Massenmedien – einer noch weit mächtigeren Fußtruppe – Hürden aufgebaut und Vorurteile geschürt werden. Auch Franziskus folgt diesem Muster, indem er einen Gegensatz formuliert, der so gar nicht existiert, um zugleich eine Anklage daraus zu machen.
„Die Kirche beobachtet mit Besorgnis, daß fast überall auf der Welt wieder aggressive Strömungen gegen Ausländer, besonders gegen die Einwanderer, und ein wachsender Nationalismus auftauchen, der das Allgemeinwohl vernachlässigt.“
Dergleichen vertritt die neue Parteienallianz der Souveränitätsbewegung aber gar nicht, die sich in den vergangenen Wochen in der EU gebildet hat (ihr gehören die Lega von Matteo Salvini, die AfD in Deutschland und die FPÖ in Österreich u.a.m. an). Sie fordert vielmehr, was noch bis vor kurzem, und zwar mit Unterstützung der Kirche, ganz selbstverständlich von allen verantwortungsvollen Parteien und Politikern gefordert und vertreten wurde: nämlich dem Allgemeinwohl des jeweiligen Volkes und Landes verpflichtet zu sein und dieses Allgemeinwohn über globalistische Gruppeninteressen zu stellen, wozu auch die Aufrechterhaltung des souveränen Rechtsstaates und die Sicherung der Grenzen gehören.
Entsprechend fiktiv klingt die Anklage, die Franziskus am Donnerstag formulierte:
„Somit besteht die Gefahr, daß bereits etablierte Formen der internationalen Zusammenarbeit gefährdet werden. Die Ziele internationaler Organisationen als Raum des Dialogs und der Begegnung aller Länder auf der Grundlage des gegenseitigem Respekts werden untergraben.“
Wiederum gilt, daß sich darin nicht die Zielsetzungen der Souveränitätsbewegung widerspiegeln. Diese wehrt sich gegen eine neue, demokratisch nicht abgestützte, bisher nie dagewesene Politik der Souveränitätsvernichtung und gegen den Versuch, ein in der Geschichte beispielloses „Recht“ auf Migration durchzusetzen, dem sich die Völker und Staaten bedingungslos zu unterwerfen hätten. Die Souveränitätsbewegung wirft den Globalisten vor, durch verantwortungslose Ziele das bisher Erreichte in der europäischen Einigung und internationalen Zusammenarbeit in Frage zu stellen, indem nationale Souveränität und Rechtsstaatlichkeit ignoriert werden.
Franziskus ließ sich im Eifer, die globalistische Agenda zu verteidigen, zu ahistorischen Aussagen hinreißen. So behauptete er:
„Alle Nationen sind das Ergebnis der Integration aufeinanderfolgender Wellen von Menschen oder Gruppen von Migranten und neigen dazu, Abbilder der Vielfalt der Menschheit zu sein, während sie durch Werte, gemeinsame kulturelle Ressourcen und gesunde Bräuche vereint werden.“
Das stimmt zwar nicht, aber damit formulierte Franziskus klar, welche Ziele er bei den bevorstehenden EU-Wahlen unterstützt sehen will. Migration in großem Stil war in der Geschichte aber nie ein Faktor von Stabilität. Schwerer wiegt, daß durch das globalistische Experiment unumkehrbare Zustände geschaffen werden. Ein aufgelöstes Volk kann nicht einfach wieder zurückgerufen werden. Es ist untergegangen. Das widerspricht der heutigen Vorstellung, alles und jederzeit nach Belieben tun und ändern und auch wieder rückgängig machen zu können. Ein solches Wunschszenario entspricht nicht der Wirklichkeit, auch nicht der heute vielbeschworenen „Lebenswirklichkeit“. Die Vielfalt der Völker existiert nur, weil sie nebeneinander existieren, nicht weil sie sich weltweit unisono durchmischen. Die Folgen lassen sich leicht ausmalen. Aus Vielfacht wird Uniformität und eine leicht lenkbare Masse. Halt finden die Menschen in natürlichen Gruppenbildungen, Familie, Großfamilie, Dorfgemeinschaft, Heimatbewußtsein, Religionszugehörigkeit, in ethnisch-sprachlich-kultureller Identität, Volkszugehörigkeit und Staatsangehörigkeit.
Die Forderung des Papstes dagegen ist eindeutig:
Der „Weg der Annäherung und Übereinstimmung zwischen den Völkern nach dem Zweiten Weltkrieg“, so seine Botschaft, müsse um jeden Preis fortgesetzt werden. Wer aber will das nicht? Nur: Zwischen welchen „Völkern“ soll sie fortgesetzt werden, wenn die Globalisten als Ziel dieses Weges deren Auflösung und Abschaffung wollen?
Auf dem Reichstagsgebäude in Berlin, wo sich der Deutsche Bundestag versammelt, steht als Mahnung an die Politiker geschrieben, daß sie dem „deutschen Volk“ verpflichtet sind. Die Aufschrift steht noch dort, aber in einem Innenhof wurde von den Mehrheitspolitikern bereits eine „modernisierte“ Fassung angebracht, laut der sie sich – übrigens grundgesetzwidrig – nur der „deutschen Bevölkerung“ verpflichtet fühlen. Fällt noch „deutsch“ weg, bleibt nur mehr eine amorphe „Bevölkerung“ übrig.
Papst Franziskus kann natürlich nicht offen sagen, daß Steve Bannon und Alexander Dugin die Priester des Populismus“ übelster Sorte seien. Er überläßt diese Aufgabe der römischen Jesuitenzeitschrift La Civiltà Cattolica, die von seinem Vertrauten, P. Antonio Spadaro SJ, geleitet wird. Spadaro widmete die jüngste Ausgabe der Zeitschrift und einen Sonderband dem Kampf gegen die Bewegung für die nationale Souveränität, die Erhaltung der europäischen Völker und die Bewahrung ihrer Identität. Als Hauptautor tritt der andere Jean-Claude auf, nicht EU-Kommissionspräsident Juncker, sondern der Chef der EU-Bischofskonferenzen Hollerich, ebenfalls ein Luxemburger (s. Die Kirche mobilisiert für das EU-Establishment).
Im Namen von Frieden und Zusammenarbeit stellen derzeit tonangebende Kirchenvertreter unter Papst Franziskus auf den Kopf, was die Kirche bisher lehrte. Mehr noch: Was bisher über das hohe Gut des Allgemeinwohls, über Gerechtigkeit, Heimat, Volk, Staat, Solidarität und Subsidiarität gelehrt wurde, wird in zentralen Teilen sogar angegriffen, umgewertet, denunziert und als negativ gebrandmarkt.
Franziskus kritisierte in seiner Ansprache an die Akademiemitglieder auch, was nicht verschwiegen werden soll, das Entstehen „hegemonialer Imperialismen“, die er offenbar und zu recht als eine direkte und absehbare Folge der Globalisierung erkennt. Der Staat sei daher „zu mehr Verantwortung“ gerufen. Die Frage ist nur: Welcher Staat? Die historisch gewachsenen Staaten Europas können damit nicht gemeint sein, sondern der angestrebte EU-Zentralstaat. Franziskus warnt also vor Gefahren der Globalisierung, ohne aber die politische Globalisierung zu kritisieren, geschweige denn in Frage zu stellen. Daraus muß gefolgert werden, daß er die Bildung des Welteinheitsstaates unterstützt, der die nächste oder übernächste Etappe nach dem EU-Staat sein wird. Das ist in der Idee der „Überwindung“ von Völkern und Staaten bereits implizit enthalten. Franziskus äußerte lediglich die Bitte, die „hegemonialen Imperien“ (oder am Ende das einzige „hegemoniale Imperium“) möge verantwortungsbewußt handeln. Naivität hat viele Gesichter.
Soviel steht fest: Franziskus formulierte in seiner Ansprache vom 2. Mai das Gegenteil dessen, was die Souveränitätsbewegung vertritt, und was die Gründerväter der europäischen Zusammenarbeit nach Kriegsende, Konrad Adenauer, Robert Schumann und Alcide De Gasperi, vertreten haben.
Text: Andreas Becker
Bild: Vatican.va (Screenshot)