
(Rom) Der brasilianische Geheimdienst warnte in einem Bericht, daß die Amazonassynode von einem „linken Klerus“ zur politischen Agitation gegen die legitime Regierung mißbraucht werden soll. Für die katholische Kirche weit bedeutender als die innenpolitischen Implikationen Brasiliens ist der vorbereitete Angriff auf das Priestertum, der die „tiefere Agenda“ der Amazonassynode ist. Ein Rückblick zeigt, was Papst Benedikt XVI. 2010 dazu sagte.
Ob als „zweiter Typus von Priestern“ oder als genereller Eingriff in das Weihesakrament: Das Ziel dieser „tieferen Agenda“ ist die Aufhebung des priesterlichen Zölibats. Darin sind sich aufmerksame Beobachter, ob Kritiker oder Befürworter der Amtsführung von Papst Franziskus, einig. Vermutet wird, daß die Amazonassynode nur einen ersten Schritt, eine Dynamik in Bewegung setzen soll, die im Dominoeffekt die weiteren Schritte folgen lassen wird. Das ist die Position, die Papst Franziskus bevorzugt: das Anstoßen von Prozessen.

Zum Abschluß des Priesterjahres lud Papst Benedikt XVI. am 10. Juni 2010 zu einem internationalen Priestertreffen und zum „Gespräch“ auf den Petersplatz. Zehntausende Priester waren gekommen. Es war der Vorabend zum eigentlichen Abschluß, bei dem der Pfarrer von Ars, der heilige Johannes Maria Vianney, zum Patron der Priester erhoben werden sollte. Eine Maßnahme, die von progressiven Kirchenkreisen, allen voran vom damaligen Präfekten der Kleruskongregation, Kardinal Claudio Hummes, erfolgreich hintertrieben wurde. Sie wollten ein „Zurück“ zu einem „vorkonziliaren Priesterbild“ unbedingt verhindern.
Kardinal Hummes ist nun, mehr als acht Jahre später, inzwischen 84 Jahre alt, die ranghöchste, treibende Kraft in der Vorbereitung der Amazonassynode.
Eine Theologie des Zölibats
Auf dem Petersplatz konnte jeweils ein Priester aus jedem Erdteil Papst Benedikt XVI. eine Frage zum Priestertum stellen. Der Vertreter Europas sprach den Zölibat an. Benedikt XVI. antwortete in freier Rede mit einer Theologie des Zölibats.

Frage: Heiliger Vater, ich heiße Don Karol Miklosko und komme aus Europa, das heißt aus der Slowakei, und ich bin Missionar in Rußland. Wenn ich die heilige Messe feiere, finde ich mich selbst und verstehe, daß ich dort meine Identität finde und die Wurzel und Energie für meinen Dienst. Das Kreuzesopfer offenbart mir den Guten Hirten, der alles für seine Herde, für jedes einzelne Schaf hingibt. Und wenn ich sage: »Das ist mein Leib … das ist mein Blut«, das für euch hingegeben und vergossen worden ist, dann verstehe ich die Schönheit des Zölibats und des Gehorsams, die ich im Augenblick der Weihe aus freiem Willen versprochen habe. Auch mit den natürlichen Schwierigkeiten scheint mir der Zölibat einleuchtend zu sein, wenn ich auf Christus schaue, aber ich fühle mich ganz verwirrt, wenn ich die vielen weltlichen Kritiken an dieser Gabe lese. Ich bitte Sie demütig, Heiliger Vater, uns die Tiefe und den echten Sinn des Zölibats des Klerus zu erhellen.
Benedikt XVI.: Danke für die beiden Teile Ihrer Frage. Den ersten, wo Sie die beständige und vitale Grundlage unseres Zölibats aufzeigen; den zweiten, der alle Schwierigkeiten sichtbar werden läßt, in denen wir uns in unserer Zeit befinden. Wichtig ist der erste Teil, das heißt: das Zentrum unseres Lebens muß wirklich die tägliche Eucharistiefeier sein; und hier sind die Wandlungsworte zentral: »Das ist mein Leib, das ist mein Blut«, das heißt wir sprechen in persona Christi. Christus erlaubt es uns, sein »Ich« zu benutzen, wir sprechen im »Ich« Christi, Christus zieht uns in sich hinein und erlaubt uns die Vereinigung mit ihm, er vereint uns mit seinem »Ich«. Und so, durch sein Handeln, durch diese Tatsache, daß er uns in sich »hineinzieht«, so daß unser »Ich« mit seinem »Ich« vereint wird, verwirklicht er das Andauern, die Einzigartigkeit seines Priestertums; so ist er wahrhaft immer der einzige Priester, und dennoch sehr gegenwärtig in der Welt, weil er uns in sich hineinzieht und so seine priesterliche Sendung gegenwärtig macht. Das bedeutet, daß wir in den Gott Jesu Christi »hineingezogen« werden: Es ist diese Einheit mit seinem »Ich«, die in den Worten der Wandlung Wirklichkeit wird. Auch im »Ich spreche dich los« – denn keiner von uns könnte von Sünden lossprechen – ist es das »Ich« Christi, Gottes, das allein die Lossprechung erteilen kann. Diese Vereinigung seines »Ichs« mit dem unseren beinhaltet, daß wir auch in seine Wirklichkeit als Auferstandener »hineingezogen« werden, daß wir vorangehen auf das volle Leben der Auferstehung zu, von dem Jesus im 22. Kapitel des Matthäusevangeliums zu den Sadduzäern spricht: es ist ein »neues« Leben, in dem es keine Ehe mehr gibt (vgl. Mt 22,23–23).
Es ist wichtig, daß wir uns immer von neuem von dieser Identifikation des »Ichs« Christi mit uns durchdringen lassen, von diesem »Hinausgezogen werden« in die Welt der Auferstehung. In dieser Hinsicht ist der Zölibat eine Vorwegnahme. Wir übersteigen diese Zeit und gehen weiter, und so »ziehen« wir uns selbst und unsere Zeit auf die Welt der Auferstehung hin, auf die Neuheit Christi, das neue und wahre Leben zu. Das heißt, der Zölibat ist eine Vorwegnahme, die möglich wird durch die Gnade des Herrn, der uns zu sich »zieht«, zur Welt der Auferstehung hin; er lädt uns immer von neuem ein, uns selbst zu übersteigen, diese Gegenwart, hin auf die wahre Gegenwart der Zukunft, die heute Gegenwart wird. Und hier sind wir an einem sehr wichtigen Punkt angelangt. Ein großes Problem des Christentums der heutigen Welt ist, daß man nicht mehr an die Zukunft Gottes denkt: die bloße Gegenwart dieser Welt scheint ausreichend zu sein. Wir wollen nur diese Welt haben, nur in dieser Welt leben. So schließen wir die Tür für die wahre Größe unseres Lebens. Der Sinn des Zölibats als Vorwegnahme der Zukunft ist gerade das Öffnen dieser Türen, die Welt größer werden zu lassen, die Wirklichkeit der Zukunft zu zeigen, die von uns schon jetzt als Gegenwart gelebt werden muß. So leben wir im Zeugnis des Glaubens: Wir glauben wirklich, daß es Gott gibt, daß Gott in meinem Leben eine Rolle spielt, daß ich mein Leben auf Christus bauen kann, auf das zukünftige Leben.
Und jetzt erkennen wir die weltliche Kritik, von der Sie gesprochen haben. Es ist wahr, daß für die agnostische Welt, die Welt, in der Gott keine Rolle spielt, der Zölibat etwas ist, das großen Anstoß erregt, weil gerade er zeigt, daß Gott als Wirklichkeit betrachtet und erlebt wird. Mit dem eschatologischen Leben des Zölibats tritt die zukünftige Welt Gottes in die Wirklichkeiten unserer Zeit. Und das soll beseitigt werden! In gewisser Hinsicht mag diese beständige Kritik am Zölibat überraschen, in einer Zeit, in der es immer mehr Mode wird, nicht zu heiraten. Aber dieses Nicht-Heiraten ist etwas vollständig und grundlegend anderes als der Zölibat, denn das Nicht-Heiraten ist auf den Willen gegründet, nur für sich selbst zu leben, keine endgültige Bindung zu akzeptieren, das Leben zu jedem Zeitpunkt in vollkommener Autonomie zu leben, jeden Augenblick zu entscheiden, was zu tun ist, was man vom Leben nimmt; es ist daher ein »Nein« zur Bindung, ein »Nein« zur Endgültigkeit, es bedeutet, das Leben nur für sich allein zu haben. Der Zölibat dagegen ist genau das Gegenteil: er ist ein endgültiges »Ja«, ein sich von den Händen Gottes Ergreifenlassen, ein sich in die Hände Gottes, in sein »Ich« Hineinlegen, das heißt es ist ein Akt der Treue und des Vertrauens, ein Akt, der auch Voraussetzung ist für die Treue in der Ehe. Es ist genau das Gegenteil dieses »Nein«, dieser Autonomie, die sich nicht verpflichten will, die keine Bindung eingehen will. Es ist das endgültige »Ja«, das das endgültige »Ja« der Ehe voraussetzt und bestätigt. Und diese Ehe ist die biblische Form, die natürliche Form des Mann- und Frau-Seins, die Grundlage der großen christlichen Kultur und großer Kulturen der Welt. Und wenn das verschwindet, wird die Wurzel unserer Kultur zerstört. Deshalb bestätigt der Zölibat das »Ja« der Ehe mit seinem »Ja« zur zukünftigen Welt, und so wollen wir weitergehen und diesen Anstoß eines Glaubens gegenwärtig machen, der sein ganzes Leben auf Gott setzt. Wir wissen, daß es neben diesem großen Ärgernis, das die Welt nicht sehen will, auch die zweitrangigen Skandale unserer Unzulänglichkeiten, unserer Sünden gibt, die das große Ärgernis verdunkeln und denken lassen: »Aber sie gründen ihr Leben nicht wirklich auf Gott!« Aber es gibt sehr viel Treue! Der Zölibat, das zeigt gerade die Kritik, ist ein großes Zeichen des Glaubens, der Gegenwart Gottes in der Welt. Bitten wir den Herrn, daß er uns hilft, uns von den zweitrangigen Skandalen zu befreien, daß er das große »Ärgernis« unseres Glaubens gegenwärtig macht: das Vertrauen, die Kraft unseres Lebens, das auf Gott und Jesus Christus gegründet ist!
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Youtube/Vatican.va (Screenshot)
Die geweihten Hände, die jahrelange Ausbildung und der Zölibat sind Alleinstellungsmerkmale, die nur ein katholischer Priester besitzt. Die allein männliche Geschlechtlichkeit ergibt sich allzu logisch aus den 12 männlichen Aposteln Jesu Christi.
Und der heilige Pfarrer von Ars wäre eigentlich ein wunderbarer Patron der Priester gewesen, da er die heute notwendige Einfachheit symbolisiert, mit der er obwohl an einem 200 Seelenort als Pfarrer eingesetzt, viele Heilssuchende anzog.
Die Menschen von heute in ihrer inneren Leere sehnen sich oft nach Einfachheit, Transzendenz, Lebenssinn, nach dem Größeren, dem Neuen, dem Göttlichen. Nach einer Auszeit von der Reizüberflutung der heutigen Welt, deren propagierter Lebensstil gescheitert ist und der als einziges Lockmittel Geld bereithält.
Und als Resultat Egoismus, Unzufriedenheit und Gier nach noch mehr Geld, während Gott in Jesus Christus der Welt den Frieden anbietet, den die Welt nicht geben kann. Und der den Menschen, die ja so gerne an Kinofilme glauben und sich von diesen gefangennehmen lassen, wirklich ein „Happy End“ anbietet.
Geweihte Hände kommen durch das geweihte Herz.
Wenn der Geist ins Herz zurückgefunden hat.
Wer (als Priester) in der Welt lebt, muss seine Sinne mehr schützen als die Asketen in der Wüste.
Der Priester braucht die alte Messe, mehr noch als das Volk.
Wenn sich die Altväter mit Frauen unterhielten, dann stets mit gesenktem Blick und nicht vor, sondern neben ihnen stehend.
Der Geist hat die natürliche Eigenschaft im Herzen Ruhe zu finden.
Über die Augen aber kommt die Begierde in unser Herz. Durch die Begierde Zorn, Unfrieden, Zerstreutheit, Mangel an Geistunterscheidung …
Der Priester lebt sich nicht selbst, er lebt für andere.
Die wichtigste Regel ist Liebe und Frieden.
Ob du stehst, gehst oder irgendeinen Dienst verrichtest, sei unaufhörlich vor Gottes Angesicht.
„Honig kommt von den Lippen einer hurerischen Frau und geschmeidiger als Öl ist ihre Rede, später aber findest du Bitterers als Galle.“ (Spr 5,3 LXX)
„Gegenüber sochen, die das Wunder wirken, spiele nicht als Gastgeber mit deinen Augen, und auch nicht für den Anblick von Leibern; denn diese versetzen einen inmitten leidenschaftsbestimmten Vergnügens.“ (Basilius)
„Die Begierde nach der Schönheit soll dich nicht überwinden, damit du nicht durch deine Augen gefangen wirst.“ (Spr. 6, 25)
„Lasst euch von euren Blicken nicht fangen: dies besagt implizit nicht nur einen neugierigen oder einen haftenden Blick, sondern – wenn möglich – nicht einmal einen flüchtigen Blick, der zufällig über dich kommt. Denn dadurch beschützest du dich selbst vor einem sogar vor einem unbedachten Blick, der deinen Sehsinn in die Irre führen kann.“ (Niketas Stethatos)
„Ein Schaubild packte mich und ich baute daraus ein Bild von Sünde.“
Als David Bathseba beim Bade sah, fiel er zweifach in die Grube, nämlich in die des Ehebruchs und die des Mordes. Als er dies später bereute und Gott anzurufen, um seine Augen von eitler Schönheit abzuwenden, schrieb er: „Wende meine Augen ab, damit sie keine Nichtigkeiten sehen.“
Durch das Hinschauen geht die Lust hervor. Durch das Wegschauen weicht die Lust.
Jedes Bild, das unsere Phantasie gereizt hat und sich uns als ein Gegenstand der Lust vorgestellt hat, bleibt für Stunden in unseren Seelen. Der Mensch ist in Aufruhr, und beinahe unfähig zu beten.
Sirach sagt: „Unzucht einer Frau im Augenaufschlag, und an ihren Augenlidern wird sie erkannt werden.“ (Sir 26,9)
„Es geht nicht nur darum, dass der Leib nicht berührt werden darf, sondern es geht auch um den Blick aus den Augen. … sie müssen Jungfrauen sein.“ (Hl. Isidor)
„Lasst uns vermeiden, die Früchte derer zu sehen und über dies zu hören, die sich entschlossen haben, nicht länger mehr davon zu kosten. Denn ich frage mich, ob wir uns für stärker als David halten können, der darum gebetet hat.“ (Johannes Klimakos)
Wer allerdings die Wirklichkeit in dieser „peniszentrierten Welt“ sieht, wie es ein abtrünniger Priester nannte, der muss wohl die Schrift Eugen Drewermanns „Kleriker-Psychogramm eines Ideals“ ernst nehmen. Nicht weil Drewermann Schlussfolgerungen richtig sind, sondern weil seine Zustandsbeschreibungen von ‚modernen‘ Klerikern von Interesse sind.
Die Ausbildung in den Priesterseminaren zieht daraus aber keine richtigen Schlüsse. Statt einer Entweltlichung, wird die Verweltlichung des geistlichen Standes vorangetrieben. Und man tut so, als habe man keine Mittel gegen die Misstände im Bereich des 6. Gebotes.
Wenn Priester keine Predigt mehr abfassen können, ohne sich vorher gegen das Keuschheitsgelübde vergangen zu haben, um die Bilder in ihrem Kopf und die Aufwallungen in ihrem Körper loszuwerden, dann läuft gewaltig was falsch und das zölibatäre Leben – da nicht spirituell im Geiste des Martyriums gefestigt – wird zur Heuchelei, zur Brutstätte der Depression und zur Farce.
Der Priester muss ein allezeit Betender sein. Genau das können wir vom heiligen Pfarrer von Ars lernen. Sein Platz ist in der Kirche und im Beichtstuhl, von wo aus seine Heiligkeit in die Welt ausstrahlen muss.
Das Heilige zieht die Sünder an wie die Fliegen, sagte der Pfarrer von Ars.
Wo aber ausschließlich der Welt gelobhudelt wird, was soll man da noch suchen und finden?
Man kommt in eine Kirche, um sich zu setzen – und diese ist fast immer leer.
Dies allein ist schon eine Zustandsbeschreibung für unsere Kirche, die Verlassenheit des Herzens Jesu und unsere Verlassenheit.