(Rom) Papst Franziskus gab gestern auf dem Rückflug aus Panama die schon traditionelle fliegende Pressekonferenz. Eine französische Journalistin fragte ihn, ob es in Zukunft auch verheiratete Priester geben werde. Die Antwort von Franziskus fiel in einer Form aus, die bereits bekannt ist. Nein, Jein, Ja. Wörtlich sagte er : Verheiratete Priester? Nein, außer…
Caroline Pigozzi von Paris Match kündigte dem Papst an, ihm einen Brief des französischen Priesters Benoist de Sinety übergeben zu werden, der mit 200 Jugendlichen beim Weltjugendtag in Panama war. Der Brief muß aber erst noch geschrieben werden. Der Papst bedankte sich bei der Journalistin für das Buch dieses Priesters, das sie ihm bereits ausgehändigt hatte. Das Buch ist ein Plädoyer für die „Willkommens-Kultur“ genannte Öffnung für die Masseneinwanderung nach Europa (Benoist de Sinety, Il faut que des voix s’élèvent. Accueil des migrants, un appel au courage, Paris 2018; Stimmen müssen sich erheben. Migranten willkommen heißen, ein Aufruf zum Mut). Deren wichtigster, moralischer Promotor ist der Papst seit seinem Besuch auf der Insel Lampedusa im Sommer 2013.
Damit aber zur Frage der Journalistin.
Wann gibt es verheiratete Priester?
Caroline Pigozzi: Heiliger Vater, wir haben für vier Tage diese jungen Menschen mit viel Intensität beten sehen. Man kann sich vorstellen, daß unter all diesen jungen Menschen einige auch in das Ordensleben eintreten wollen. Man kann auch denken, daß eine gewisse Anzahl eine Berufung hätte. Vielleicht zögert mancher, weil er denkt, daß es ein schwieriger Weg ist, wenn man nicht heiraten kann. Ist es denkbar, daß Sie in der katholischen Kirche, dem östlichen Ritus folgend, verheirateten Männern erlauben, Priester zu werden?
Papst Franziskus: In der Katholischen Kirche des östlichen Ritus dürfen sie das, und man wählt vor dem Diakonat ob zölibatär oder als Verheirateter.
Caroline Pigozzi: Aber jetzt mit der katholischen Kirche des lateinischen Ritus: Kann man denken, daß Sie diese Entscheidung sehen?
Papst Franziskus: Im lateinischen Ritus… Mir fällt jener Satz des heiligen Paul VI. ein: „Ich gebe lieber mein Leben als das Zölibatsgesetz zu ändern“. Er ist mir eingefallen, und ich möchte ihn sagen, weil es ein mutiger Satz ist in einem schwierigeren Moment als heute, [19]68/70…
Persönlich denke ich, daß der Zölibat ein Geschenk für die Kirche ist. Zweitens: Ich bin nicht einverstanden, einen optionalen Zölibat zu erlauben. Nein. Es bliebe nur manche Möglichkeit in den entferntesten Orten – ich denke an die Pazifikinseln…
Es ist aber eine Sache, zu denken, wenn es eine pastorale Notwendigkeit gibt, dort muß der Hirte an die Gläubigen denken. Es gibt ein Buch von Lobinger [Preti per domani, Emi, 2009; Priester für morgen. Neue Modelle, des bayerischen Missionsbischofs Fritz Lobinger], es ist interessant – das ist eine Sache der Diskussion zwischen den Theologen. Es gibt keine Entscheidung von mir. Meine Entscheidung ist: Optionaler Zölibat vor dem Diakonat Nein. Das ist meine persönliche Sache, ich werde es nicht tun, das bleibt klar. Bin ich ein „Verschlossener“? Vielleicht. Aber ich fühle mich nicht, mich vor Gott zu stellen mit dieser Entscheidung. Zurück zu Lobinger, der gesagt hat: „Die Eucharistie macht die Kirche, und die Kirche macht die Eucharistie“. Aber wo es keine Eucharistie gibt, in den Gemeinschaften – denken Sie selbst, Carolina, auf den Pazifikinseln…
Im Pazifik, im Amazonas, an vielen Orten
Carolina Pigozzi:Im Amazonas auch…
Papst Franziskus: Vielleicht dort… an vielen Orten… sagt Lobinger: Wer macht die Eucharistie? In jenen Gemeinschaften die „Direktoren“, sagen wir, die Organisatoren dieser Gemeinschaften sind Diakone oder Ordensfrauen oder Laien, direkt. Und Lobinger sagt: Man kann einen verheirateten Alten weihen – das ist seine These –, man könne einen verheirateten Alten weihen, aber nur, daß er das munus sanctificandi ausübt, also die Messe zelebriert, das Sakrament der Versöhnung spendet und die Krankensalbung gibt. Die Priesterweihe verleiht die drei munera: regendi – regieren, der Hirte; docendi – lehren und sanctificandi. Das kommt durch die Weihe. Der Bischof würde nur die Vollmacht geben für das munus sanctificandi: Das ist die These. Das Buch ist interessant. Vielleicht kann das helfen, an das Problem zu denken. Ich glaube, daß das Problem in diesem Sinn geöffnet werden muß, wo ein pastorales Problem ist, wegen des Priestermangels. Ich sage nicht, daß man es tun soll, weil ich nicht darüber nachgedacht habe, ich ausreichend darüber gebetet habe. Aber die Theologen müssen es studieren. Ein Beispiel ist Lobinger… er war ein fidei donum in Südafrika… er ist alt. Ich nenne dieses Beispiel, um die Punkte aufzuzeigen, wo sie zu machen sind. Ich sprach mit einem Offizial des Staatssekretariats, einem Bischof, der in einem kommunistischen Land arbeiten mußte am Beginn der Revolution. Als man sah, wie diese Revolution verlief – in den 50er Jahren mehr oder weniger – haben die Bischöfe geheim brave, religiöse Bauern geweiht. Als dann die Krise vorbei war, 30 Jahre später, wurde die Sache gelöst. Und er sagte mir, welche Gefühle er empfand, als er in einer Konzelebration diese Bauern sah, mit den Händen von Bauern, die sich ankleideten, um mit den Bischöfen zu konzelebrieren. In der Geschichte der Kirche ist das geschehen. Es ist eine Sache, die zu studieren ist, über die nachzudenken und zu beten ist.
Die Franziskus-Strategie: Nein – Jein – Ja
Papst Franziskus vollzieht nachweisbar zum dritten Mal in seinem Pontifikat zu Sakramenten kryptische Kapriolen. Da bekannt ist, wie es in den beiden anderen Fällen endete, ist unschwer vorherzusagen, daß mit dieser Antwort an die französische Journalistin dieselbe Entwicklung von ihm angepeilt wird.
Beispiel 1
Die Zulassung von permanenten Ehebrechern, im pastoralen Neusprech wiederverheiratete Geschiedene genannt, zu den Sakramenten. Papst Franziskus sagte bis heute nicht offen und ehrlich, daß er diese Zulassung will, angestoßen und durchgesetzt hat, konkret durch das umstrittene nachsynodale Schreiben Amoris laetitia. Indirekt wurde es von ihm aber vielfach bestätigt. Es sind aber vor allem die Fakten, die er durch ihm nahestehende Bischöfe schaffen ließ. Als die Bischöfe der Kirchenprovinz Buenos Aires, seiner Heimatprovinz, in Richtlinien die Zulassung in die Praxis umsetzten, lobte er sie mit dem Hinweis, daß das die einzig mögliche und richtige Interpretation von Amoris laetitia sei. Begründet wird der Bruch mit der Tradition und die Verwässerung des Ehesakraments mit „pastoralen Notwendigkeiten“. Franziskus behauptete am Vorabend zur ersten Familiensynode im Oktober 2014 einen „Schrei des Volkes“.
Beispiel 2
Im November 2015 besuchte er die lutherische Gemeinde in Rom. Dabei antwortete er auf die wenig überraschende Frage, wann protestantische Ehepartner mit ihren katholischen Ehegatten in der Messe gemeinsam die Kommunion empfangen dürfen. Papst Franziskus antwortet mit einem Redeschwall, der mit einem klaren Nein begann, dann aber zu einem Jein und schließlich zu einem Ja wurde. Allerdings mit dem Zusatz, daß er das nie erlauben werde. Das Publikum verstand und zollte ihm begeisterten Beifall. Im Februar 2018 beschloß die Deutsche Bischofskonferenz mehrheitlich genau, was damals in der lutherischen Kirche in Rom besprochen wurde. Lutherische Ehepartner katholischer Ehegatten dürfen zur Kommunion gehen. Die Begründung lautet wie im Beispiel 1: Weil es „pastorale Notwendigkeiten“ gebe, ja die Ehe dieser gemischtkonfessionellen Partner gefährdet sei, wenn die lutherischen Ehepartner nicht zur Kommunion dürften, obwohl die Lutheraner das katholische Eucharistieverständnis ablehnen.
Beispiel 3
Auf die Frage der Journalistin Pigazzi vollzieht Franziskus dieselbe Kapriole. Zuerst betont er, daß in den unierten Ostkirchen verheiratete Männer zu Diakonen und Priestern geweiht werden können. Dann erklärt er, in der lateinischen Kirche nie dazu die Erlaubnis geben zu werden. Er spricht vom priesterlichen Zölibat – wie auch die Zölibatsgegner – nur von einem Kirchengesetz. Und er betont, daß das Nein zur Zölibatsaufweichung nur seine „persönliche“ Meinung sei. Der Papst erweckt den Eindruck eines klaren Neins, doch in Wirklichkeit sieht ein Nein anders aus. Das Nein dient nur der Kapriole zum Jein und schließlich zum Ja.
Verheiratete Priester? Nein, außer… Außer auf exotischen Pazifikinseln. Pigazzi verweist aber auf den Amazonas, zu dem Franziskus für Oktober eine Sondersynode einberufen hat. Und siehe da, ja, auch im Amazonas. „An vielen Orten“, wobei Franziskus es sagt, aber gleich Bischof Lobinger zuschiebt, der von den Zölibatsgegnern unter den Promotoren der Amazonassynode als Stichwortgeber und Kronzeuge einer Zölibatsaufhebung herumgereicht wird.
Papst Franziskus weiß das natürlich, und dennoch erwähnt er Lobinger in aller Ausführlichkeit und nur ihn. Wenig glaubwürdig ist auch die Aussage, er habe nicht darüber nachgedacht. Obwohl er Lobingers Thesen genau kennt und mit dem mehrfachen Verweis, daß sie „interessant“ sind, eindeutige Zustimmung signalisiert.
Seine Antwort an Pigazzi erwähnt zwei Bücher, und erneut zeigt sich, daß die Lektüre von Papst Franziskus bevorzugt Autoren des progressiven und linken Randes umfaßt. Die Nennung eines rechtgläubigen Autors sucht man wahrscheinlich vergeblich.
Franziskus will sich, auch das lehrt sein bisheriges Pontifikat, aber nicht in flagranti erwischen lassen beim Bruch mit der Tradition. Er reibt sich die Hände in Unschuld. Der Anstoß und die Erlaubnis kommt von ihm, aber nicht in wirklich faßbarer Weise. Die Kommunion für die wiederverheirateten Geschiedenen steht in einer Fußnote von Amoris laetitia und verklausuliert. Erst die von Franziskus geduldete und geförderte Interpretation durch Bischöfe macht sie zur Neuerung, die einen Bruch mit der Tradition darstellt.
Gleiches geschah bei der Kommunion für lutherische Ehepartner. Er gab den Anstoß und den Weg vor. Die deutschen Bischöfe in ihrer Mehrheit packten die vom Papst gebotene Gelegenheit beim Schopf. Franziskus, obwohl von der Minderheit der Bischöfe dagegen angerufen, schwieg, und so konnte die Mehrheit sich dank seiner Rückendeckung durchsetzen und die Gewährung der Kommunion an Nicht-Katholiken in die offizielle Praxis umgießen. Franziskus macht es möglich, obwohl kein Dokument, das dies erlaubt, seine Unterschrift trägt.
Nun wird mit der Amazonassynode dasselbe vorbereitet: der dritte Streich. Die Organisatoren der Synode, allen voran Kardinal Claudio Hummes und der emeritierte, österreichische Missionsbischof Erwin Kräutler, beide Anhänger der Lobinger-These und Gegner des priesterlichen Zölibats, bereiten seit Jahren den Angriff auf den Zölibat vor. Er soll in einer „entfernten“ Gegend geschehen: im Amazonas. Grundlage bildet die Lobinger-These. Franziskus beruft die Synode ein. Ohne ihn ginge nichts, rein gar nichts. Die Synode wird mehrheitlich einen „pastoralen Notstand“ behaupten, weil ein Priestermangel herrsche. Franziskus wird diesen angeblichen „Schrei des Volkes“ nach Eucharistie erwidern und – nein – er wird keine Zölibatsaufweichung genehmigen, sondern erneut eine kryptische Formulierung finden, die es den interessierten, ihm nahestehenden Bischöfen erlaubt, verheiratete Priester zu weihen. Das machen dann die Bischöfe, und wieder wird kein offizielles Dokument dazu seine Unterschrift tragen.
Katholisches.info bezeichnete diese Amtsführung von Papst Franziskus bereits in der Vergangenheit als zutiefst unehrlich.
Das „Drittel-Priestertum“: Dialektische Bagatellisierung der Messe
Geradezu dreist ist seine Bagatellisierung des Priestertums, wenn er so tut, als wären diese verheirateten „Ältesten“ der „interessanten“ Lobinger-These nicht wirkliche Priester. Sie könnten „nur“ die Messe zelebrieren. Bereist in den vergangenen Jahren dieses Pontifikats wurde vielfach die Frage aufgeworfen, was für ein Kirchenverständnis und was für ein Priesterverständnis Papst Franziskus denn habe. Die Frage brennt vielen Katholiken inzwischen auf der Brust. Vor allem drängt sie, denn die Amazonassynode rückt mit schnellen Schritten näher.
Der Papst versucht sein Publikum im dialektischen Wortschwall zu benebeln, indem er aus den drei munera des Priestertums ein dreigeteiltes Priestertum zu machen versucht und so tut, als würden verheiratete Priester nur ein „Drittel-Priestertum“ erhalten. Dabei handelt es sich um die von Franziskus bereits bekannte Beruhigungspille für verschlafene Konservative. „Das ist ja kein ganzes Priestertum“, wird die Ausrede lauten, die jene freudig aufgreifen werden, denen die Ruhe über alles geht, und die für jedes noch so dümmliche Argument dankbar sind, das Franziskus ihnen hinwirft, um ja nicht tätig werden zu müssen.
Papst Franziskus erteilte gestern auf dem Rückflug aus Panama faktisch grünes Licht für verheiratete Priester. Der „pastorale Notstand“ wird morgen nicht nur auf fernen Pazifikinseln, sondern auch in der Bundesrepublik Deutschland, in Österreich, der Schweiz… verkündet werden, und das schneller als viele sich das denken und wünschen können. Das ist dann nur mehr ein kleiner Schritt.
Franziskus und seine engen Vertrauten definierten sein Pontifikat als Zeit der Veränderungen, die so erfolgen sollen, daß sie nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Genau das setzt Franziskus um.
Nun auch beim Weihesakrament.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican.va (Screenshot)