Kaspers „Komplott“ – „Ein erzwungener Rücktritt von Papst Franziskus wäre nicht gültig“

Interview


Ist ein Komplott gegen Papst Franziskus im Gange? Kardinal Kasper ist überzeugt davon.
Ist ein Komplott gegen Papst Franziskus im Gange? Kardinal Kasper ist überzeugt davon.

(Rom) Kar­di­nal Kas­per, der Spi­ri­tus rec­tor des der­zei­ti­gen Pon­ti­fi­kats, warnt vor einem erzwun­ge­nen Rück­tritt von Papst Franziskus.

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Der ehe­ma­li­ge Bischof von Rot­ten­burg-Stutt­gart und eme­ri­tier­te Prä­fekt des Päpst­li­chen Rats zur För­de­rung der Ein­heit der Chri­sten ist eine der Gestal­ten, die das Pon­ti­fi­kat des amtie­ren­den Pap­stes vor­be­rei­tet haben. Kas­per trat gleich nach dem Rück­tritt von Papst Bene­dikt XVI. auf, indem er das soeben abge­tre­te­ne Kir­chen­ober­haupt wäh­rend der Sedis­va­kanz von 2013 öffent­lich warn­te, sich in die Wahl sei­nes Nach­fol­gers ein­zu­mi­schen. Katho​li​sches​.info schrieb damals: „War­nung an Bene­dikt XVI. von einem Kas­per – Anti-Ratz­in­ger-Pon­ti­fi­kat in Pla­nung“.

Heu­te ist bekannt, daß Kas­per dem inner­kirch­li­chen Geheim­zir­kel von Sankt Gal­len ange­hör­te, in dem sich seit den 90er Jah­ren hohe und höch­ste, pro­gres­si­ve Kir­chen­män­ner gesam­melt hat­ten. Er gehör­te zudem dem Team Berg­o­glio an, einem vier­köp­fi­gen „Exe­ku­tiv­or­gan“ des Geheim­zir­kels mit dem Auf­trag, die Wahl von Kar­di­nal Jor­ge Mario Berg­o­glio vor­zu­be­rei­ten. Ihn hat­te der Geheim­zir­kel als Kan­di­dat der pro­gres­si­ven Fron­de auserkoren.

Seit der Wahl von Papst Fran­zis­kus gilt Kar­di­nal Kas­per, des­sen Theo­lo­gie hege­lia­nisch geprägt ist, als „der Theo­lo­ge des Pap­stes“. In den umstrit­ten­sten Momen­ten des der­zei­ti­gen Pon­ti­fi­kats ist die Hand­schrift Kas­pers zu erken­nen: von der Zulas­sung soge­nann­ter wie­der­ver­hei­ra­te­ter Geschie­de­ner zu den Sakra­men­ten bis zur Zulas­sung der Pro­te­stan­ten zur hei­li­gen Kom­mu­ni­on. In bei­den Fäl­len kann von einer real exi­stie­ren­den Pro­te­stan­ti­sie­rung der katho­li­schen Kir­che gespro­chen werden.

Gestern warn­te Kas­per in einem Zei­tungs­in­ter­view vor einem „erzwun­ge­nen Rück­tritt“, also einer fak­ti­schen Abset­zung von Papst Fran­zis­kus. Das Inter­view ver­öf­fent­lich­te die links­li­be­ra­le, ita­lie­ni­sche Tages­zei­tung Il Fat­to Quo­ti­dia­no (FQ). Anlaß war ein ARD-Inter­view Kas­pers, bei dem er von inner­kirch­li­chen Geg­nern von Papst Fran­zis­kus sprach, die das argen­ti­ni­sche Kir­chen­ober­haupt zum Rück­tritt zwin­gen wol­len. Das Wort „Kom­plott“ ging anschlie­ßend um die Welt. Die ita­lie­ni­sche Tages­zei­tung Libe­ro sprach von „Kas­pers Bom­be“. Die Geg­ner des Pap­stes, wol­len Fran­zis­kus „aus­schal­ten, um zu einem neu­en Kon­kla­ve zu gelangen“.

Die Inter­views zeu­gen von einer gewis­sen Ner­vo­si­tät, die im Zusam­men­hang mit den jüng­sten Miß­brauchs­skan­da­len und zwei­fel­haf­tem Lebens­wan­del von Bischö­fen und Kar­di­nä­len ste­hen, die im Lau­fe der ver­gan­ge­nen 12 Mona­te bekannt wur­den und Papst Fran­zis­kus auf unter­schied­li­che Wei­se nicht im besten Licht zei­gen. Es ent­stand der Ein­druck, daß er in meh­re­ren Fäl­len trotz Kennt­nis über Fehl­ver­hal­ten oder Miß­brauch untä­tig blieb oder poten­ti­el­le Täter sogar pro­te­gier­te. Alle in die­sem Zusam­men­hang bekannt gewor­de­nen Fäl­le betref­fen Bischö­fe oder Kar­di­nä­le, die Papst Fran­zis­kus nahestehen.

Die erwähn­te Ner­vo­si­tät erhöh­te sich schlag­ar­tig, seit Ende August der ehe­ma­li­ge Nun­ti­us für die USA, Erz­bi­schof Car­lo Maria Viganò ein Dos­sier zum Fall von Ex-Kar­di­nal McCar­ri­ck ver­öf­fent­licht und dar­in schwer­wie­gen­de Anschul­di­gun­gen gegen Papst Fran­zis­kus erhob. Und seit Okto­ber 2018, als direk­te Reak­ti­on dar­auf, eine Initia­ti­ve von katho­li­schen Lai­en in den USA bekannt­gab, alle Kar­di­nä­le mit Blick auf ein künf­ti­ges Kon­kla­ve durch­leuch­ten zu wol­len, um Miß­brauchs­tä­ter oder Ver­tu­scher auf­zu­decken. Vor allem will die Initia­ti­ve mit Dos­siers aber ver­hin­dern, daß die wäh­len­den Kar­di­nä­le, aber auch die Jour­na­li­sten und die Welt­öf­fent­lich­keit über man­che Kar­di­nä­le so gut wie gar nichts weiß, vor allem nicht, wel­che Posi­tio­nen sie ver­tre­ten, wie es bei Jor­ge Mario Berg­o­glio der Fall war. Die Initia­ti­ve stellt jähr­lich mehr als eine Mil­li­on Dol­lar für eine sach­kun­di­ge und pro­fes­sio­nel­le Recher­che­ar­beit zur Verfügung.

Seit dem Auf­tre­ten die­ser Lai­en­in­itia­ti­ve ist durch libe­ra­le welt­li­che und pro­gres­si­ve kirch­li­che Medi­en eine Gegen­re­ak­ti­on fest­zu­stel­len, die von der New York Times aus­ging. Es wird eine „Kon­spi­ra­ti­on“ gegen Papst Fran­zis­kus behaup­tetund der Ein­druck erweckt, als gebe es so etwas wie einen kon­ser­va­ti­ven Geheim­zir­kel von Sankt Gal­len. Von einem sol­chen fehlt aller­dings jede Spur. Die Absicht hin­ter die­sem Ver­such ist aller­dings um so kla­rer. Die Ent­hül­lung des pro­gres­si­ven Geheim­zir­kels von Sankt Gal­len wird im Umfeld von Papst Fran­zis­kus als Bela­stung emp­fun­den. Pikant dar­an ist, daß es aus­ge­rech­net ein Mit­glied des Geheim­zir­kels selbst war, näm­lich der libe­ra­le, bel­gi­sche Kar­di­nal God­fried Dan­neels, der in offen­sicht­li­cher Sie­ger­lau­ne über die gelun­ge­ne Wahl von Fran­zis­kus und den neu­en Kurs der Kir­che, für sei­ne Bio­gra­phie, die Exi­stenz des Geheim­zir­kels Sankt Gal­len aus­plau­der­te.

Kas­pers Wort­mel­dun­gen zei­gen: Mit dem Näher­rücken des Miß­brauchs­gip­fel Ende Febru­ar, der von neu­en Miß­brauchs­skan­da­len über­schat­tet wird, steigt im päpst­li­chen Umfeld die Spannung.

Das Wort „Kom­plott“ will der Kar­di­nal im ARD-Inter­view nicht gebraucht haben, jeden­falls nicht offen. In der Sache aber wie­der­hol­te er sei­ne Aus­sa­ge und sand­te mit sei­nen genau abge­wo­ge­nen Wor­te meh­re­re Signa­le aus.

„Ein erzwungener Rücktritt wäre nicht gültig“

FQ: Wenn sie von Kom­plott gegen Papst Fran­zis­kus spre­chen, wor­auf bezie­hen Sie sich genau?

Kar­di­nal Kas­per: Ich muß die Über­set­zung mei­nes deut­schen Tex­tes noch anschau­en. Ich kann nicht sagen, ob die Über­set­zung ganz rich­tig ist. Den­noch: Ich spre­che von Grup­pen, die öffent­lich kri­tisch gegen­über Papst Fran­zis­kus sind.

FQ: Wer will heu­te das Ende die­ses Pon­ti­fi­kats und warum?

Kar­di­nal Kas­per: Die Ant­wort fin­det sich im Inter­net, auf katho­li­schen Inter­net­sei­ten, auf ita­lie­nisch, deutsch, englisch…

FQ: Was pas­siert an der Kurie im Moment von so hoher Span­nung: Sind Dos­siers in Umlauf?

Kar­di­nal Kas­per: Ich bin ein eme­ri­tier­ter Kar­di­nal. Ich habe kei­nen Zugang zu die­sen Dos­siers. Ich betrei­be wie­der Theologie.

FQ: Sie behaup­ten, daß das The­ma des sexu­el­len Miß­brauchs zu einem Modus gewor­den ist, um Fran­zis­kus zu dis­kre­di­tie­ren und nicht, um ein altes und sehr schwer­wie­gen­des Übel zu beseitigen.

Kar­di­nal Kas­per: Ich sage nicht, daß der Skan­dal des sexu­el­len Miß­brauchs nur ein Instru­ment gegen Papst Fran­zis­kus ist. Im Gegen­teil, das ist für mich ein wirk­li­cher Skan­dal und ein Ver­bre­chen, und man muß alles tun, um es aus­zu­mer­zen und Klar­heit zu schaf­fen. Ich sage nur, daß eini­ge die­sen Skan­dal aus­nüt­zen, um dem Papst zu scha­den. Ande­re hin­ge­gen instru­men­ta­li­sie­ren ihn für ihre Agen­da gegen den Zöli­bat. Das nen­ne ich einen Miß­brauch des Mißbrauchs.

FQ: Sie haben Fran­zis­kus und sein Reform­han­deln immer unter­stützt. Haben Sie nie mit dem Papst über das Kom­plott gesprochen?

Kar­di­nal Kas­per: Es stimmt, daß ich an der Sei­te des Pap­stes ste­he, aber es gibt nur sehr sel­te­ne, per­sön­li­che Begeg­nun­gen. Ich ver­wen­de nicht den Begriff Kom­plott. Ich habe nie mit ihm dar­über gesprochen.

FQ: Wür­de Fran­zis­kus nie zurücktreten?

Kar­di­nal Kas­per: Laut den Regeln des Kir­chen­rechts und den dort fest­ge­leg­ten Bedin­gun­gen kann ein Papst zurück­tre­ten. Das ist eine völ­lig per­sön­li­che und freie Ent­schei­dung, die in Wirk­lich­keit bis­her sehr sel­ten war. Ein erzwun­ge­ner Rück­tritt wäre ungül­tig. Für mich gilt: Habe­mus Papam und ich bin froh dar­über. Des­we­gen hat­te ich noch kei­nen Grund, über eine so unwahr­schein­li­che Even­tua­li­tät nach­zu­den­ken und zu diskutieren.

FQ: Der Rück­tritt von Joseph Ratz­in­ger erfolg­te spontan?

Kar­di­nal Kas­per: Ich ken­ne Bene­dikt XVI. seit 55 Jah­ren. Ich weiß, daß er lan­ge nach­ge­dacht und gebe­tet hat, schon lan­ge bevor er den Ver­zicht auf das Petrus­amt bekannt­ge­ge­ben hat. Er hat erklärt, und das neh­me ich ernst, daß er es in völ­li­ger Frei­heit und aus den Grün­den getan hat, die er in sei­ner Erklä­rung vor den Kar­di­nä­len genannt hat. Es war eine demü­ti­ge, groß­zü­gi­ge und muti­ge Ent­schei­dung, die allen Respekt verdient.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: FQ (Screen­shot)

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