Päpstliches Lob für Kasper und progressiver Bannstrahl gegen die Glaubenslehre


Kardinal Kasper und Papst Franziskus: Welche Absichten werden zur Bischofssynode mit Blick auf die wiederverheiratet Geschiedenen gehegt?Was braut sich bei der Vor­be­rei­tung der Bischofs­syn­ode hin­ter den Kulis­sen zusam­men? Ist die Ein­be­ru­fung der Bischofs­syn­ode nur der Vor­wand, um das Ehe­sa­kra­ment zu kap­pen? Sind die wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­nen nur der erste Schritt zu einer „neu­en Moral“? War das The­ma wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­ne einer gehei­men Wahl­ka­pi­tu­la­ti­on Jor­ge Mario Berg­o­gli­os? Auf die­se Fra­gen ist eine gesi­cher­te Ant­worrt nicht mög­lich. Mög­lich ist jedoch eine Zusam­men­fas­sung der Ereig­nis­se der ver­gan­ge­nen andert­halb Monate.

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(Rom) Vor weni­gen Tagen ernann­te Papst Fran­zis­kus einen Unter­se­kre­tär der Bischofs­syn­ode und ver­band die­ses Amt erst­mals mit der Bischofs­wür­de. In einem Begleit­schrei­ben an den Sekre­tär der Bischofs­syn­ode, Kar­di­nal Loren­zo Bal­dis­se­ri, beton­te der Papst, die „Kol­le­gia­li­tät“ in der Kir­che als „Zei­chen der Zeit“ stär­ken zu wol­len. Eine Inten­ti­on, die auch durch die Erhe­bung des Sekre­tärs in den Kar­di­nals­stand und die Ernen­nung des Unter­se­kre­tärs zum Bischof deut­lich zum Aus­druck kommt. Auch das ist ein Schritt zur Vor­be­rei­tung der ersten Bischofs­syn­ode die­ses Pon­ti­fi­kats, die Anfang Okto­ber statt­fin­den wird und auf die in der Kir­che mit gemisch­ten Gefüh­len geblickt wird. Es geht die Befürch­tung um, in einem syn­oda­len Hand­streich könn­ten, wenn nicht in die­sem ersten Teil der Bischofs­syn­ode, dann im zwei­ten Teil, der für Herbst 2015 vor­ge­se­hen ist, Tei­le der katho­li­schen Ehe­leh­re aus­ge­he­belt und das Ehe­sa­kra­ment unter­mi­niert wer­den. Die For­mel dazu lie­fer­te der deut­sche Theo­lo­ge und Kar­di­nal Wal­ter Kas­per. Sie lau­tet ver­ständ­lich wie­der­ge­ge­ben: Die for­mal unan­ge­ta­ste­te Leh­re durch eine neue Pra­xis ver­än­dern. Kon­kret auf dem Pro­gramm Kas­pers steht die Zulas­sung wie­der­ver­hei­ra­te­ter Geschie­de­ner zu den Sakra­men­ten. Da die Betrof­fe­nen in einem Dau­er­zu­stand der öffent­li­chen Sün­de leben, sind die wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­nen vom Kom­mu­nion­emp­fang aus­ge­schlos­sen. Geht es nach den Bischofs­kon­fe­ren­zen Deutsch­lands und der Schweiz soll der Kom­mu­nion­emp­fang auch für sie über die eine oder ande­re neue For­mel mög­lich werden.

Welche Rolle spielt Papst Franziskus?

Am mei­sten beschäf­tigt die Unsi­cher­heit, wel­che Hal­tung Papst Fran­zis­kus in der Fra­ge ein­nimmt und wel­che Rol­le er bei der Bischofs­syn­ode zu spie­len gedenkt. Die Tat­sa­che, daß die Hal­tung eines Pap­stes unklar ist, stellt ein unge­wöhn­li­ches Novum in der Kir­chen­ge­schich­te dar, die in jün­ge­rer Zeit nur mit der Kon­zils- und unmit­tel­ba­ren Nach­kon­zils­zeit ver­gleich­bar scheint. Tat­säch­lich suchen die „Ver­än­de­rer“ krampf­haft die Rück­kop­pe­lung an ein „vir­tu­el­les“ Kon­zil (Bene­dikt XVI.), des­sen Wie­der­auf­er­ste­hung sie gera­de­zu man­tra­haft beschwören.

Die bis­he­ri­gen Signa­le von Papst Fran­zis­kus in der Fra­ge der wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­nen sind objek­tiv betrach­tet wenig beru­hi­gend. Zur Fra­ge nahm der Papst bis­her inhalt­lich nicht Stel­lung. Eini­ge füh­ren­de Kir­chen­män­ner, wie der nord­ame­ri­ka­ni­sche Ver­tre­ter im C8-Kar­di­nals­rat Kar­di­nal O’Malley sind zwar der Mei­nung, daß es unter Papst Fran­zis­kus kei­ne Zulas­sung öffent­li­cher Sün­der zu den Sakra­men­ten geben wer­de. Ande­re Kir­chen­ver­tre­ter blicken unter genau umge­kehr­ten Vor­zei­chen zuver­sicht­lich auf die nahen­den Bischofssynoden.

Kaspers päpstliches Privileg

Papst Fran­zis­kus ist aller­dings, trotz inhalt­li­chen Schwei­gens, der­je­ni­ge, der die Bischofs­syn­oden zum The­ma Fami­lie ein­ge­b­ru­fen hat. Mit sei­ner Zustim­mung rich­te­te der von ihm ernann­te neue Sekre­tär der Bischofs­syn­ode, der nun­meh­ri­ge Kar­di­nal Bal­dis­se­ri, einen Fra­ge­bo­gen an alle Bischö­fe der Welt. Der Umgang mit dem Fra­ge­bo­gen mach­te die Ent­schlos­sen­heit pro­gres­si­ver Pres­su­re Groups sicht­bar, die katho­li­sche Moral­leh­re kip­pen zu wol­len. Selbst das führ­te jedoch zu kei­nem Umden­ken in Rom. Der ein­ge­schla­ge­ne Weg wird fort­ge­setzt. Statt des­sen beauf­trag­te Papst Fran­zis­kus aus­ge­rech­net Kar­di­nal Wal­ter Kas­per mit dem ein­zi­gen Refe­rat beim Kar­di­nals­kon­si­sto­ri­um Ende Febru­ar. Neu­tra­li­tät sieht anders aus. Für eine ange­mes­se­ne Debat­te und um Aus­ge­wo­gen­heit zu signa­li­sie­ren, hät­te der Papst zwei Refe­ren­ten unter­schied­li­cher Rich­tung beauf­tra­gen kön­nen. Für die pflicht­ge­mä­ße Ver­tei­di­gung der katho­li­schen Ehe­leh­re, hät­te er einen ortho­do­xen Ver­ferch­ter der Glau­bens­leh­re beauf­tra­gen müs­sen. Doch nichts der­glei­chen. Der Papst ent­schied sich für Kar­di­nal Kas­per, des­sen unor­tho­do­xe Posi­ti­on in der Fra­ge zumin­dest seit den 90er Jah­ren bekannt ist. Eine Posi­ti­on, die sowohl von Papst Bene­dikt XVI. als zuvor auch von Joseph Kar­di­nal Ratz­in­ger ver­wor­fen wur­de. So wie sie nun vor dem Kon­si­sto­ri­um bereits vom heu­ti­gen Glau­bens­prä­fek­ten Ger­hard Lud­wig Kar­di­nal Mül­ler ver­wor­fen wor­den war. Man darf in der päpst­li­chen Ent­schei­dung zugun­sten Kas­pers eine ein­sei­ti­ge Par­tei­nah­me erken­nen und in Kar­di­nal Kas­per wenn nicht das Sprach­rohr des Pap­stes, so zumin­dest einen Ver­such­bal­lon, den man auf­stei­gen ließ, um die Reak­tio­nen und Wider­stän­de zu testen.

Überschwengliches Lob des Papstes, um Kritik der Kardinäle zu dämpfen

Die Par­tei­nah­me erfuhr eine unzwei­deu­ti­ge Unter­strei­chung im über­schweng­li­chen Lob für Kas­per, das Papst Fran­zis­kus am Mor­gen nach des­sen Rede vor den Kar­di­nä­len for­mu­lier­te. Die Reak­ti­on der Kar­di­nä­le auf Kas­pers Rede­kün­ste, ihnen eine listi­ge For­mel schmack­haft zu haben, war ziem­lich ener­gisch. Gegen die Roß­täu­sche­rei, die der deut­schen Theo­lo­ge vor­ge­schla­gen hat­te (so zu tun, als blei­be alles gleich, wäh­rend sich in Wirk­lich­keit alles ändert), erhob sich lau­ter Pro­test. Die mei­sten Wort­mel­dun­gen der Kar­di­nä­le in der Dis­kus­si­on wider­spra­chen Kasper.

Mit dem schwä­me­ri­schen Lob woll­te der Papst dem deut­schen Kar­di­nal offen­kun­dig zu Hil­fe eilen. Die gera­de­zu ver­zück­te, aber wenig glaub­haf­te Behaup­tung, daß aus­ge­rech­net die von Kas­per for­mu­lier­te Stra­te­gie, sich der kirch­li­chen Ehe­leh­re in einem ent­schei­den­den Punkt zu ent­le­di­gen, eine „Theo­lo­gie auf den Knien“ sei, macht es schwer, eine Nähe des Pap­stes zu dem von Kas­per ver­tre­te­nen neu­en Kurs abzustreiten.

Der Ghostwriter des Papstes und der freie Markt der Ideen

Die Par­tei­nah­me für Kas­per und die För­de­rung sei­ner Posi­ti­on fand damit aber noch nicht ihr Ende. Der Ghost­wri­ter von Papst Fran­zis­kus und damit einer sei­ner eng­sten Ver­trau­ten, Vic­tor Manu­el Fer­nan­dez, den er zuerst zum Rek­tor der Katho­li­schen Uni­ver­si­tät von Argen­ti­ni­en mach­te und dann zum Erz­bi­schof ernann­te, sag­te vor kur­zem, daß es eines der gro­ßen Ver­dien­ste die­ses Pap­stes sei, „die Kir­che in einen von Äng­sten frei­en Ort des Ideen­aus­tau­sches zu ver­wan­deln, wo alle ihre Mei­nung sagen kön­nen und Berück­sich­ti­gung fin­den“. Die Kir­che als frei­er Markt der Ideen?

Maulkorb für Kardinäle ausgenommen Kasper

Betrach­tet man neu­tral, was beim Kon­si­sto­ri­um am 20. und 21. Febru­ar gesche­hen ist, dann wur­de die Rede Kas­pers dem Anspruch eines Mark­tes der Ideen gerecht. Nicht aber, daß jeder sei­ne Mei­nung sagen kann und die­se berück­sich­tigt wird. Die Kir­che ist aber kein Ort ver­fah­rens­tech­ni­scher Wert­neu­tra­li­tät. Den in Rom ver­sam­mel­ten Kar­di­nä­len, in deren Rei­hen ein maß­geb­li­cher Kir­chen­ver­tre­ter, Bene­dikt XVI., fehl­te, wur­de vom Kar­di­nals­de­kan Ange­lo Sod­a­no aus­drück­lich im Namen des Pap­stes strik­te Schwei­ge­pflicht auf­er­legt. Die Ver­pflich­tung über das, was im Kon­si­sto­ri­um gespro­chen wird, Still­schwei­gen zu bewah­ren, wur­de mehr­fach in Erin­ne­rung geru­fen, wie jüngst auch der Vati­ka­nist San­dro Magi­ster bestätigte.

Die­se Ver­pflich­tung wur­de jedoch von Kar­di­nal Kas­per gebro­chen und zwar mit Zustim­mung des Pap­stes. Kaum hat­te der Kar­di­nal sei­ne umstrit­te­ne Rede im Kon­si­sto­ri­um gehal­ten, kün­dig­te er bereits in Deutsch­land beim Her­der-Ver­lag deren Ver­öf­fent­li­chung an und eben­so in Ita­li­en beim Ver­lag Quer­inia­na in Bre­scia die Druck­le­gung der Rede und sei­ner ihm zusätz­lich beim Kon­si­sto­ri­um ein­ge­räum­ten Schluß­re­plik auf die Kri­tik der Kardinäle .

Roberto de Matteis artikulierter Widerspruch

Es war die Tages­zei­tung Il Foglio, die der Stra­te­gie des Kar­di­nals (und des Pap­stes?) einen Strich durch die Rech­nung mach­te und die Rede welt­weit exklu­siv ver­öf­fent­lich­te und gleich mit einem kri­ti­schen Wider­spruch des katho­li­schen Histo­ri­kers Rober­to de Mat­tei ergänz­te, der Kas­pers Argu­men­ta­ti­on unter Beru­fung auf die Kir­chen­vä­ter und eine angeb­li­che früh­christ­li­che Pra­xis zer­pflück­te. Der Hand­streich war dem Chef­re­dak­teur von Il Foglio zu ver­dan­ken, der sich bewußt war, daß jener, der als Erster kommt, die Rich­tung der wei­te­ren Dis­kus­si­on mit­be­ein­flus­sen kann. Kas­per soll­te nicht allein die Kon­trol­le über die Dis­kus­si­on über­las­sen wer­den. Mit Rober­to de Mat­tei wur­de ein katho­li­sches Groß­ka­li­ber in Stel­lung gebracht. Wer die Kas­per-Rede lesen woll­te, kam an der von de Mat­tei treff­si­cher und über­le­gen for­mu­lier­ten Gegen­po­si­ti­on nicht vorbei.

Kaspers Zorn und die Exklusivstellung im Osservatore Romano

Kas­per schäum­te. Noch Tage spä­ter ließ er in einem Inter­view mit Radio Vati­kan sei­nem Ärger frei­en Lauf. Offen­bar in Abwand­lung der ursprüng­li­chen Absicht und als Gegen­maß­nah­me zum Foglio-Streich ver­öf­fent­lich­te nun auch der Osser­va­to­re Roma­no, die offi­ziö­se Tages­zei­tung des Vati­kans, die Schluß­re­plik Kas­pers und das Vor­wort zur bereits in Druck befind­li­chen Rede.

Der Osser­va­to­re Roma­no konn­te sich dabei auf das kräf­ti­ge Lob von Papst Fran­zis­kus für Kas­per beru­fen, nach­dem zahl­rei­che Kar­di­nä­le gegen des­sen Posi­ti­on zu den wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­nen Stel­lung bezo­gen hat­ten. Die­ses Lob öff­ne­te dem deut­schen Kar­di­nal das Pri­vi­leg, im Osser­va­to­re Roma­no abge­druckt zu wer­den, was kaum ohne Zustim­mung des Pap­stes so denk­bar gewe­sen wäre.

Der Posi­ti­on Kas­pers soll­te damit inner­kirch­lich Sicht­bar­keit und Auto­ri­tät ver­lie­hen wer­den. Die Geheim­hal­tungs­ver­pflich­tung galt und gilt nach wie vor offen­sicht­lich für alle Kar­di­nä­le und ihre Dis­kus­si­ons­bei­trä­ge im Kon­si­sto­ri­um, mit einer ein­zi­gen Aus­nah­me: Wal­ter Kas­per. Nur für ihn hob Papst Fran­zis­kus die Ver­pflich­tung zum Still­schwei­gen auf. War­um ein sol­ches Pri­vi­leg, wenn alle „Mei­nun­gen“ berück­sich­tigt wer­den? Der Papst häng­te damit allen Kar­di­nä­len, die die katho­li­sche Glau­bens­leh­re zum Ehe­sa­kra­ment ver­tei­dig­ten, einen Maul­korb um und erlaub­te ein­zig der abwei­chen­den Mei­nung Rede­recht. Das kommt einer ein­sei­ti­gen Bevor­zu­gung einer bestimm­ten Posi­ti­on und der Behin­de­rung einer ande­ren gleich.

Die Fol­ge war, daß sich nicht nur der Osser­va­to­re Roma­no, son­dern auch ande­re offi­zi­el­le kirch­li­che Medi­en, vor allem die Zei­tun­gen eini­ger Bischofs­kon­fe­ren­zen ver­pflich­tet fühl­ten, Kas­per abzu­drucken. Im Gegen­satz zu Il Foglio fehl­te aller­dings jede Gegen­po­si­ti­on. Der Ein­zi­ge, dem damit das exklu­si­ve Recht ein­ge­räumt wur­de, sei­ne Stim­me in der Tages­zei­tung des Hei­li­gen Stuhls zu erhe­ben, war Kas­per. Über alle ande­ren Kar­di­nä­le und ihre Wort­mel­dun­gen im Kon­si­sto­ri­um herrscht bis heu­te Stillschweigen.

Zwei Kardinäle wehren sich: Brandmüller und Caffarra widersprechen Kasper

Nur zwei Kar­di­nä­le unter den zahl­rei­chen, die Kas­per wider­spra­chen, mel­de­ten sich nach dem Kon­si­sto­ri­um öffent­lich zu Wort und for­mu­lier­ten damit eine Posi­ti­on außer­halb des Kon­si­sto­ri­ums: der Deut­sche Wal­ter Brand­mül­ler und der Ita­lie­ner Car­lo Caf­farra. Bei­de muß­ten dies außer­halb der offi­zi­el­len kirch­li­chen Medi­en tun: Kar­di­nal Brand­mül­ler mit dem Auf­satz „Den Vätern ging es um die Wit­wen“ in der Tages­zei­tung Die Tages­post, Kar­di­nal Caf­farra mit dem Inter­view „Wider­ver­hei­ra­tet Geschie­de­ne – Caf­farra warnt: „Hört auf!“ in der Tages­zei­tung Il Foglio.

Brand­mül­lers Auf­satz erschien am 27. Febru­ar, Caf­farr­as Inter­view am 15. März. Der Erz­bi­schof von Bolo­gna sag­te dar­in: „Rührt die von Chri­stus gestif­te­te Ehe nicht an. Man beur­teilt nicht Fall für Fall und man seg­net nicht die Schei­dung. Heu­che­lei ist nicht Barm­her­zig­keit“. Doch im Osser­va­to­re Roma­no fand sich weder ein Hin­weis auf den Auf­satz noch auf das Interview.

Das ungleiche Gewicht

Erstaun­li­cher­wei­se ver­öf­fent­lich­te der Avve­ni­re, die Tages­zei­tung der Ita­lie­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz, schließ­lich doch auch den Brand­mül­ler Auf­satz. Aller­dings erst 40 Tage nach Kas­per, nur in einer Zusam­men­fas­sung und auf einer Sei­te und in einer Auf­ma­chung, die wenig Auf­merk­sam­keit auf sich lenkt. Die Ver­öf­fent­li­chung schien der Redak­ti­on durch inner­kirch­li­chen Druck abge­run­gen wor­den zu sein.

Kar­di­nal Brand­mül­ler zer­leg­te in sei­nem Auf­satz vor allem die Glaub­wür­dig­keit der Haupt­quel­le, auf die Kas­per sei­ne Rede stütz­te, das Buch von Gio­van­ni Cere­ti: Divor­zio, nuo­ve noz­zi e peniten­za nella chie­sa pri­mi­ti­va (Schei­dung, neue Ehe und Buße in der frü­hen Kir­che), das in sei­ner Erst­aus­ga­be 1977 erschie­nen ist und erstaun­li­cher­wei­se genau in der zwei­te Hälf­te 2013 eine Neu­auf­la­ge erlebte.

Brandmüller zerpflückt Hauptstütze für Kaspers Position

Für Kar­di­nal Brand­mül­ler gibt es nicht den gering­sten Beweis, daß die Kir­che in den ersten Jahr­hun­der­ten zum Kom­mu­nion­emp­fang zuließ, wer nach einer Buß­zeit eine zwei­te Ehe ein­ging, obwohl der erste Ehe­part­ner noch leb­te. Eine Posi­ti­on, die bereits Bene­dikt XVI. ver­trat. Zeit­gleich mit der etwas ver­steck­ten Zusam­men­fas­sung des Brand­mül­ler Auf­sat­zes im Avve­ni­re, nahm Cere­ti in der pro­gres­si­ven Zeit­schrift Il Reg­no Stel­lung und zeig­te sich wenig ein­sich­tig. Auf die Kri­tik fun­dier­te Kri­tik Brand­mül­lers an einer halt­lo­sen Behaup­tung ging Cere­ti erst gar nicht ein. Zu will­kom­men scheint sei­ne The­se für den „neu­en Kurs“, den Kas­per im Kon­si­sto­ri­um for­mu­liert hat­te. Cere­ti wörtlich:

„Ich dan­ke Kar­di­nal Kas­per, der – ich den­ke in Über­ein­stim­mung mit dem Wunsch des Pap­stes – genau im Zusam­men­hang mit die­ser Pra­xis der frü­hen Kir­che mei­ne dies­be­züg­li­che Stu­die zitier­te. Per­sön­lich bin ich dem Herrn dank­bar, mir ermög­licht zu haben, zu sehen, daß das Ergeb­nis mei­ner For­schung, für die ich in gewis­ser Wei­se mein gan­zes Leben ein­ge­setzt habe, ernst­haf­te Berück­sich­ti­gung fin­den. Wenn sie als gül­tig aner­kannt wer­den, soll­ten sie es einer­seits ermög­li­chen, sich der Pra­xis ande­rer christ­li­cher Kir­chen anzu­nä­hern und ande­rer­seits die Rück­kehr unzäh­li­ger Men­schen in allen Tei­len der Erde zur Kir­che und zum sakra­men­ta­len Lebens.“

Ceretis progressives Anathem gegen Verteidiger der Orthodoxie

Cere­ti schloß sei­ne Wort­mel­dung mit einem pro­gres­si­ven Ana­them gegen alle Andersdenkenden:

„Mich beglei­tet die Hoff­nung, daß nie­mand von jenen, die dich heu­te der von Papst Fran­zis­kus gewünsch­ten Wen­de wider­set­zen, einer nova­tia­ni­schen Posi­ti­on anhän­gen, indem sie die Voll­macht der Kir­che leug­nen, alle Sün­den ver­ge­ben zu kön­nen und damit ris­kie­ren, sich außer­halb der kirch­li­chen Gemein­schaft zu stellen.“

Die Nova­tia­ner waren in den ersten Jahr­hun­der­ten eine nach dem Gegen­bi­schof Nova­ti­an (200–258) benann­te puri­ta­ni­sche Strö­mung, die leug­ne­te, daß die Kir­che die Voll­macht hat, Sün­den wie die Apo­sta­sie, Mord und Ehe­bruch zu ver­ge­ben, wes­halb Men­schen, die sich eines sol­chen Sün­de schul­dig gemacht hat­ten, für immer von den Sakra­men­ten und aus der Kir­che aus­ge­schlos­sen waren. Eine Posi­ti­on, die von der Kir­che ver­wor­fen wur­de, ihre Anhän­ger gal­ten als Ket­zer. Nova­ti­an selbst wur­de 251 exkom­mu­ni­ziert. Cere­tis Ver­such, die Ver­tei­di­ger der immer­gül­ti­gen kirch­li­chen Leh­re mehr als 1700 Jah­re spä­ter in die Nähe einer Häre­sie zu rich­ten, läßt erken­nen, mit wel­chen Ban­da­gen jene, die die katho­li­sche Ehe­lehr umstürz­ten wol­len, im Vor­feld der Bischofs­syn­ode kämpfen.

Zum Abschluß sei somit nur am Ran­de, aber kei­nes­wegs unbe­deu­tend, dar­auf hin­ge­wie­sen, daß Kas­pers Locke­rungs­for­mel sich nicht nur auf die Fra­ge der wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­nen anwen­den läßt, son­dern theo­re­tisch als Uni­ver­sal­schlüs­sel zur Aus­he­be­lung der gesam­ten Glau­bens­leh­re durch eine „neue Praxis“.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Il Foglio/​Fanpage

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