Noch einmal zum Interview des Münchner Generalvikars Peter Beer zu Missbrauch und Homosexualität

Missbrauchsstudie und Vertuschung homosexueller Übergriffe


Ungenügende Publikationsregeln durch das erzbischöfliche Presseamt von München-Freising.
Ungenügende Publikationsregeln durch das erzbischöfliche Presseamt von München-Freising.

Im Arti­kel „Mün­che­ner Gene­ral­vi­kar zur Miss­brauchs­stu­die. Ver­tu­schung homo­se­xu­el­ler Über­grif­fe an geschlechts­rei­fe Jun­gen“ hat­te unser Gast­kom­men­ta­tor Hubert Hecker eine „skan­da­lö­se Ver­let­zung der Publi­ka­ti­ons­re­geln“ durch das erz­bi­schöf­li­che Pres­se­amt Mün­chen auf­ge­zeigt. Dar­auf wur­de vom Pres­se­amt mit unten­ste­hen­der Bemer­kung reagiert.

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Heckers Aus­füh­run­gen im Originaltext:

„PS: Skan­da­lö­se Ver­let­zung der Publi­ka­ti­ons­re­geln.
Von dem unda­tier­ten Inter­view mit dem Mün­che­ner Gene­ral­vi­kar Peter Beer wer­den unter der Adres­se zwei Ver­sio­nen prä­sen­tiert: Aus dem ori­gi­na­len Gesprächs­vi­deo zitiert der  Autor sowie meh­re­re Homo-Sei­ten nach der übli­chen Publi­ka­ti­ons­re­gel: Es gilt das gespro­che­ne Wort. Dane­ben ist ein ver­schrift­lich­ter Inter­view­text ein­ge­stellt. In der Schrift­form sind die Fra­gen mit der Gesprächs­form iden­tisch, die Ant­wor­ten von Beer dage­gen sind voll­stän­dig umfor­mu­liert. Zum Bei­spiel sagt Beer im Ori­gi­nal­ge­spräch in einer Pas­sa­ge (ab Minu­te 14):
 ‚Alle Fach­leu­te sagen, dass es sich bei die­sen­Miss­brauchs­fäl­len (von Män­nern an Jun­gen) weni­ger oder gar nicht um homo­se­xu­el­le Taten oder homo­se­xu­el­le Bezie­hun­gen han­delt, son­dern dass die­se Miss­brauch­sta­ten Aus­druck einer unrei­fen Sexua­li­tät sind, bei der qua­si in einer Art Über­sprungs­hand­lun­gen sol­che Grenz­ver­let­zun­gen und sexu­el­le Über­grif­fe auch im Gra­de des Ver­bre­chens statt­fin­den.‘
Im Schrift­text heißt es dage­gen:
‚Fach­leu­te gehen davon aus, dass miss­bräuch­li­che sexu­el­le Hand­lun­gen von Män­nern an Jun­gen kaum als wirk­lich homo­se­xu­ell moti­viert klas­si­fi­ziert wer­den kön­nen, son­dern als Aus­druck einer unrei­fen, unge­klär­ten Sexua­li­tät.‘
In der Schrift­form wer­den gegen­über dem Ori­gi­nal die Begrif­fe Miss­brauchs­fäl­le, Miss­brauch­sta­ten, homo­se­xu­el­le Taten, homo­se­xu­el­le Beziehungen,Grenzverletzungen, sexu­el­le Über­grif­fe und Ver­bre­chen teil­wei­se ersetzt durch abge­mil­der­te For­mu­lie­run­gen. Der Begriff Über­sprungs­hand­lung wird ohne Ent­spre­chung eli­mi­niert. Zu der Wen­dung unrei­fe Sexua­li­tät wird das Adjek­tiv unge­klärt hin­zu­ge­fügt.
Eine ent­schei­den­de Text­ver­än­de­rung besteht dar­in, dass Beer für sei­ne Behaup­tun­gen alle Fach­leu­te in Anspruch nimmt, der Schrift­text dage­gen nur von (einigen)Fachleuten spricht. Eben­falls schwer­wie­gend ist fol­gen­de Sinn­ver­än­de­rung: Der Gene­ral­vi­kar behaup­tet, dass es sich bei den Miss­brauch­sta­ten von Män­nern an geschlechts­rei­fen Jun­gen ‚weni­ger oder gar nicht um homo­se­xu­el­le Taten oder homo­se­xu­el­le Bezie­hun­gen‘ han­deln wür­de.
In der Schrift­form heißt es, ‚kaum als wirk­lich homo­se­xu­ell moti­viert klas­si­fi­ziert‘.
Die schrift­li­che Form des Inter­views ent­hält dem­nach Kür­zun­gen, Aus­las­sun­gen, Erwei­te­run­gen, sinn­ent­stel­len­de Neu­for­mu­lie­run­gen, Ent­schär­fun­gen und Neu­in­ter­pre­ta­tio­nen. Der zwei­te Text wirkt wie eine Aus­füh­rung des erz­bi­schöf­li­chen Pres­se­spre­chers nach der Anwei­sung:
Zusam­men­fas­sung der Ant­wor­ten des Gene­ral­vi­kars, Kor­rek­tu­ren der inhalt­li­chen Män­gel, Glatt­bü­geln von Schär­fen und holp­ri­gem Stil in der Form.Das Skan­da­lö­se an dem Vor­ge­hen besteht dar­in, dass der voll­stän­dig neu for­mu­lier­te Zweit­text ohne irgend­wel­che Kenn­zeich­nun­gen als Ver­schrift­li­chung des Ori­gi­nal­in­ter­views aus­ge­ge­ben wird. Die Zusam­men­fas­sung von zwei unter­schied­li­chen Text­va­ri­an­ten unter einer Quel­len­an­ga­be führt sowohl bei der publi­zi­sti­schen Ver­brei­tung als auch in der spä­te­ren wis­sen­schaft­li­chen Auf­be­rei­tung zu größt­mög­li­cher Verwirrung.“

Neu­er­dings ist über dem Gesprächs­vi­deo sowie der Text­fas­sung fol­gen­de Bemer­kung eingefügt:

„Bit­te beach­ten Sie im Folgenden:

Sowohl Text­fas­sung als auch Video geben jeweils eigen­stän­dig den Wort­laut von Gene­ral­vi­kar Peter Beer wie­der. Bei­de Fas­sun­gen sind unab­hän­gig von­ein­an­der gül­tig. Abwei­chen­de For­mu­lie­run­gen erge­ben sich aus der Logik des jewei­li­gen Formats.“

Dazu ver­faß­te Hubert Hecker nach­ste­hen­de Anmerkung:

Die­se Erklä­rung kann die auf­ge­zeig­ten Wider­sprü­che der bei­den Rede­fas­sun­gen nicht aus­räu­men. Sie recht­fer­tigt die „skan­da­lö­se Ver­let­zung der Publi­ka­ti­ons­re­geln“ mit einer neu­en Falsch­aus­sa­ge, nach der der „Wort­laut von Gene­ral­vi­kar Peter Beer“ auch in der (geän­der­ten) Text­fas­sung ‚wie­der­ge­ge­ben’ wür­de. Doch die Schrift­fas­sung ist gera­de nicht wort­iden­tisch, was im drit­ten Satz mit „abwei­chen­den For­mu­lie­run­gen“ selbst zuge­ge­ben wird. Die Bezeich­nun­gen  „eigen­stän­dig“ und ‚Wort­laut-Wie­der­ga­be’ sind in sich wider­sprüch­lich. Unzu­tref­fend ist auch die fol­gen­de Behaup­tung, dass bei­de Fas­sun­gen „unab­hän­gig von­ein­an­der“ gül­tig sei­en. Da die Schrift­fas­sung ein­deu­tig sinn­ver­än­der­te Aus­sa­gen gegen­über dem gespro­che­nen Wort ent­hält, bleibt die Ver­wir­rung dar­über, dass zwei unter­schied­li­che Fas­sun­gen von dem­sel­ben Inter­view exi­stie­ren. Aus dem Schrift­for­mat ergibt sich kei­nes­wegs ‚logisch’, dass der Wort­laut eines Inter­views geän­dert wird. Wenn es Grün­de gibt, sprach­li­che Män­gel, Wie­der­ho­lun­gen, Ver­has­pe­lun­gen etc. eines Gesprächs kor­ri­gie­rend zu glät­ten, müss­te die Schrift­form als ‚über­ar­bei­te­te Fas­sung’ des münd­li­chen Gesprächs aus­ge­wie­sen werden.

Bild: erz​bis​tum​-muen​chen​.de (Screen­shot)

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