(Rom) Im Namen der „offenen Gesellschaft“ gibt es Bestrebungen, den offenen Dialog einzuschränken. Was linksgerichtete Gruppierungen und Medien fordern, und was linksgerichtete Regierungen und Parlamente einzuführen versuchen, gilt auch für die derzeitige Kirchenführung. Riccardo Cascioli, der Chefredakteur der katholischen Internetzeitung La Nuova Bussola Quotidiana, schlägt Alarm und warnt vor einem neuen Index. Der neue Index betreffe nicht mehr verbotene Bücher, dafür aber „verbotene“ Internetseiten.
Abweichende Stimmen in der „Kirche der Zärtlichkeit“ unerwünscht
Die „Kirche der Zärtlichkeit“ mag keine abweichenden Stimmen, so Cascioli. Das „Hören“ einer „hörenden Kirche“ werde zwar betont, gelte aber nur gegenüber bestimmten Richtungen. Um den „demütigen“ Papst wurde ein Personenkult geschaffen. Wer ihm nicht huldigt, werde nicht geduldet.
Gestern veröffentlichte die italienische Tageszeitung Il Giornale einen Kommentar von Riccardo Cascioli, einem der international führenden katholischen Journalisten. Es ist ein Weckruf:
„Der Papst setzt ‚unbequeme‘ Internetseiten auf den Index“.
Die Begründung? Sie würden „zu viele Fake News“ verbreiten.
Als Reaktion auf das Viganò-Dossier taucht damit ein Amt für die „Zertifizierung katholischer Medien“ auf. Man könnte auch von einer neuen Zensurbehörde sprechen. Überhaupt scheint der Ruf nach Zensur, derzeit die Phantasien der in Kirche und Welt mächtigen Kreise zu bewegen. Nicht von ungefähr läßt sich eine Affinität zwischen beiden Gruppen erkennen.
Zensurbehörde gefordert
Die Forderung nach einer Zensurbehörde ist im Schlußbericht der Jugendsynode enthalten, und den haben bekanntlich weder die Synodalen und schon gar nicht Jugendliche geschrieben. Der Text stammt von einem Redaktionskomitee, dessen Mitglieder von Papst Franziskus handverlesen bestimmt wurden. Die Forderung kommt also direkt vom päpstlichen Hofstaat, der sie sich selbst zuspielt, um daraus eine inszenierte Handlungsaufforderung ableiten zu können.
Eine eigene Behörde soll „Zertifizierungssysteme für katholische Internetseiten verwalten“. Damit wolle man, so die Begründung, „Fake News“ bekämpfen, die die Kirche betreffen.
Cascioli sieht die Sache ganz anders und spricht von einer „besorgniserregenden Forderung“:
„Es scheint der neueste Baustein in einem unterschwelligen Krieg gegen die Internetseiten zu sein, die beschuldigt werden, Papst Franziskus und einige seiner Mitarbeiter zu kritisieren, die besonders aktiv die Änderung der Glaubenslehrer vorantreiben“.
Die Idee ist nicht einmal originell, „da auf die Tradition des Index der verbotenen Bücher zurückgegriffen wird“. Jener berühmte Index Librorum Prohibitorum, der der Kirche noch heute zum Vorwurf gemacht wird, war von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts in Geltung. Allerdings gebe es einen „grundlegenden Unterschied“, so Cascioli:
„Der Index rechtfertigte sich durch die Notwendigkeit, das katholische Volk vor den Häresien zu bewahren, die sich durch die Erfindung des Buchdrucks leichter verbreiten ließen. Heute hingegen will die Zensur jene treffen, die zur Rechtgläubigkeit aufrufen und sich nicht dem ‚neuen Kurs der Kirche‘ anpassen wollen, der voller ‚Überraschungen‘ steckt, die dem widersprechen, was seit 2000 Jahren geglaubt und gelebt wurde.“
Amoris laetitia als Auslöser eines „Internetkrieges“
Diesen „Internetkrieg“, von dem Cascioli spricht, führt er auf die Veröffentlichung des umstrittenen, nachsynodalen Schreibens Amoris laetitia im April 2016 zurück. Einige Episkopate interpretierten das Schreiben als grünes Licht für die Zulassung wiederverheirateter Geschiedener (und nicht nur sie) zur Kommunion – und zwar mit päpstlicher Zustimmung.
Kritiker warnten bereits im Vorfeld, daß damit nicht nur das Ehesakrament in Frage gestellt werde, sondern die gesamte katholische Morallehre. Vier Kardinäle, Caffarra, Brandmüller, Burke und Meisner, wandten sich dazu mit ihren Zweifeln (Dubia) direkt an Papst Franziskus. Das war vor mehr als zwei Jahren. Als sie keine Antwort erhielten, übergaben sie ihre Dubia im November 2016 einigen katholischen Internetmedien. Diese Medien, darunter die Nuova Bussola Quotidiana von Cascioli und Settimo Cielo des Vatikanisten Sandro Magister, waren deshalb ausgewählt worden, weil die offizielle katholische Presse „gleichgeschaltet und bereit ist, jede doktrinelle Revolution zu unterstützen“.
Andere katholische Internetseiten, darunter Katholisches.info für den deutschen Sprachraum, veröffentlichten Ende September 2016 die Correctio filialis gegen die Verbreitung von Häresien, die von Theologen, Philosophen und Priestern unterzeichnet war. Sie mahnten Papst Franziskus, der Ausbreitung von Häresien entgegenzutreten. Der Vatikan reagierte in einer ersten zornigen Reaktion, indem der Zugang zu den Internetseiten gesperrt wurde.
Einen Monat später bediente sich Kardinal Robert Sarah, der Präfekt der römischen Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, unabhängiger katholischer Medien anstatt der offiziellen Vatikanmedien, um eine Stellungnahme zu veröffentlichen. Mit ihr wandte er sich gegen gewagte Interpretationen zur Übersetzung der liturgischen Texte in die Volkssprachen entgegentrat, die nach der Veröffentlichung des Motu proprio Magnum Principium durch Papst Franziskus aufgetreten waren. Im November 2017 setzte Franziskus einen beispiellosen Schritt. Er verlangte von Kardinal Sarah, daß dieselben Medien seine Gegenstellungnahme veröffentlichen, mit denen er den Ausführungen Sarahs widersprach.
„Diese Forderung machte deutlich, wie sehr die Arbeit bestimmter Medien, die von der Kirchenführung nicht kontrolliert werden können, den großen Drahtzieher stört“, so Cascioli.
Im März 2018 beauftragte der Vatikan sogar eine der global bekanntesten und teuersten Rechtsanwaltskanzleien, um der spanischen, unabhängigen, katholischen Internetseite InfoVaticana den Garaus zu machen.
Franziskus: „Aus Gründen der psychischen Hygiene lese ich sie nicht“
Im Vatikan wolle man aber die Verwirrung und das Unbehagen nicht sehen, die im katholischen Volk herrschen, sowohl unter den Gläubigen als unter den Gottgeweihten, wegen „der verzerrten Auslegung der Glaubenslehre, die ein bestimmter Progressismus aufzwingen will“. Stattdessen versuche man die Frage ins Politische zu zerren, so Cascioli, indem von „konservativen Widerstandsnestern“ gegen einen angeblichen „Frühling der Kirche“ die Rede ist, den dieses Pontifikat hervorbringe.
Das sei nicht nur das Narrativ seines Umfeldes, sondern auch von Papst Franziskus selbst. Als er im vergangenen Januar während seiner Reise nach Chile und Peru mit den Jesuiten dieser Länder zusammentraf, sagte er:
„Aus Gründen der psychischen Hygiene lese ich nicht die Internetseiten dieses sogenannten ‚Widerstandes‘. Ich weiß, wer das ist. Ich kenne die Gruppen, aber ich lese sie nicht. Wenn es etwas sehr ernstes gibt, möge man mich informieren, damit ich es auch weiß.“
Der Hinweis war eine Aufforderung an die Priester und Gläubigen, es ihm gleichzutun, und kritische Stimmen nicht zu lesen. In Wirklichkeit machte die Aussage des Papstes sichtbar, wie sehr der Stachel dieser unabhängigen Internetseiten im Fleisch schmerzt. Er schmerzt so sehr, daß Franziskus diese Medien in seinem jüngsten Apostolischen Schreiben Gaudete et exsultate einen eigenen Platz „reservierte“.
Darin beschuldigt Franziskus einige Christen „Teil von Netzwerken verbaler Gewalt“ zu sein. „Sogar in katholischen Medien können die Grenzen überschritten werden; oft bürgern sich Verleumdung und üble Nachrede ein, und jegliche Ethik und jeglicher Respekt vor dem Ansehen anderer scheinen außen vor zu bleiben.“
Inhaltlicher Gleichschritt mit weltlichen Kräften
Pünktlich und punktgenau schlug Franziskus im vergangenen März nicht nur in spontanen Wortmeldungen, sondern lehramtlich dieselben Töne an, die seit Ende 2016 aus den Reihen des US-Establishments zu hören sind. Aus den Kreisen jenes Establishments, das im US-Präsidentschaftswahlkampf gegen Donald Trump unterlegen ist. Es sind dieselben Töne, die kurze Zeit später, nachdem die New York Times am Tag nach der Wahl den Startschuß dazu gegeben hatte, auch in westeuropäischen Staatskanzleien angeschlagen wurden. Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz ist ein Ergebnis davon.
Wurde im November 2008 der Wahlsieg von Barack Obama als „erste Sieg“ des Internets, ‚der „genialsten Erfindung des Fortschritts und der Demokratisierung“ gefeiert, weil über die sozialen Netzwerke eine „neue Graswurzelbewegung“ mobilisiert worden sei, wird seit dem Wahlsieg von Donald Trump im November 2016 das Internet von denselben Kreisen als gefährliche Bedrohung dargestellt.
Auch in diesem Punkt vertritt Franziskus die Position des linken Establishments. Die plötzlich an die Wand gemalte Gefahr bestehe durch ein unkontrolliertes Internet, das zur tatsächlichen oder potentiellen Verbreitung von „Fake News“ beitragen könne. Das Stichwort „Fake News“ war die entscheidende Parole, die am Tag nach der US-Präsidentschaftswahl von der New York Times ausgegeben worden war. Mit keinem Wort wird dabei erwähnt, daß klassische Medien ebenso Fake News verbreiten, diese aber noch weit schwerwiegendere Folgen nach sich ziehen.
Das Motiv der Trump-Gegner und von Papst Franziskus ist dasselbe. Nur kontrollierte Medien seien gute Medien.
Die neue Sprachregelung: „selbsternannte katholische“ Seiten
Der innerkirchliche Konflikt hat inzwischen durch den McCarrick-Skandal ein ganz neues Kampffeld, das sich bereits Anfang des Jahres mit dem Fall Barros abgezeichnet hatte. Der ehemalige Nuntius für die USA, Erzbischof Carlo Maria Viganò, beschuldigt Papst Franziskus im Zusammenhang mit dem sexuellen Mißbrauchsskandal schwerwiegender Fehlentscheidungen und fordert seinen Rücktritt.
„Der päpstliche Hof – der neben den offiziellen kirchlichen Medien auch auf die Unterstützung der führenden weltliche Medien zählen kann – versucht die ganze Sache auf ein Problem des Klerikalismus kleinzureden, während die beanstandeten Internetseiten jenen breiten Raum gewähren, die den Ursprung des Problems in der Homosexualität sehen, die von der Kirchenführung geduldet, wenn nicht sogar gefördert wird.“
Und Cascioli weiter:
„Der Kampf wird daher immer härter. Deshalb versuchen die Medien, die die doktrinelle Revolution unterstützen, den unabhängigen Internetseiten die Legitimation zu entziehen, die in jüngster Zeit nicht zufällig als ‚selbsternannte katholische‘ Seiten bezeichnet werden.“
Auch darin folgen die Mitarbeiter, Sekundanten und Helfer von Papst Franziskus ganz den weltlichen Gepflogenheiten, wo schon seit einiger Zeit von Linkskreisen gezielt von einer „selbsternannten Lebensrechtsbewegung“ und „selbsternannten Lebensschützern“, oder im politischen Bereich von „selbsternannten Patrioten“ und „selbsternannten Heimatschützern“ die Rede ist. Die vielbeschworene „Inklusion“ ist im Handumdrehen verschwunden, wenn es um abweichende Meinungen geht.
Cascioli abschließend:
„So erklärt sich dieser Drang nach Zensur, der sicher nicht ohne Folgen bleiben wird.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Il Giornale (Screenshot)
Ich bin erschrocken über ihre Website. Schon die Farbgebung schwarz, weiß, rot ist hoch problematisch, denn sie kann für eine deutschsprachige Website als eine Anlehnung an in Farben der Reichskriegsflagge interpretiert werden. Ich verstehe die Farbgebung jedenfalls wie beschrieben.
Was ist katholisch? Ihre Redaktion weiß es anscheinend genau. Ich jedenfalls bin mir da manchmal nicht sicher, Gott sei Dank. Ich habe die Unterstützungspetition für Papst Franziskus unterschrieben, die kürzlich die Theologen Zulehner und Halik überreichten, denn sie unterstützt katholisches Leben der Barmherzigkeit – verbunden mit scharfer Intellektualität. Ich werde in meiner Gemeinde, meinem Familien- und Bekanntenkreis für Aufklärung gegenüber ihrer mit verhärteten Herzen erstellten Angst-vor-Untergang-Website sorgen.