(Abuja) Im nigerianischen Staat Benue wurden 500 Kirchen zerstört. Dort ist eine Christenverfolgung großen Stils im Gange. Der Westen aber will von dem leisen Massaker in Nigeria nichts wissen. Dabei entscheidet sich wahrscheinlich dort, ob Afrika christlich oder muslimisch sein wird.
In den vergangenen drei Jahren wurden von den Dschihadisten der islamischen Terrormiliz Boko Haram in Nigeria 3.850 Christen ermordet. Allein im vergangenen Dezember 2017 und Januar 2018 wurden im erdölreichsten Land Afrikas 350 getötete Christen gezählt. Innerhalb von zwei Tagen wurden von den islamischen Horden 50 Christen in den Staaten Kogi und Plateau hingerichtet. Zwei Tage davor fand ein Massenbegräbnis für die bei einem einzigen Angriff niedergemetzelten Christen statt.
Der Ende Februar verstorbene Bischof von Kafanchan, Joseph Bagobiri, hinterließ für sein Bistum genaue Aufzeichnungen über die islamischen Angriffe. Seine Bilanz:
„53 niedergebrannte Dörfer, 808 getötete Menschen, 1.422 zerstörte Häuser, 16 zerstörte Kirchen“.
Was Boko Haram macht, ist eine ethnisch-religiöse Säuberung.
Ende Februar wurden im Norden Nigerias mindestens zwölf Christen getötet. Das sei eine „Strafmaßnahme“ gewesen, weil Christen zuvor versucht hatten, einige christliche Mädchen vor der Zwangsislamisierung in Sicherheit zu bringen.
Nigeria ist in einen islamischen Norden und einen christlichen Süden gespalten, der den Großteil der Erdölreserven des Landes kontrolliert. Wie fast alle afrikanischen Staaten, wurden die Staatsgrenzen von den europäischen Kolonialmächten, konkret den Briten und den Franzosen, willkürlich gezogen. Ein Ergebnis ist diese religiöse Spaltung mehrerer Staaten, die zu innerer Unruhe beiträgt und ein Faktor der Destabilisierung ist. Der christliche Südsudan entzog sich 2011 der jahrelangen, grausamen Unterdrückung durch den arabisch-muslimischen Norden durch Abspaltung. An der einstigen Pfeffer‑, Elfenbein‑, Sklaven- und Goldküste Westafrikas gibt es diese christlich-islamischen Staaten aus der Kolonialzeit noch. Seit mehr als zehn Jahren erlebt Nigeria, der bevölkerungsreichste von ihnen, blutige Attentate und dramatische Entführungen durch die islamische Terrormiliz Boko Haram.
Der Konflikt war ursprünglich ein Stammeskrieg mit ökonomischem Hintergrund, also etwas, was Afrika vor der Kolonialzeit und seit deren Ende wiederholt erlebt hat. In Nigeria wurde der Stammeskonflikt der selbstbewußten, islamischen Fulbe von neuen islamischen Ideen überlagert und zu einem Religionskrieg gegen die Christen. Diese Entwicklung ist Teil der Ausbreitung des neuen Dschihad, jener Krankheit, die von Osama bin Laden mit Al Qaida unter den sunnitischen Muslimen ausgestreut wurde.
Der algerische Schriftsteller Boualem Sansal spricht in seinem neuen Buch „Im Namen Allahs“ von einem „totalen Krieg“, deren „Zeugen wir in Somalia, in Afghanistan, in Algerien, in Norden von Mali und in den von Boko Haram beherrschten, muslimischen Provinzen Nigerias geworden sind“. Der nigerianischen Literaturnobelpreisträger Wole Soyinka vergleicht die Lage in seiner Heimat mit jener „der Algerier, die zehn Jahre gegen die fundamentalistischen Mörder gekämpft haben“.
Der Schlachtruf von Boko Haram ist der aller islamischen Terroristen: „Allahu Akbar“.
„Die westliche Öffentlichkeit, immer schwerhörig, wenn es um verfolgte Christen geht, will von diesen Nigerianern nichts hören“, so die Tageszeitung Il Foglio.
Der katholische Bischof von Nomadi, Hyacinth Egbebo, erklärt aber, worum es geht:
„Wenn Nigeria in die Hand der Islamisten fällt, steht ganz Afrika auf dem Spiel“.
Laut dem britischen Historiker Philip Jenkins entscheidet sich in Nigeria, ob in Afrika der Islam oder das Christentum die Oberhand gewinnt. Die Frage sei noch nicht entschieden. Jenkins dazu:
„Das religiöse Schicksal Nigerias könnte in diesem Jahrhundert ein politischer Faktor von immenser Bedeutung werden“.
Auch die Dschihadisten seien sich dessen bewußt. Ihr Vorstoß zur „Eroberung Afrikas“ erfolge an mehreren Stellen. Da gehe es einmal um den innerislamischen Kampf in den Staaten Nordafrikas, die bereits mehrheitliche muslimisch sind. Dazu komme die Expansion gegen das christliche Afrika. Sie erfolge vor allem in Westafrika, konkret in Nigeria, und entlang der ostafrikanischen Küste, besonders in Kenia, Tansania und auf Madagaskar. Überall zeige sich ein ähnliches Bild: Islamische Staaten, besonders der Golfregion, aber auch die Türkei und islamische Organisationen aus Pakistan und Indonesien, bauen Moscheen, finanzieren die Ausbreitung des Islams und bilden Imame aus.
Dieser Kampf um Afrika sei auch der Grund, warum die Dschihadisten die Christen massakrieren. Boko Haram, Teil des internationalen Islamisten-Netzwerkes, will die Grenze des Islams ausweiten und auf christliches Gebiet vorschieben.
Als US-Präsident Donald Trump im vergangenen Februar mit seinem nigerianischen Amtskollegen Muhammadu Buhari, selbst Muslim und Angehöriger der Fulbe, konferierte, wurde ein Bericht bekannt, der von 16.000 seit Juni 2015 getöteten Christen spricht.
Das Bild, das der Bericht zeichnet, ist noch weit erschreckender und zeigt die komplexe Situation eines so tief gespaltenen Bundesstaates wie Nigeria: 2.050 Christen wurden laut dem Bericht durch Einheiten des Staates getötet, 7.950 Christen im Polizeigewahrsam oder im Gefängnis und 5.800 Christen durch Boko Haram und Fulbe.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Chiesa e postconcilio/Wikicommons
Das Tragische der Geschichte ist, dass die Menschheit aus der Vergangenheit rein gar nichts gelernt zu haben scheint. Am allerwenigsten vielleicht der Westen vom Wesen des Holocaust. Je beschwörungsreicher er im Vakuum seines eigenen zeitgenössischen Selbstverstängnisses, Liturgien der Erinnerung zelebriert, desto abgehobener und blinder erscheint er für die Ereignisse der Gegenwart zu sein, die parallel dazu in eine verhängnisvolle Ignoranz und Fehleinschätzung für die tatsächlichen Sirenen der Gegenwart münden. Während sich verblüffend analoge Adjektive eine Weltreligion selbst erklärter Maßen zu eigen macht, und jene nun zu Verfolgung, Vertreibung, Ausrottung ganzer Bevölkerungsgruppen führen, ist doch man paralysiert wie ein Kaninchen vor der Schlange, und wiederum unfähig die Dinge realitstisch zu benennen, sowie diesen wirksacm zu begegnen. So erinnern die Mahnmale des Holocaust im selben Augenblick ihrer Betrachtung, an deren eigene Vergeblichkeit hinsichtlich ihrer Wirkung im Hier und Jetzt, auf das alles es im menschlichen Leben ankommen würde.