(Rom) Dario Kardinal Castrillon Hoyos, am 18. Mai verstorben, wurden in den vergangenen Tagen auch von führenden, meinungsbildenden Medien Nachrufe gewidmet. Sie sind ein Spiegelbild jener Zerrissenheit, das die katholische Hierarchie und den Blick auf sie seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil prägt.
Der kolumbianische Purpurträger war in Lateinamerika ein herausragendes Gegengewicht zur marxistischen Versuchung, von der zahlreiche Priester, Ordensleute und auch Bischöfe angekränkelt waren (und noch immer oder schon wieder sind). Damit stellte Castrillon Hoyos die Ausnahme, nicht die Regel dar. Der Kardinal hatte aber auch im Vatikan Gewicht, besonders unter Papst Johannes Paul II., der ihn 1998 in das Kardinalskollegium aufgenommen hatte.
Nachruf der New York Times
Gestern widmete das Medienflaggschiff schlechthin, die New York Times, dem Verstorbenen einen erstaunlich umfangreichen Nachruf. Liest man den Nekrolog aufmerksam, wird ersichtlich, daß negative Anmerkungen die positiven deutlich überwiegen. Von einer kirchenfernen und zudem selbstbewußten, liberalen Meinungsführerin war kaum anderes zu erwarten. Die Darstellung von Kardinal Castrillon Hoyos als „Konservativen“ ist dabei noch die größte Höflichkeit.
Der Nachruf spiegelt vor allem die Haltung der New York Times in den vergangenen Jahrzehnten wider, womit in erster Linie die Pontifikate von Johannes Paul II. und Benedikt XVI. gemeint sind. Was das New Yorker Tagblatt der liberalen Finanzelite und ihres linken Fußvolkes negativ am Kardinal beanstandet, gibt demnach ziemlich punktgenau wieder, wo die Zeitungsredaktion in der Vergangenheit auf der falschen Seite stand. Der Nachruf ist eine kleine Chronologie der verschleiert dargestellten Feindseligkeiten gegen die katholische Kirche, nämlich gegen die Kirche dort, wo sie wirklich und authentisch als katholische Kirche in Erscheinung tritt.
Die Linie des Blattes scheint sich in den vergangenen Jahren jedoch geändert zu haben. Zumindest scheint es so. In Wirklichkeit applaudiert sie einem neuen Papst, der offensichtlich besser ins Konzept paßt, aber nicht der katholischen Kirche. Papst Franziskus wird – im Gegensatz zu seinen beiden Vorgängern – seit seiner Wahl auffälliges Wohlwollen gezollt. Diese Haltung wurde noch verstärkt, seit die New York Times US-Präsident Donald Trump den Krieg erklärte, was bereits am Tag nach seiner Wahl geschah, also noch Monate vor seiner Amtseinführung. Seither verwandelte sich die Zeitung, die der katholischen Kirche so nahesteht wie ein Pinguin der Sahara, fast zu einem papistischen Blatt.
Nachruf der Piusbruderschaft
Ebenfalls gestern wurde auch ein Nachruf auf Kardinal Castrillon Hoyos von ganz anderer Seite publiziert. Actualités, der Nachrichtendienst der traditionalistischen Priesterbruderschaft St. Pius X., würdigt den Kardinal als „Hauptkontakt“ zwischen dem Heiligen Stuhl und der Piusbruderschaft in den Jahren 2000–2009. In jener Zeit war der Kolumbianer Vorsitzender der Päpstlichen Kommission Ecclesia Dei.
Obwohl es zu seiner Zeit zu keiner Einigung zwischen den beiden Seiten kam, die Gespräche vielmehr erst nach seinem Abgang bei Ecclesia Dei richtig Fahrt aufnahmen, wird ihm von FSSPX-Seite Respekt gezollt. Castrillon Hoyos habe „eine wichtige Rolle bei der Änderung der Einstellung des Vatikans gegenüber der überlieferten Liturgie gespielt“.
Der Kardinal habe die Aufhebung des „ungerechtfertigten“ Exkommunikationsdekretes gegen die Bischöfe der Piusbruderschaft vorbereitet, und damit die Voraussetzungen für die darauf folgenden Gespräche geschaffen. Als ein internationaler Medienaufschrei erfolgte, habe Castrillon Hoyos „nicht gezögert“, die päpstliche Entscheidung, aber auch die betroffenen Bischöfe zu verteidigen. Er selbst mußte dafür seinen Preis bezahlen, denn kirchenferne und innerkirchliche Gegner rächten sich mit dem Fall Williamson, in dem der Kardinal zum Sündenbock wurde.
Als die Piusbruderschaft im Heiligen Jahr 2000 eine Wallfahrt nach Rom unternahm, war es Kardinal Castrillon Hoyos, der die vier 1988 von Erzbischof Marcel Lefebvre ohne Erlaubnis des Papstes geweihten Bischöfe empfing, und damit nach zwölf Jahren das Ende der Ächtung einleitete.
Zwei Jahre später zelebrierte der Kardinal als Präfekt der Kleruskongregation und Vorsitzender von Ecclesia Dei gegen alle kirchlichen Bedenkenträger, auch und nicht zuletzt im Kardinalskollegium, in der Päpstlichen Basilika Santa Maria Maggiore eine feierliche Heilige Messe im überlieferten Ritus.
Während es in der Kirche noch genügend Vertreter gab, die von der Piusbruderschaft als „Sekte“ sprachen und gegen die Angehörigen und vor allem gegen ihr Anliegen agitierten, bedauerte Kardinal Castrillon Hoyos zwar, daß es keine volle Gemeinschaft zwischen der Piusbruderschaft und Rom gebe, betonte aber, daß die Bischofsweihen von 1988 „kein Schisma“ waren.
Das „Bleibende“ des Pontifikats von Papst Benedikt XVI., so Martin Mosebach, ist das Motu proprio Summorum Pontificum. An diesem Bleibenden kommt dem Kardinal aus Südamerika eine „bedeutende Rolle“ zu, so die Piusbruderschaft in ihrem Nachruf, in dem es abschließend heißt:
„Der Kardinal wünschte, daß eine kanonische Lösung für die Bruderschaft gefunden würde. Das wurde aber nie möglich gemacht. […] Es wäre aber ungerecht, nicht für die vom kolumbianischen Prälaten gesetzten Handlungen dankbar zu sein. Sie waren mutig, als sie sich der Feindschaft der Progressiven und der erbittersten Feinde der Kirche entgegenstellten. Requiscat in pace.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican.va/NYT/Actualités (Screenshots)