(Gaza) Ein Selbstmordattentäter hat sich um 1 Uhr morgens an einem Kontrollpunkt, wenige hundert Meter vor dem Grenzübergang Rafah zwischen dem Gazastreifen und Ägypten, in die Luft gesprengt. Die Bombe tötete einen Angehörigen der Hamas und verletzte weitere vier, davon einen lebensgefährlich. Der Innenminister des Gazastreifens geht davon aus, daß es sich beim Attentäter um einen Angehörigen der Dschihadmiliz Islamischer Staat (IS) handelt.
„Am frühen Morgen haben die Sicherheitskräfte zwei Personen angehalten, die sich der Südgrenze [mit Ägypten] näherten“,
so ein Sprecher des Innenministeriums. Einer der beiden Männer zündete einen Sprengsatz und tötete den 28 Jahre alten Nidal Jafaari. Zeugen berichten, daß nach dem Attentat entlang der Grenze mehrere Hundertschaften aufgeboten wurden.
Es ist, laut Angaben von Asianews, das erste Mal, daß sich ein Palästinenser in die Luft sprengte, um Hamas-Vertreter zu treffen. Hamas ist der palästinensische Ableger der Muslimbrüder. Sie ist Partei, Miliz und Hilfswerk. Seit einem Jahrzehnt kontrolliert sie innerhalb der Palästinensischen Autonomiegebiete bzw. dem Staat Palästina den Gazastreifen, während Al Fatah das Westjordanland kontrolliert. Für Israel und eine Reihe westlicher Staaten ist Hamas eine „terroristische Vereinigung“.
Hamas macht „fundamentalistische Dschihadisten“ für den heutigen Angriff verantwortlich. Wie das Innenministerium bekanntgab, seien die Ermittlungen allerdings noch im Gange.
In der jüngeren Vergangenheit kritisierte Hamas wiederholt radikalere, salafistische Gruppen. In den vergangenen Monaten waren mehrere Dutzend Salafisten verhaftet worden, was den Zorn dieser Kreise provozierte, die mit Vergeltung drohten.
Die Zahl aktiver Salafisten im Gazastreifen ist nicht bekannt. Deren Anführer sprechen von „mehreren Tausend“, während Hamas von einigen Dutzend spricht.
Der Grenzübergang von Rafah ist die einzige Verbindung zwischen dem nicht von Israel kontrollierten Streifen und Ägypten. Aus Sicherheitsgründen ist er meist geschlossen. Ägypten hatte ihn erst am Montag wieder aus humanitären Gründen geöffnet und um muslimischen Pilgern die Reise nach Mekka zu ermöglichen. Die Hamas-Regierung des Gazastreifens hatte jüngst die Sicherheitsvorkehrungen an der Grenze verschärft, um die Beziehungen zu Kairo zu verbessern. Ägypten beschuldigte in der Vergangenheit Hamas, den im Nord-Sinai operierenden Ableger des Islamischen Staates (IS) stillschweigend zu unterstützen.
Sollte es eine solche Zusammenarbeit zwischen dem IS und Hamas gegeben haben, ist sie heute beendet worden.
Im Gazastreifen, einer Fläche so groß wie das Fürstentum Liechtenstein, leben rund 1,9 Millionen Palästinenser, fast ausnahmslos Muslime. Der Anteil der Christen wird mit nur mehr mit 1.200 angeben. Davon sind rund 200 Katholiken. Sie spielen im Hamas-kontrollierten Gazastreifen keine Rolle mehr.
70 Prozent der Bevölkerung sind Flüchtlinge und deren Nachkommen aus dem Gebiet des heutigen Staates Israel. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben in Flüchtlingslagern und sind von internationaler humanitärer Hilfe abhängig.
Text: Andreas Becker
Bild: Asianews